Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 5 RA 252/97
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 RA 55/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 RA 4/03 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 02.08.2000 geändert. Die Bescheide der Beklagten vom 26.09.1995, 16.08.1996, 29.05.1996 und 08.08.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.06.1997 sowie die Bescheide vom 05.05.1999 und 30.10.2000 werden insoweit aufgehoben, als die Beklagte von der Klägerin Beiträge für die Zeit bis zum 30.09.1995 fordert. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen, und die Klagen gegen die Bescheide vom 30.10.2000 und vom 26.11.2001 werden abgewiesen. Die Beklagte trägt ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das gesamte Verfahren. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Beitragspflicht der Klägerin als versicherungspflichtige Selbstständige für die Zeit vom 01.04.1993 bis zum 31.12.1994 sowie ab dem 04.02.1995. Dabei ist im Berufungsverfahren die Beitragspflicht nur noch dem Grunde nach streitig.
Die am 00.00.1961 geborene Klägerin ist seit Oktober 1995 als Masseurin und Medizinische Bademeisterin sowie als Lymphtherapeutin selbstständig tätig. Nach ihren Angaben macht die Lymphdrainage etwa die Hälfte der Tätigkeit aus. Sie arbeitet überwiegend auf Grund ärztlicher Verordnung. Im streitbefangenen Zeitraum beschäftigte sie vom 01.11.1994 bis 31.12.1994 zeitweise Arbeitnehmerinnen jeweils in geringfügiger Beschäftigung.
Mit Schreiben vom 09.06.1988 wandte sie sich an die Beklagte mit der Bitte um Vormerkung ihrer Ausbildungszeiten. Das Schreiben trägt den Briefkopf "Massage-Praxis V A, staatl. gepr. Masseurin u. med. Bademeisterin/Lymphtherapeutin". In dem Schreiben ist u.a. ausgeführt: "Sollte ich trotzdem meinen Rentenanspruch noch nicht erreicht haben, bitte ich Sie, mir mitzuteilen, welche Möglichkeiten ich heute als Selbständige habe, Rentenanspruch zu bekommen." Daraufhin erging am 21.09.1988 ein Vormerkungsbescheid hinsichtlich der Fachschulausbildungszeiten. Weiteres wurde nicht veranlasst.
Mit Bescheid vom 26.09.1995, geändert durch Bescheid vom 08.08.1996, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.1997 zog die Beklagte die Klägerin unter Berufung auf § 2 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zur Zahlung von Pflichtbeiträgen für Selbstständige für die Zeit vom 01.04.1993 bis zum 31.12.1994 und ab dem 04.02.1995 laufend heran.
Hiergegen hat die Klägerin am 23.07.1997 Klage erhoben und zunächst den Bescheid nach Grund und Höhe der Beiträge angegriffen. Nachdem die Klägerin während des Gerichtsverfahrens Einkommensnachweise vorgelegt hatte, hat die Beklagte mit Bescheid vom 05.05.1999 für den streitigen Zeitraum die Zahlung einkommensgerechter Beiträge anerkannt. Bezüglich der Versicherungspflicht dem Grunde nach hat die Klägerin vorgetragen, sie werde als Masseurin und Medizinische Bademeisterin nicht als Pflegeperson im Sinne des § 2 Nr. 2 SGB VI a.F. bzw. § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI n.F. tätig. Vielmehr übe sie einen medizinischen Heilberuf aus. Speziell im Bereich der Lymphdrainage treffe sie alle verantwortlichen Behandlungsentscheidungen selbst. Darüber hinaus habe sie bei Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit, die sie der Beklagten mitgeteilt habe, private Eigenvorsorge für die von der Beklagten versicherten Risiken des Alters und der Invalidität getroffen. Da die Beklagte sie pflichtwidrig nicht auf den Eintritt der Versicherungspflicht hingewiesen habe, sei der Beitragsanspruch nunmehr verwirkt. Hilfsweise berufe sie sich zudem auf die Einrede der Verjährung.
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
den Bescheid vom 26.09.1995 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 08.08.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.1997 sowie den Änderungsbescheid vom 05.05.1999 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) berufen, wonach Heilhilfsberufe jedenfalls dann der Versicherungspflicht nach § 2 Nr. 2 SGB VI unterfielen, wenn sie überwiegend auf ärztliche Verordnung tätig würden. Zwar könnten die davon betroffenen Personen - wie Masseure und Medizinische Bademeister - die Therapie in eigener Verantwortung übernehmen. Sie müssten den Behandlungsplan jedoch auf der ärztlichen Diagnose und dem gegebenen Behandlungsziel aufbauen. Verjährung sei im Hinblick auf das seit 1995 laufend anhängige Beitragsverfahren nicht eingetreten.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 02.08.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe in den streitigen Zeiträumen nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI (bzw. § 2 Nr. 2 SGB VI a.F.) als Selbstständige der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlegen bzw. unterliege ihr noch. Es handele sich bei ihrer Tätigkeit um eine selbstständige; sie habe auch in den fraglichen Zeiträumen keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt. Als Masseurin und Medizinische Bademeisterin habe sie auch einen Krankenpflegeberuf im Sinne von § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI ausgeübt. Insofern werde der ständigen Rechtsprechung des BSG gefolgt. Danach ergebe sich die Zugehörigkeit auch von Masseuren und Medizinischen Bademeistern zum Kreis der nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI versicherungspflichtigen Personen zwar nicht zwingend aus dem Wortlaut der Vorschrift. Sie folge aber aus dem Umstand, dass die Regelung gegenüber der Vorgängervorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 6 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) keine wesentliche Änderung erfahren habe und aus den Gesetzesmaterialien auch nicht ersichtlich sei, dass der Gesetzgeber im SGB VI den Kreis der erfassten Berufsgruppen habe einengen wollen. Vielmehr sei er ausweislich der Gesetzesbegründung bestrebt gewesen, im Unterschied zu den Heilberufen diejenigen Berufstätigen zu erfassen, die grundsätzlich weisungsabhängig seien, weil sie auf ärztliche Verordnung hin tätig würden. Hierin habe sich auch durch das am 26.05.1994 in Kraft getretene Gesetz über die Berufe in der Physiotherapie (MPhG) nichts geändert. Denn unverändert stellten die genannten Personenkreise, wenn und soweit sie nach ärztlicher Verordnung tätig würden, keine eigenständigen Diagnosen und seien auch hinsichtlich der Auswahl der Therapien nicht frei von ärztlicher Weisung. Weitgehende Weisungsfreiheit bestehe lediglich nach Maßgabe des jeweiligen Einzelfalles bei der Durchführung der verordneten Maßnahmen. Dies sei im Übrigen grundsätzlich unabhängig von der Frage, ob es sich bei den behandelten Personen um Privatpatienten oder um gesetzlich Krankenversicherte handele. Auch der Umstand, dass die Klägerin zu einem erheblichen Anteil Lymphdrainage durchführe, rechtfertige keine abweichende Beurteilung. Denn auch diese Therapie erfolge, wie sie selbst einräume, als Anwendung eines Heilmittels auf Grund vorheriger ärztlicher Verordnung. Der Beitragsanspruch der Beklagten sei auch nicht verwirkt. Denn die Klägerin habe aus dem Verhalten der Beklagten nicht den Schluss ziehen können, diese werde eine Beitragsforderung mit Blick auf die selbstständige Tätigkeit der Klägerin nicht erheben. Dass die Klägerin der Beklagten die Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit angezeigt habe, lasse sich nicht feststellen. Ausweislich des Kontenspiegels sei ihr lediglich am 01.06.1988 ein Versicherungsverlauf ausgestellt worden, woraufhin sie mit Schreiben vom 09.06.1988 ein Kontenklärungsverfahren in Gang gesetzt habe. Lediglich dem Briefkopf dieses in einem anderen Verfahren übersandten Schreibens hätte die Beklagte Anhaltspunkte für eine Versicherungspflicht entnehmen können. Wenn ein Versicherungsträger jedoch auf Grund von Umständen, die ihm lediglich zufällig während eines Verfahrens mit vollständig anderer Zielsetzung bekannt würden, keine umfassenden Ermittlungen zur Feststellung einer etwaigen Versicherungspflicht anstelle, so rechtfertige dies auf Seiten des Versicherten nicht das Vertrauen, dass eine Versicherungspflicht nicht bestehe. Vielmehr liege es in diesem Fall bei dem Versicherten, eine Klärung herbeizuführen. Dass die Klägerin sich in diesem Sinne bemüht habe, lasse sich jedoch nicht feststellen. Die Beitragsforderung der Beklagten sei schließlich auch nicht verjährt. Die Beklagte habe eine Forderung erstmals mit Bescheid vom 26.09.1995 geltend gemacht; dieser Bescheid habe die Verjährung nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) unterbrochen.
Gegen das ihr am 09.08.2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 06.09.2000 Berufung eingelegt, und zwar zunächst sowohl hinsichtlich des Grundes der Versicherungs- und Beitragspflicht als auch hinsichtlich der Beitragshöhe.
Wegen ununterbrochener Beschäftigung einer Mitarbeiterin L-S seit dem 01.12.2000 und deshalb seither für die Dauer der Beschäftigung bestehender Versicherungsfreiheit haben die Beteiligten übereinstimmend erklärt, streitig sei nurmehr ein Zeitraum bis zum 30.11.2000.
Während des Berufungsverfahrens setzte die Beklagte mit Bescheid vom 30.10.2000 die Höhe der Beiträge neu und niedriger fest. Die Klägerin begehrt daraufhin nurmehr eine Entscheidung über ihre Beitragspflicht dem Grunde nach.
Im Hinblick auf eine zwischenzeitlich ab dem 07.04.2001 gesetzlich eingeführte Befreiungsmöglichkeit nach § 231 Abs. 6 SGB VI beantragte die Klägerin im Juni 2001 ihre Befreiung mit Wirkung vom Eintritt der Versicherungspflicht. Mit Bescheid vom 26.11.2001 lehnte die Beklagte die beantragte Befreiung ab. Die Klägerin habe aufgrund des Bescheides vom 26.09.1995 vor dem 01.01.1999 Kenntnis von ihrer Versicherungspflicht gehabt. Der Bescheid vom 26.11.2001 werde Gegenstand des anhängigen gerichtlichen Verfahrens; den von der Klägerin eingelegten Widerspruch hat die Beklagte nicht beschieden. Die Klägerin hält die Befreiungsvoraussetzungen für erfüllt. Der Sinn und Zweck der Befreiungsmöglichkeit sei die Vermeidung einer Doppelbelastung durch private und sozialversicherungsrechtliche Fürsorge. Im Falle einer Nichtbefreiung werde der Vertrauensgrundsatz verletzt. Außerdem verstoße dies gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Artikel 3 des Grundgesetzes (GG) und gegen den Grundsatz der Berufsfreiheit gemäß Artikel 12 GG. Der Beitragsbescheid vom 26.09.1995 sei nicht bestandskräftig geworden und könne nicht zu einer Bösgläubigkeit hinsichtlich der Versicherungspflicht zum Stichtag im Jahre 1998 führen. Die Beitragsforderung der Beklagten würde sie zu einer Existenzgefährdung bis hin zu einem finanziellen Ruin führen.
Die Klägerin erneuert darüber hinaus im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Insbesondere führe sie die Behandlung im Bereich der Lymphdrainage selbstständig und selbstverantwortlich durch. Hierzu sei sie auf Grund des vorgelegten Zeugnisses des Lehrinstituts an der G-Klinik für Lymphologie auch berechtigt. Jedenfalls bis zum 30.11.2000 sei sie überwiegend aufgrund ärztlicher Verordnung tätig geworden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 02.08.2000 zu ändern und die Bescheide vom 26.09.1995, 16.08.1995, 29.05.1996 und 08.08.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.06.1997 sowie die Bescheide vom 05.05.1999, 30.10.2000 und 26.11.2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klagen gegen die Bescheide vom 30.10.2000 und vom 26.11.2001 abzuweisen.
Sie nimmt auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug, die sie für zutreffend hält.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt dieser Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.
Das angefochtene Urteil ist nur insoweit unrichtig, als es die Klage auch insoweit abweist, dass die Beklagte von der Klägerin auch Beiträge für die Zeit bis zum 30.09.1995 fordert. Im Übrigen hat das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide verletzen die Klägerin nicht weitergehend im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in ihren Rechten. Das gilt auch für die nach § 96 SGG zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gewordenen Bescheide vom 05.05.1999, 30.10.2000 und 26.11.2001.
Grundsätzlich unterliegt die Klägerin nach § 2 Nr. 2 SGB VI a.F. bzw. § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI n.F. als in einem Krankenpflegeberuf selbständig Tätige der Versicherungspflicht. Das Sozialgericht hat zu Recht ausgeführt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) für Masseure und medizinische Bademeister eine solche Versicherungspflicht besteht; der Senat nimmt insoweit nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil Bezug. Einschränkungen ergeben sich auch nicht etwa daraus, dass die Klägerin nicht überwiegend nach ärztlicher Verordnung tätig geworden wäre. Vielmehr hat sie noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt, dass sie zumindest für den gesamten streitigen Zeitraum überwiegend aufgrund ärztlicher Verordnung tätig gewesen ist.
Schließlich hat das Sozialgericht auch zu Recht erkannt, dass die Durchführung von Lymphdrainage keine abweichende Beurteilung rechtfertigt. Denn auch diese Therapie hat die Klägerin als Anwendung eines Heilmittels aufgrund vorheriger ärztlicher Verordnung durchgeführt.
Mit Erfolg beruft sich die Klägerin jedoch für den Zeitraum bis zum 30.09.1995 auf eine Verwirkung der Beitragsansprüche der Beklagten.
Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 242 Rz. 87 m.N. der Rspr.). Erforderlich ist zunächst ein sog. Zeitmoment, d.h., es muss seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, eine längere Zeit verstrichen sein, wobei sich die erforderliche Dauer des Zeitablaufs nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt (a.a.O. Rz. 93 m.N.). Während dieser Zeit darf der Berechtigte nichts zur Durchsetzung seines Rechts getan haben (a.a.O. Rz. 94). Notwendig ist ferner ein sog. Umstandsmoment i.S. eines Vertrauenstatbestandes; der Verpflichtete muss sich auf Grund des Verhaltens des Berechtigten darauf eingerichtet haben, dieser werde sein (vermeintliches) Recht nicht mehr geltend machen, und wegen des geschaffenen Vertrauenstatbestandes muss die verspätete Geltendmachung des Rechts als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte erscheinen. Das Umstandsmoment ist i.d.R. erfüllt, wenn der Verpflichtete im Hinblick auf die Nichtgeltendmachung des Rechts Vermögensdispositionen getroffen hat (a.a.O. Rz. 95 m.N.). Bezogen auf einen Beitragsanspruch eines Sozialversicherungsträgers tritt demgemäss Verwirkung ein, wenn der Träger den Anspruch über einen längeren Zeitraum hinaus nicht geltend gemacht hat und besondere Umstände hinzutreten, die das späte Geltendmachen nach Treu und Glauben missbräuchlich erscheinen lassen (KK-Seewald, § 25 SGB IV Rz. 12 m.N. der Rspr.).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall bis zum 30.09.1995 erfüllt. Bereits seit 1988 hätte die Beklagte Beitragsansprüche geltend machen können, hat dies aber trotz einer direkten Anfrage der Klägerin nach Möglichkeiten zu ihrer gesetzlichen Rentenversicherung nicht getan. Insoweit hat das Sozialgericht zu Unrecht ausgeführt, die Klägerin habe aus dem Verhalten der Beklagten nicht den Schluss ziehen können, diese werde eine Beitragsforderung im Hinblick auf ihre selbständige Tätigkeit nicht erheben. Denn entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts hat die Klägerin der Beklagten durchaus Kenntnis von der Aufnahme ihrer selbständigen Tätigkeit gegeben. Ihr Schreiben vom 09.06.1988 enthält keineswegs nur im Briefkopf den Hinweis, dass sie eine Praxis als staatlich geprüfte Masseurin, medizinische Bademeisterin und Lymphtherapeutin betreibe. Sie fragt in dem Schreiben vielmehr ausdrücklich bei der Beklagten an, ob sie, falls sie bislang einen Rentenanspruch noch nicht erreicht habe, als Selbständige Möglichkeiten habe, einen Rentenanspruch zu erhalten. Hätte die Beklagte seinerzeit diese Anfrage aufgegriffen, hätte sie die Klägerin schon damals über ihre Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 2 SGB VI a.F. informieren können. Keineswegs hatte damit die Beklagte, wie es das Sozialgericht gesehen hat, lediglich zufällig im Rahmen eines Verfahrens mit vollständig anderer Zielsetzung Kenntnis über die möglicherweise versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit der Klägerin. Wenn die Klägerin selbst nach Möglichkeiten zur Erlangung eines Rentenanspruchs angefragt hat, so hätte die Beklagte gerade weitere Ermittlungen zur Feststellung des Vorliegens von Versicherungspflicht anstellen müssen. Da sie jedoch lediglich einen Versicherungsverlauf übersandt hat und sich sonst nicht weiter geäußert hat, durfte die Klägerin davon ausgehen, dass eine Versicherungspflicht nicht bestehe. Es lag nach dieser Anfrage nicht etwa an ihr, sich um noch weitere Klärung zu bemühen.
Für den Zeitraum ab dem 01.10.1995 gelten diese Gesichtspunkte jedoch nicht mehr. Denn mit Erteilung des Bescheides vom 26.09.1995 hatte die Klägerin Kenntnis von ihrer Beitragspflicht. Daran ändert es nichts, dass dieser Bescheid bis heute nicht bestandskräftig geworden ist. Denn die Klägerin musste nach Zugang des Bescheides zumindest damit rechnen, dass er in Bestandskraft erwachse. Da zudem die Frage einer Versicherungspflicht von selbständig tätigen Masseuren und medizinischen Bademeistern durch die ständige Rechtsprechung des BSG bereits damals rechtlich nicht ernsthaft in Frage gestellt werden konnte, hat es sich auch nicht etwa nur um eine vage Möglichkeit gehandelt, dass der Bescheid in Bestandskraft erwachsen werde.
Für eine Verletzung des Vertrauensgrundsatzes, des Gleichbehandlungsgrundsatzes oder des Grundsatzes der Berufsfreiheit sieht der Senat keinen Anhaltspunkt. Vertrauensschutz kommt ab Zugang des Bescheides vom 26.09.1995 aus den genannten Gründen nicht mehr in Betracht; Verletzungen anderer Verfassungsartikel sind aufgrund Gleichbehandlung der Klägerin mit jedem anderen selbständig Tätigen nicht denkbar. Nach Zugang des Bescheides hätte die Klägerin im Übrigen die Möglichkeit gehabt, sich unmittelbar um eine Änderung ihrer privatrechtlichen Vorsorgebelastungen zu kümmern oder für das Zustandekommen dauerhafter Befreiungsvoraussetzungen zu sorgen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG zugelassen. Soweit ersichtlich, ist die Frage einer Verwirkung von Beitragsforderungen in einer dem vorliegenden Fall vergleichbaren Konstellation noch nicht höchstrichterlich entschieden.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Beitragspflicht der Klägerin als versicherungspflichtige Selbstständige für die Zeit vom 01.04.1993 bis zum 31.12.1994 sowie ab dem 04.02.1995. Dabei ist im Berufungsverfahren die Beitragspflicht nur noch dem Grunde nach streitig.
Die am 00.00.1961 geborene Klägerin ist seit Oktober 1995 als Masseurin und Medizinische Bademeisterin sowie als Lymphtherapeutin selbstständig tätig. Nach ihren Angaben macht die Lymphdrainage etwa die Hälfte der Tätigkeit aus. Sie arbeitet überwiegend auf Grund ärztlicher Verordnung. Im streitbefangenen Zeitraum beschäftigte sie vom 01.11.1994 bis 31.12.1994 zeitweise Arbeitnehmerinnen jeweils in geringfügiger Beschäftigung.
Mit Schreiben vom 09.06.1988 wandte sie sich an die Beklagte mit der Bitte um Vormerkung ihrer Ausbildungszeiten. Das Schreiben trägt den Briefkopf "Massage-Praxis V A, staatl. gepr. Masseurin u. med. Bademeisterin/Lymphtherapeutin". In dem Schreiben ist u.a. ausgeführt: "Sollte ich trotzdem meinen Rentenanspruch noch nicht erreicht haben, bitte ich Sie, mir mitzuteilen, welche Möglichkeiten ich heute als Selbständige habe, Rentenanspruch zu bekommen." Daraufhin erging am 21.09.1988 ein Vormerkungsbescheid hinsichtlich der Fachschulausbildungszeiten. Weiteres wurde nicht veranlasst.
Mit Bescheid vom 26.09.1995, geändert durch Bescheid vom 08.08.1996, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.1997 zog die Beklagte die Klägerin unter Berufung auf § 2 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zur Zahlung von Pflichtbeiträgen für Selbstständige für die Zeit vom 01.04.1993 bis zum 31.12.1994 und ab dem 04.02.1995 laufend heran.
Hiergegen hat die Klägerin am 23.07.1997 Klage erhoben und zunächst den Bescheid nach Grund und Höhe der Beiträge angegriffen. Nachdem die Klägerin während des Gerichtsverfahrens Einkommensnachweise vorgelegt hatte, hat die Beklagte mit Bescheid vom 05.05.1999 für den streitigen Zeitraum die Zahlung einkommensgerechter Beiträge anerkannt. Bezüglich der Versicherungspflicht dem Grunde nach hat die Klägerin vorgetragen, sie werde als Masseurin und Medizinische Bademeisterin nicht als Pflegeperson im Sinne des § 2 Nr. 2 SGB VI a.F. bzw. § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI n.F. tätig. Vielmehr übe sie einen medizinischen Heilberuf aus. Speziell im Bereich der Lymphdrainage treffe sie alle verantwortlichen Behandlungsentscheidungen selbst. Darüber hinaus habe sie bei Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit, die sie der Beklagten mitgeteilt habe, private Eigenvorsorge für die von der Beklagten versicherten Risiken des Alters und der Invalidität getroffen. Da die Beklagte sie pflichtwidrig nicht auf den Eintritt der Versicherungspflicht hingewiesen habe, sei der Beitragsanspruch nunmehr verwirkt. Hilfsweise berufe sie sich zudem auf die Einrede der Verjährung.
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
den Bescheid vom 26.09.1995 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 08.08.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.1997 sowie den Änderungsbescheid vom 05.05.1999 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) berufen, wonach Heilhilfsberufe jedenfalls dann der Versicherungspflicht nach § 2 Nr. 2 SGB VI unterfielen, wenn sie überwiegend auf ärztliche Verordnung tätig würden. Zwar könnten die davon betroffenen Personen - wie Masseure und Medizinische Bademeister - die Therapie in eigener Verantwortung übernehmen. Sie müssten den Behandlungsplan jedoch auf der ärztlichen Diagnose und dem gegebenen Behandlungsziel aufbauen. Verjährung sei im Hinblick auf das seit 1995 laufend anhängige Beitragsverfahren nicht eingetreten.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 02.08.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe in den streitigen Zeiträumen nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI (bzw. § 2 Nr. 2 SGB VI a.F.) als Selbstständige der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlegen bzw. unterliege ihr noch. Es handele sich bei ihrer Tätigkeit um eine selbstständige; sie habe auch in den fraglichen Zeiträumen keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt. Als Masseurin und Medizinische Bademeisterin habe sie auch einen Krankenpflegeberuf im Sinne von § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI ausgeübt. Insofern werde der ständigen Rechtsprechung des BSG gefolgt. Danach ergebe sich die Zugehörigkeit auch von Masseuren und Medizinischen Bademeistern zum Kreis der nach § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI versicherungspflichtigen Personen zwar nicht zwingend aus dem Wortlaut der Vorschrift. Sie folge aber aus dem Umstand, dass die Regelung gegenüber der Vorgängervorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 6 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) keine wesentliche Änderung erfahren habe und aus den Gesetzesmaterialien auch nicht ersichtlich sei, dass der Gesetzgeber im SGB VI den Kreis der erfassten Berufsgruppen habe einengen wollen. Vielmehr sei er ausweislich der Gesetzesbegründung bestrebt gewesen, im Unterschied zu den Heilberufen diejenigen Berufstätigen zu erfassen, die grundsätzlich weisungsabhängig seien, weil sie auf ärztliche Verordnung hin tätig würden. Hierin habe sich auch durch das am 26.05.1994 in Kraft getretene Gesetz über die Berufe in der Physiotherapie (MPhG) nichts geändert. Denn unverändert stellten die genannten Personenkreise, wenn und soweit sie nach ärztlicher Verordnung tätig würden, keine eigenständigen Diagnosen und seien auch hinsichtlich der Auswahl der Therapien nicht frei von ärztlicher Weisung. Weitgehende Weisungsfreiheit bestehe lediglich nach Maßgabe des jeweiligen Einzelfalles bei der Durchführung der verordneten Maßnahmen. Dies sei im Übrigen grundsätzlich unabhängig von der Frage, ob es sich bei den behandelten Personen um Privatpatienten oder um gesetzlich Krankenversicherte handele. Auch der Umstand, dass die Klägerin zu einem erheblichen Anteil Lymphdrainage durchführe, rechtfertige keine abweichende Beurteilung. Denn auch diese Therapie erfolge, wie sie selbst einräume, als Anwendung eines Heilmittels auf Grund vorheriger ärztlicher Verordnung. Der Beitragsanspruch der Beklagten sei auch nicht verwirkt. Denn die Klägerin habe aus dem Verhalten der Beklagten nicht den Schluss ziehen können, diese werde eine Beitragsforderung mit Blick auf die selbstständige Tätigkeit der Klägerin nicht erheben. Dass die Klägerin der Beklagten die Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit angezeigt habe, lasse sich nicht feststellen. Ausweislich des Kontenspiegels sei ihr lediglich am 01.06.1988 ein Versicherungsverlauf ausgestellt worden, woraufhin sie mit Schreiben vom 09.06.1988 ein Kontenklärungsverfahren in Gang gesetzt habe. Lediglich dem Briefkopf dieses in einem anderen Verfahren übersandten Schreibens hätte die Beklagte Anhaltspunkte für eine Versicherungspflicht entnehmen können. Wenn ein Versicherungsträger jedoch auf Grund von Umständen, die ihm lediglich zufällig während eines Verfahrens mit vollständig anderer Zielsetzung bekannt würden, keine umfassenden Ermittlungen zur Feststellung einer etwaigen Versicherungspflicht anstelle, so rechtfertige dies auf Seiten des Versicherten nicht das Vertrauen, dass eine Versicherungspflicht nicht bestehe. Vielmehr liege es in diesem Fall bei dem Versicherten, eine Klärung herbeizuführen. Dass die Klägerin sich in diesem Sinne bemüht habe, lasse sich jedoch nicht feststellen. Die Beitragsforderung der Beklagten sei schließlich auch nicht verjährt. Die Beklagte habe eine Forderung erstmals mit Bescheid vom 26.09.1995 geltend gemacht; dieser Bescheid habe die Verjährung nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) unterbrochen.
Gegen das ihr am 09.08.2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 06.09.2000 Berufung eingelegt, und zwar zunächst sowohl hinsichtlich des Grundes der Versicherungs- und Beitragspflicht als auch hinsichtlich der Beitragshöhe.
Wegen ununterbrochener Beschäftigung einer Mitarbeiterin L-S seit dem 01.12.2000 und deshalb seither für die Dauer der Beschäftigung bestehender Versicherungsfreiheit haben die Beteiligten übereinstimmend erklärt, streitig sei nurmehr ein Zeitraum bis zum 30.11.2000.
Während des Berufungsverfahrens setzte die Beklagte mit Bescheid vom 30.10.2000 die Höhe der Beiträge neu und niedriger fest. Die Klägerin begehrt daraufhin nurmehr eine Entscheidung über ihre Beitragspflicht dem Grunde nach.
Im Hinblick auf eine zwischenzeitlich ab dem 07.04.2001 gesetzlich eingeführte Befreiungsmöglichkeit nach § 231 Abs. 6 SGB VI beantragte die Klägerin im Juni 2001 ihre Befreiung mit Wirkung vom Eintritt der Versicherungspflicht. Mit Bescheid vom 26.11.2001 lehnte die Beklagte die beantragte Befreiung ab. Die Klägerin habe aufgrund des Bescheides vom 26.09.1995 vor dem 01.01.1999 Kenntnis von ihrer Versicherungspflicht gehabt. Der Bescheid vom 26.11.2001 werde Gegenstand des anhängigen gerichtlichen Verfahrens; den von der Klägerin eingelegten Widerspruch hat die Beklagte nicht beschieden. Die Klägerin hält die Befreiungsvoraussetzungen für erfüllt. Der Sinn und Zweck der Befreiungsmöglichkeit sei die Vermeidung einer Doppelbelastung durch private und sozialversicherungsrechtliche Fürsorge. Im Falle einer Nichtbefreiung werde der Vertrauensgrundsatz verletzt. Außerdem verstoße dies gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Artikel 3 des Grundgesetzes (GG) und gegen den Grundsatz der Berufsfreiheit gemäß Artikel 12 GG. Der Beitragsbescheid vom 26.09.1995 sei nicht bestandskräftig geworden und könne nicht zu einer Bösgläubigkeit hinsichtlich der Versicherungspflicht zum Stichtag im Jahre 1998 führen. Die Beitragsforderung der Beklagten würde sie zu einer Existenzgefährdung bis hin zu einem finanziellen Ruin führen.
Die Klägerin erneuert darüber hinaus im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Insbesondere führe sie die Behandlung im Bereich der Lymphdrainage selbstständig und selbstverantwortlich durch. Hierzu sei sie auf Grund des vorgelegten Zeugnisses des Lehrinstituts an der G-Klinik für Lymphologie auch berechtigt. Jedenfalls bis zum 30.11.2000 sei sie überwiegend aufgrund ärztlicher Verordnung tätig geworden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 02.08.2000 zu ändern und die Bescheide vom 26.09.1995, 16.08.1995, 29.05.1996 und 08.08.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.06.1997 sowie die Bescheide vom 05.05.1999, 30.10.2000 und 26.11.2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klagen gegen die Bescheide vom 30.10.2000 und vom 26.11.2001 abzuweisen.
Sie nimmt auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug, die sie für zutreffend hält.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt dieser Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.
Das angefochtene Urteil ist nur insoweit unrichtig, als es die Klage auch insoweit abweist, dass die Beklagte von der Klägerin auch Beiträge für die Zeit bis zum 30.09.1995 fordert. Im Übrigen hat das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide verletzen die Klägerin nicht weitergehend im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in ihren Rechten. Das gilt auch für die nach § 96 SGG zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gewordenen Bescheide vom 05.05.1999, 30.10.2000 und 26.11.2001.
Grundsätzlich unterliegt die Klägerin nach § 2 Nr. 2 SGB VI a.F. bzw. § 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI n.F. als in einem Krankenpflegeberuf selbständig Tätige der Versicherungspflicht. Das Sozialgericht hat zu Recht ausgeführt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) für Masseure und medizinische Bademeister eine solche Versicherungspflicht besteht; der Senat nimmt insoweit nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil Bezug. Einschränkungen ergeben sich auch nicht etwa daraus, dass die Klägerin nicht überwiegend nach ärztlicher Verordnung tätig geworden wäre. Vielmehr hat sie noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt, dass sie zumindest für den gesamten streitigen Zeitraum überwiegend aufgrund ärztlicher Verordnung tätig gewesen ist.
Schließlich hat das Sozialgericht auch zu Recht erkannt, dass die Durchführung von Lymphdrainage keine abweichende Beurteilung rechtfertigt. Denn auch diese Therapie hat die Klägerin als Anwendung eines Heilmittels aufgrund vorheriger ärztlicher Verordnung durchgeführt.
Mit Erfolg beruft sich die Klägerin jedoch für den Zeitraum bis zum 30.09.1995 auf eine Verwirkung der Beitragsansprüche der Beklagten.
Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 242 Rz. 87 m.N. der Rspr.). Erforderlich ist zunächst ein sog. Zeitmoment, d.h., es muss seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, eine längere Zeit verstrichen sein, wobei sich die erforderliche Dauer des Zeitablaufs nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt (a.a.O. Rz. 93 m.N.). Während dieser Zeit darf der Berechtigte nichts zur Durchsetzung seines Rechts getan haben (a.a.O. Rz. 94). Notwendig ist ferner ein sog. Umstandsmoment i.S. eines Vertrauenstatbestandes; der Verpflichtete muss sich auf Grund des Verhaltens des Berechtigten darauf eingerichtet haben, dieser werde sein (vermeintliches) Recht nicht mehr geltend machen, und wegen des geschaffenen Vertrauenstatbestandes muss die verspätete Geltendmachung des Rechts als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte erscheinen. Das Umstandsmoment ist i.d.R. erfüllt, wenn der Verpflichtete im Hinblick auf die Nichtgeltendmachung des Rechts Vermögensdispositionen getroffen hat (a.a.O. Rz. 95 m.N.). Bezogen auf einen Beitragsanspruch eines Sozialversicherungsträgers tritt demgemäss Verwirkung ein, wenn der Träger den Anspruch über einen längeren Zeitraum hinaus nicht geltend gemacht hat und besondere Umstände hinzutreten, die das späte Geltendmachen nach Treu und Glauben missbräuchlich erscheinen lassen (KK-Seewald, § 25 SGB IV Rz. 12 m.N. der Rspr.).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall bis zum 30.09.1995 erfüllt. Bereits seit 1988 hätte die Beklagte Beitragsansprüche geltend machen können, hat dies aber trotz einer direkten Anfrage der Klägerin nach Möglichkeiten zu ihrer gesetzlichen Rentenversicherung nicht getan. Insoweit hat das Sozialgericht zu Unrecht ausgeführt, die Klägerin habe aus dem Verhalten der Beklagten nicht den Schluss ziehen können, diese werde eine Beitragsforderung im Hinblick auf ihre selbständige Tätigkeit nicht erheben. Denn entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts hat die Klägerin der Beklagten durchaus Kenntnis von der Aufnahme ihrer selbständigen Tätigkeit gegeben. Ihr Schreiben vom 09.06.1988 enthält keineswegs nur im Briefkopf den Hinweis, dass sie eine Praxis als staatlich geprüfte Masseurin, medizinische Bademeisterin und Lymphtherapeutin betreibe. Sie fragt in dem Schreiben vielmehr ausdrücklich bei der Beklagten an, ob sie, falls sie bislang einen Rentenanspruch noch nicht erreicht habe, als Selbständige Möglichkeiten habe, einen Rentenanspruch zu erhalten. Hätte die Beklagte seinerzeit diese Anfrage aufgegriffen, hätte sie die Klägerin schon damals über ihre Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 2 SGB VI a.F. informieren können. Keineswegs hatte damit die Beklagte, wie es das Sozialgericht gesehen hat, lediglich zufällig im Rahmen eines Verfahrens mit vollständig anderer Zielsetzung Kenntnis über die möglicherweise versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit der Klägerin. Wenn die Klägerin selbst nach Möglichkeiten zur Erlangung eines Rentenanspruchs angefragt hat, so hätte die Beklagte gerade weitere Ermittlungen zur Feststellung des Vorliegens von Versicherungspflicht anstellen müssen. Da sie jedoch lediglich einen Versicherungsverlauf übersandt hat und sich sonst nicht weiter geäußert hat, durfte die Klägerin davon ausgehen, dass eine Versicherungspflicht nicht bestehe. Es lag nach dieser Anfrage nicht etwa an ihr, sich um noch weitere Klärung zu bemühen.
Für den Zeitraum ab dem 01.10.1995 gelten diese Gesichtspunkte jedoch nicht mehr. Denn mit Erteilung des Bescheides vom 26.09.1995 hatte die Klägerin Kenntnis von ihrer Beitragspflicht. Daran ändert es nichts, dass dieser Bescheid bis heute nicht bestandskräftig geworden ist. Denn die Klägerin musste nach Zugang des Bescheides zumindest damit rechnen, dass er in Bestandskraft erwachse. Da zudem die Frage einer Versicherungspflicht von selbständig tätigen Masseuren und medizinischen Bademeistern durch die ständige Rechtsprechung des BSG bereits damals rechtlich nicht ernsthaft in Frage gestellt werden konnte, hat es sich auch nicht etwa nur um eine vage Möglichkeit gehandelt, dass der Bescheid in Bestandskraft erwachsen werde.
Für eine Verletzung des Vertrauensgrundsatzes, des Gleichbehandlungsgrundsatzes oder des Grundsatzes der Berufsfreiheit sieht der Senat keinen Anhaltspunkt. Vertrauensschutz kommt ab Zugang des Bescheides vom 26.09.1995 aus den genannten Gründen nicht mehr in Betracht; Verletzungen anderer Verfassungsartikel sind aufgrund Gleichbehandlung der Klägerin mit jedem anderen selbständig Tätigen nicht denkbar. Nach Zugang des Bescheides hätte die Klägerin im Übrigen die Möglichkeit gehabt, sich unmittelbar um eine Änderung ihrer privatrechtlichen Vorsorgebelastungen zu kümmern oder für das Zustandekommen dauerhafter Befreiungsvoraussetzungen zu sorgen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG zugelassen. Soweit ersichtlich, ist die Frage einer Verwirkung von Beitragsforderungen in einer dem vorliegenden Fall vergleichbaren Konstellation noch nicht höchstrichterlich entschieden.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved