L 5 AR 186/01 KR

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 KR 173/99
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 AR 186/01 KR
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Ablehnung der Vorsitzenden der 12. Kammer des Sozialgerichts Augsburg, Richterin am Sozialgericht W. , wegen Besorgnis der Befangenheit ist unbegründet.

Gründe:

I.

Der Kläger und Antragsteller führt vor der 12. Kammer des Sozialgerichts Augsburg - SG - (Vorsitzende: Richterin am Sozialgericht - RiSG - W.) gegen die Beklagte einen Rechtsstreit wegen der Abrechnung von konservierend-chirurgischen zahnärztlichen Behandlungen (Klageschrift mit zahlreichen Anträgen vom 07.11.1999).

Am 23.12.1999, 24.01.2000 und 17.04.2000 hat RiSG W. dem Kläger Abschriften der Schriftsätze der Beklagten vom 13.12.1999, 12.01.2000, 14.01.2000 und 04.04.2000 zuleiten lassen. Mit Schreiben vom 04.09.2001 hat sie den Kläger darauf hingewiesen, dass die Abrechnung der kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayern ihm von der Beklagten übersandt worden sei und weder der Beklagten noch dem Gericht vorliege. Soweit er sich also hierauf beziehe, seien die Unterlagen dem Gericht vorzulegen; desgleichen die ihm gegenüber erstellten Rechnungen der Zahnärzte, deren Überprüfung er verlange.

Mit Schriftsatz vom 27.10.2001 hat der Kläger zu dem Sach- und Streitstand aus seiner Sicht umfangreich (acht Seiten) Stellung genommen, seine Anträge wiederholt und zusammenfassend ausgeführt, dass von ihm nicht die Erfüllung seiner Klage verlangt werden könne; die Erfüllung obliege allein der Beklagten. Klagegegenstand sei die Herausgabe aller Abrechnungen durch die Beklagte, damit er - der Kläger - die Abrechnungen überprüfen könne. Nachdem seit der Antragstellung zwei Jahre verflossen seien, sei hieraus ein Gebot einer zügigen gerichtlichen Entscheidung entstanden.

Durch Verfügung vom 22.11.2001 hat daraufhin die Kammervorsitzende Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 13.12.2001, 8.30 Uhr, bestimmt; am 04.12.2001 hat der Kläger ergänzende Beweisanträge für die mündlichen Verhandlung gestellt und u.a. beantragt, den Termin erst auf 9.30 Uhr anzuberaumen. Am 06.12.2001 hat RiSG W. eine Terminsverlegung abgelehnt.

Mit Schriftsatz vom 11.12.2001 hat der Kläger die Kammervorsitzende nunmehr wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und moniert, dass die Richterin sich mit dem Sachverhalt "nicht hinreichend beschäftigt" habe. Denn sie habe von ihm die Vorlage der Zahnarztabrechnungen aus dem Besitz der Beklagten verlangt, um diese Rechnungen überprüfen zu können, obwohl sich das Klagebegehren gerade auf die Herausgabe dieser Rechnungen durch die Beklagte an ihn - den Kläger - richte. Dass die Kammervorsitzende seit Antragstellung zwei Jahre habe "verfließen lassen", bedeute eine Nichtbeachtung des Gebots einer zügigen gerichtlichen Entscheidung und objektiven Rechtsfindung und rechtfertige Besorgnisse hinsichtlich der Unparteilichkeit der Richterin.

RiSG W. hat sich zu dem Ablehnungsgesuch am 12.12.2001 dienstlich geäußert.

II.

Für die Entscheidung über Gesuche, mit welchen Richter der Sozialgerichte abgelehnt werden, ist das Landessozialgericht zuständig (§ 60 Abs.1 S.2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Das zulässige Ablehnungsgesuch erweist sich als unbegründet.

Nach § 60 SGG i.V.m. § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, welcher geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§§ 60 Abs.1 S.1 SGG, 42 Abs.2 ZPO). Dies ist nur dann der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (vgl. BVerfGE 35, 171, 172; NJW 1999, 132, 133). Das Misstrauen muss aus der Sicht eines ruhig und vernünftig denkenden Prozessbeteiligten verständlich sein (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4.Aufl., S.186/14). Es kommt weder darauf an, ob die Befürchtung eines Prozessbeteiligten, der Richter sei ihm gegenüber voreingenommen, begründet ist, noch auf die subjektive Meinung des abgelehnten Richters, ob er befangen sei oder nicht (vgl. BVerfG, a.a.O.; Zöller-Vollkommer, ZPO, 21.Aufl., § 42 Rdnr.9 m.w.N.). Der Gesetzgeber hat durch die Möglichkeit der Richterablehnung nämlich nicht nur eine tatsächlich parteiliche Rechtspflege verhindern, sondern darüber hinaus auch schon den für einen Prozessbeteiligten nach Lage der Umstände naheliegenden oder doch verständlichen Argwohn vermeiden wollen, der Richter werde nicht unparteilich entscheiden.

Von diesen Grundsätzen ausgehend besteht kein Anlass, im Hinblick auf das gerichtliche Schreiben vom 04.09.2001 und den bisherigen Zeitablauf die Unvoreingenommenheit und objektive Einstellung der RiSG W. in Zweifel zu ziehen.

Eine Partei kann nach § 43 ZPO nur solche Ablehnungsgründe geltend machen, mit denen sie nicht ausgeschlossen ist. Danach kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Der Zweck der Vorschrift ist es, eine Partei, die an der Unbefangenheit des Richters zweifelt, zu zwingen, dies alsbald kund zu tun. Die Partei soll sich sofort nach Kenntnis eines (angeblichen) Ablehnungsgrundes entscheiden, ob sie sich auf diesen berufen will oder nicht (vgl. Münchener Kommentar - Feiber, ZPO, § 43 Rdnr.1). Die Vorschrift des § 43 ZPO hat als Präklusionsnorm den Sinn, durch zeitliche Einschnitte, nämlich die Geltendmachung bekannter Ablehnungsgründe nur vor der Einlassung in eine Verhandlung oder der Stellung von Anträgen, willkürlichen Verzögerungen entgegenzuwirken und zu verhindern, dass bereits geleistete prozessuale Arbeit nutzlos gemacht wird. Die Möglichkeit, Ablehnungsgründe zu sammeln und durch nachträgliche Geltendmachung dem bisher in einem Prozess investierten Aufwand an Zeit und Kosten einseitig den Boden zu entziehen, soll nicht der Disposition der Partei unterliegen (vgl. OLG Karlsruhe, MDR 1992, 409; Schneider, MDR 1977, 441). Es handelt sich um die besondere Ausprägung des allgemeinen, das ganze Recht beherrschenden Gedankens des Verbots unzulässiger Rechtsausübung. Danach kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn der Beteiligte sich zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch setzt (vgl. BVerwG, MDR 1993, 1242).

Es kommt in diesem Zusammenhang darauf an, ob an ein prozessuales Verhalten einer Partei die (unwiderlegliche) Vermutung geknüpft werden kann, es liege darin ein Verzicht auf die Ablehnung bzw. die Bekundung weiteren Vertrauens in den Richter (vgl. RGZ 36, 378, 380; BVerwG, NJW 1964, 1870; OLG München, MDR 1980, 146; Schneider, a.a.O.). Die der Partei auferlegte Prozessförderungspflicht, aus der sich die Präklusion nach § 43 ZPO herleitet, verpflichtet die Partei, ihr prozessuales Verhalten bei Vorliegen eines möglichen Ablehnungsgrundes unter dem Gesichtspunkt zu bedenken, ob darin ein Ausdruck des weiteren Vertrauens in den Richter gesehen werden kann.

So liegen die Dinge hier.

Dem Kläger waren, als er mit Schriftsatz vom 27.10.2001 seine Klageanträge wiederholt und eine Entscheidung angemahnt hat, sowohl das Schreiben des SG vom 04.09.2001 (mit der Bitte um Vorlage der zu überprüfenden Zahnarztrechnungen) als auch der bisherige prozessuale Zeitablauf bekannt. Anstelle seiner Klageanträge hätte der Kläger also - um der Präklusionswirkung des § 43 ZPO zu entgehen - am 27.10.2001 das auf die vorgenannten - ihm längst bekannten - Gründe gestützte Ablehnungsgesuch gegen RiSG W. vorbringen müssen. Das hat er aber nicht getan. Vielmehr hat er die ihm bekannten (angeblichen) Ablehnungsgründe erst am 11.12.2001, mithin ca. sechs Wochen nach der Wiederholung der Sachanträge, beim SG geltend gemacht. Er muss deshalb die unwiderlegliche Vermutung gegen sich gelten lassen, dass die (angeblichen) Ablehnungsgründe bei ihm nicht die Besorgnis der Befangenheit geweckt haben.

Gründe für eine Ablehnung der RiSG W. wegen Besorgnis der Befangenheit bestehen somit nach allem nicht.

Der Antrag war daher als unbegründet zurückzuweisen.

Die Entscheidung ist kostenfrei (§ 183 SGG) und endgültig (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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