Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 29 VH 393/97
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 VH 8/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.12.2000 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger Leistungen nach dem Häftlingshilfegesetz (HHG) zustehen.
Der 1932 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Nach eigenen Angaben befand er sich Ende 1961 als Gast des jugoslawischen Gewerkschaftsbundes in C, um in Archiven nach Unterlagen über Naziverbrecher zu suchen. Im Dezember 1961 wurde er nach eigenen Angaben vom jugoslawischen Staatssicherheitsdienst wegen des Vorwurfs der Spionage, des Devisenschmuggels und der staatsfeindlichen Betätigung verhaftet und bis Januar 1962 im Internierungslager Q in Gewahrsam gehalten.
Im Juni 1991 stellte er beim Beklagten einen Antrag auf Anerkennung von Gesundheitsstörungen als Folge dieses Gewahrsams sowie Gewährung von Leistungen.
Im Juni 1992 stellte der Kläger beim Beigeladenen einen Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG a.F.
Mit Bescheid vom 01.02.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.09.1993 lehnte dies der Beigeladene ab, denn es fehle der Nachweis, dass der Kläger tatsächlich aus politischen und nach freiheitlich demokratischer Auffassung von ihm nicht zu vertretenden Gründen in Gewahrsam genommen worden sei. Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf wies die Klage mit Urteil vom 17.08.1994 als unbegründet zurück (00 K 0000/00). Im anschließenden Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (00 A 0000/00) schlossen der Kläger und der Beigeladene auf Vorschlag des Gerichts im Hinblick auf die Änderung des § 10 Abs. 4 HHG einen Vergleich, wonach der Beigeladene den Bescheid vom 01.02.1993 aufhob und der Kläger seinen Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG wegen des Aufenthalts im Lager Q in Jugoslawien im Dezember 1961/Januar 1962 zurücknahm und zusagte, neue Anträge auf derartige Bescheinigungen wegen dieses Lageraufenthaltes nicht mehr zu stellen.
In Kenntnis des Vergleiches ersuchte der Beklagte den Beigeladenen, das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 10 Abs. 4 HHG n.F. zu prüfen. Am 24.07.1997 teilte der Beigeladene mit, die Ausstellung der Bescheinigung scheitere daran, dass nicht bewiesen sei, dass der Kläger tatsächlich aus politischen und nach freiheitlich demokratischer Auffassung von ihm nicht zu vertretenden Gründen in Gewahrsam genommen worden sei. Da der Kläger diesen Nachweis nicht erbringen könne, sei keine Bescheinigung auszustellen. Nach Einsicht in die Akte des Beigeladenen lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Anerkennung verschiedener Gesundheitsstörungen sowie Gewährung von Leistungen mit Bescheid vom 16.09.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.10.1997 mit der Begründung ab, die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 4 HHG n.F. seien nicht gegeben. Dies habe der Beigeladene abgelehnt, da der Kläger nicht habe nachweisen können, dass er aus politischen und nach freiheitlich demokratischer Auffassung von ihm nicht zu vertretenden Gründen in Gewahrsam genommen worden sei. Es könne somit ungeprüft bleiben, ob die geltend gemachten Gesundheitsstörungen auf die Inhaftierung zurückzuführen seien.
Hiergegen hat der Kläger am 29.11.1997 Klage erhoben. Er hat sein Begehren weiterverfolgt. Zur Unterstützung seiner Klage hat er u.a. eine Bescheinigung des Generalkonsulates der Bundesrepublik Jugoslawien vom 24.03.1999, Ablichtungen der Schreiben des Deutschen Roten Kreuzes vom 06.02. und 03.05.1962 sowie eine Bescheinigung des Bundesministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Österreich vom 07.07.2000 vorgelegt.
Das SG hat den Zeugen C1 (C1.) im Wege der Rechtshilfe vom SG Cottbus u.a. dazu vernehmen lassen, in welchem Zeitraum, aus welchen Gründen und unter welchen Umständen der Kläger im Lager Q in Gewahrsam gehalten worden ist. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift des SG Cottbus vom 23.04.1998 verwiesen.
Sodann hat das SG Dortmund die Akten S 6 (18) 58/86, S 26 An 52/91 und S 24 BU 35/86, die Akte 00 K 0000/00 des VG Düsseldorf, die den Kläger betreffenden Akten des Beigeladenen, die Akten der Bergbau-Berufsgenossenschaft (BG), die Entschädigungsakte der Bezirksregierung Düsseldorf, die Akten der BfA, der Maschinenbau- und Metall-BG, der Staatsanwaltschaft Düsseldorf sowie die Schwerbehindertenakte beigezogen. Die Botschaft von Japan, Deutsche Interessensektion C, hat auf Anfrage des SG im Dezember 1999 mitgeteilt, dass die mit der Angelegenheit befassten Vertrauensanwälte der Botschaft angegeben haben, ein Lager in Q in den Jahren 1961/1962 sei nicht bekannt. Der Vertrauensanwalt der Deutschen Interessensektion, K, hat im September 2000 mitgeteilt, dass nach Inkrafttreten der Verfassung vom 31.01.1946 die AVNOJ-Beschlüsse ihre Gültigkeit verloren hätten und von seither nicht mehr angewandt worden seien. Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) hat die den Kläger betreffenden Bestandteile der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes in Kopie übersandt.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 05.12.2000 abgewiesen.
Auf die Entscheidung wird verwiesen.
Gegen das am 05.02.2001 von der Geschäftsstelle des SG abgesandte Urteil hat der Kläger am 07.03.2001 Berufung eingelegt.
Er verfolgt sein Begehren weiter.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.12.2000 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 16.09.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.10.1997 zu verurteilen, bei ihm psychische Leiden, traumatisch-entzündliche Gelenkveränderungen am ganzen Körper, eine Erkrankung der tieferen Atemwege, ein Augenleiden mit partiellem Verlust des Visus, eine sekundäre Anämie, Schwindelattacken und eine Herzinsuffizienz als Versorgungsleiden anzuerkennen und ihm ab 01.06.1991 Versorgung zu gewähren.
Außerdem wird beantragt,
die Bundesrepublik Deutschland zum Rechtsstreit beizuladen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten vorbereitenden Schriftsätze, dem übrigen Akteninhalt sowie auf die Verwaltungsakte des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Der Kläger wird durch den angefochtenen Bescheid vom 16.09.1997 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Er hat keinen Anspruch auf Entschädigung.
Über den geltend gemachten Anspruch konnte das SG entscheiden. Der Nachweis, dass der Kläger zum versorgungsrechtlich geschützten Personenkreis zählt, ist nicht erbracht. Eine Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG in der bis zum 31.12.1992 geltenden Fassung, ausgestellt vom Beigeladenen, liegt nicht vor. Es ist fraglich, ob der Senat ohne dieses Dokument in die materiell-rechtlichen Prüfung nach dem HHG in Verbindung mit dem BVG eintreten darf. Nach § 10 Abs. 7 HHG und § 15 Abs. 1 S.4 BVFG ist die Entscheidung über die Ausstellung der Bescheinigung für alle Behörden und Stellen verbindlich, die für die Gewährung von Rechten oder Vergünstigungen nach einem Gesetz zuständig sind. Feststellungen nach den §§ 1 und 10 HHG a.F. sind den Städten und Kreisen sowie der gerichtlichen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte vorbehalten (Erläuterungen zum HHG/Bundesrecht § 10; Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 7. Auflage 2002, § 51 Rdnr. 37). Daraus abgeleitet wird z.T. auch nach neuem Recht ein Prüfungsrecht der über den materiellen Anspruch entscheidenden Behörden oder Gerichte verneint (LSG NW, Urteil vom 18.01.2000 - L 4 RJ 109/99).
Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers davon ausgeht, dass der Senat inzident die Voraussetzungen zur Erteilung einer Bescheinigung nach § 10 Abs. 1 HHG n.F. prüfen kann, d.h. wenn die Weigerung der Ausstellung einer Bescheinigung seitens des Beigeladenen lediglich eine "Feststellung" im Rahmen eines sog. mehrstufigen Verwaltungsverfahrens darstellt (BSGE 71, 12; OVG NW, Urteil vom 25.01.1999 - 22 A 3999/98), lässt sich keine für den Kläger günstigere Entscheidung treffen. Es ist nicht erwiesen, dass der Kläger zum berechtigten Personenkreis des § 1 Abs. 1 HHG zählt.
Danach erhalten Leistungen nach Maßgabe des HHG deutsche Staatsangehörige und deutsche Volkszugehörige, wenn sie nach der Besetzung ihres Aufenthaltsortes oder nach dem 08. Mai 1945 in der sowjetischen Besatzungszone oder im sowjetisch besetzten Sektor von Berlin oder in den in § 1 Abs. 2,3 BVFG genannten Gebieten aus politischen und nach freiheitlich demokratischer Auffassung von ihnen nicht zu vertretenden Gründen in Gewahrsam genommen wurden. Gewahrsam ist hierbei ein Festgehaltenwerden auf engbegrenztem Raum unter dauernder Bewachung (§ 1 Abs. 5 HHG). Diese Voraussetzungen müssen voll nachgewiesen werden, d.h. sie müssen mit an Sicherheit grenzender, mit ernsten, vernünftigen Zweifeln ausschließender Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Die objektive Beweis- und Feststellungslast trägt der Antragsteller (BSG, Urteil vom 22.06.1988, 9/9a RVG 3/87). Daran fehlt es. Der Vollbeweis, dass der Kläger zum berechtigten Personenkreis zählt, ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht erbracht. Zur Begründung verweist der Senat zunächst auf die Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf, die er sich nach Prüfung zu Eigen macht. Ergänzend betont der Senat, dass die Vernehmung des Zeugen C1. zwar ergab, dass der Kläger Ende 1961/Anfang 1962 im Lager Q inhaftiert war. Jedoch konnte der Zeuge aus eigener Wahrnehmung keine Angaben dazu machen, aus welchen Gründen der Kläger inhaftiert gewesen ist. Andere Personen, die zu der Frage des Vorliegens von politischem Gewahrsam Ausführungen machen könnten, sind nicht bekannt und vom Kläger auch nicht benannt worden.
Auch die Angaben des Klägers sind nicht geeignet, einen sicheren Nachweis dafür zu erbringen, dass der Kläger zum berechtigten Personenkreis nach § 1 Abs. 1 HHG zählt. Die eigenen Angaben des Klägers kommen als Beweismittel nach § 15 KOVVfG in Betracht, wenn sie nach den Umständen glaubhaft sind. Der Kläger hat bei der Antragstellung im Juni 1992 und auch während des gerichtlichen Verfahrens angegeben, dass er im Dezember 1961 wegen des Verdachtes der Spionage, des Devisenschmuggels und der Staatsfeindlichkeit verhaftet wurde. Aus diesen Angaben lässt sich aber nicht der Vollbeweis dafür herleiten, dass der Kläger aus politischen und nach freiheitlich demokratischer Auffassung von ihm nicht zu vertretenden Gründen in Gewahrsam genommen worden ist. Zwar ist es möglich, dass diese Anschuldigungen nur als Vorwand dazu dienten, eine politisch motivierte Haft zu verschleiern. Es ist jedoch auch nicht auszuschließen, dass der Kläger wegen Spionage oder Devisenschmuggels, d.h. wegen Straftaten, die auch in der BRD strafbar sind, inhaftiert wurde, da die Behörden einen Anfangsverdacht bejahten, Ermittlungen einleiteten und nach Abschluss derselben den Kläger im Januar 1962 wieder entließen.
Eine weitergehendere Beweiserleichterung kommt nicht in Betracht. Denn alleine aus dem Zeitablauf folgt kein Reduzierung der Beweisanforderungen (BSG, Urteil vom 13.12.1994 - 9/9a RV 9/92). Das BSG hatte in einem Einzelfall, der durch die Besonderheiten der Besatzungszeit nach 1945 entscheidend geprägt war, anstatt des sonst erforderlichen Vollbeweises die Glaubhaftmachung, d.h. die überwiegende Wahrscheinlichkeit, ausreichen lassen (BSG, Urteil vom 03.02.1999 - B 9 V 33/97 R; BSG, Urteil vom 12.12.1995 - 9 RV 14/95). Dabei hat das BSG unter Hinweis auf § 15 KOVVfG betont, dass auch diese Bestimmung davon ausgehe, dass der geltend gemachte schädigende Vorgang nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheint. Danach ist nach den entsprechenden Vorschriften eine Tatsache dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich, und zwar auch dann, wenn der Anspruchsteller aus eigenem Wissen keine Angaben machen kann, sondern nur eine Behauptung aufstellen kann, auf "sämtliche Beweismittel" erstrecken soll, überwiegend wahrscheinlich ist. Daran fehlt es. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger sich im Lager Q im politischen Gewahrsam befand. Die Tatsachen, d.h. der Aufenthalt des Klägers in Jugoslawien, die Inhaftierung in einem Gefängnis/Lager, in dem sich auch Straftäter befanden, kann sowohl politisch motiviert gewesen sein als auch der Strafverfolgung gedient haben.
Es bestand kein Anlass für den Senat, die BRD notwendig beizuladen. Nach § 75 Abs. 2 SGG ist dann notwendig beizuladen, wenn an einem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann oder sich im Verfahren ergibt, dass bei Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger oder in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung ein Land als Leistungspflichtiger in Betracht kommt. Während des gerichtlichen Verfahrens haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Inhaftierung des Klägers in Jugoslawien 1961 im Falle einer Ablehnung des Anspruchs gegen den Beklagten eine Leistungspflicht der BRD begründen könnte. Es ist nicht erkennbar, dass es sich, wie vom Kläger vorgetragen, bei den "anti-(bundes-) deutschen Zuständen in Jugoslawien um Kriegsfolgen, die auf das Verhalten des deutschen Staates im Rahmen des zweiten Weltkrieges" handelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger Leistungen nach dem Häftlingshilfegesetz (HHG) zustehen.
Der 1932 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Nach eigenen Angaben befand er sich Ende 1961 als Gast des jugoslawischen Gewerkschaftsbundes in C, um in Archiven nach Unterlagen über Naziverbrecher zu suchen. Im Dezember 1961 wurde er nach eigenen Angaben vom jugoslawischen Staatssicherheitsdienst wegen des Vorwurfs der Spionage, des Devisenschmuggels und der staatsfeindlichen Betätigung verhaftet und bis Januar 1962 im Internierungslager Q in Gewahrsam gehalten.
Im Juni 1991 stellte er beim Beklagten einen Antrag auf Anerkennung von Gesundheitsstörungen als Folge dieses Gewahrsams sowie Gewährung von Leistungen.
Im Juni 1992 stellte der Kläger beim Beigeladenen einen Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG a.F.
Mit Bescheid vom 01.02.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.09.1993 lehnte dies der Beigeladene ab, denn es fehle der Nachweis, dass der Kläger tatsächlich aus politischen und nach freiheitlich demokratischer Auffassung von ihm nicht zu vertretenden Gründen in Gewahrsam genommen worden sei. Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf wies die Klage mit Urteil vom 17.08.1994 als unbegründet zurück (00 K 0000/00). Im anschließenden Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (00 A 0000/00) schlossen der Kläger und der Beigeladene auf Vorschlag des Gerichts im Hinblick auf die Änderung des § 10 Abs. 4 HHG einen Vergleich, wonach der Beigeladene den Bescheid vom 01.02.1993 aufhob und der Kläger seinen Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG wegen des Aufenthalts im Lager Q in Jugoslawien im Dezember 1961/Januar 1962 zurücknahm und zusagte, neue Anträge auf derartige Bescheinigungen wegen dieses Lageraufenthaltes nicht mehr zu stellen.
In Kenntnis des Vergleiches ersuchte der Beklagte den Beigeladenen, das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 10 Abs. 4 HHG n.F. zu prüfen. Am 24.07.1997 teilte der Beigeladene mit, die Ausstellung der Bescheinigung scheitere daran, dass nicht bewiesen sei, dass der Kläger tatsächlich aus politischen und nach freiheitlich demokratischer Auffassung von ihm nicht zu vertretenden Gründen in Gewahrsam genommen worden sei. Da der Kläger diesen Nachweis nicht erbringen könne, sei keine Bescheinigung auszustellen. Nach Einsicht in die Akte des Beigeladenen lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Anerkennung verschiedener Gesundheitsstörungen sowie Gewährung von Leistungen mit Bescheid vom 16.09.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.10.1997 mit der Begründung ab, die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 4 HHG n.F. seien nicht gegeben. Dies habe der Beigeladene abgelehnt, da der Kläger nicht habe nachweisen können, dass er aus politischen und nach freiheitlich demokratischer Auffassung von ihm nicht zu vertretenden Gründen in Gewahrsam genommen worden sei. Es könne somit ungeprüft bleiben, ob die geltend gemachten Gesundheitsstörungen auf die Inhaftierung zurückzuführen seien.
Hiergegen hat der Kläger am 29.11.1997 Klage erhoben. Er hat sein Begehren weiterverfolgt. Zur Unterstützung seiner Klage hat er u.a. eine Bescheinigung des Generalkonsulates der Bundesrepublik Jugoslawien vom 24.03.1999, Ablichtungen der Schreiben des Deutschen Roten Kreuzes vom 06.02. und 03.05.1962 sowie eine Bescheinigung des Bundesministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Österreich vom 07.07.2000 vorgelegt.
Das SG hat den Zeugen C1 (C1.) im Wege der Rechtshilfe vom SG Cottbus u.a. dazu vernehmen lassen, in welchem Zeitraum, aus welchen Gründen und unter welchen Umständen der Kläger im Lager Q in Gewahrsam gehalten worden ist. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift des SG Cottbus vom 23.04.1998 verwiesen.
Sodann hat das SG Dortmund die Akten S 6 (18) 58/86, S 26 An 52/91 und S 24 BU 35/86, die Akte 00 K 0000/00 des VG Düsseldorf, die den Kläger betreffenden Akten des Beigeladenen, die Akten der Bergbau-Berufsgenossenschaft (BG), die Entschädigungsakte der Bezirksregierung Düsseldorf, die Akten der BfA, der Maschinenbau- und Metall-BG, der Staatsanwaltschaft Düsseldorf sowie die Schwerbehindertenakte beigezogen. Die Botschaft von Japan, Deutsche Interessensektion C, hat auf Anfrage des SG im Dezember 1999 mitgeteilt, dass die mit der Angelegenheit befassten Vertrauensanwälte der Botschaft angegeben haben, ein Lager in Q in den Jahren 1961/1962 sei nicht bekannt. Der Vertrauensanwalt der Deutschen Interessensektion, K, hat im September 2000 mitgeteilt, dass nach Inkrafttreten der Verfassung vom 31.01.1946 die AVNOJ-Beschlüsse ihre Gültigkeit verloren hätten und von seither nicht mehr angewandt worden seien. Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) hat die den Kläger betreffenden Bestandteile der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes in Kopie übersandt.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 05.12.2000 abgewiesen.
Auf die Entscheidung wird verwiesen.
Gegen das am 05.02.2001 von der Geschäftsstelle des SG abgesandte Urteil hat der Kläger am 07.03.2001 Berufung eingelegt.
Er verfolgt sein Begehren weiter.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.12.2000 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 16.09.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.10.1997 zu verurteilen, bei ihm psychische Leiden, traumatisch-entzündliche Gelenkveränderungen am ganzen Körper, eine Erkrankung der tieferen Atemwege, ein Augenleiden mit partiellem Verlust des Visus, eine sekundäre Anämie, Schwindelattacken und eine Herzinsuffizienz als Versorgungsleiden anzuerkennen und ihm ab 01.06.1991 Versorgung zu gewähren.
Außerdem wird beantragt,
die Bundesrepublik Deutschland zum Rechtsstreit beizuladen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten vorbereitenden Schriftsätze, dem übrigen Akteninhalt sowie auf die Verwaltungsakte des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Der Kläger wird durch den angefochtenen Bescheid vom 16.09.1997 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Er hat keinen Anspruch auf Entschädigung.
Über den geltend gemachten Anspruch konnte das SG entscheiden. Der Nachweis, dass der Kläger zum versorgungsrechtlich geschützten Personenkreis zählt, ist nicht erbracht. Eine Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG in der bis zum 31.12.1992 geltenden Fassung, ausgestellt vom Beigeladenen, liegt nicht vor. Es ist fraglich, ob der Senat ohne dieses Dokument in die materiell-rechtlichen Prüfung nach dem HHG in Verbindung mit dem BVG eintreten darf. Nach § 10 Abs. 7 HHG und § 15 Abs. 1 S.4 BVFG ist die Entscheidung über die Ausstellung der Bescheinigung für alle Behörden und Stellen verbindlich, die für die Gewährung von Rechten oder Vergünstigungen nach einem Gesetz zuständig sind. Feststellungen nach den §§ 1 und 10 HHG a.F. sind den Städten und Kreisen sowie der gerichtlichen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte vorbehalten (Erläuterungen zum HHG/Bundesrecht § 10; Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 7. Auflage 2002, § 51 Rdnr. 37). Daraus abgeleitet wird z.T. auch nach neuem Recht ein Prüfungsrecht der über den materiellen Anspruch entscheidenden Behörden oder Gerichte verneint (LSG NW, Urteil vom 18.01.2000 - L 4 RJ 109/99).
Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers davon ausgeht, dass der Senat inzident die Voraussetzungen zur Erteilung einer Bescheinigung nach § 10 Abs. 1 HHG n.F. prüfen kann, d.h. wenn die Weigerung der Ausstellung einer Bescheinigung seitens des Beigeladenen lediglich eine "Feststellung" im Rahmen eines sog. mehrstufigen Verwaltungsverfahrens darstellt (BSGE 71, 12; OVG NW, Urteil vom 25.01.1999 - 22 A 3999/98), lässt sich keine für den Kläger günstigere Entscheidung treffen. Es ist nicht erwiesen, dass der Kläger zum berechtigten Personenkreis des § 1 Abs. 1 HHG zählt.
Danach erhalten Leistungen nach Maßgabe des HHG deutsche Staatsangehörige und deutsche Volkszugehörige, wenn sie nach der Besetzung ihres Aufenthaltsortes oder nach dem 08. Mai 1945 in der sowjetischen Besatzungszone oder im sowjetisch besetzten Sektor von Berlin oder in den in § 1 Abs. 2,3 BVFG genannten Gebieten aus politischen und nach freiheitlich demokratischer Auffassung von ihnen nicht zu vertretenden Gründen in Gewahrsam genommen wurden. Gewahrsam ist hierbei ein Festgehaltenwerden auf engbegrenztem Raum unter dauernder Bewachung (§ 1 Abs. 5 HHG). Diese Voraussetzungen müssen voll nachgewiesen werden, d.h. sie müssen mit an Sicherheit grenzender, mit ernsten, vernünftigen Zweifeln ausschließender Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Die objektive Beweis- und Feststellungslast trägt der Antragsteller (BSG, Urteil vom 22.06.1988, 9/9a RVG 3/87). Daran fehlt es. Der Vollbeweis, dass der Kläger zum berechtigten Personenkreis zählt, ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht erbracht. Zur Begründung verweist der Senat zunächst auf die Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf, die er sich nach Prüfung zu Eigen macht. Ergänzend betont der Senat, dass die Vernehmung des Zeugen C1. zwar ergab, dass der Kläger Ende 1961/Anfang 1962 im Lager Q inhaftiert war. Jedoch konnte der Zeuge aus eigener Wahrnehmung keine Angaben dazu machen, aus welchen Gründen der Kläger inhaftiert gewesen ist. Andere Personen, die zu der Frage des Vorliegens von politischem Gewahrsam Ausführungen machen könnten, sind nicht bekannt und vom Kläger auch nicht benannt worden.
Auch die Angaben des Klägers sind nicht geeignet, einen sicheren Nachweis dafür zu erbringen, dass der Kläger zum berechtigten Personenkreis nach § 1 Abs. 1 HHG zählt. Die eigenen Angaben des Klägers kommen als Beweismittel nach § 15 KOVVfG in Betracht, wenn sie nach den Umständen glaubhaft sind. Der Kläger hat bei der Antragstellung im Juni 1992 und auch während des gerichtlichen Verfahrens angegeben, dass er im Dezember 1961 wegen des Verdachtes der Spionage, des Devisenschmuggels und der Staatsfeindlichkeit verhaftet wurde. Aus diesen Angaben lässt sich aber nicht der Vollbeweis dafür herleiten, dass der Kläger aus politischen und nach freiheitlich demokratischer Auffassung von ihm nicht zu vertretenden Gründen in Gewahrsam genommen worden ist. Zwar ist es möglich, dass diese Anschuldigungen nur als Vorwand dazu dienten, eine politisch motivierte Haft zu verschleiern. Es ist jedoch auch nicht auszuschließen, dass der Kläger wegen Spionage oder Devisenschmuggels, d.h. wegen Straftaten, die auch in der BRD strafbar sind, inhaftiert wurde, da die Behörden einen Anfangsverdacht bejahten, Ermittlungen einleiteten und nach Abschluss derselben den Kläger im Januar 1962 wieder entließen.
Eine weitergehendere Beweiserleichterung kommt nicht in Betracht. Denn alleine aus dem Zeitablauf folgt kein Reduzierung der Beweisanforderungen (BSG, Urteil vom 13.12.1994 - 9/9a RV 9/92). Das BSG hatte in einem Einzelfall, der durch die Besonderheiten der Besatzungszeit nach 1945 entscheidend geprägt war, anstatt des sonst erforderlichen Vollbeweises die Glaubhaftmachung, d.h. die überwiegende Wahrscheinlichkeit, ausreichen lassen (BSG, Urteil vom 03.02.1999 - B 9 V 33/97 R; BSG, Urteil vom 12.12.1995 - 9 RV 14/95). Dabei hat das BSG unter Hinweis auf § 15 KOVVfG betont, dass auch diese Bestimmung davon ausgehe, dass der geltend gemachte schädigende Vorgang nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheint. Danach ist nach den entsprechenden Vorschriften eine Tatsache dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich, und zwar auch dann, wenn der Anspruchsteller aus eigenem Wissen keine Angaben machen kann, sondern nur eine Behauptung aufstellen kann, auf "sämtliche Beweismittel" erstrecken soll, überwiegend wahrscheinlich ist. Daran fehlt es. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger sich im Lager Q im politischen Gewahrsam befand. Die Tatsachen, d.h. der Aufenthalt des Klägers in Jugoslawien, die Inhaftierung in einem Gefängnis/Lager, in dem sich auch Straftäter befanden, kann sowohl politisch motiviert gewesen sein als auch der Strafverfolgung gedient haben.
Es bestand kein Anlass für den Senat, die BRD notwendig beizuladen. Nach § 75 Abs. 2 SGG ist dann notwendig beizuladen, wenn an einem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann oder sich im Verfahren ergibt, dass bei Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger oder in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung ein Land als Leistungspflichtiger in Betracht kommt. Während des gerichtlichen Verfahrens haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Inhaftierung des Klägers in Jugoslawien 1961 im Falle einer Ablehnung des Anspruchs gegen den Beklagten eine Leistungspflicht der BRD begründen könnte. Es ist nicht erkennbar, dass es sich, wie vom Kläger vorgetragen, bei den "anti-(bundes-) deutschen Zuständen in Jugoslawien um Kriegsfolgen, die auf das Verhalten des deutschen Staates im Rahmen des zweiten Weltkrieges" handelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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