L 11 AL 413/97 NZB

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 Al 1144/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 413/97 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 23. April 1997 wird abgelehnt.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten haben vor dem Sozialgericht Nürnberg (SG) um die Erstattung von Kranken- und Rentenversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 99,14 DM gestritten. Der Kläger war Gesellschafter und Geschäftsführer einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts und hatte die Stellung eines Arbeitgebers für zwei Arbeitnehmer (M ... G ... und I ... M ...). Auf Grund einer Arbeitslosmeldung erhielten sie von der Beklagten Arbeitslosengeld sowie die Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung gezahlt, obwohl sie noch einen Lohnanspruch gegen den Kläger hatten (§ 117 Abs 4 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz -AFG-). Deshalb forderte die Beklagte mit Bescheiden vom 29.03.1995 und 03.07.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.1995 die für die Arbeitnehmer entrichteten Beitragsanteile vom Kläger zurück (§ 160 Abs 1, § 166a AFG).

Im Klageverfahren vor dem SG bestritt der Kläger, weiterhin die Stellung eines Arbeitgebers gehabt zu haben und zur Erstattung der streitigen Summe von DM 99,14 verpflichtet zu sein.

Mit der Klageerhebung beantragte der Kläger, der zurzeit des Verfahrens vor dem SG Nürnberg eine Haftstrafe verbüßte, ihm Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren und einen Rechtsanwalt beizuordnen. Mit Beschluss des SG Nürnberg vom 02.12.1996 wurde dieser Antrag abgelehnt. Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage sei nicht gegeben. Der Beschluss wurde dem Kläger am 05.12.1996 zugestellt.

Mit richterlicher Verfügung vom 03.04.1997 hat das Gericht Termin zur mündlichen Verhandlung für 23.04.1997 anberaumt, ohne das persönliche Erscheinen des Klägers anzuordnen. Die Ladung wurde dem Kläger am 09.04.1997 zugestellt.

Zur mündlichen Verhandlung vor dem SG Nürnberg am 23.04.1997 ist der Kläger nicht erschienen und nicht vertreten gewesen. Nach mündlicher Verhandlung erging ein klageabweisendes Urteil. Für die Begründung der Entscheidung hat das SG diejenige des Widerspruchsbescheides vom 10.08.1995 in Bezug genommen (§ 136 Abs 3 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). In dem Urteil ist die Berufung nicht zugelassen worden. In der Rechtsmittelbelehrung wurde auf die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde hingewiesen. Das Urteil vom 23.04.1997 ist dem Kläger am 02.05.1997 zugestellt worden.

Am 06.05.1997 hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde beim SG Nürnberg eingelegt. Der Vorsitzende der 8.Kammer, die das Urteil erlassen hatte, hat mit Beschluss vom 06.05.1997 verfügt, dass der Beschwerde nicht abgeholfen werde, und die Sache dem Senat vorgelegt.

Der Kläger stützt seine Nichtzulassungsbeschwerde darauf, dass das Urteil vom 23.04.1997 auf einem Verfahrensmangel beruhe. Nachdem sein Antrag auf PKH negativ beschieden worden sei, hätte das SG sein persönliches Erscheinen anordnen müssen. Dann wäre er zum Termin vorgeführt worden. Durch dieses Versäumnis sei ihm die Möglichkeit genommen worden, seine Sache persönlich zu vertreten.

Der Kläger beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 23.04.1997 zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Gründe, wonach die Nichtzulassungsbeschwerde gerechtfertigt sein könnte, seien nicht ersichtlich.

II.

Die nach § 145 Abs 1 Satz 1, 2 SGG zulässige Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat, war zurückzuweisen (§ 145 Abs 4 SGG).

Im Rechtsstreit des Klägers ist die Berufung nicht zulässig, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt nicht 1.000,00 DM, noch betrifft die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs 1 Satz 1 und 2 SGG).

Die Berufung ist auch nicht zuzulassen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 144 Abs 2 SGG sind nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift ist die Berufung zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Ein wesentlicher Verfahrensmangel ist nicht ersichtlich.

Die Entscheidung des SG, der Nichtzulassungsbeschwerde nicht abzuhelfen (§ 145 Abs 4 Satz 1 SGG), erging zwar entgegen der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter. Der Senat sieht sich dadurch jedoch nicht an einer Entscheidung gehindert, weil er eine Zurückgabe an das SG für untunlich hält (vgl LSG Bad.-Wttbg, Beschluss vom 29.06.1984, Az: L 5 B 60/84 = Breithaupt 1984 S 919; BayLSG, Beschluss vom 03.11.1998, Az: L 10 AL 457/96 NZB; im Ergebnis auch Kummer, Das sozialgerichtliche Verfahren, Rdnr 309; aA Meyer-Ladewig, SGG-Komm, 6.Auflage, § 174 Anm 3). Denn eine Zurückgabe würde eine weitere Verzögerung der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde bedeuten. Die Entscheidung des SG erging ohne vorherige Anhörung der Beklagten. Auch dies gibt dem Senat keine Veranlassung, die Sache an das SG zurückzugeben, denn die unterlassene Anhörung wurde zwischenzeitlich nachgeholt. Die Beklagte hat zur Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers Stellung genommen. Zudem war die Beklagte durch den Nichtabhilfebeschluss des Vorsitzenden nicht beschwert.

Der Kläger wurde zum Termin vom 23.04.1997 ordnungsgemäß geladen. Die 14-tägige Ladungsfrist des § 110 SGG wurde eingehalten. Die Ladung erging zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung, nämlich am 09.04.1997 (Mittwoch) zum 23.04.1997 (Mittwoch), dem Verhandlungstermin. Die 14-tägige Frist errechnet sich nach § 64 Abs 2 Satz 1 SGG. Danach bestimmt sich eine nach Wochen bemessene Frist mit Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis fällt. Ereignis für die Ladungsfrist ist die mündliche Verhandlung, so dass die Ladungsfrist von zwei Wochen rückwärts zu berechnen ist. Sie ist gewahrt, wenn die Terminsbekanntgabe am gleichen Wochentag zwei Wochen vor dem Verhandlungstag zugestellt wird (BSG SozR 1500 § 110 Nr 1).

Der Vorsitzende des SG war bei der Anberaumung des Termins nicht gehalten, wegen der Haft des Klägers dessen persönliches Erscheinen anzuordnen (§ 111 Abs 1 SGG). Diese Anordnung des Vorsitzenden steht grundsätzlich in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Wegen der Haft des Klägers und der vorangegangenen Ablehnung des PKH-Antrages, der darauf gerichtet war, dem Kläger einen Anwalt kostenfrei oder unter Ratenzahlung an die Seite zu stellen, war der Vorsitzende in seinem pflichtgemäßen Ermessen nicht derart eingeengt, dass er das persönliche Erscheinen des Klägers anordnen musste (BFH Urteil vom 22.03.1977 Az: VII R 110/74 = BFHE 122, 225; BSG Urteil vom 21.06.1983 Az: 4 RJ 3/83 = Soziale Sicherheit 1983 S 389; Meyer-Ladewig, SGG-Komm, 6.Auflage, § 62 Rdnr 6e). Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 Grundgesetz, § 62 SGG) kann sich zwar aufgrund besonderer Umstände die Pflicht des Gerichts ergeben, einen anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung auf Antrag des Beteiligten aufzuheben oder zu vertagen. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger jedoch weder seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung beantragt noch Antrag auf Terminsaufhebung oder Vertagung gestellt. Mit der Möglichkeit ausführlicher schriftlicher Ausführungen zum Klagebegehren wird dem Grundsatz auf rechtliches Gehör ausreichend Genüge getan.

Nach dem Strafvollzugsgesetz (StVollzG) vom 16.03.1976 (BGBl I, S 581) kann der Anstaltsleiter dem Gefangenen Ausgang oder Urlaub erteilen (§ 36 Abs 1 StVollzG) oder ihn zu dem Termin ausführen lassen (§ 36 Abs 2 StVollzG), wenn der Kläger dies begehrt, sofern wegen Entweichungs- oder Missbrauchsgefahr keine überwiegenden Gründe entgegenstehen.

Wegen dieser Möglichkeiten bleibt es dem Gefangenen überlassen, durch entsprechende Anträge beim Anstaltsleiter für seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung Sorge zu tragen (BFH und BSG aaO). Erst wenn der Kläger die ihm durch das StVollzG eingeräumten Möglichkeiten erfolglos genutzt, dem SG davon Mitteilung gemacht und einen Antrag auf Teilnahme an der mündlichen Verhandlung gestellt hätte, konnte sich für das SG die Verpflichtung ergeben, den Kläger persönlich zu laden bzw einen Vorführungsbefehl zu erlassen, wenn die mündliche Anhörung des Klägers zwingend geboten und eine Vertagung des Verhandlungstermins nicht in Betracht zu ziehen war. Der Anstaltsleiter hätte den Kläger dann vorführen lassen können (§ 36 Abs 2 Satz 2 StVollzG).

Da der Kläger keinen Antrag auf Terminsverlegung oder auf Anordnung seines persönlichen Erscheinens gestellt hat, kann der vom Kläger gerügte Verfahrensfehler nicht vorliegen. Dem Kläger wurde das rechtliche Gehör nicht verwehrt. Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 144 Abs 2 Nr 3 SGG liegt nicht vor.

Für den Senat ist ferner nicht ersichtlich, dass das Urteil des SG vom 23.04.1997 von einer Entscheidung eines Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichtes oder des Gemeinsamen Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht (§ 144 Abs 2 Nr 2 SGG).

Die vom SG entschiedene Rechtssache zu §§ 160 Abs 1, 166a AFG hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Das Urteil hat keine klärungsbedürftige Rechtsfrage zum Inhalt. Für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist ua auch erforderlich, dass die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft (BSG, Beschluss vom 07.02.1998 - B 7 Al 184/87.B -; Meyer- Ladewig, SGG-Komm, 6.Auflage § 144 Anm 28). Zwischen den Beteiligten war im Wesentlichen streitig, ob der Kläger für wenige Tage noch Arbeitgeber von Arbeitnehmern gewesen war, für die die Beklagte an diesen Tagen Alg gewährt hatte. Es ging deshalb im Wesentlichen nicht um eine klärungsbedürftige Rechtsfrage, sondern um eine Tatsachenfrage.

Nicht zu berücksichtigen war für den Senat, ob das sozialgerichtliche Urteil in der Sache zutreffend ist. Das SGG sieht, wie andere Verfahrensordnungen auch, vor, dass Streitsachen geringeren Streitwerts nur ausnahmsweise nachprüfbar sind. Eine solche Ausnahme ist - wie dargestellt - hier nicht gegeben.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei (§ 183 SGG) und ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 193 SGG in entsprechender Anwendung).

Das Urteil des SG Nürnberg vom 23.04.1997 ist damit rechtskräftig (§ 145 Abs 4 Satz 4 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved