L 12 B 327/99 KA ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 38 KA 1387/99 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 B 327/99 KA ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 16. August 1999 aufgehoben. Der Beschwerdegegner wird verpflichtet, den Beschwerdeführer vorläufig bis zur bestandskräftigen/rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zur vertragsärztlichen Versorgung als Psychologischen Psychotherapeuten in ... 83395 Freilassing, bedarfsunabhängig zuzulassen.
2. Der Beschwerdegegner hat dem Beschwerdeführer die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten. Der Beschwerdeführer hat der Beigeladenen zu 1) (damalige Antragsgegnerin) die Kosten des Antragsverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I.

In diesem Beschwerdeverfahren geht es um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes.

Der 1951 in Graz geborene Beschwerdeführer (Bf.) ist österreichischer Staatsangehöriger. Nach dem Studium der Psychologie und Psychopathologie/Psychiatrie an der Universität Salzburg promovierte er 1985 zum Doktor der Philosophie. Daran anschließend betrieb er von 1985 bis 31. September 1998 in Hallein/ Österreich eine psychotherapeutische Praxis und war seit In-Kraft-Treten des Österreichischen Psychotherapie- und Psychologengesetzes (1992) in die staatlichen Listen als "Psychotherapeut", "Klinischer Psychologe" und "Gesundheitspsychologe" eingetragen. In diesem Rahmen rechnete er Leistungen, die er bei den nach österreichischem Recht gesetzlich Krankenversicherten erbrachte, bei den österreichischen gesetzlichen Krankenkassen, wie der Salzburger Gebietskrankenkasse, ab.

Am 10. August 1998 wurde dem Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, Dr ... , in Saaldorf/Oberbayern die Genehmigung erteilt, den Bf., wohnhaft in ... , 83395 Freilassing/Oberbayern, zur Erbringung tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Psychotherapie bei Erwachsenen als Einzelbehandlung im Delegationsverfahren hinzuzuziehen. In diesem Rahmen behandelte der Bf. ab 1. Oktober 1998 Versicherte der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung psychotherapeutisch.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 1998 stellte er Antrag auf bedarfsunabhängige Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als Psychologischer Psychotherapeut gemäß § 95 Abs.10 SGB V für ... 83395 Freilassing. Zugleich beantragte er seine Approbation nach § 12 des Psychotherapeutengesetzes (PsychThG). Im Lauf des Verwaltungsverfahrens reichte er eine Bestätigung der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 22. Dezember 1998 nach, wonach er im Zeitraum vom 25. Juni 1994 bis 24. Juni 1995 zu deren Lasten 328 Stunden Psychotherapie zur Verrechnung gebracht habe. Er wies außerdem auf das Gebot der Gleichbehandlung von Mitgliedern aus den EU-Ländern hin. Er sei mit einer deutschen Staatsbürgerin und bayerischen Beamtin verheiratet und wohne seit längerem in Freilassing. Am 4. Januar 1999 erteilte das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit dem Bf. die Approbation als "Psychologischer Psychotherapeut", die er im Zulassungsverfahren vorlegte.

Mit Beschluss vom 10. März 1999 ließ der Zulassungsausschuss Ärzte Oberbayern den Bf. als Vertragspsychotherapeuten für ... 83395 Freilassing, Landkreis Berchtesgadener Land, zu. Die Voraussetzungen des Fachkundenachweises gemäß § 95c Satz 2 Nr.3 SGB V seien erfüllt. Der Bf. habe am 31. Dezember 1998 am Delegationsverfahren teilgenommen. Er habe die für die Approbation erforderliche Qualifikation in einem durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen anerkannten Behandlungsverfahren, nämlich in tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Psychotherapie, nachgewiesen. Er habe auch im ausreichenden Maße in der Zeit vom 25. Juni 1994 bis zum 24. Juni 1997 an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen in Österreich (Gebietskrankenkasse) teilgenommen.

Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete die Beigeladene zu 1) mit Schriftsatz vom 3. Mai 1999 damit, dass eine den gesetzlichen Anforderungen gerecht werdende Teilnahme an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung nur dann anzunehmen sei, wenn ein Psychotherapeut innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten mindestens 250 Behandlungsstunden erbracht und diese nach dem Willen des Bundesgesetzgebers zu Lasten der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet habe. Die Versagung einer Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung verstoße nicht gegen die Niederlassungsfreiheit laut Art.52 des EG-Vertrages (EGV). Eine gemeinschaftsrechtswidrige Diskriminierung liege ebenfalls nicht vor. Art.52 Abs.2 EGV verbiete die Diskriminierung, begründe jedoch keine Besserstellung gegenüber Inländern.

Am 31. Mai 1999 beantragte der Bf. beim Sozialgericht München, den sofortigen Vollzug des Beschlusses des Zulassungsausschusses vom 10. März 1999 anzuordnen (Az.: S 38 Ka 1387/89 ER). Ein entsprechender Antrag sei vom Berufungsausschuss mit Bescheid vom 18. Mai 1999 abgelehnt worden, weil es einen einstweiligen Rechtsschutz im Vorverfahren nicht gebe. Es werde deshalb Antrag auf Anordnung des Sofortvollzugs beim Sozialgericht gestellt. Der einstweilige Rechtsschutz sei im Sozialrecht lückenhaft geregelt. Nach § 97 Abs.4 SGB V könne der Berufungsausschuss nur die sofortige Vollziehung seiner Entscheidung anordnen. Es sei deshalb § 80a Abs.1 VwGO analog anzuwenden. Auf jeden Fall sei kraft Gemeinschaftsrechts einstweiliger Rechtsschutz unmittelbar zu gewähren. Die Dringlichkeit ergebe sich vor allem daraus, dass der Bf. Patienten der übernommenen Praxis von Dr ... nicht mehr psychotherapeutisch weiterbehandeln könne. Der Bf. habe auch einen Anspruch auf bedarfsunabhängige Zulassung. Die Auslegung des § 95 Abs.10 Nr.3 SGB V durch die Beigeladene zu 1), die Leistungen müssten zu Lasten der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet werden, verstoße eindeutig gegen EU-Recht. Diese Auslegung der Übergangsregelung beinhalte eine versteckte Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Im Einzelnen werde auf das Gutachten von Prof.Dr ... , Universität Passau, und Universitätsassistent Dr ... , Universität Innsbruck, vom 21. Dezember 1998 verwiesen. Dieses Gutachten gelangt zum Ergebnis, dass die in § 95 Abs.10 Nr.3 und Abs.11 Nr.3 SGB V verankerte schutzwürdige Vortätigkeit mit der in Art.52 EG V garantierten Niederlassungsfreiheit nicht vereinbar sei. Stelle ein Unionsbürger aus einem anderen Mitgliedsstaat einen Antrag auf bedarfsunabhängige Zulassung bzw. Ermächtigung, so sei der Zulassungsausschuss gehalten, die in diesen Bestimmungen enthaltene Regelung der schutzwürdigen Vortätigkeit gemeinschaftsrechtskonform auszulegen.

Die Beigeladene zu 1), damalige Antragsgegnerin, beantragte, den Antrag auf Sofortvollzug der Entscheidung des Zulassungsausschusses vom 10. März 1999 abzulehnen. § 95 Abs.10 Nr.3 SGB V begründe einen Anspruch auf bedarfsunabhängige Zulassung nur in den Fällen eines schutzwürdigen Besitzstandes. Einen solchen habe der Bf. im Geltungsbereich des SGB V nicht begründet. Das Diskriminierungsverbot nach dem Europäischen Gemeinschaftsrecht werde nicht tangiert, wenn ausschließlich an eine besitzstandswahrende Vortätigkeit des jeweiligen Antragstellers angeknüpft werde, unabhängig von dessen Staatsangehörigkeit oder geographischer Herkunft.

Mit Beschluss vom 16. August 1999 wies das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Es hielt den Antrag in analoger Anwendung des § 123 Abs.1 Satz 1 VwGO als Regelungsanordnung für zulässig, in der Sache jedoch nicht für begründet. Richtiger Antragsgegner sei der Berufungsausschuss und nicht die Beigeladene zu 1). Zudem sei weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden. Eine existenzielle Gefährdung sei nicht vorgetragen. Auch spreche kein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Berufungsausschuss die Entscheidung des Zulassungsausschusses bestätigen werde. Eine bedarfsunabhängige Zulassung nach § 95 Abs.10 Nr.3 SGB V setze voraus, dass der Antragsteller in der Zeit vom 25. Mai 1994 bis zum 24. Juni 1997 an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung teilgenommen habe. Eine Auslegung nach dem Gesamtzusammenhang spreche dafür, insoweit nur eine Teilnahme der Versorgung von Patienten, die bei einer deutschen gesetzlichen Krankenkasse versichert sind, anzuerkennen. Bei summarischer Prüfung sei eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des § 95 Abs.10 Nr.3 SGG nicht geboten. Es sei bereits fraglich, ob die Übergangsregelung Eingriffscharakter habe. Diese stelle eine Ausnahme vom Grundsatz der Bedarfszulassung dar. Die Beschränkungen der Berufsausübung sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt. Es liege auch keine versteckte Diskriminierung vor. Mangels entsprechender Vortätigkeit sei der Antragsteller von der bedarfsunabhängigen Zulassung ausgeschlossen. Auch Deutsche, die keine besitzstandswahrende Vortätigkeit aufwiesen, kämen nicht in den Genuss der Übergangsregelung des § 95 Abs.10 SGB V. Diese Ungleichbehandlung sei aus Gründen des Allgemeinwohls zur Aufrechterhaltung einer ausgewogenen, allen zugänglichen ärztlichen und klinischen Versorgungen gerechtfertigt.

Gegen den am 23. August 1999 zugestellten Beschluss hat der Bf. am 4. September 1999 Beschwerde einlegen lassen. Diese wurde im Wesentlichen wie folgt begründet: Einstweiliger Rechtsschutz sei vorliegend unmittelbar kraft Gemeinschaftsrecht zu gewähren. Es liege ein Anordnungsgrund vor, denn ohne die Gewährung einer einstweiligen Zulassung entstünden wesentliche Nachteile. Dem Bf. sei aufgrund des Widerspruchs der Beigeladenen zu 1) die Möglichkeit genommen, mit gesetzlich versicherten Patienten abrechnen zu können. Ohne die Möglichkeit, weitere Kassenpatienten zu gewinnen, bestehe keine Aussicht auf einen erfolgreichen weiteren Aufbau der Praxis. Der auf der Grundlage von 17 Behandlungsstunden/Woche prognostizierte Jahresumsatz sei für den Fall der Versagung einstweiligen Rechtsschutzes nahezu zu halbieren. Eine Ausrichtung der Praxis auf Privatpatienten sei nicht möglich. Eine Schließung der Praxis könne nicht wieder rückgängig gemacht werden. Die vorläufige Erteilung der Zulassung sei keine Vorwegnahme der Hauptsache. Ein Anordnungsanspruch liege ebenfalls vor, denn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit spreche dafür, dass der Berufungsausschuss die Zulassung bestätigen werde. Unter Berücksichtigung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben bestehe ein Zulassungsanspruch. Der Bf. erfülle die drei Voraussetzungen, die § 95 Abs.10 SGB V für die bedarfsunabhängige Zulassung aufstelle. Er habe einen Zulassungsantrag vor dem 31. Dezember 1998 gestellt und die Approbationsurkunde vorgelegt. Er habe unter Berücksichtigung des Gemeinschaftsrechts in der Zeit vom 25. Juni 1994 bis 24. Juni 1997 an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen teilgenommen. Die bedarfsunabhängige Zulassung sei nach deutschem Recht nicht auf den Planbereich beschränkt, in dem der Antragsteller bisher seinen Praxissitz gehabt habe. Durch § 95 Abs.10 SGB V seien alle Psychotherapeuten geschützt, die im Rahmen des Zeitfensters an der Versorgung der gesetzlichen Krankenkassen teilgenommen hätten und dann in ihrem bisherigen oder in einem anderen Planbereich vor dem 31. Dezember 1998 eine Zulassung beantragten. Der Bestandsschutz ermögliche es auch bei Wechsel des Praxissitzes weiterhin an der Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen teilnehmen zu können. Aus Sicht des Gemeinschaftsrechts (Art.43 EVG - neu) müsse die Vorschrift des § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V so ausgelegt werden, dass unter "gesetzliche Krankenversicherung" auch die gesetzliche Krankenversicherung eines anderen EU-Mitgliedsstaats zu verstehen sei. Die Tatsache, dass die Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen der österreichischen gesetzlichen Krankenversicherung erfolgte, sei aus Sicht des Gemeinschaftsrechts für den Zulassungsanspruch ohne Belang. Die Niederlassungsfreiheit gemäß Art.43 Abs.2 EGV (neu) umfasse die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten, d.h. alle Aspekte einer Niederlassung. Dieses Recht werde verletzt, wenn die bedarfsunabhängige Zulassung an die vorherige Versorgung der Versicherten der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung geknüpft werde. Dies verstoße gegen das in Art.43 Abs.1 EGV (neu) enthaltene Verbot der "indirekten" oder "versteckten" Diskriminierung. Darunter seien alle Rechtsvorschriften zu verstehen, die in tatsächlicher Hinsicht typischerweise und im Wesentlichen Staatsangehörige anderer Staaten träfen. Lege man die Regelung des § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V dahingehend aus, dass sie eine Teilnahme an der Versorgung der Versicherten der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung verlange, so liege darin eine versteckte Diskriminierung. Für diese bestehe kein Rechtfertigungsgrund. Die in Art.46 Abs.1 EGV (neu) genannten Gründe der öffentlichen Sicherheit, Ordnung oder Gesundheit seien eng auszulegen. Nach der Rechtsprechung des EuGH müsse eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V diene nicht dem Schutz der staatlichen Existenz der Bundesrepublik Deutschland. Die Auslegung des § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V, dass die schutzwürdige Vortätigkeit im Rahmen der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung vorgenommen sein müsse, sei auch nicht aus Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt und verhältnismäßig. Wirtschaftliche Gründe, wie der Schutz bereits im Inland tätiger Psychotherapeuten, könnten nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH Beschränkungen einer Grundfreiheit nicht rechtfertigen. Es sei auch nicht das finanzielle Gleichgewicht des Systems der sozialen Sicherheit gefährdet, denn der Kreis der Zuzulassenden sei sehr klein. Durch eine bedarfsunabhängige Zulassung könne eine gleichmäßige flächendeckende psychotherapeutische Versorgung nicht erreicht werden. Sie diene nicht dem Allgemeininteresse, eine ausgewogene, allen zugängliche ärztliche und klinische Versorgung aufrecht zu erhalten. Auch das Niveau der Heilkunde im Inland sei nicht gefährdet, weil nicht ernsthaft behauptet werden könne, dass nur eine im Rahmen der deutschen gesetzlichen Krankenkassen zurückgelegte Vortätigkeit allein die notwendige Fachkunde garantiere. Sogar dann, wenn man in § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V keine Diskriminierung von EU-Ausländern sehen würde, würde gegen das in Art.43 EGV (neu) enthaltene Beschränkungsverbot verstoßen. Danach seien auch nicht diskriminierende beschränkende Maßnahmen eines Mitgliedsstaates gemeinschaftsrechtlich verboten. Darunter verstehe man Maßnahmen, welche die durch den EGV garantierten Freiheiten behinderten. Bei der Zulassungsregelung des § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V handle es um eine solche Beschränkung der Niederlassungsfreiheit von EU-Ausländern. Diese Beschränkungen seien nur ausnahmsweise erlaubt, wenn sie aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt seien, geeignet seien, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten und nicht über das hinausgingen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich sei. Insoweit werde auf die vorhergehenden Ausführungen verwiesen. Ergänzend hat der Bevollmächtigte des Bf. ein Schreiben der Europäischen Kommission vom 26. Oktober 1999 sowie der Bf. persönlich eine ergänzende Stellungnahme von Prof.Dr ... , Universität Passau, vom 17. November 2000 vorgelegt. Auf Blatt 66 ff. und Blatt 141 ff. der Beschwerdeakte wird verwiesen.

Auf Hinweis des Gerichts richtet der Bf. den Antrag nunmehr gegen den Berufungsausschuss für Ärzte-Bayern (Beschwerdegegner - Bg.) und beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts München vom 16. August 1999 aufzuheben und ihn im Wege der einstweiligen Anordnung zur vertragsärztlichen Versorgung als Psychotherapeuten zuzulassen.

Die Beigeladene zu 1) beantragt, die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 16. August 1999 zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass dem Bf. weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch zur Seite stehe. Der Bf. habe keinen Anspruch auf eine bedarfsunabhängige Zulassung. § 95 Abs.10 SGB V bezwecke die Schaffung eines Vertrauensschutzes für diejenigen Psychotherapeuten, die vor In-Kraft-Treten des Änderungsgesetzes zum SGB V ihren Lebensmittelpunkt und ihren Praxissitz in einem gesperrten Zulassungsbereich begründet hätten. Der Gesetzgeber habe dabei die Überlegung zugrunde gelegt, dass eine bedarfsabhängige Zulassung für diejenigen eine unbillige Härte bedeuten würde, die bereits in der Vergangenheit in erheblichem Umfang an der psychotherapeutischen Versorgung teilgenommen hätten. Er habe dabei ausschließlich den Fortbestand der bisherigen Praxis schützen wollen. Dies sei beim Bf. nicht der Fall. Dieser habe seine Praxis im vorgegebenen Zeitraum vom 25. Juni 1994 bis zum 24. Juni 1997 nicht in einem gesperrten Planungsbereich gehabt, sondern sei in Hallein/Österreich tätig gewesen. Er habe somit nicht im geforderten Umfang Leistungen zu Lasten der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung erbracht. § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V sei jedoch dahingehend auszulegen, dass eine Versorgung der Versicherten der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung gemeint sei. Aber selbst wenn man in dieser Auslegung einen Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot sehe, habe der Bf. keinen Anspruch auf Zulassung nach § 95 Abs.10 SGB V, denn er könne sich nicht auf einen Vertrauensschutz berufen. Ergänzend verweist die Beigeladene zu 1) auf ein Schreiben des Bundesministeriums der Gesundheit, in dem die Auffassung vertreten wird, dass es sich bei § 95 Abs.10 SGB V um eine Privilegierung derjenigen Psychotherapeuten handle, die im Vertrauen auf den Fortbestand ihrer bisherigen Praxis geschützt werden müssten. Nur derjenige, der in seiner Praxis in der genannten Rahmenfrist in erheblichem Umfang an der Versorgung der gesetzlichen Versicherten teilgenommen habe, habe Anspruch auf Zulassung für diese Praxis.

Der Bf. hat darauf erwidert, dass nach einem Rundschreiben der Beigeladenen zu 1) ein Anspruch auf eine bedarfsunabhängige Zulassung an einem Ort freier Wahl, ohne Bindung an den bisherigen Praxisort, bestehe. Wer von 1994 bis 1997 beispielsweise in Lindau und von 1997 bis 1998 in München zu Lasten der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet habe, habe einen Anspruch auf bedarfsunabhängige Zulassung sowohl für seine Praxis in München als auch für Lindau oder sonstwo im Geltungsbereich des Gesetzes.

Auf Anfrage des Gerichts hat die Beigeladene zu 1) ergänzend mitgeteilt, dass sie den Bf. mit Schreiben vom 18. Februar 2000 darüber informiert habe, dass er aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Dezember 1999 (Az.: 1 BvR 1657/99) berechtigt ist, bis zu einer bestandskräftigen/rechtskräftigen Entscheidung über seine bedarfsunabhängige Zulassung nach Maßgabe der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Regelungen des Delegationsverfahrens an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung teilzunehmen. Zur Delegation seien die Ärzte Dr ... , Saaldorf, und Dr ... , Freilassing, berechtigt.

Die übrigen Beteiligten haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Dem Senat liegen die von der Beigeladenen zu 1) übersandte Akte des Zulassungsausschusses Ärzte Oberbayern, die Antragsakte (Az.: S 38 KA 1387/99) sowie die Beschwerdeakte (Az.: L 12 B 327/99 KA ER) vor, auf deren sonstigen Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Die gemäß §§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Beschwerdeführers (Bf.) ist begründet.

Der Bf. hat im Beschwerdeverfahren den Antrag gegen den Bundesausschuss für Ärzte Bayern gerichtet und damit den Antrag in zulässiger Weise geändert (§ 99 Abs.1 und 2 SGG analog). Da sich der Beschwerdegegner (Bg.) rügelos darauf eingelassen hat, kann dahingestellt bleiben, ob dieser Parteiwechsel auch sachdienlich gewesen wäre. Unter Aufhebung des entgegenstehenden angefochtenen Beschlusses des Sozialgerichts München vom 16. August 1999 ist dem nunmehr gestellten Antrag insoweit stattzugeben, als der Bg. zu verpflichten ist, den Bf. vorläufig bis zur bestandskräftigen/ rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zur vertragsärztlichen Versorgung als Psychologischen Psychotherapeuten in ... , 83395 Freilassing bedarfsunabhängig zuzulassen (zur Deckungsgleichheit von Anordnungsinhalt mit der Hauptsacheentscheidung: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, S.123 Rdnr.151).

Der Senat geht davon aus, dass das Begehren des Bf., ihn gemäß § 95 Abs.10 SGB V in der Fassung des Gesetzes für die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünftes Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze - Einführungsgesetz- PsychThG - vom 16. Juni 1996 (BGBl.I S.1311) bedarfsunabhängig als Psychologischen Psychotherapeuten in Freilassung zuzulassen, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in der Hauptsache Erfolg haben wird, spätestens nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Es ist ihm deshalb bis zur bestandskräftigen/rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten, lediglich im Delegationsverfahren an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung mitzuwirken.

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Beschlüsse vom 7. September 1999, Az.: L 12 B 166/99 KA ER, vom 17. Dezember 1999, Az.: L 12 B 359/99 KA ER, Breithaupt 2000, 245, vom 18. September 2000, Az.: L 12 B 469/99 KA ER und vom 16. Oktober 2000, Az.: L 12 B 205/00 KA ER) gestattet das Grundrecht auf wirksamen Rechtsschutz (Art.19 Abs.4 GG) den Sozialgerichten über die im SGG geregelten Fälle hinaus, Lücken des vorläufigen Rechtsschutzes durch entsprechende Anwendung der Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), insbesondere § 123 VwGO, zu schließen (vgl. BVerfGE 46, 166 (177 f.) = SozR 1500 § 95 Nr.1; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, § 97 Rdnrn.13 f., 20 ff.). Bei Vornahmesachen (Erteilung eines begünstigenden Verwaltungsakts) vermögen die Regelungen in § 97 Abs.4 SGB V, § 97 Abs.1 Nr.4 und Abs.3 SGG keinen wirksamen vorläufigen Rechtsschutz zu begründen (vgl. Spellbrink, MedR 1999, 304; Harneit, MedR 1999, 308, 311; Beschluss des Senats vom 21. November 1995, Az.: L 12 B 211/95 KA-VR, NZS 1996, 93; zur Anordnung der sofortigen Vollziehung bei Drittklage nach § 97 Abs.3 Satz 1 SGG: Beschluss des Senats vom 8. September 2000, Az.: L 12 B 145/99 KA ER). Da der Widerspruch der Beigeladenen zu 1) gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses Ärzte Oberbayern vom 10. März 1999 gemäß § 96 Abs.4 SGB V aufschiebende Wirkung hat (vgl. BSG SozR 3-1500 § 97 Nr.3 S.4), bleibt dem Bf. nur der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung entsprechend § 123 VwGO, wenn er sofort (zumindest vorläufig) die begehrte Rechtsstellung erhalten will. Diesen Antrag hat der Bf. auch mit Schriftsatz vom 17. September 1999 gestellt, nachdem das Sozialgericht den zuvor gestellten Antrag schon zutreffend als Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung ausgelegt hat, dieser jedoch gegen den falschen Antragsgegner (Beigeladenen zu 1) gerichtet wurde.

Nach § 123 VwGO kann das Gericht schon vor Klageerhebung - ebenso auch schon vor Erlass des das Verwaltungsverfahren abschließenden Bescheids (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 11. Auflage, § 123 Rdnrn.18, 22; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 123 Rdnr.106; Meyer-Ladewig, a.a.O., § 97 Rdnr.23b) - auf Antrag in Bezug auf den Streitgegenstand eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Änderung eines bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung im Sinne des § 123 Abs.1 Satz 1 VwGO). Darüber hinaus sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung im Sinne des § 123 Abs.1 Satz 2 VwGO).

Eine Regelungsanordnung, die hier mit der sinngemäß beantragten Verpflichtung auf Erteilung einer vorläufigen bedarfsunabhängigen Zulassung begehrt wird, setzt sowohl einen Anordnungsgrund (Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, weil ein Abwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist), als auch einen Anordnungsanspruch (materielles Recht, für das einstweiliger Rechtsschutz geltend gemacht wird) voraus, wobei zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch eine Wechselbeziehung besteht. An das Vorliegen eines Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit unbegründet, so ist wegen fehlenden Anordnungsanspruchs der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. In diesem Fall ist unter Berücksichtigung der Interessen des Antragstellers einerseits sowie der öffentlichen Interessen oder der Interessen anderer Personen andererseits zu prüfen, ob es dem Antragsteller zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten (vgl. Beschlüsse des Senats vom 7. September 1999, Az.: L 12 B 116/99 KA ER, vom 17. Dezember 1999, Az.: L 12 B 359/99 KA ER, Breithaupt 2000, 245, vom 18. September 2000, Az.: L 12 B 469/99 KA ER und vom 26. Oktober 2000, Az.: L 12 B 205/00 KA ER).

Im vorliegenden Fall hält der Senat bei summarischer Prüfung der im Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgebenden Sach- und Rechtslage das Obsiegen in der Hauptsache für sehr wahrscheinlich, insbesondere dann, wenn der EuGH mit der Sache befasst wird. Auch wenn es sich bei der Beschwerdeentscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um eine Entscheidung handelt, die nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann, hält sich der Senat nicht für verpflichtet, gemäß Art.234 Abs.3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) in der Fassung des Amsterdamer Vertrages vom 2. Oktober 1997 (BGBl.1998 II S.387, BGBl.1999 II S.416) eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen. Zum einen ist die Frage, ob innerstaatliches Recht mit Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, nur indirekt als Auslegungsfrage nach Art.234 Abs.1 Buchstabe a EGV vorlagefähig. Zum anderen wird die nur vorläufige Anordnung im Hauptsacheverfahren überprüft, in diesem Verfahren kann auch eine entsprechende Vorabentscheidung des EuGH eingeholt werden (vgl. Geiger, EUV/EGV, 3. Auflage, Art.234 EGV Rdnr.19; Oppermann, Europarecht, 2. Auflage, Rdnr.760 jeweils mit Hinweis auf EuGHE 1977, 957 ff. - RS 107/96). Der Senat hält zudem zwischenzeitlich die Rechtslage sowohl nach deutschem als auch nach Gemeinschaftsrecht für hinreichend geklärt, so dass er sich imstande sieht, im Rahmen einer summarischen Prüfung eine Prognose über die künftigen Erfolgsaussichten dahingehend zu wagen, dass der Bf. mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bedarfsunabhängig zuzulassen ist.

Das Bundessozialgericht hat mittlerweile über die Auslegung des Begriffs der Teilnahme in § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V entschieden (vgl. dazu die ungewöhnlich ausführliche Pressemitteilung Nr.71/00 zum Urteil vom 8. November 2000, Az.: B 6 KA 22/00 R). Es geht davon aus, dass auch für psychologische Psychotherapeuten die bedarfsabhängige Zulassung der Regelfall ist. Eine Ausnahme, nämlich eine bedarfsunabhängige Zulassung, hat der Gesetzgeber nur für die Psychotherapeuten vorgesehen, für die die Verweisung auf eine bedarfsabhängige Zulassung eine unbillige Härte darstellen würde. Nur diejenigen Psychotherapeuten, die in einem Zeitfenster (25. Juni 1994 bis 24. Juni 1997) schon in relevantem Umfang an der Behandlung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung beteiligt waren, sollen die Möglichkeit erhalten, weiterhin am Ort ihrer Niederlassung tätig zu sein, selbst wenn der Planungsbereich überversorgt ist. Für das Vorliegen eines Härtefalls gemäß § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V müssen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein: Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung; im Rahmen zugelassener Behandlungsmethoden; in niedergelassener Praxis; eigenverantwortlich; bestimmter Mindestumfang an Behandlungsstunden in einem bestimmten Zeitraum (Zeitfenster). Dabei hält sich die Orientierung der Praxis an einem Behandlungsumfang im sogenannten Zeitfenster von 250 Stunden in einem halben bis einem Jahr innerhalb der vom Bundessozialgericht vorgenommenen Konkretisierung des Begriffs der Teilnahme.

Die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt der Bf. allerdings nur, wenn man die ausschließlich in Österreich zu Lasten der österreichischen gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführten Behandlungen berücksichtigt. Wie sich aus der Bestätigung der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 22. Dezember 1998 ergibt, hat er im maßgebenden Zeitfenster (25. Juni 1994 bis 24. Juni 1997) innerhalb eines Jahres (25. Juni 1994 bis 24. Juni 1995) 328 psychotherapeutische Behandlungsstunden bei Versicherten der österreichischen gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen der dort zugelassenen Behandlungsmethoden in niedergelassener Praxis eigenverantwortlich durchgeführt. Eine tatbestandliche Gebietsgleichstellung anspruchsbegründender Merkmale nach dem Äquivalenzprinzip des Internationalen Sozialrechts (Gleichwertigkeit der Tatbestandserfüllung im Ausland mit der Tatbestandserfüllung im Inland; dazu: Eichenhofer, Internationales Sozialrecht, Rdnr.199 f.) ergibt sich zwar nicht aus sekundärem Gemeinschaftsrecht, wie der EG-Verordnung Nr.1408/71, denn diese enthält im Wesentlichen nur Vorschriften zum Leistungsrecht (z.B. Art.18 ff. für die Krankenversicherung) nicht jedoch zum Recht der Leistungserbringer. § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V dürfte jedoch gemeinschaftsrechtskonform dahingehend auszulegen sein, dass nicht nur die psychotherapeutische Versorgung der Versicherten der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung, sondern auch die gleichumfängliche und gleichwertige Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung in einem Staat, der der Europäischen Gemeinschaft (EG) angehört - wie hier Österreich seit 1. Januar 1995, als "Teilnahme" im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist. Andernfalls würde die Auslegung deutschen Rechts zu einer nicht gerechtfertigten Beschränkung von EG-Grundfreiheiten, wie der Niederlassungsfreiheit des Art.43 Abs.2 EGV in der Fassung des Amsterdamer Vertrages vom 2. Oktober 1997 (BGBl.1998 II S.387, 1999 II S.416) und dem damit einhergehenden Gebot der Inländergleichbehandlung bzw. dem sich aus Art.43 Abs.1 EGV ergebenden Verbot der "direkten" oder "indirekten" Diskriminierung führen (vgl. dazu Geiger, EUV/EGV, 3. Auflage, Art.43 EGV Rdnr.8 ff.; Oppermann, Europarecht, 2. Auflage, Rdnr.1580 ff.; Schweitzer/Hummer, Europarecht, 5. Auflage, Rdnr.1166 ff. mit Hinweisen auf die einschlägige Rechtsprechung des EuGH). Dieses Gebot/Verbot bedeutet, dass natürliche (und juristische) Personen das Recht haben, in einem anderen Mitgliedsstaat als in ihrem Heimatstaat eine dauernde selbständige Tätigkeit zu den gleichen Bedingungen wie Inländer aufzunehmen und auszuüben, wobei das Diskriminierungsverbot unmittelbar anwendbares Recht ist, das - wie im vorliegenden Fall - unmittelbar gegenüber einer Regelung des Aufnahmestaates geltend gemacht werden kann. Dies hat hier der Bf. zutreffend getan. Er hat, gestützt auf ein europarechtliches Gutachten von Prof.Dr ... , Universität Passau, und Dr ... , Universität Innsbruck, sowohl im Antrags- als auch ausführlicher im Beschwerdeverfahren auf die einschlägige Rechtsprechung des EuGH zur "indirekten" oder "versteckten" Diskriminierung hingewiesen und eingehend die etwaig für die Ungleichbehandlung von Inländern und EG-Ausländern in Betracht kommenden gemeinschaftsrechtlichen Rechtfertigungsgründe aufgezeigt (z.B. Art.46 EGV) und deren Vorliegen verneint. Der Senat hat keine Zweifel, dass der Bf. zutreffend die Rechtsprechung des EuGH wiedergegeben hat. Er sieht deshalb im Rahmen einer summarischen Prüfung davon ab, sich im Einzelnen mit dieser Rechtsprechung auseinander zu setzen. Die Rechtfertigungsgründe werden jedoch im Hauptsacheverfahren noch eingehend zu prüfen sein.

Der Senat hat bei summarischer Prüfung auch keine Zweifel, dass es sich bei der psychotherapeutschen Behandlung im Zeitraum 1994/97 durch einen österreichischen psychologischen Psychotherapeuten um eine Tätigkeit handelt, die derjenigen eines deutschen psychologischen Psychotherapeuten fachlich gleichwertig ist. Die Tätigkeit dürfte nach ihren wissenschaftlichen Grundlagen, der Durchführung und dem Ablauf der vom Bundesausschuss für Ärzte und Krankenkassen anerkannten psychotherapeutischen Behandlungs- und Anwendungsformen nach Abschnitt B der damals in Deutschland geltenden Psychotherapie-Richtlinien vom 3. Juli 1987, zuletzt geändert am 7. Dezember 1996 (BAnz 1997 Nr.46, 2946), entsprochen haben. Dies zeigt sich auch darin, dass der Bf. ab dem 1. Oktober 1998 ohne weitere Probleme in Freilassing/Deutschland im Delegationsverfahren nach Abschnitt H der Psychotherapie-Richtlinien in Verbindung mit §§ 3, 4 der damals geltenden Psychotherapievereinbarungen (Anlage 1 zum BMV-Ä bzw. zum EKV) an der ambulanten psychotherapeutischen Behandlung von Versicherten der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung mitwirken konnte. Zudem verbindet Deutschland und Österreich dieselbe Sprache, die gerade für pschotherapeutische Behandlungen als im Kern "sprechende Behandlung" von wesentlicher Bedeutung ist. Es bleibt dem Bg. bzw. den Gerichten im Hauptsacheverfahren unbenommen, insoweit noch weitere Ermittlungen durchzuführen, falls sie diese für erforderlich halten (§ 21 Abs.1 Satz 1 SGB X; § 103 Satz 1 SGG).

Ohne Belang ist bei summarischer Prüfung auch, dass der Bf. im Zeitraum zwischen dem 25. Juni 1997 (Ende des Zeitfensters nach § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V) und dem 1. Januar 1999 (In-Kraft-Treten des Einführungsgesetzes PsychThG vom 16. Juni 1998, BGBl.I S.1311) seine Praxis von Hallein/Österreich nach Freilassing/Deutschland verlegt hat. Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei der Regelung des § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V zwar grundsätzlich um eine Härtefallregelung für diejenigen Psychotherapeuten, die in dem Zeitfenster schon in relevantem Umfang an der Behandlung der Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen beteiligt waren. Diese sollen die Möglichkeit erhalten, weiter am Ort ihrer Niederlassung tätig zu sein, selbst wenn der Planungsbereich überversorgt ist. Diese gesetzliche Regelung schließt es jedoch nicht aus, dass sich ein Psychotherapeut, der die Voraussetzungen des § 95 Abs.10 SGB V erfüllt, insbesondere einen "Besitzstand" im Sinne der Nr.3 begründet hat, in einem anderen Planungsbereich um eine bedarfsunabhängige Zulassung bewirbt und zugelassen wird. Jedenfalls ist die Praxis so verfahren, wie sich aus dem vom Bf. vorgelegten Rundschreiben der Beigeladenen zu 1) ergibt (bedarfsunabhängige Zulassung an einem Ort freier Wahl, ohne Bindung an den bisherigen Praxisort). Dass diese Praxis rechtswidrig war, kann bei summarischer Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen nicht festgestellt werden. Wenn ein Inländer, der im Zeitraum zwischen dem 25. Juni 1994 und dem 24. Juni 1997 in relevantem Umfang in niedergelassener Praxis eigenverantwortlich Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung mit zugelassenen Behandlungsmethoden psychotherapeutisch versorgt hat, bis zum In-Kraft-Treten des Einführungsgesetzes-PsychThG seine Praxis, beispielsweise von Traunstein nach Freilassing, verlegt und dort - wie der Bf. - im Delegationsverfahren an der psychotherapeutischen Versorgung mitgewirkt hat, hat er Anspruch, auch dort bedarfsunabhängig zugelassen zu werden, sofern die übrigen Voraussetzungen des § 95 Abs.10 SGB X vorliegen. Diese Mitnahme einer erworbenen schützenswerten Vortätigkeit dürfte aber nicht nur im Inland möglich sein, sondern auch bei einer grenzüberschreitenden Wanderung innerhalb der EG. Das sich aus Art.43 Abs.1 und 2 EGV ergebende Verbot der "indirekten" Diskriminierung von Ausländern gebietet auch insoweit eine Gleichbehandlung mit den Inländern, wenn der Ausländer eine EG-Binnengrenze überschreitet und sich im Aufnahmestaat auf die Niederlassungsfreiheit beruft. So liegt der Fall hier.

Der Bf. erfüllt auch die übrigen Voraussetzungen für eine bedarfsunabhängige Zulassung nach § 95 Abs.10 Satz 1 Nrn.1 und 2 SGB V. Er hat bis zum 31. März 1999 die Approbationsurkunde vorgelegt (Nr.2), bis zum 31. Dezember 1998 die Voraussetzungen der Approbation nach § 12 PsychThG und den Fachkundenachweis nach § 95c Satz 2 Nr.3 SGB V erfüllt und den Antrag auf Erteilung der Zulassung gestellt (Nr.1). Der Zulassungsausschuss für Ärzte Oberbayern ist in dem Beschluss vom 10. März 1999 zutreffend davon ausgegangen, dass die Fachkunde nachgewiesen wurde. Als im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens (1. Januar 1999) im Rahmen des Delegationsverfahrens nach den Psychotherapie-Richtlinien Mitwirkender hat er damit den Fachkundenachweis gemäß § 95c Satz 2 Nr.3 SGB V i.V.m. § 12 Abs.1 Satz 1 PsychThG erbracht (vgl. dazu: Spellbrink, NZS 1999, 1, 5 f.; Kingreen, VSSR 2000, 1, 15 f.).

Da somit das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist, sind an das Vorliegen eines Anordnungsgrundes weniger strenge Anforderungen zu stellen. Der Bf. wirkt derzeit aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Dezember 1999, Az.: 1 BvR 1657/99 (MedR 2000, 192), bis zur bestandskräftigen/rechtskräftigen Entscheidung über die bedarfsunabhängige Zulassung in der Hauptsache im Delegationsverfahren an der psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen mit (vgl. Schreiben der Beigeladenen zu 1) vom 18. Februar 2000). Dieses Verfahren begründet, wie sich etwa aus der dem Arzt Dr ... mit Schreiben vom 10. August 1998 erteilten Genehmigung ergibt, nur ein Recht des ärztlichen Psychotherapeuten, einen psychologischen Psychotherapeuten bei der Leistungserbringung hinzuzuziehen (vgl. § 4 der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Psychotherapievereinbarungen). Es ist damit ein abgeleitetes Recht, das gegenüber einer, wenn auch nur vorläufigen, bedarfsunabhängigen Zulassung eine mindere Rechtsposition einräumt. Angesichts der sehr hohen Erfolgswahrscheinlichkeit und der mit der Beibehaltung des bisherigen Status (Delegationsverfahren) verbundenen Nachteile, ist es dem Bf. nicht zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten, zumal bis zu einer bestandskräftigen/ rechtskräftigen Entscheidung noch ein erheblicher Zeitraum vergehen kann und ihm während dieser Zeit wohl eine von Art.12 Abs.1 GG geschützte Rechtsposition (Anspruch auf Zulassung) in unzumutbarer Weise vorenthalten würde. Sollte sich in der Hauptsache endgültig ergeben, dass der Bf. keinen Anspruch auf eine bedarfsunabhängige Zulassung hat, hat er mit Eintritt der Bestandskraft/Rechtskraft seine Tätigkeit als Psychologischer Vertragspsychotherapeut zu beenden, sofern er bis dahin nicht bedarfsabhängig zugelassen ist.

Aus diesen Gründen ist auf die Beschwerde des Bf. der Beschluss des Sozialgerichts München vom 16. August 1999 aufzuheben und der Bg. zu verpflichten, den Bf. vorläufig bis zur bestandskräftigen/rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zur vertragsärztlichen Versorgung als Psychologischen Psychotherapeuten in ... , 83395 Freilassing, bedarfsunabhängig zuzulassen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs.1 und Abs.4 Satz 2 SGG in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes. Sie beruht auf der Erwägung, dass der Bf. lediglich im Beschwerdeverfahren obsiegt hat, während die Beigeladene zu 1) im Antragsverfahren zu Unrecht vom Bf. als Antragsgegner in Anspruch genommen wurde.

Diese Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei (§ 183 SGG) und ist endgültig (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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