L 11 B 316/95 AL

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 Al 840/94
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 316/95 AL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Der Beschluss des Sozialgerichtes Nürnberg vom 27.07.1995 wird aufgehoben.
II. Gegen den Beschwerdegegner wird eine Ersatzzwangshaft von einer Woche angeordnet.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Anordnung einer Ersatzzwangshaft gegen den Beschwerdegegner (Bg).

Zur Prüfung der Umlagepflicht von Betrieben für Leistungen der Winterbauförderung nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) wurde der Bg, dessen Betrieb Dachausbauarbeiten durchführt, von der Beschwerdeführerin (Bf) mit Schreiben vom 20.10.1993 und 15.11.1993 aufgefordert, der Bf Einsicht in die Geschäftsbücher, Geschäftsunterlagen und Belege in seinem Betrieb zu gewähren und hierzu einen Prüfungstermin zu vereinbaren.

Mit bindend gewordenem Bescheid vom 13.12.1993, der Bezug nahm auf die Schreiben vom 20.10.1993 und 15.11.1993, wurde dem Bg auferlegt, bis spätestens 07.01.1994 einen verbindlichen Terminsvorschlag für die Einsicht in die Geschäftsunterlagen zu benennen. Zu diesem Termin sollte der Bg seine Geschäftsbücher, insbesondere die Auftrags- und Rechnungsunterlagen, die Arbeitszeitnachweise und Lohnabrechnungen bereithalten. Die Bf drohte dem Bg für den Fall der Weigerung ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000.- DM und für den Fall der Uneinbringlichkeit des Zwangsgeldes Ersatzzwangshaft an. Der Bescheid wurde dem Bg am 14.12.1993 zugestellt. Er hat hierauf nicht reagiert.

Mit Bescheid vom 26.01.1994, dem Bg zugestellt am 28.01.1994, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,- DM festgesetzt und nochmals eine Ersatzzwangshaft angedroht. Auch dieser Bescheid wurde bindend ohne daß eine Reaktion des Bg erfolgte.

Nachdem Beitreibungsversuche durch das Hauptzollamt Nürnberg/ Fürth - Vollstreckungsstelle - vom 01.07.1994 erfolglos geblieben waren, hat die Bf beim Sozialgericht Nürnberg (SG) am 18.10.1994 beantragt, gegen den Bg Ersatzzwangshaft anzuordnen.

Der Bg wurde vom SG mit Schreiben vom 24.10.1994 und 19.01.1995 nochmals aufgefordert, seinen Mitwirkungspflichten gegenüber der Bf nachzukommen.

Obwohl sein persönliches Erscheinen angeordnet war, erschien der Bg zu den mündlichen Verhandlungen vor dem SG vom 06.04.1995 und 27.07.1995 nicht.

Das SG lehnte den Antrag im Beschluss vom 27.07.1995 ab, da die Androhung des Zwangsgeldes gegen den Bg rechtswidrig gewesen sei und somit auch die Zwangsgeldfestsetzung. Im übrigen sei das Zwangsgeld auch nicht uneinbringlich, da sich der Bg bereit erklärt habe, das Zwangsgeld in monatlichen Raten von 500,- DM zurückzuzahlen, die fehlende Erreichbarkeit des Bg darauf hinweise, daß aktuell eine Geschäftstätigkeit nicht mehr ausgeübt werde und wegen der offensichtlichen Vermögenslosigkeit eine Beitragsleistung im Rahmen der Winterbauförderung nicht wahrscheinlich wäre.

Mit der dagegen eingelegten Beschwerde vom 23.11.1995, der das SG nicht abgeholfen hat, verfolgt die Bf weiterhin die Anordnung einer Ersatzzwangshaft gegen den Bg. Zur Begründung weist sie darauf hin, daß die vom Antragsgegner geforderte Auskunftserteilung und Mitwirkungspflicht in den Bescheiden vom 23.12.1993 und 26.01.1994 hinreichend konkretisiert worden seien und die Erteilung von Auskünften nur durch den Bg persönlich erfolgen könne. Die Anwendung von Verwaltungszwang sei bei dem bisherigen Verhalten des Bg die einzige Möglichkeit, entsprechende Auskünfte zu erzwingen.

Der Bg hat sich auch im Beschwerdeverfahren nicht geäußert. Im Schreiben vom 10.05.1999 ist der Bg durch das Bayerische Landessozialgericht nochmals ausdrücklich auf die Möglichkeit der Verhängung einer Ersatzzwangshaft bei weiterer Verweigerung einer Kontaktaufnahme mit der Bf hingewiesen worden.

Zum weiteren Sachverhalt wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Bf, der Akten des SG und des Bayer. Landessozialgerichtes Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), der das SG nicht abgeholfen hat, ist begründet.

Nach § 66 Abs 1 Satz 1 und 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm § 16 Abs 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (VwVG) kann das nach § 51 SGG zuständige SG auf Antrag der Vollzugsbehörde (hier der Bf) nach Anhörung des Pflichtigen (hier des Bg) durch Beschluss Ersatzzwangshaft anordnen, wenn das Zwangsgeld uneinbringlich ist und bei Androhung des Zwangsgeldes darauf hingewiesen wurde.

Nach § 144 Abs 1 AFG a.F. ist die Bf befugt, Einsicht in Geschäftsbücher, Geschäftsunterlagen und Belege zu nehmen, soweit dies zur Durchführung des Gesetzes erforderlich ist.

Die Bf hat mit Bescheiden vom 20.10.1993 und 15.11.1993 ihren Auskunftsanspruch im Rahmen der Feststellungen, ob der Betrieb des Bg die Voraussetzungen für die Zulassung zur Winterbauförderung (§§ 74 ff AFG alte Fassung) erfüllt, gemäß § 144 Abs 1 AFG a.F. iVm § 4 Abs 3 der Winterbauumlageverordnung konkret geltend gemacht. Er kann gemäß § 66 Abs 1 SGB X durch Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung durchgesetzt werden (vgl BSG vom 16.08.1989 - 7 RAr 82/88 in SozR 4100 § 144 AFG Nr 1 mwN aus Literatur und Rechtsprechung).

Ein Zwangsgeld, das dem Bg im Bescheid vom 13.12.1993 angedroht und sodann im Bescheid vom 26.01.1994 in Höhe von 2.000,- DM gegen ihn nach § 11 VwVG festgesetzt worden war, hat sich nach Mitteilung des Hauptzollamtes Nürnberg/Fürth - Vollstreckungsstelle - vom 01.07.1994 als unerbringlich erwiesen, da der Schuldner lediglich Ratenzahlungen für die Zukunft in Aussicht stellte.

Das nach § 66 Abs 1 Satz 2 SGB X iVm § 51 SGG für die Anordnung der Ersatzzwangshaft zuständige SG hatte bei dem Antrag nach § 16 VwVG nicht mehr zu überprüfen, ob die Bescheide vom 13.12.1993 und 26.01.1994 rechtmäßig ergangen sind, da das Verfahren zur Verhängung einer Ersatzzwangshaft nicht zu einer erneuten Nachprüfung der bereits bindend gewordenen Bescheide führt (vgl zum gleichlautenden Art 33 des Bayer. Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes - VwZVG - BayVGH vom 08.02.1982 in BayVBl 1982, 340, 341).

Von dem ihm im Rahmen des § 16 VwVG eingeräumten Ermessen hat das SG in einem dem Zweck der Vorschrift nicht entsprechender Weise Gebrauch gemacht. Es war nicht zu überprüfen, ob eine Umlageerhebung aufgrund der Vermögensverhältnisse des Bg noch möglich ist, zumal die von diesem im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung geforderten Auskünfte und die Einsichtnahme in die Auftrags- und Rechnungsunterlagen sowie Arbeitszeitnachweise und Lohnabrechnungen auch ergeben können, daß eine Umlagepflicht nach § 186 a AFG a. F. nicht besteht. Das im § 16 VwVG dem SG eingeräumte Ermessen bezieht sich vielmehr darauf, ob zur Durchführung des gemäß § 144 Abs 1 AFG iVm § 4 Abs 3 der Winterbauumlageverordnung bestehenden Auskunftsanspruches die Verhängung einer Ersatzzwangshaft angezeigt ist. Der Senat bejaht dies. Angesichts der Bedeutung der Entscheidung der Bf im Rahmen der Winterbauförderung und angesichts der fortgesetzten Verweigerungshaltung des Bg erscheint die Anordnung einer Ersatzzwangshaft zwingend geboten, um die dem Bg gegenüber der Bf bestehende Auskunftspflicht durchzusetzen.

Der Beschluss des SG deshalb aufzuheben.

Der Senat hält die Verhängung einer Ersatzzwangshaft von einer Woche, die im mittleren Bereich des gesetzlichen Rahmens des § 16 VwVG liegt, für angemessen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 199 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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