Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 KR 174/99
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 AR 187/01 KR
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Ablehnung der Vorsitzenden der 12. Kammer des Sozialgerichts Augsburg, Richterin am Sozialgericht W. , wegen Besorgnis der Befangenheit ist unbegründet.
Gründe:
I.
Der Kläger und Antragsteller führt vor der 12. Kammer des Sozialgerichts Augsburg - SG - (Vorsitzende: Richterin am Sozialgericht - RiSG - W.) gegen die Beklagte einen Rechtsstreit im Zusammenhang mit Auskunftsersuchen bezüglich seiner Sozialversicherungsbeiträge (Klageschrift mit diversen Anträgen vom 07.11.1999). Er hat seine Klage mit weiteren Schriftsätzen vom 21.01.2000, 20.04.2000 und 14.05.2000 begründet.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und dies am 21.12.1999, 20.03.2000 und 31.07.2000 ausführlich begründet.
Das umfangreiche Schreiben vom 31.07.2000, bei Gericht eingegangen am 02.08.2000, hat das SG dem Kläger am 04.09.2001 zur Stellungnahme zugeleitet und mitgeteilt, dass die Streitsache demnächst zur Entscheidung vorgesehen sei. Mit Schriftsatz vom 04.10.2001 hat der Kläger daraufhin zum Schreiben der Beklagten vom 31.07.2000 sachlich Stellung genommen und sein Klagebegehren aufrechterhalten. Abschließend hat er ausgeführt, dass er nach Erschöpfung des "ordentlichen Rechtsweges" bei Erfolglosigkeit Verfassungsbeschwerde "in Karlsruhe" erheben werde.
Durch Verfügung vom 22.11.2001 hat RiSG W. Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 13.12.2001 bestimmt und das persönliche Erscheinen des Klägers angeordnet.
Am 03.12.2001 hat der Kläger die Kammervorsitzende wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil diese ihm die Stellungnahme der Beklagten vom 31.07.2000 erst 14 Monate später zugestellt habe. Darüber hinaus habe die Richterin in seinem Verfahren S 12 KR 182/99 - ebenfalls gegen die Beklagte - die Entscheidung über sein Austrittsrecht bei der Beklagten solange hinausgezögert, bis sich eine gerichtliche Entscheidung erübrigt gehabt habe.
Die Kammervorsitzende hat sich zu dem Ablehnungsgesuch am 07.12.2001 dienstlich geäußert.
II.
Für die Entscheidung über Gesuche, mit welchen Richter der Sozialgerichte abgelehnt werden, ist das Landessozialgericht zuständig (§ 60 Abs.1 S.2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Das zulässige Ablehnungsgesuch erweist sich als unbegründet.
Nach § 60 SGG i.V.m. § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, welcher geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§§ 60 Abs.1 S.1 SGG, 42 Abs.2 ZPO). Dies ist nur dann der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (vgl. BVerfGE 35, 171, 172; NJW 1999, 132, 133). Das Misstrauen muss aus der Sicht eines ruhig und vernünftig denkenden Prozessbeteiligten verständlich sein (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4.Aufl., S.186/14). Es kommt weder darauf an, ob die Befürchtung eines Prozessbeteiligten, der Richter sei ihm gegenüber voreingenommen, begründet ist, noch auf die subjektive Meinung des abgelehnten Richters, ob er befangen sei oder nicht (vgl. BVerfG, a.a.O.; Zöller-Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., § 42 Rdnr.9 m.w.N.). Der Gesetzgeber hat durch die Möglichkeit der Richterablehnung nämlich nicht nur eine tatsächlich parteiliche Rechtspflege verhindern, sondern darüber hinaus auch schon den für einen Prozessbeteiligten nach Lage der Umstände naheliegenden oder doch verständlichen Argwohn vermeiden wollen, der Richter werde nicht unparteilich entscheiden.
Von diesen Grundsätzen ausgehend hat der Kläger keinen Anlass, die Unvoreingenommenheit und objektive Einstellung der RiSG W. in Zweifel zu ziehen. Der Vortrag des Klägers, das SG habe ihm das Schreiben der Beklagten vom 31.07.2000 erst nach 14 Monaten zugestellt, rechtfertigt keinesfalls die Besorgnis der Befangenheit der Kammervorsitzenden.
Eine Partei kann nach § 43 ZPO nur solche Ablehnungsgründe geltend machen, mit denen sie nicht ausgeschlossen ist. Danach kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Der Zweck der Vorschrift ist es, eine Partei, die an der Unbefangenheit des Richters zweifelt, zu zwingen, dies alsbald kund zu tun. Die Partei soll sich sofort nach Kenntnis eines (angeblichen) Ablehnungsgrundes entscheiden, ob sie sich auf diesen berufen will oder nicht (vgl. Münchener Kommentar-Feiber, ZPO, § 43 Rdnr.1). Die Vorschrift des § 43 ZPO hat als Präklusionsnorm den Sinn, durch zeitliche Einschnitte, nämlich die Geltendmachung bekannter Ablehnungsgründe nur vor der Einlassung in eine Verhandlung oder der Stellung von Anträgen, willkürlichen Verzögerungen entgegenzuwirken und zu verhindern, dass bereits geleistete prozessuale Arbeit nutzlos gemacht wird. Die Möglichkeit, Ablehnungsgründe zu sammeln und durch nachträgliche Geltendmachung dem bisher in einen Prozess investierten Aufwand an Zeit und Kosten einseitig den Boden zu entziehen, soll nicht der Disposition der Partei unterliegen (vgl. OLG Karlsruhe, MDR 1992, 409; Schneider, MDR 1977, 441). Es handelt sich um die besondere Ausprägung des allgemeinen, das ganze Recht beherrschenden Gedankens des Verbots unzulässiger Rechtsausübung. Danach kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn der Beteiligte sich zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch setzt (vgl. BVerwG, MDR 1993, 1242).
Was ein Antrag und was ein Sicheinlassen in eine Verhandlung i.S. des § 43 ZPO sind, ist auslegungsbedürftig und auslegungsfähig. Ein das Klagebegehren betreffender sachlicher Antrag stellt jedenfalls einen Antrag i.S. des § 43 ZPO dar. Das Einreichen eines Schriftsatzes zur Vorbereitung einer Entscheidung durch den (später abgelehnten) Richter - wie hier beim Schriftsatz des Klägers vom 04.10.2001 - bedeutet eine Einlassung in eine Verhandlung nach dieser Vorschrift (vgl. Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 43 Rdnr.4; Wieczorek-Niemann, ZPO, 3. Aufl., § 43 Rdnr.5; Münchener Kommentar-Feiber, a.a.O., § 43 Rdnr.4).
Es kommt in diesem Zusammenhang darauf an, ob an ein prozessuales Verhalten einer Partei die (unwiderlegliche) Vermutung geknüpft werden kann, es liege darin ein Verzicht auf die Ablehnung bzw. die Bekundung weiteren Vertrauens in den Richter (vgl. RGZ 36, 378, 380; BVerwG, NJW 1964, 1870; OLG München, MDR 1980, 146; Schneider, a.a.O.). Die der Partei auferlegte Prozessförderungspflicht, aus der sich die Präklusion nach § 43 ZPO herleitet, verpflichtet die Partei, ihr prozessuales Verhalten bei Vorliegen eines möglichen Ablehnungsgrundes unter dem Gesichtspunkt zu bedenken, ob darin ein Ausdruck des weiteren Vertrauens in den Richter gesehen werden kann. Das ist dann der Fall, wenn aus einem irgendwie noch identifizierbaren Verhalten, das unter Umständen auch in einem bloßen Unterlassen bestehen kann, die durch die Prozessförderungspflicht der Partei legitimierte Schlussfolgerung gezogen werden kann, diese stimme der Weiterführung des Verfahrens durch den Richter trotz des ihr bekannten (angeblichen) Ablehnungstatbestandes stillschweigend zu.
So liegen die Dinge hier.
Der Kläger hat am 04.10.2001 in voller Kenntnis der reichlich späten Zustellung des Schriftsatzes der Beklagten vom 31.07. 2000 an ihn zu seinem Klagebegehren Stellung genommen, seine Anträge aufrechterhalten und eine Entscheidung des SG ("Erschöpfung des ordentlichen Rechtsweges") angemahnt. Um der Präklusionswirkung des § 43 ZPO zu entgehen, hätte er aber am 04.10.2001, anstatt sich in eine Verhandlung einzulassen, alle ihm bis dahin bekannten (angeblichen) Ablehnungsgründe gegen RiSG W. vorbringen müssen. Da er das nicht getan hat, muss er die unwiderlegliche Vermutung gegen sich gelten lassen, dass die späte Zustellung des Schriftsatzes vom 31.07.2000 bei ihm nicht die Besorgnis der Befangenheit der Kammervorsitzenden geweckt hat.
Auch soweit der Kläger die Dauer des gerichtlichen Verfahrens in dem - zwischenzeitlich erledigten - Rechtsstreit S 12 KR 182/99 rügt, besteht kein Grund zur Besorgnis der Befangenheit der Kammervorsitzenden im laufenden Verfahren. Zwar ist eine Partei nicht gehindert, aus einem früheren Verfahren resultierende (mögliche) Ablehnungsgründe in einem neuen Prozess (wieder) vorzutragen (vgl. Bayer. Landessozialgericht, Beschluss vom 31.07.1995, L 5 A 144/94 Ka; OLG Karlsruhe, MDR 1992, 409; Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 43 Rdnr.7; Münchener Kommentar-Feiber, a.a.O., § 43 Rdnr.8 m.w.N.). Von einer Besorgnis der Befangenheit kann aber hier nicht die Rede sein, weil die Dauer des Verfahrens S 12 KR 182/99 bei vernünftiger Würdigung keine Zweifel an der Unparteilichkeit der abgelehnten Richterin aufkommen lässt.
Die Dauer eines gerichtlichen Verfahrens belastet alle Prozessbeteiligten gleichermaßen und begründet für sich genommen keinen Anhaltspunkt für die Annahme, der Richter stehe der einen oder anderen Partei nicht mit der gebotenen Neutralität und Unbefangenheit gegenüber. Dies gilt auch dann, wenn die antragstellende Partei ein besonderes Interesse an einer beschleunigten Sachentscheidung hat und ihr der seit Verfahrensbeginn verstrichene Zeitraum unerklärlich lang erscheint (vgl. OLG Düsseldorf, MDR 1998, 1052). Es ist vielmehr Sache des Gerichts, nach seinem Ermessen darüber zu befinden, in welcher Weise das Verfahren in dem Zeitraum von der Klageerhebung bis zur Entscheidung zu fördern ist (vgl. OVG Münster, NJW 1993, 2259). Dementsprechend hat der Gesetzgeber den Ablehnungsgrund der Verfahrensverzögerung nicht in die Befangenheitsvorschriften aufgenommen. Aus §§ 42 und 1036 Abs.2 ZPO ergibt sich, dass er das Problem einer überlangen Verfahrensdauer gesehen, aber inzwischen selbst für das schiedsgerichtliche Verfahren den Ablehnungsgrund der ungebührlichen Verzögerung im Gegensatz zu der bisherigen Regelung des § 1032 Abs.2 ZPO in der ab 01.01. 1998 geltenden Fassung durch Art.1 Nr.6 des Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts vom 22.12.1997 (BGBl. 1997 I S.3224) nicht mehr normiert hat.
Es kommt daher grundsätzlich auch nicht darauf an, ob die bisherige Dauer des Verfahrens auf vom Ablehnenden für überflüssig gehaltenen Maßnahmen des Richters oder auf schlichter Untätigkeit beruht. Die Entscheidung über Art und Weise der Prozessförderung und insbesondere über die für die Sachentscheidung erforderlichen tatsächlichen Grundlagen und das bei ihrer Ermittlung einzuhaltende Verfahren hat der Richter in eigener Verantwortung zu treffen; das Ablehnungsrecht gibt den Parteien keine Handhabe, ihre abweichenden Vorstellungen durchzusetzen. Dies gilt selbst dann, wenn das zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch berufene Gericht die rechtlichen oder tatsächlichen Wertungen des abgelehnten Richters nicht teilt; zu einer Korrektur ist allein das in der Hauptsache zuständige Rechtsmittelgericht berufen (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.).
Die Besorgnis der Befangenheit lässt sich daher aus einer als ungewöhnlich angesehenen Verfahrensdauer nur dann begründen, wenn die verfahrensleitenden Handlungen oder Unterlassungen des mit der Sache befassten Richters unter Berücksichtigung aller Umstände objektiv als schlechthin unvertretbar erschei- nen und sich subjektiv aus der Sicht des Ablehnenden deshalb der Anschein der Willkür und der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung aufdrängt (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 22.05.2000, L 5 AR 77/2000 RJ; OLG Oldenburg, FamRZ 1992, 192, 193 m.w.N.; OVG Münster, a.a.O.; OLG Karlsruhe, FamRZ 1994, 46; Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 42 Rdnr.24; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 53. Auflage, § 42 Rdnr.52, Stichwort "Untätigkeit").
Diese Voraussetzungen haben im Verfahren S 12 KR 182/99 nicht vorgelegen. Der Kläger hat die Klage am 25.11.1999 erhoben und am 23.10.2001 zurückgenommen. Auch wenn - ausweislich der Akten - das SG nach Eingang des letzten Schriftsatzes des Klägers am 07.03.2000 erst wieder am 06.09.2001 tätig geworden ist, so kann bei der bekannten, die Grenze der Zumutbarkeit bei weitem überschreitenden Geschäftsbelastung der Sozialgerichte von einer willkürlichen Verfahrensverzögerung nicht die Rede sein. Das muss umso mehr gelten, als es der Kläger offensichtlich nicht für nötig erachtet hat, sich während der gerichtlichen Untätigkeit von März 2000 bis September 2001 wenigstens einmal nach dem Stand der Dinge zu erkundigen und so ein besonderes Interesse an einer möglicherweise zeitnahen Entscheidung zum Ausdruck zu bringen.
Da nach allem keine Gründe vorliegen, die eine Ablehnung der RiSG W. wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen könnten, war der Antrag des Klägers zurückzuweisen.
Diese Entscheidung ist kostenfrei (§ 183 SGG) und nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Der Kläger und Antragsteller führt vor der 12. Kammer des Sozialgerichts Augsburg - SG - (Vorsitzende: Richterin am Sozialgericht - RiSG - W.) gegen die Beklagte einen Rechtsstreit im Zusammenhang mit Auskunftsersuchen bezüglich seiner Sozialversicherungsbeiträge (Klageschrift mit diversen Anträgen vom 07.11.1999). Er hat seine Klage mit weiteren Schriftsätzen vom 21.01.2000, 20.04.2000 und 14.05.2000 begründet.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und dies am 21.12.1999, 20.03.2000 und 31.07.2000 ausführlich begründet.
Das umfangreiche Schreiben vom 31.07.2000, bei Gericht eingegangen am 02.08.2000, hat das SG dem Kläger am 04.09.2001 zur Stellungnahme zugeleitet und mitgeteilt, dass die Streitsache demnächst zur Entscheidung vorgesehen sei. Mit Schriftsatz vom 04.10.2001 hat der Kläger daraufhin zum Schreiben der Beklagten vom 31.07.2000 sachlich Stellung genommen und sein Klagebegehren aufrechterhalten. Abschließend hat er ausgeführt, dass er nach Erschöpfung des "ordentlichen Rechtsweges" bei Erfolglosigkeit Verfassungsbeschwerde "in Karlsruhe" erheben werde.
Durch Verfügung vom 22.11.2001 hat RiSG W. Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 13.12.2001 bestimmt und das persönliche Erscheinen des Klägers angeordnet.
Am 03.12.2001 hat der Kläger die Kammervorsitzende wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil diese ihm die Stellungnahme der Beklagten vom 31.07.2000 erst 14 Monate später zugestellt habe. Darüber hinaus habe die Richterin in seinem Verfahren S 12 KR 182/99 - ebenfalls gegen die Beklagte - die Entscheidung über sein Austrittsrecht bei der Beklagten solange hinausgezögert, bis sich eine gerichtliche Entscheidung erübrigt gehabt habe.
Die Kammervorsitzende hat sich zu dem Ablehnungsgesuch am 07.12.2001 dienstlich geäußert.
II.
Für die Entscheidung über Gesuche, mit welchen Richter der Sozialgerichte abgelehnt werden, ist das Landessozialgericht zuständig (§ 60 Abs.1 S.2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Das zulässige Ablehnungsgesuch erweist sich als unbegründet.
Nach § 60 SGG i.V.m. § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, welcher geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§§ 60 Abs.1 S.1 SGG, 42 Abs.2 ZPO). Dies ist nur dann der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (vgl. BVerfGE 35, 171, 172; NJW 1999, 132, 133). Das Misstrauen muss aus der Sicht eines ruhig und vernünftig denkenden Prozessbeteiligten verständlich sein (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4.Aufl., S.186/14). Es kommt weder darauf an, ob die Befürchtung eines Prozessbeteiligten, der Richter sei ihm gegenüber voreingenommen, begründet ist, noch auf die subjektive Meinung des abgelehnten Richters, ob er befangen sei oder nicht (vgl. BVerfG, a.a.O.; Zöller-Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., § 42 Rdnr.9 m.w.N.). Der Gesetzgeber hat durch die Möglichkeit der Richterablehnung nämlich nicht nur eine tatsächlich parteiliche Rechtspflege verhindern, sondern darüber hinaus auch schon den für einen Prozessbeteiligten nach Lage der Umstände naheliegenden oder doch verständlichen Argwohn vermeiden wollen, der Richter werde nicht unparteilich entscheiden.
Von diesen Grundsätzen ausgehend hat der Kläger keinen Anlass, die Unvoreingenommenheit und objektive Einstellung der RiSG W. in Zweifel zu ziehen. Der Vortrag des Klägers, das SG habe ihm das Schreiben der Beklagten vom 31.07.2000 erst nach 14 Monaten zugestellt, rechtfertigt keinesfalls die Besorgnis der Befangenheit der Kammervorsitzenden.
Eine Partei kann nach § 43 ZPO nur solche Ablehnungsgründe geltend machen, mit denen sie nicht ausgeschlossen ist. Danach kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Der Zweck der Vorschrift ist es, eine Partei, die an der Unbefangenheit des Richters zweifelt, zu zwingen, dies alsbald kund zu tun. Die Partei soll sich sofort nach Kenntnis eines (angeblichen) Ablehnungsgrundes entscheiden, ob sie sich auf diesen berufen will oder nicht (vgl. Münchener Kommentar-Feiber, ZPO, § 43 Rdnr.1). Die Vorschrift des § 43 ZPO hat als Präklusionsnorm den Sinn, durch zeitliche Einschnitte, nämlich die Geltendmachung bekannter Ablehnungsgründe nur vor der Einlassung in eine Verhandlung oder der Stellung von Anträgen, willkürlichen Verzögerungen entgegenzuwirken und zu verhindern, dass bereits geleistete prozessuale Arbeit nutzlos gemacht wird. Die Möglichkeit, Ablehnungsgründe zu sammeln und durch nachträgliche Geltendmachung dem bisher in einen Prozess investierten Aufwand an Zeit und Kosten einseitig den Boden zu entziehen, soll nicht der Disposition der Partei unterliegen (vgl. OLG Karlsruhe, MDR 1992, 409; Schneider, MDR 1977, 441). Es handelt sich um die besondere Ausprägung des allgemeinen, das ganze Recht beherrschenden Gedankens des Verbots unzulässiger Rechtsausübung. Danach kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn der Beteiligte sich zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch setzt (vgl. BVerwG, MDR 1993, 1242).
Was ein Antrag und was ein Sicheinlassen in eine Verhandlung i.S. des § 43 ZPO sind, ist auslegungsbedürftig und auslegungsfähig. Ein das Klagebegehren betreffender sachlicher Antrag stellt jedenfalls einen Antrag i.S. des § 43 ZPO dar. Das Einreichen eines Schriftsatzes zur Vorbereitung einer Entscheidung durch den (später abgelehnten) Richter - wie hier beim Schriftsatz des Klägers vom 04.10.2001 - bedeutet eine Einlassung in eine Verhandlung nach dieser Vorschrift (vgl. Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 43 Rdnr.4; Wieczorek-Niemann, ZPO, 3. Aufl., § 43 Rdnr.5; Münchener Kommentar-Feiber, a.a.O., § 43 Rdnr.4).
Es kommt in diesem Zusammenhang darauf an, ob an ein prozessuales Verhalten einer Partei die (unwiderlegliche) Vermutung geknüpft werden kann, es liege darin ein Verzicht auf die Ablehnung bzw. die Bekundung weiteren Vertrauens in den Richter (vgl. RGZ 36, 378, 380; BVerwG, NJW 1964, 1870; OLG München, MDR 1980, 146; Schneider, a.a.O.). Die der Partei auferlegte Prozessförderungspflicht, aus der sich die Präklusion nach § 43 ZPO herleitet, verpflichtet die Partei, ihr prozessuales Verhalten bei Vorliegen eines möglichen Ablehnungsgrundes unter dem Gesichtspunkt zu bedenken, ob darin ein Ausdruck des weiteren Vertrauens in den Richter gesehen werden kann. Das ist dann der Fall, wenn aus einem irgendwie noch identifizierbaren Verhalten, das unter Umständen auch in einem bloßen Unterlassen bestehen kann, die durch die Prozessförderungspflicht der Partei legitimierte Schlussfolgerung gezogen werden kann, diese stimme der Weiterführung des Verfahrens durch den Richter trotz des ihr bekannten (angeblichen) Ablehnungstatbestandes stillschweigend zu.
So liegen die Dinge hier.
Der Kläger hat am 04.10.2001 in voller Kenntnis der reichlich späten Zustellung des Schriftsatzes der Beklagten vom 31.07. 2000 an ihn zu seinem Klagebegehren Stellung genommen, seine Anträge aufrechterhalten und eine Entscheidung des SG ("Erschöpfung des ordentlichen Rechtsweges") angemahnt. Um der Präklusionswirkung des § 43 ZPO zu entgehen, hätte er aber am 04.10.2001, anstatt sich in eine Verhandlung einzulassen, alle ihm bis dahin bekannten (angeblichen) Ablehnungsgründe gegen RiSG W. vorbringen müssen. Da er das nicht getan hat, muss er die unwiderlegliche Vermutung gegen sich gelten lassen, dass die späte Zustellung des Schriftsatzes vom 31.07.2000 bei ihm nicht die Besorgnis der Befangenheit der Kammervorsitzenden geweckt hat.
Auch soweit der Kläger die Dauer des gerichtlichen Verfahrens in dem - zwischenzeitlich erledigten - Rechtsstreit S 12 KR 182/99 rügt, besteht kein Grund zur Besorgnis der Befangenheit der Kammervorsitzenden im laufenden Verfahren. Zwar ist eine Partei nicht gehindert, aus einem früheren Verfahren resultierende (mögliche) Ablehnungsgründe in einem neuen Prozess (wieder) vorzutragen (vgl. Bayer. Landessozialgericht, Beschluss vom 31.07.1995, L 5 A 144/94 Ka; OLG Karlsruhe, MDR 1992, 409; Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 43 Rdnr.7; Münchener Kommentar-Feiber, a.a.O., § 43 Rdnr.8 m.w.N.). Von einer Besorgnis der Befangenheit kann aber hier nicht die Rede sein, weil die Dauer des Verfahrens S 12 KR 182/99 bei vernünftiger Würdigung keine Zweifel an der Unparteilichkeit der abgelehnten Richterin aufkommen lässt.
Die Dauer eines gerichtlichen Verfahrens belastet alle Prozessbeteiligten gleichermaßen und begründet für sich genommen keinen Anhaltspunkt für die Annahme, der Richter stehe der einen oder anderen Partei nicht mit der gebotenen Neutralität und Unbefangenheit gegenüber. Dies gilt auch dann, wenn die antragstellende Partei ein besonderes Interesse an einer beschleunigten Sachentscheidung hat und ihr der seit Verfahrensbeginn verstrichene Zeitraum unerklärlich lang erscheint (vgl. OLG Düsseldorf, MDR 1998, 1052). Es ist vielmehr Sache des Gerichts, nach seinem Ermessen darüber zu befinden, in welcher Weise das Verfahren in dem Zeitraum von der Klageerhebung bis zur Entscheidung zu fördern ist (vgl. OVG Münster, NJW 1993, 2259). Dementsprechend hat der Gesetzgeber den Ablehnungsgrund der Verfahrensverzögerung nicht in die Befangenheitsvorschriften aufgenommen. Aus §§ 42 und 1036 Abs.2 ZPO ergibt sich, dass er das Problem einer überlangen Verfahrensdauer gesehen, aber inzwischen selbst für das schiedsgerichtliche Verfahren den Ablehnungsgrund der ungebührlichen Verzögerung im Gegensatz zu der bisherigen Regelung des § 1032 Abs.2 ZPO in der ab 01.01. 1998 geltenden Fassung durch Art.1 Nr.6 des Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts vom 22.12.1997 (BGBl. 1997 I S.3224) nicht mehr normiert hat.
Es kommt daher grundsätzlich auch nicht darauf an, ob die bisherige Dauer des Verfahrens auf vom Ablehnenden für überflüssig gehaltenen Maßnahmen des Richters oder auf schlichter Untätigkeit beruht. Die Entscheidung über Art und Weise der Prozessförderung und insbesondere über die für die Sachentscheidung erforderlichen tatsächlichen Grundlagen und das bei ihrer Ermittlung einzuhaltende Verfahren hat der Richter in eigener Verantwortung zu treffen; das Ablehnungsrecht gibt den Parteien keine Handhabe, ihre abweichenden Vorstellungen durchzusetzen. Dies gilt selbst dann, wenn das zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch berufene Gericht die rechtlichen oder tatsächlichen Wertungen des abgelehnten Richters nicht teilt; zu einer Korrektur ist allein das in der Hauptsache zuständige Rechtsmittelgericht berufen (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.).
Die Besorgnis der Befangenheit lässt sich daher aus einer als ungewöhnlich angesehenen Verfahrensdauer nur dann begründen, wenn die verfahrensleitenden Handlungen oder Unterlassungen des mit der Sache befassten Richters unter Berücksichtigung aller Umstände objektiv als schlechthin unvertretbar erschei- nen und sich subjektiv aus der Sicht des Ablehnenden deshalb der Anschein der Willkür und der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung aufdrängt (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 22.05.2000, L 5 AR 77/2000 RJ; OLG Oldenburg, FamRZ 1992, 192, 193 m.w.N.; OVG Münster, a.a.O.; OLG Karlsruhe, FamRZ 1994, 46; Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 42 Rdnr.24; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 53. Auflage, § 42 Rdnr.52, Stichwort "Untätigkeit").
Diese Voraussetzungen haben im Verfahren S 12 KR 182/99 nicht vorgelegen. Der Kläger hat die Klage am 25.11.1999 erhoben und am 23.10.2001 zurückgenommen. Auch wenn - ausweislich der Akten - das SG nach Eingang des letzten Schriftsatzes des Klägers am 07.03.2000 erst wieder am 06.09.2001 tätig geworden ist, so kann bei der bekannten, die Grenze der Zumutbarkeit bei weitem überschreitenden Geschäftsbelastung der Sozialgerichte von einer willkürlichen Verfahrensverzögerung nicht die Rede sein. Das muss umso mehr gelten, als es der Kläger offensichtlich nicht für nötig erachtet hat, sich während der gerichtlichen Untätigkeit von März 2000 bis September 2001 wenigstens einmal nach dem Stand der Dinge zu erkundigen und so ein besonderes Interesse an einer möglicherweise zeitnahen Entscheidung zum Ausdruck zu bringen.
Da nach allem keine Gründe vorliegen, die eine Ablehnung der RiSG W. wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen könnten, war der Antrag des Klägers zurückzuweisen.
Diese Entscheidung ist kostenfrei (§ 183 SGG) und nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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