Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 6 KR 30/02 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnungn bis Anschluss des angekündigten erstinstanzlichen Klageverfahrens verpflichtet, den Antragsteller bzw. den behandelnden Nuklearmediziner T gegenüber der Firma B U GmbH & Co. KG T1, von den Kosten des Arzneimittels "000-T2 " für maximal 10 Verabreichungen freizustellen. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Notwendigkeit einer unverzüglichen Arzneimittelversorgung des Antragstellers (ASt) mit dem vom Beigeladenen 3) hergestellten und arzneimittelrechtlich zugelassenen apothekenpflichtigen Arzneimittel "000-T2" (offenes Radionuklid). Der ASt leidet an Morbus Bechterew - Stadium III - und ist seit 9 Monaten arbeitsunfähig krank. Laut Gutachten des MDK(Medizinischer Dienst der Krankenversicherung)-Arztes Dr. U1 vom 19.12.2001 ist nach erfolgloser schmerztherapeutischer Behandlung die vom behandelnden Nuklearmediziner T mit Arztbrief vom 19.10.2001 an den behandelnden Rheumatologen Dr. X befürwortete Radium-224-Therapie medizinisch indiziert.
Den Kostenübernahmeantrag für eine Behandlung mit "000-T2" des Nuklearmediziners T vom 16.10.2001 lehnte die Antragsgegnerin (AG) mit Bescheid vom 03.12.2001 und Widerspruchsbescheid vom 09.04.2002 aus rechtlichen Gründen ab, weil das unter Auflagen - unter anderem Vorlage einer klinischen Studie Phase 111 binnen fünf Jahren - vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zugelassene "000-T2" noch nicht abschließend erprobt und eine Erprobung zu Lasten des Krankenversicherungsträgers unzulässig sei. Als ärztliche Behandlung unter Anwendung eines Arzneimittels stehe die Behandlung als neue Behandlungsmethode unter dem Vorbehalt einer Empfehlung durch den Beigeladenen 2); mangels einer entsprechenden Gebührenposition im EBM (Einheitlicher Bewertungsmaßstab) sei die vertragsärztliche ambulante Behandlung mit "000-T2" nicht abrechnungsfähig.
Mit seinem am 20.02.2002 gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verweist der ASt auf folgendes:
- Eine Behandlung mit dem einzigen zur Behandlung seines Morbus Bechterew in Betracht kommenden Basistherapeutikums "000-T2" sei eilbedürftig, weil er vor Schmerzen "die Wände hochgehe" und sich sein Gesundheitszustand ohne die begehrte Radionuklid-Therapie dramatisch verschlechtere; die Behandlung sei die einzige für ihn erfolgversprechende Behandlungsmöglichkeit.
- Es handele sich bei "000-T2" um ein nach den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG) durch Bescheid des BfArM vom 23.10.2000 nach Anhörung der Strahlenschutzkommission - Stellungnahme vom 23., 24.04.1998 (152. Sitzung) - zugelassenes Arzneimittel.
- Das Arzneimittel dürfe laut Beschluss des Länderausschusses für Atomenergie Fachausschuss Strahlenschutz - vom 28.02./01.03.2000 ambulant verabreicht werden.
- Bei der Verabreichung durch einen Vertragsarzt handele es sich nach arzneimittelrechtlicher Zulassung nicht um eine "neue" Behandlungsmethode, die einer Prüfung durch den Beigeladenen 2) bedürfe.
- Die fehlende Erfassung einer Behandlung des Morbus Bechterew mit dem offenen Radionuklid "000-T2" im Kapitel T (Strahlentherapie) V (Anwendung offener Radionuklide) des EBM stehe der vertragsärztlichen Versorgung nicht entgegen, denn die hier geregelte Verbindung von ärztlicher Leistung und aufgewandten Radionukliden sei dem Bewertungsausschuss - dem Beigeladenen 1) - nicht zwingend vorgegeben, was der Entwurf des EBM-Plus (Stand: 27.10.2000) mit getrennter Berechnung von Radionukliden befege.
- Die Injizierung des Radionuklids könne unter der EBM-Gebührenposition Nr. 4 (Konsiliarpauschale) abgerechnet werden.
Zur Stützung seines Vorbringens legt er vor:
1. Zulassungsbescheid des BfArM vom 23.10.2000,
2. Monographie (224-Ra) Radiumchlorid Bundesgesundheitsamt Bundesanzeiger vom 21.11.1992, Seite 8827,
3. Therapie mit Ra-224-Radiumchlorid, Stellungnahme Strahlenschutzkommission vom 23./24.04.1 998,
4. Bundesamt für Strahlenschutz, Nuklearmedizinische Therapie mit Ra-224-Radiumchlorid,
5. Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin, Entwurf: Stand 03.09.2001,
6. Niedersächsisches Umweltministerium, Durchführung der Strahlenschutzverordnung (StrISchV) Therapie mit Ra-224-Radiumchlorid,
7. Stellungnahme Einordnung von 000-T2",
8. Braun u.a., Therapie der ankylosierenden Spondyli-tis (AS) mit Radiumchlorid (000-T2), Z Rheumatol. 2001, Seite 74, 76,
9. Reiners, Braun u.a., Therapie der Spondylitis ankylosans mit (224-Ra)-Radiumchlorid, Der Nuklearmediziner/ Seite 105, 109,
10.Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Rheumathologie zur Therapie der ankyosierenden Spondylitis (AS) mit Radiumchlorid (000-T2), Z Rheumatot.60: 84-87 (2001), Seite 84,
11.Schreiben des Nuklearmediziners T vom 21.03.2002,
12.Schreiben der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, Prof. Dr. C, vom 04.02.2002,
13.Schreiben der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew e.V. vom 21.11.2001 und
14.Schreiben der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin vom 24.01.2001.
Der Antragsteller beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum Abschluss des angekündigten erstinstanzlichen Klageverfahrens zu verpflichten, den Antragsteller bzw. den behandelnden Nuklearmediziner T gegenüber der Firma B U GmbH & Co. KG, T1, von den Kosten des Arzneimittels "000-T2" für maximal 10 Verabreichungen freizustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf den Inhalt der von ihr erteilten Bescheide und stützt sich insbesondere auf die von ihr vorgelegte Grundsatzstellungnahme des MDS (Medizinischer Dienst der Spitzenverbände), Apotheker X/Orthopädin Dr. F, vom Juni 2001. Nach ihrer Auffassung müsse für eine Leistungserbringung zu ihren Lasten eine Empfehlung des Beigeladenen 2) ergehen oder aber eine entsprechende Gebührenposition in den EBM aufgenommen werden. Die nur unter Auflagen erteilte Arzneimittelzulassung des "000-T2" sei keine endgültige und setze u.a. noch eine klinische Erprobung innerhalb von fünf Jahren voraus. Die Behandlung mit "000-T2" beinhalte erhebliche gesundheitliche Risiken, u.a. Knochenkrebs- oder Leukämie-Erkrankung, sodass eine Abgabe an Versicherte zu Lasten der Krankenkassen derzeit nicht vertretbar sei.
Zur Stützung ihrer Rechtsauffassung legt sie vor:
- Stellungnahme des Beigeiadenen 2) vom 07.07.2000,
- Aufsatz Doring et alt, Morbus Bechterew: Aktueller Stand der Diagnostik und Therapie für die ambulante Betreuung, internist. prax. 42 (2202), 87 ff.,
- arzneimitteltelegramm, 31 (2000), 70 f ...
Sie hat sich - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht -mit einer Abrechnung der vertragsärztlichen Leistung - Injizieren des Radionuklids - über die EBM-Ziffer 1 - Ordinationsgebühr - einverstanden erklärt:
Der Beigeladene 1) schließt sich der Auffassung der AG an und verweist insbesondere darauf, dass entsprechend der Beratung in der 210. Sitzung am 13.11.2001 ohne entsprechende Leistungsposition im EBM die Behandlung mit "000-T2" nicht abgerechnet werden könne; erst nach Prüfung und Empfehlung durch den Beigeladenen 2) könne der Bewertungsausschuss über die Aufnahme einer eigenständigen Leistungsposition beraten und beschließen.
Der Beigeladene 2) verneint eine Befugnis des Bewertungsausschusses, das "ob" und "wie" der Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln zu regeln. Da es sich um ein zugelassenes Fertigarzneimittel handele, greife nicht der Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs. 1 SGB V für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ein, weil es nicht Aufgabe des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen sei, ein zugelassenes Arzneimittel einer nochmaligen gesonderten Begutachtung zu unterziehen. Jedoch verstoße die Verabreichung des "000-T2" gegen Ziff. 12 S. 3 und Ziff. 13 S. 2 der Arzneimittelrichtlinien (AMR), denn im Hinblick auf die noch ausstehende klinische Studie Phase Ill und dem noch fehlenden erfolgreichen Abschluss des Zulassungsverfahrens liege eine Erprobung vor und sei der ausreichend sichere therapeutische Nutzen noch offen.
Die Beigeladene 3) schließt sich der Auffassung des ASt an. Sie verweist auf die arzneimittelrechtliche Zulassung des von ihr hergestellten Medikaments. Seit der Zulassung seien 320 Patienten " etwa 25 % bis 30 % des in Betracht kommenden Pools behandlungsgeeigneter Patienten - mit "000-T2" behandelt worden. Es gebe Krankenkassen, welche die Kosten übernähmen.
Es ist Beweis erhoben worden durch Einholung der Auskunft der Firma Pharmazeutische Großhandlung P H, B, vom 14.03.2002 und der Auskunft des Nuklearmediziners T vom 15.04.2002, der sich einverstanden erklärt hat, die vertragsärztliche Verabreichung des "000-T2" über die EBM-Ziff, 1 - Ordinationsgebühr -abzurechnen.
II.
Der nach § 86 b Abs. 2 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch begründet.
Eine sog. Regelungs-Anordnung ist danach zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Bedenken gegen die Anordnungs-Zulässigkeit wegen der Vorwegnahme des Ergebnisses in der Hauptsache greifen nicht durch, denn ohne die beantragte Eilentscheidung drohen dem ASt schlechthin unzumutbare Nachteile und eine im etwaigen Hauptverfahren erhobene Klage wird mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg haben (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, Rn 23 a zu § 97 m.w.N.). Mangels eines Alternativ-Basistherapeutikums kann dem ASt medizinisch nur mit der Verabreichung des "000-T2" geholfen werden. Im Hinblick auf die Schwere seiner Erkrankung und die glaubhaften chronischen Schmerzen sowie die glaubhafte Gefahr einer nicht wieder gutzumachenden Verschlechterung seines Gesundheitszustandes sind schlechthin unzumutbare Nachteile insgesamt glaubhaft. Im Hinblick auf einen, für eine Vorfinanzierung der ca. EUR 4.100,- betragenden Arzneimittelkosten dem ASt monatlich zur Verfügung stehenden Betrag von EUR 000,- ist dieser zu einer Vorfinanzierung außer Stande. Die überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Klageerfolgs in der Hauptsache ergibt sich aus den Ausführungen zum Anordnungsanspruch.
Aus dem oben Gesagten ergibt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrunds - Eilbedürftigkeit der Entscheidung - , wobei sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund wegen der überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache ohnehin mindern (LSG Nds SGb 1999, 254 f.).
Auch die Voraussetzungen des erforderlichen Anordnungsanspruchs liegen vor.
Bei summarischer Abwägung des öffentlichen Interesses der AG an der Aufrechterhaltung ihrer Leistungsablehnung mit den privaten Interessen des ASt an schnellstmöglicher medizinischer Arzneimittelversorgung unter Einbeziehung der Erfolgsaussichten einer Klage in der Hauptsache und sonstiger zu beachtender Folgen ist der Anspruch auf sofortige Arzneimittelversorgung mit "000-T2" begründet. Das öffentliche Interesse der AG ist es, die Solidargemeinschaft der Versicherten vor ungerechtfertigten Kosten zu bewahren und die Versicherten vor nicht abzuschätzenden Gesundheitsrisiken zu schützen. Dem Kostengesichtspunkt ist der nach § 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. 945 der Zivilprozessordnung gegebenenfalls zustehende Schadensersatzanspruch der AG gegen den ASt entgegenzuhalten, dessen Verwirklichung mit Rücksicht auf die dem ASt zustehenden Lohnersatzleistungen nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Beachtliche, eine Leistungsverweigerung rechtfertigende Gesundheitsrisiken bestehen im Hinblick auf die arzneimittelrechtliche Zulassung des "000-T2" nicht, denn entsprechend seinem Gesetzesauftrag hat das BfArM dessen Wirkungsweise, Wirksamkeit und Qualität unter Abwägen von Nutzen und Risiko geprüft und die Zulassung unter Auflagen ausgesprochen. Dass die zu beachtenden Zulassungsauflagen bei Anwendung des "000-T2" beim ASt erfüllt werden, ist unstreitig.
Das private Interesse des ASt an sofortiger Arzneimittelversorgung ist offenkundig und bedarf keiner Erörterung.
Bei summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten der angekündigten Klage in der Hauptsache ist ein Erfolg so wahrscheinlich, dass das öffentliche Interesse der AG an einer Leistungsverweigerung zurücktreten muss. Im Kern geht es um die Streitfrage, ob bei der Versorgung eines Krankenkassen-Patienten mit einem arzneimittelrechtlich zugelassenen Arzneimittel seitens der Krankenkasse noch eine Prüfung und eine Genehmigung/Versagung der vertragsärztlichen Arzneimittelverordnung zulässig sind, was vom erkennenden Kammervorsitzenden verneint wird. Entsprechend dem in §§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, 27 Abs. 1 u. Abs. 2 Nr. 3, 31 Abs. 1, 34 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches - 5. Buch/Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V -geregelten System der Arzneimittelversorgung haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit diese nicht nach § 34 ausgeschlossen sind; nach § 29 Abs. 1 S. 2 des Manteltarifvertrags-Ärzte ist die Genehmigung von Arzneimittelverordnungen durch die Krankenkasse unzulässig. Das bedeutet, dass die Krankenkasse insoweit keine Regelungsmacht hat. Der Versicherte erhält gegen Vorlage der vertragsärztlichen Arzneimittelverordnung zu Lasten der Krankenkasse das verordnete "apothekenpflichtige" Arzneimittel; die Krankenkasse hat allenfalls die Möglichkeit, im Wege des Arzneimittelkostenregresses, z.B. wegen Verstoß gegen die AMR, einen Schadensersatz zu erlangen (BSG Urt. v. 28.03.00 - B 1 KR 21/99 R -, "ASi"). Die Frage, ob eine vertragsärztliche Verordnung von "000-T2" mit den AMR vereinbar ist, ist für den Anspruch des Versicherten auf Arzneimittelversorgung ohne Bedeutung. Im Übrigen ist ein Verstoß gegen Ziff. 12 S. 3 und Ziff. 13 S. 2 AMR entgegen dem Vorbringen des Beigeladenen 2) nicht gegeben, denn bei der Abgabe des arzneimittelrechtlich zugelassenen "000-T2" an den ASt handelt es sich, da er es nicht im Rahmen einer Studie, sondern entsprechend der Arzneimittel-Zulassung als apothekenpflichtiges Arzneimittel erhält, gerade nicht um eine Erprobung; der ausreichend sichere therapeutische Nutzen ist im Rahmen der arzneimittelrechtlichen Prüfung vom BfArM bejaht worden für den Fall der Verabreichung unter Einhaltung der in der Zulassung enthaltenen Auflagen.
Die Abgabe des "000-T2" steht nicht unter dem Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs. 1 SGB V, denn es handelt sich nicht um eine neue Behandlungsmethode. Mit der arzneimittelrechtlichen Zulassung, auch wenn sie unter Auflagen erfolgt ist, ist das von der Beigeladenen 3) hergestellte "000-T2" nicht mehr neu, ebenso wie eine in den EBM aufgenommene vertragsärztliche Behandlungsmethode nicht mehr neu ist. Bei vertragsärztlicher ambulanter Behandlung mit Pharmakotherapie verbleibt dem Beigeladenen 2) nur bei zulassungsfreien Rezepturarzneimitteln eine Prüfungskompetenz, denn bei zugelassenen Fertigarzneimitteln ist der Nachweis der Unbedenklichkeit und der Wirksamkeit des Medikaments nach der Gesetzessystematik im arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren und nicht im Wege der Zertifizierung durch den Beigeladenen 2) zu führen (BSG Urt. v. 19.03.2002 - B 1 KR 37/00 R - It. Presse-Mitteilung Nr. 16/02).
Die fehlende Aufnahme der vertragsärztlichen ambulanten Behandlung mit "000-T2" in den EBM, insbesondere in Kapitel T "Strahlentherapie" V "Anwendung offener Radionuklide" steht einer Verabreichung des "000-T2" im Rahmen vertragsärztlicher Behandlung zu Lasten der AG nicht entgegen. Der Ausschluss einer Pharmakotherapie mit arzneimittelrechtlich zugelassenem Fertigarzneimittel ist durch die Ermächtigung des Bewertungsausschusses - des Beigeladenen 1) - in § 87 Abs, 1 SGB V nicht gedeckt, denn dieser hat das "ob" und "wie" der Arzneimittelversorgung nicht zu bewerten; gemäß § 87 Abs. 2 SGB V ist es seine Aufgabe, im EBM den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander zu bestimmen (vgl. auch BSG, Urt. v. 13.11.1996 " 6RKa31/95 - ). Ein solcher Ausschluss wäre auch system- und gesetzeswidrig, denn bei Arzneimitteln ist der Ausschluss gemäß § 34 SGB V nur durch Rechtsverordnung vorgesehen (BSG, Urt. v. 30.09.1999 - B 8 KN 9/98 KR R - "SKAT"). Selbst wenn dem Beigeladenen 1) ein Prüfungsrecht zugebilligt würde, wäre ein Ausschluss der Pharmakotherapie mit "000-T2" durch Nichtaufnahme einer entsprechenden Gebührenposition rechtswidrig. Die Grenzen der den Beigeladenen 1) eingeräumten Gestaltungs -und Entscheidungsfreiheit wären überschritten, wenn er trotz positiver Richtlinien-Empfehlung gemäß § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V keine Leistungsposition für den Einsatz einer bestimmten Untersuchungs- oder Behandlungsmethode schafft (BSG, a.a.O.); Gleiches müsste gelten, wenn er trotz arzneimittelrechtlicher Zulassung eines weiteren offenen Radionuklids für eine bestimmte Indikation den entsprechenden Gebührenabschnitt nicht erweitert.
Bei einer Abgabe des "000-T2" nach § 47 AMG an den Vertragsarzt ist nach dem Krankenversicherungsrecht der zulässige Leistungserbringer nicht der pharmazeutische Hersteller, sondern allein der Arzt (BSG, Urt. v. 28.03.2000 - B 1 KR 21/90 R - "ASF). Entsprechend den Vorschriften über die vertragsärztliche Behandlung - kostenfreie Behandlung gegen Vorlage der Krankenversichertenkarte - ist deshalb die Verpflichtung der AG auszusprechen, den Vertragsarzt T gemäß § 257 Bürgerliches Gesetzbuch - im öffentlichen Recht entsprechend anwendbar - von der Verpflichtung gegenüber der Beigeladenen 3} freizustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des begründeten Antrags folgt aus entsprechender Anwendung der §§ 183, 193, SGG.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Notwendigkeit einer unverzüglichen Arzneimittelversorgung des Antragstellers (ASt) mit dem vom Beigeladenen 3) hergestellten und arzneimittelrechtlich zugelassenen apothekenpflichtigen Arzneimittel "000-T2" (offenes Radionuklid). Der ASt leidet an Morbus Bechterew - Stadium III - und ist seit 9 Monaten arbeitsunfähig krank. Laut Gutachten des MDK(Medizinischer Dienst der Krankenversicherung)-Arztes Dr. U1 vom 19.12.2001 ist nach erfolgloser schmerztherapeutischer Behandlung die vom behandelnden Nuklearmediziner T mit Arztbrief vom 19.10.2001 an den behandelnden Rheumatologen Dr. X befürwortete Radium-224-Therapie medizinisch indiziert.
Den Kostenübernahmeantrag für eine Behandlung mit "000-T2" des Nuklearmediziners T vom 16.10.2001 lehnte die Antragsgegnerin (AG) mit Bescheid vom 03.12.2001 und Widerspruchsbescheid vom 09.04.2002 aus rechtlichen Gründen ab, weil das unter Auflagen - unter anderem Vorlage einer klinischen Studie Phase 111 binnen fünf Jahren - vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zugelassene "000-T2" noch nicht abschließend erprobt und eine Erprobung zu Lasten des Krankenversicherungsträgers unzulässig sei. Als ärztliche Behandlung unter Anwendung eines Arzneimittels stehe die Behandlung als neue Behandlungsmethode unter dem Vorbehalt einer Empfehlung durch den Beigeladenen 2); mangels einer entsprechenden Gebührenposition im EBM (Einheitlicher Bewertungsmaßstab) sei die vertragsärztliche ambulante Behandlung mit "000-T2" nicht abrechnungsfähig.
Mit seinem am 20.02.2002 gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verweist der ASt auf folgendes:
- Eine Behandlung mit dem einzigen zur Behandlung seines Morbus Bechterew in Betracht kommenden Basistherapeutikums "000-T2" sei eilbedürftig, weil er vor Schmerzen "die Wände hochgehe" und sich sein Gesundheitszustand ohne die begehrte Radionuklid-Therapie dramatisch verschlechtere; die Behandlung sei die einzige für ihn erfolgversprechende Behandlungsmöglichkeit.
- Es handele sich bei "000-T2" um ein nach den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG) durch Bescheid des BfArM vom 23.10.2000 nach Anhörung der Strahlenschutzkommission - Stellungnahme vom 23., 24.04.1998 (152. Sitzung) - zugelassenes Arzneimittel.
- Das Arzneimittel dürfe laut Beschluss des Länderausschusses für Atomenergie Fachausschuss Strahlenschutz - vom 28.02./01.03.2000 ambulant verabreicht werden.
- Bei der Verabreichung durch einen Vertragsarzt handele es sich nach arzneimittelrechtlicher Zulassung nicht um eine "neue" Behandlungsmethode, die einer Prüfung durch den Beigeladenen 2) bedürfe.
- Die fehlende Erfassung einer Behandlung des Morbus Bechterew mit dem offenen Radionuklid "000-T2" im Kapitel T (Strahlentherapie) V (Anwendung offener Radionuklide) des EBM stehe der vertragsärztlichen Versorgung nicht entgegen, denn die hier geregelte Verbindung von ärztlicher Leistung und aufgewandten Radionukliden sei dem Bewertungsausschuss - dem Beigeladenen 1) - nicht zwingend vorgegeben, was der Entwurf des EBM-Plus (Stand: 27.10.2000) mit getrennter Berechnung von Radionukliden befege.
- Die Injizierung des Radionuklids könne unter der EBM-Gebührenposition Nr. 4 (Konsiliarpauschale) abgerechnet werden.
Zur Stützung seines Vorbringens legt er vor:
1. Zulassungsbescheid des BfArM vom 23.10.2000,
2. Monographie (224-Ra) Radiumchlorid Bundesgesundheitsamt Bundesanzeiger vom 21.11.1992, Seite 8827,
3. Therapie mit Ra-224-Radiumchlorid, Stellungnahme Strahlenschutzkommission vom 23./24.04.1 998,
4. Bundesamt für Strahlenschutz, Nuklearmedizinische Therapie mit Ra-224-Radiumchlorid,
5. Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin, Entwurf: Stand 03.09.2001,
6. Niedersächsisches Umweltministerium, Durchführung der Strahlenschutzverordnung (StrISchV) Therapie mit Ra-224-Radiumchlorid,
7. Stellungnahme Einordnung von 000-T2",
8. Braun u.a., Therapie der ankylosierenden Spondyli-tis (AS) mit Radiumchlorid (000-T2), Z Rheumatol. 2001, Seite 74, 76,
9. Reiners, Braun u.a., Therapie der Spondylitis ankylosans mit (224-Ra)-Radiumchlorid, Der Nuklearmediziner/ Seite 105, 109,
10.Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Rheumathologie zur Therapie der ankyosierenden Spondylitis (AS) mit Radiumchlorid (000-T2), Z Rheumatot.60: 84-87 (2001), Seite 84,
11.Schreiben des Nuklearmediziners T vom 21.03.2002,
12.Schreiben der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, Prof. Dr. C, vom 04.02.2002,
13.Schreiben der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew e.V. vom 21.11.2001 und
14.Schreiben der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin vom 24.01.2001.
Der Antragsteller beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum Abschluss des angekündigten erstinstanzlichen Klageverfahrens zu verpflichten, den Antragsteller bzw. den behandelnden Nuklearmediziner T gegenüber der Firma B U GmbH & Co. KG, T1, von den Kosten des Arzneimittels "000-T2" für maximal 10 Verabreichungen freizustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf den Inhalt der von ihr erteilten Bescheide und stützt sich insbesondere auf die von ihr vorgelegte Grundsatzstellungnahme des MDS (Medizinischer Dienst der Spitzenverbände), Apotheker X/Orthopädin Dr. F, vom Juni 2001. Nach ihrer Auffassung müsse für eine Leistungserbringung zu ihren Lasten eine Empfehlung des Beigeladenen 2) ergehen oder aber eine entsprechende Gebührenposition in den EBM aufgenommen werden. Die nur unter Auflagen erteilte Arzneimittelzulassung des "000-T2" sei keine endgültige und setze u.a. noch eine klinische Erprobung innerhalb von fünf Jahren voraus. Die Behandlung mit "000-T2" beinhalte erhebliche gesundheitliche Risiken, u.a. Knochenkrebs- oder Leukämie-Erkrankung, sodass eine Abgabe an Versicherte zu Lasten der Krankenkassen derzeit nicht vertretbar sei.
Zur Stützung ihrer Rechtsauffassung legt sie vor:
- Stellungnahme des Beigeiadenen 2) vom 07.07.2000,
- Aufsatz Doring et alt, Morbus Bechterew: Aktueller Stand der Diagnostik und Therapie für die ambulante Betreuung, internist. prax. 42 (2202), 87 ff.,
- arzneimitteltelegramm, 31 (2000), 70 f ...
Sie hat sich - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht -mit einer Abrechnung der vertragsärztlichen Leistung - Injizieren des Radionuklids - über die EBM-Ziffer 1 - Ordinationsgebühr - einverstanden erklärt:
Der Beigeladene 1) schließt sich der Auffassung der AG an und verweist insbesondere darauf, dass entsprechend der Beratung in der 210. Sitzung am 13.11.2001 ohne entsprechende Leistungsposition im EBM die Behandlung mit "000-T2" nicht abgerechnet werden könne; erst nach Prüfung und Empfehlung durch den Beigeladenen 2) könne der Bewertungsausschuss über die Aufnahme einer eigenständigen Leistungsposition beraten und beschließen.
Der Beigeladene 2) verneint eine Befugnis des Bewertungsausschusses, das "ob" und "wie" der Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln zu regeln. Da es sich um ein zugelassenes Fertigarzneimittel handele, greife nicht der Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs. 1 SGB V für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ein, weil es nicht Aufgabe des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen sei, ein zugelassenes Arzneimittel einer nochmaligen gesonderten Begutachtung zu unterziehen. Jedoch verstoße die Verabreichung des "000-T2" gegen Ziff. 12 S. 3 und Ziff. 13 S. 2 der Arzneimittelrichtlinien (AMR), denn im Hinblick auf die noch ausstehende klinische Studie Phase Ill und dem noch fehlenden erfolgreichen Abschluss des Zulassungsverfahrens liege eine Erprobung vor und sei der ausreichend sichere therapeutische Nutzen noch offen.
Die Beigeladene 3) schließt sich der Auffassung des ASt an. Sie verweist auf die arzneimittelrechtliche Zulassung des von ihr hergestellten Medikaments. Seit der Zulassung seien 320 Patienten " etwa 25 % bis 30 % des in Betracht kommenden Pools behandlungsgeeigneter Patienten - mit "000-T2" behandelt worden. Es gebe Krankenkassen, welche die Kosten übernähmen.
Es ist Beweis erhoben worden durch Einholung der Auskunft der Firma Pharmazeutische Großhandlung P H, B, vom 14.03.2002 und der Auskunft des Nuklearmediziners T vom 15.04.2002, der sich einverstanden erklärt hat, die vertragsärztliche Verabreichung des "000-T2" über die EBM-Ziff, 1 - Ordinationsgebühr -abzurechnen.
II.
Der nach § 86 b Abs. 2 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch begründet.
Eine sog. Regelungs-Anordnung ist danach zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Bedenken gegen die Anordnungs-Zulässigkeit wegen der Vorwegnahme des Ergebnisses in der Hauptsache greifen nicht durch, denn ohne die beantragte Eilentscheidung drohen dem ASt schlechthin unzumutbare Nachteile und eine im etwaigen Hauptverfahren erhobene Klage wird mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg haben (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, Rn 23 a zu § 97 m.w.N.). Mangels eines Alternativ-Basistherapeutikums kann dem ASt medizinisch nur mit der Verabreichung des "000-T2" geholfen werden. Im Hinblick auf die Schwere seiner Erkrankung und die glaubhaften chronischen Schmerzen sowie die glaubhafte Gefahr einer nicht wieder gutzumachenden Verschlechterung seines Gesundheitszustandes sind schlechthin unzumutbare Nachteile insgesamt glaubhaft. Im Hinblick auf einen, für eine Vorfinanzierung der ca. EUR 4.100,- betragenden Arzneimittelkosten dem ASt monatlich zur Verfügung stehenden Betrag von EUR 000,- ist dieser zu einer Vorfinanzierung außer Stande. Die überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Klageerfolgs in der Hauptsache ergibt sich aus den Ausführungen zum Anordnungsanspruch.
Aus dem oben Gesagten ergibt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrunds - Eilbedürftigkeit der Entscheidung - , wobei sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund wegen der überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache ohnehin mindern (LSG Nds SGb 1999, 254 f.).
Auch die Voraussetzungen des erforderlichen Anordnungsanspruchs liegen vor.
Bei summarischer Abwägung des öffentlichen Interesses der AG an der Aufrechterhaltung ihrer Leistungsablehnung mit den privaten Interessen des ASt an schnellstmöglicher medizinischer Arzneimittelversorgung unter Einbeziehung der Erfolgsaussichten einer Klage in der Hauptsache und sonstiger zu beachtender Folgen ist der Anspruch auf sofortige Arzneimittelversorgung mit "000-T2" begründet. Das öffentliche Interesse der AG ist es, die Solidargemeinschaft der Versicherten vor ungerechtfertigten Kosten zu bewahren und die Versicherten vor nicht abzuschätzenden Gesundheitsrisiken zu schützen. Dem Kostengesichtspunkt ist der nach § 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. 945 der Zivilprozessordnung gegebenenfalls zustehende Schadensersatzanspruch der AG gegen den ASt entgegenzuhalten, dessen Verwirklichung mit Rücksicht auf die dem ASt zustehenden Lohnersatzleistungen nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Beachtliche, eine Leistungsverweigerung rechtfertigende Gesundheitsrisiken bestehen im Hinblick auf die arzneimittelrechtliche Zulassung des "000-T2" nicht, denn entsprechend seinem Gesetzesauftrag hat das BfArM dessen Wirkungsweise, Wirksamkeit und Qualität unter Abwägen von Nutzen und Risiko geprüft und die Zulassung unter Auflagen ausgesprochen. Dass die zu beachtenden Zulassungsauflagen bei Anwendung des "000-T2" beim ASt erfüllt werden, ist unstreitig.
Das private Interesse des ASt an sofortiger Arzneimittelversorgung ist offenkundig und bedarf keiner Erörterung.
Bei summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten der angekündigten Klage in der Hauptsache ist ein Erfolg so wahrscheinlich, dass das öffentliche Interesse der AG an einer Leistungsverweigerung zurücktreten muss. Im Kern geht es um die Streitfrage, ob bei der Versorgung eines Krankenkassen-Patienten mit einem arzneimittelrechtlich zugelassenen Arzneimittel seitens der Krankenkasse noch eine Prüfung und eine Genehmigung/Versagung der vertragsärztlichen Arzneimittelverordnung zulässig sind, was vom erkennenden Kammervorsitzenden verneint wird. Entsprechend dem in §§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, 27 Abs. 1 u. Abs. 2 Nr. 3, 31 Abs. 1, 34 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches - 5. Buch/Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V -geregelten System der Arzneimittelversorgung haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit diese nicht nach § 34 ausgeschlossen sind; nach § 29 Abs. 1 S. 2 des Manteltarifvertrags-Ärzte ist die Genehmigung von Arzneimittelverordnungen durch die Krankenkasse unzulässig. Das bedeutet, dass die Krankenkasse insoweit keine Regelungsmacht hat. Der Versicherte erhält gegen Vorlage der vertragsärztlichen Arzneimittelverordnung zu Lasten der Krankenkasse das verordnete "apothekenpflichtige" Arzneimittel; die Krankenkasse hat allenfalls die Möglichkeit, im Wege des Arzneimittelkostenregresses, z.B. wegen Verstoß gegen die AMR, einen Schadensersatz zu erlangen (BSG Urt. v. 28.03.00 - B 1 KR 21/99 R -, "ASi"). Die Frage, ob eine vertragsärztliche Verordnung von "000-T2" mit den AMR vereinbar ist, ist für den Anspruch des Versicherten auf Arzneimittelversorgung ohne Bedeutung. Im Übrigen ist ein Verstoß gegen Ziff. 12 S. 3 und Ziff. 13 S. 2 AMR entgegen dem Vorbringen des Beigeladenen 2) nicht gegeben, denn bei der Abgabe des arzneimittelrechtlich zugelassenen "000-T2" an den ASt handelt es sich, da er es nicht im Rahmen einer Studie, sondern entsprechend der Arzneimittel-Zulassung als apothekenpflichtiges Arzneimittel erhält, gerade nicht um eine Erprobung; der ausreichend sichere therapeutische Nutzen ist im Rahmen der arzneimittelrechtlichen Prüfung vom BfArM bejaht worden für den Fall der Verabreichung unter Einhaltung der in der Zulassung enthaltenen Auflagen.
Die Abgabe des "000-T2" steht nicht unter dem Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs. 1 SGB V, denn es handelt sich nicht um eine neue Behandlungsmethode. Mit der arzneimittelrechtlichen Zulassung, auch wenn sie unter Auflagen erfolgt ist, ist das von der Beigeladenen 3) hergestellte "000-T2" nicht mehr neu, ebenso wie eine in den EBM aufgenommene vertragsärztliche Behandlungsmethode nicht mehr neu ist. Bei vertragsärztlicher ambulanter Behandlung mit Pharmakotherapie verbleibt dem Beigeladenen 2) nur bei zulassungsfreien Rezepturarzneimitteln eine Prüfungskompetenz, denn bei zugelassenen Fertigarzneimitteln ist der Nachweis der Unbedenklichkeit und der Wirksamkeit des Medikaments nach der Gesetzessystematik im arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren und nicht im Wege der Zertifizierung durch den Beigeladenen 2) zu führen (BSG Urt. v. 19.03.2002 - B 1 KR 37/00 R - It. Presse-Mitteilung Nr. 16/02).
Die fehlende Aufnahme der vertragsärztlichen ambulanten Behandlung mit "000-T2" in den EBM, insbesondere in Kapitel T "Strahlentherapie" V "Anwendung offener Radionuklide" steht einer Verabreichung des "000-T2" im Rahmen vertragsärztlicher Behandlung zu Lasten der AG nicht entgegen. Der Ausschluss einer Pharmakotherapie mit arzneimittelrechtlich zugelassenem Fertigarzneimittel ist durch die Ermächtigung des Bewertungsausschusses - des Beigeladenen 1) - in § 87 Abs, 1 SGB V nicht gedeckt, denn dieser hat das "ob" und "wie" der Arzneimittelversorgung nicht zu bewerten; gemäß § 87 Abs. 2 SGB V ist es seine Aufgabe, im EBM den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander zu bestimmen (vgl. auch BSG, Urt. v. 13.11.1996 " 6RKa31/95 - ). Ein solcher Ausschluss wäre auch system- und gesetzeswidrig, denn bei Arzneimitteln ist der Ausschluss gemäß § 34 SGB V nur durch Rechtsverordnung vorgesehen (BSG, Urt. v. 30.09.1999 - B 8 KN 9/98 KR R - "SKAT"). Selbst wenn dem Beigeladenen 1) ein Prüfungsrecht zugebilligt würde, wäre ein Ausschluss der Pharmakotherapie mit "000-T2" durch Nichtaufnahme einer entsprechenden Gebührenposition rechtswidrig. Die Grenzen der den Beigeladenen 1) eingeräumten Gestaltungs -und Entscheidungsfreiheit wären überschritten, wenn er trotz positiver Richtlinien-Empfehlung gemäß § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V keine Leistungsposition für den Einsatz einer bestimmten Untersuchungs- oder Behandlungsmethode schafft (BSG, a.a.O.); Gleiches müsste gelten, wenn er trotz arzneimittelrechtlicher Zulassung eines weiteren offenen Radionuklids für eine bestimmte Indikation den entsprechenden Gebührenabschnitt nicht erweitert.
Bei einer Abgabe des "000-T2" nach § 47 AMG an den Vertragsarzt ist nach dem Krankenversicherungsrecht der zulässige Leistungserbringer nicht der pharmazeutische Hersteller, sondern allein der Arzt (BSG, Urt. v. 28.03.2000 - B 1 KR 21/90 R - "ASF). Entsprechend den Vorschriften über die vertragsärztliche Behandlung - kostenfreie Behandlung gegen Vorlage der Krankenversichertenkarte - ist deshalb die Verpflichtung der AG auszusprechen, den Vertragsarzt T gemäß § 257 Bürgerliches Gesetzbuch - im öffentlichen Recht entsprechend anwendbar - von der Verpflichtung gegenüber der Beigeladenen 3} freizustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des begründeten Antrags folgt aus entsprechender Anwendung der §§ 183, 193, SGG.
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