Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AL 1276/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 106/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 08.11.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den Eintritt einer Sperrzeit vom 18.12.1997 bis 11.03.1998.
Die am 1965 geborene Klägerin war vom 15.10.1987 bis 17.12.1997 als Angestellte bei der F.-Universität E. beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers zum 17.12.1997. Im Kündigungsschreiben vom gleichen Tag nahm der Arbeitgeber Bezug auf die Abmahnung vom 17.06.1997 wegen Kundgabe der Missachtung der Ehre von Vorgesetzten und Kollegen sowie Störung des Betriebsfriedens. Darüber hinaus habe die Klägerin im Verlaufe einer Auseinandersetzung am Arbeitsplatz am 03.12.1997 in Anwesenheit ihrer Kolleginnen und Kollegen Herrn R. bezichtigt, Leute wie er seien Schuld daran, dass so viele Juden vergast worden wären. Die Klägerin habe anschließend den rechten Arm zum typischen Hitlergruß erhoben, "Heil Hitler" gerufen und ihren Arbeitsplatz verlassen. Die dagegen von der Klägerin zum Arbeitsgericht Nürnberg erhobene Klage wurde mit Urteil vom 23.06.1998 - 8 Ca 462/98 A wegen Versäumung der dreiwöchigen Klagefrist gemäß den §§ 4, 7 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) abgewiesen.
Am 07.01.1998 beantragte die Klägerin die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg).
Mit Bescheid vom 07.07.1998 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 18.12.1997 bis 11.03.1998 fest, da die Klägerin gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen und Anlass für die Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben habe.
Der hiergegen am 23.07.1998 eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 09.11.1998).
Dagegen hat die Klägerin am 11.12.1998 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat die Klägerin erklärt, Herr R. habe sie am fraglichen Tag nicht nur aus dem Zimmer geschubst sondern auch am T-Shirt ergriffen und ca 5 m quer durchs Labor abgedrängt. Der vom SG als Zeuge gehörte F. R. hat ausgesagt, dass sich der Umgang mit der Klägerin am Arbeitsplatz schwierig gestaltet hätte, man mit ihr Probleme nicht habe ausdiskutieren können und sie alles ins Lächerliche gezogen hätte. Darüber hinaus habe sie an einer übertriebenen Infektionsangst gelitten. Am Morgen des 03.12.1997 sei es zu einem Konflikt zwischen der Klägerin und einer anderen Kollegin gekommen, in dessen Verlauf die Klägerin alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Labor beleidigt hätte. Am Nachmittag habe sie von ihm verlangt, sich bei ihr zu entschuldigen. Nachdem er dies abgelehnt hätte, habe sie ihm sinngemäß als Prolet beschimpft. Er habe sie daraufhin am Kragen gepackt und aus dem Labor geschoben. Die Klägerin hätte dies als tätlichen Angriff gewertet und sei mit dem Zeugen Prof.Dr.B. zurückgekehrt, der sie bat, den Raum zu verlassen. Die Klägerin sei dann nochmals zurückgekehrt, ihn als jemanden bezeichnet, der bei den Nazis die Juden vergast habe, "Heil Hitler" geschrien und den Hitlergruß gezeigt. Von den Zeuginnen L. und R. wurde diese Aussage bestätigt.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 08.11.2000 abgewiesen. Die Verhängung einer Sperrzeit nach § 119 Abs 1 Nr 1 iVm § 119 a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) durch die Beklagte sei zu Recht erfolgt. Die Klägerin habe durch ihr arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch die Arbeitslosigkeit wenigstens grob fahrlässig herbeigeführt. Durch ihre schwerwiegenden Beleidigungen und den Angriff auf das Persönlichkeitsrecht des Zeugen R. habe sie eine weitere Beschäftigung im Labor der F.-Universität unmöglich gemacht. Die Äußerungen der Klägerin seien maßlos gewesen und hätten in keinerlei Verbindung mit einer vorhergegangenen Auseinandersetzung gestanden. Sie habe keinerlei Veranlassung gehabt, ihrem Kollegen faschistoides Verhalten vorzuwerfen und dies mit faschistischen Symbolen zu bekräftigen. Nach dem Ergebnis der Zeugeneinvernahme stehe fest, dass der Zeuge R. die Klägerin vor der Beleidigung nicht geschlagen, sondern wegen des Überraschungseffektes widerstandslos abgedrängt habe. Die Entgleisungen der Klägerin könnten deshalb nicht als momentane Unbeherrschtheit oder überschießende Reaktion gewertet werden. Zum Schutz der Mitarbeiter und Vorgesetzten vor weiteren ungehemmten Maßlosigkeiten der Klägerin sei der Arbeitgeber gehalten gewesen, das Beschäftigungsverhältnis mit ihr aufzulösen.
Gegen das ihr am 09.02.2001 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 08.03.2001 beim Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) eingelegten Berufung.
Die unberechtigten Beleidigungen des Zeugen R. hätten sie veranlasst, ihn am Nachmittag aufzufordern, sich bei ihr dafür zu entschuldigen. Das SG habe es unterlassen, den maßgeblichen Zeugen Prof.Dr.B. zu laden und im Übrigen die Zeuginnen S. und R. nur zu den Geschehnissen am Nachmittag nicht aber zu den Vorkommnissen am Vormittag befragt. Die Klägerin habe sich am Nachmittag des 03.12. in einem Zustand der verminderten Schuldfähigkeit befunden, dabei in einer Schocksituation den Arm zum Hitlergruß ausgestreckt und "Heil Hitler" gerufen. Die vom Freistaat ausgesprochenen Abmahnungen hätten Verspätungen beim Dienstbeginn bzw eine Patientengefährdung durch Herausgabe falscher Befunde betroffen, jedoch nicht mit den Vorfällen am 03.12.1998 in Zusammenhang gestanden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG Nürnberg vom 08.11.2000 sowie die Bescheide der Beklagten vom 07.07.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.1998 aufzuheben und ihr für die Zeit vom 18.12.1997 bis 11.03.1998 Alg zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin habe ihre sperrzeitbedrohte fristlose Kündigung durch ihr vertragswidriges Verhalten herbeigeführt. Nach der unangemessenen und haltlosen Beleidigung des Zeugen R. vor der Kollegenschaft und den Vorgesetzten sei eine weitere Beschäftigung der Klägerin bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht mehr möglich gewesen. Eine Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz für die Dauer der Kündigungsfrist schied ebenfalls aus, nachdem sie erst kurz zuvor umgesetzt worden war, ohne ihr Verhalten zu ändern. Die von der Klägerin vorgebrachten Beleidigungen durch den Zeugen R. hätten am Vormittag stattgefunden. Ihre beleidigenden Äußerungen am Nachmittag seien somit nicht durch ein unangemessenes Verhalten des Arbeitgebers oder seiner Mitarbeiter provoziert und nach der dazwischen verstrichenen Zeit keinesfalls im Affekt oder unter Schock getätigt worden.
Aus dem beigezogenen Bericht ihrer Hausärztin, Dr.D. K. , vom 08.11.2001 geht hervor, dass die Klägerin dort nicht am 03.12.1997 in Behandlung stand, sondern erst am 04.12.1997 in der Praxis erschien und dabei sehr depressiv verstimmt wirkte.
Die in der mündlichen Verhandlung nochmals als Zeugin vernommene M. R. hat ergänzend erklärt, dass die Klägerin ca ein halbes Jahr vor dem 03.12.1997 in das Labor der Immunologie der Universität E. gekommen sei, nachdem sie zuvor in einem anderen Labor Schwierigkeiten mit Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz hatte. Am 03.12.1997 habe der Zeuge R. die Klägerin als "Latexfetischistin" beschimpft. Sie konnte nicht mehr angeben, ob dies im Zusammenhang mit einer Auseinandersetzung der Klägerin mit Frau S. um 8.30 Uhr erfolgte. Die Zeugin S. hat diese Aussagen bestätigt. Der ebenfalls als Zeuge vernommene Prof.Dr.B. hat angegeben, dass es bereits vor der Versetzung der Klägerin in das Labor der Immunologie zu Schwierigkeiten im Umgang mit anderen MTA s gekommen sei. Vorfälle mit Frau B. habe es ca ein bis zweimal pro Woche gegeben und auch bereits zuvor ein Gespräch mit dem Personalrat, bei dem es ua um die zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen der Klägerin und anderen Mitarbeiterinnen ging und irgendeine Lösung zur Fortbeschäftigung der Klägerin im Labor gesucht wurde. Über die Vorgänge am Vormittag des 03.12.1997 könne er keine Angaben machen, da er erst am Nachmittag das Labor betreten habe. An Handgreiflichkeiten zwischen dem Zeugen R. und der Klägerin könne er sich nicht erinnern. Er wisse jedoch, dass das Wort "Hitler" gefallen sei. Die Klägerin sei in gewisser Weise erregt gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle des Senates einverstanden erklärt.
Auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des SG, des Arbeitsgerichtes Nürnberg und des BayLSG wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz = SGG) ist auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG). Eine Entscheidung konnte durch den Berichterstatter anstelle des Senates ergehen, da die Beteiligten zuvor ihr Einständnis damit erklärt haben (§ 155 Abs 3 und 4 SGG).
Die Berufung erweist sich in der Sache nicht als begründet. Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 08.11.2000 zu Recht die Klage gegen Bescheid vom 07.07.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.11.1998 abgewiesen, in dem die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen vom 18.12.1997 bis 11.03.1998, das Ruhen des Alg-Anspruches in dieser Zeit und die Verkürzung der Anspruchsdauer festgestellt hat.
Der Eintritt einer Sperrzeit nach Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitgeber (§ 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 2. Alternative AFG) setzt ein schwerwiegend vertragswidriges Verhalten des Arbeitslosen voraus, das - gegebenenfalls zusammen mit anderen Umständen - geeignet ist, die Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses zu dem Zeitpunkt zu rechtfertigen, zu dem die Arbeitslosigkeit tatsächlich eingetreten ist (Niesel, Kommentar zum AFG, 2. Auflage, Anm 32 zu § 119; BSG in SozR 3-4100 § 119 Nr 3 = NZA 1990, 791). Bei einer außerordentlichen Kündigung ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 626 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erfüllt sind (BSG vom 25.03.1987 - 7 RAr 95/85). Im Rahmen des § 119 AFG kann eine Kündigung nur dann kausal für die Arbeitslosigkeit sein, wenn sie vom Arbeitgeber zu Recht ausgesprochen wurde (vgl Niesel aaO Anm 35).
Wie das SG zutreffend festgestellt hat, hat die Klägerin durch ihr schwerwiegendes arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch die F.-Universität E. gegeben und dadurch grob fahrlässig ihre Arbeitslosigkeit herbeigeführt, ohne für ihr Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Das vertragswidrige Verhalten der Klägerin liegt hier in der schwerwiegenden Störung des Betriebsfriedens. Mit ihren unangemessenen und haltlosen Beleidigungen und Verletzungen des Zeugen R. vor der Kollegenschaft und den Vorgesetzten hat die Klägerin, die bereits zuvor ständig Schwierigkeiten mit anderen Kolleginnen und Kollegen hatte, eine Weiterbeschäftigung bei ihrem Arbeitgeber unmöglich gemacht. Die Entgleisungen der Klägerin können nicht mit einer momentanen Unbeherrschtheit oder überschießenden Reaktion gerechtfertigt werden. Zwischen der Auseinandersetzung am Vormittag und den Geschehnissen am Nachmittag im Labor der Immunologie der F.-Universität E. lag ein zeitlicher Abstand von mehreren Stunden, in dem sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die Auseinandersetzung nicht fortsetzte. Darüberhinaus liegen auch keine Anhaltspunkte für eine fehlende Schuldfähigkeit bei ihr vor. Die Klägerin begab sich nicht im Anschluss an die Vorfälle im Labor der F.-Universität unmittelbar am 03.12.1997 in ärztliche Behandlung, sondern wurde bei Frau Dr.K. erst am 04.12.1997 vorstellig. Die Hausärztin stellte dabei keine Anzeichen für eine Übererregung der Klägerin fest, sondern im Gegensatz dazu eine depressive Verstimmung.
Das schwerwiegende vertragswidrige Verhalten der Klägerin, das nicht zu rechtfertigen war, stellte somit den Grund für die außerordentliche Kündigung durch ihren Arbeitgeber dar. Eine Weiterbeschäftigung an einem anderen Arbeitsplatz für die Dauer der Kündigungsfrist bei einer ordentlichen Kündigung war nicht möglich, da ihr Verhalten gegenüber Kolleginnen bereits zuvor Anlass für eine innerbetriebliche Umsetzung gegeben hatte. Die außerordentliche Kündigung der Klägerin zum 03.12.1997 war deshalb aufgrund ihres schwerwiegenden vertragswidrigen Verhaltens gerechtfertigt (vgl auch BSG in SozR 3-4100 § 119 Nr 3; Niesel Kommentar zum AFG, 2. Auflage, Anm 32 zu § 119; Etzel in KR § 1 Kündigungsschutzgesetz Anm 456; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 8. Auflage, Seite 1174).
Die Klägerin hatte somit Anlass für die Lösung ihres Beschäftigungsverhältnisses durch die F.-Universität E. gegeben und dadurch grob fahrlässig ihre Arbeitslosigkeit herbeigeführt, ohne für ihr Verhalten einen wichtigen Grund zu haben; dadurch ist eine Sperrzeit von 12 Wochen, beginnend mit dem Ende der Beschäftigung, eingetreten (§ 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 2. Alternative, § 119 a Nr 1, § 119 Abs 1 Satz 2 AFG). Die Sperrzeit von 12 Wochen bedeutet für die Klägerin nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen auch keine besondere Härte (§ 119 Abs 2 AFG). Gründe hierfür wurden im Verfahren weder vorgetragen, noch sind sie für das BayLSG aus dem gesamten vorliegenden Akteninhalt ersichtlich. Während der Sperrzeit ruhte der Anspruch auf Alg (§ 119 Abs 1 Satz 3 AFG) Die Dauer des Anspruchs auf Alg minderte sich um 72 Tage (§ 110 Satz 1 Nr 2 AFG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den Eintritt einer Sperrzeit vom 18.12.1997 bis 11.03.1998.
Die am 1965 geborene Klägerin war vom 15.10.1987 bis 17.12.1997 als Angestellte bei der F.-Universität E. beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers zum 17.12.1997. Im Kündigungsschreiben vom gleichen Tag nahm der Arbeitgeber Bezug auf die Abmahnung vom 17.06.1997 wegen Kundgabe der Missachtung der Ehre von Vorgesetzten und Kollegen sowie Störung des Betriebsfriedens. Darüber hinaus habe die Klägerin im Verlaufe einer Auseinandersetzung am Arbeitsplatz am 03.12.1997 in Anwesenheit ihrer Kolleginnen und Kollegen Herrn R. bezichtigt, Leute wie er seien Schuld daran, dass so viele Juden vergast worden wären. Die Klägerin habe anschließend den rechten Arm zum typischen Hitlergruß erhoben, "Heil Hitler" gerufen und ihren Arbeitsplatz verlassen. Die dagegen von der Klägerin zum Arbeitsgericht Nürnberg erhobene Klage wurde mit Urteil vom 23.06.1998 - 8 Ca 462/98 A wegen Versäumung der dreiwöchigen Klagefrist gemäß den §§ 4, 7 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) abgewiesen.
Am 07.01.1998 beantragte die Klägerin die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg).
Mit Bescheid vom 07.07.1998 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 18.12.1997 bis 11.03.1998 fest, da die Klägerin gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen und Anlass für die Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben habe.
Der hiergegen am 23.07.1998 eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 09.11.1998).
Dagegen hat die Klägerin am 11.12.1998 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat die Klägerin erklärt, Herr R. habe sie am fraglichen Tag nicht nur aus dem Zimmer geschubst sondern auch am T-Shirt ergriffen und ca 5 m quer durchs Labor abgedrängt. Der vom SG als Zeuge gehörte F. R. hat ausgesagt, dass sich der Umgang mit der Klägerin am Arbeitsplatz schwierig gestaltet hätte, man mit ihr Probleme nicht habe ausdiskutieren können und sie alles ins Lächerliche gezogen hätte. Darüber hinaus habe sie an einer übertriebenen Infektionsangst gelitten. Am Morgen des 03.12.1997 sei es zu einem Konflikt zwischen der Klägerin und einer anderen Kollegin gekommen, in dessen Verlauf die Klägerin alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Labor beleidigt hätte. Am Nachmittag habe sie von ihm verlangt, sich bei ihr zu entschuldigen. Nachdem er dies abgelehnt hätte, habe sie ihm sinngemäß als Prolet beschimpft. Er habe sie daraufhin am Kragen gepackt und aus dem Labor geschoben. Die Klägerin hätte dies als tätlichen Angriff gewertet und sei mit dem Zeugen Prof.Dr.B. zurückgekehrt, der sie bat, den Raum zu verlassen. Die Klägerin sei dann nochmals zurückgekehrt, ihn als jemanden bezeichnet, der bei den Nazis die Juden vergast habe, "Heil Hitler" geschrien und den Hitlergruß gezeigt. Von den Zeuginnen L. und R. wurde diese Aussage bestätigt.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 08.11.2000 abgewiesen. Die Verhängung einer Sperrzeit nach § 119 Abs 1 Nr 1 iVm § 119 a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) durch die Beklagte sei zu Recht erfolgt. Die Klägerin habe durch ihr arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch die Arbeitslosigkeit wenigstens grob fahrlässig herbeigeführt. Durch ihre schwerwiegenden Beleidigungen und den Angriff auf das Persönlichkeitsrecht des Zeugen R. habe sie eine weitere Beschäftigung im Labor der F.-Universität unmöglich gemacht. Die Äußerungen der Klägerin seien maßlos gewesen und hätten in keinerlei Verbindung mit einer vorhergegangenen Auseinandersetzung gestanden. Sie habe keinerlei Veranlassung gehabt, ihrem Kollegen faschistoides Verhalten vorzuwerfen und dies mit faschistischen Symbolen zu bekräftigen. Nach dem Ergebnis der Zeugeneinvernahme stehe fest, dass der Zeuge R. die Klägerin vor der Beleidigung nicht geschlagen, sondern wegen des Überraschungseffektes widerstandslos abgedrängt habe. Die Entgleisungen der Klägerin könnten deshalb nicht als momentane Unbeherrschtheit oder überschießende Reaktion gewertet werden. Zum Schutz der Mitarbeiter und Vorgesetzten vor weiteren ungehemmten Maßlosigkeiten der Klägerin sei der Arbeitgeber gehalten gewesen, das Beschäftigungsverhältnis mit ihr aufzulösen.
Gegen das ihr am 09.02.2001 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 08.03.2001 beim Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) eingelegten Berufung.
Die unberechtigten Beleidigungen des Zeugen R. hätten sie veranlasst, ihn am Nachmittag aufzufordern, sich bei ihr dafür zu entschuldigen. Das SG habe es unterlassen, den maßgeblichen Zeugen Prof.Dr.B. zu laden und im Übrigen die Zeuginnen S. und R. nur zu den Geschehnissen am Nachmittag nicht aber zu den Vorkommnissen am Vormittag befragt. Die Klägerin habe sich am Nachmittag des 03.12. in einem Zustand der verminderten Schuldfähigkeit befunden, dabei in einer Schocksituation den Arm zum Hitlergruß ausgestreckt und "Heil Hitler" gerufen. Die vom Freistaat ausgesprochenen Abmahnungen hätten Verspätungen beim Dienstbeginn bzw eine Patientengefährdung durch Herausgabe falscher Befunde betroffen, jedoch nicht mit den Vorfällen am 03.12.1998 in Zusammenhang gestanden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG Nürnberg vom 08.11.2000 sowie die Bescheide der Beklagten vom 07.07.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.1998 aufzuheben und ihr für die Zeit vom 18.12.1997 bis 11.03.1998 Alg zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin habe ihre sperrzeitbedrohte fristlose Kündigung durch ihr vertragswidriges Verhalten herbeigeführt. Nach der unangemessenen und haltlosen Beleidigung des Zeugen R. vor der Kollegenschaft und den Vorgesetzten sei eine weitere Beschäftigung der Klägerin bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht mehr möglich gewesen. Eine Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz für die Dauer der Kündigungsfrist schied ebenfalls aus, nachdem sie erst kurz zuvor umgesetzt worden war, ohne ihr Verhalten zu ändern. Die von der Klägerin vorgebrachten Beleidigungen durch den Zeugen R. hätten am Vormittag stattgefunden. Ihre beleidigenden Äußerungen am Nachmittag seien somit nicht durch ein unangemessenes Verhalten des Arbeitgebers oder seiner Mitarbeiter provoziert und nach der dazwischen verstrichenen Zeit keinesfalls im Affekt oder unter Schock getätigt worden.
Aus dem beigezogenen Bericht ihrer Hausärztin, Dr.D. K. , vom 08.11.2001 geht hervor, dass die Klägerin dort nicht am 03.12.1997 in Behandlung stand, sondern erst am 04.12.1997 in der Praxis erschien und dabei sehr depressiv verstimmt wirkte.
Die in der mündlichen Verhandlung nochmals als Zeugin vernommene M. R. hat ergänzend erklärt, dass die Klägerin ca ein halbes Jahr vor dem 03.12.1997 in das Labor der Immunologie der Universität E. gekommen sei, nachdem sie zuvor in einem anderen Labor Schwierigkeiten mit Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz hatte. Am 03.12.1997 habe der Zeuge R. die Klägerin als "Latexfetischistin" beschimpft. Sie konnte nicht mehr angeben, ob dies im Zusammenhang mit einer Auseinandersetzung der Klägerin mit Frau S. um 8.30 Uhr erfolgte. Die Zeugin S. hat diese Aussagen bestätigt. Der ebenfalls als Zeuge vernommene Prof.Dr.B. hat angegeben, dass es bereits vor der Versetzung der Klägerin in das Labor der Immunologie zu Schwierigkeiten im Umgang mit anderen MTA s gekommen sei. Vorfälle mit Frau B. habe es ca ein bis zweimal pro Woche gegeben und auch bereits zuvor ein Gespräch mit dem Personalrat, bei dem es ua um die zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen der Klägerin und anderen Mitarbeiterinnen ging und irgendeine Lösung zur Fortbeschäftigung der Klägerin im Labor gesucht wurde. Über die Vorgänge am Vormittag des 03.12.1997 könne er keine Angaben machen, da er erst am Nachmittag das Labor betreten habe. An Handgreiflichkeiten zwischen dem Zeugen R. und der Klägerin könne er sich nicht erinnern. Er wisse jedoch, dass das Wort "Hitler" gefallen sei. Die Klägerin sei in gewisser Weise erregt gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle des Senates einverstanden erklärt.
Auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des SG, des Arbeitsgerichtes Nürnberg und des BayLSG wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz = SGG) ist auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG). Eine Entscheidung konnte durch den Berichterstatter anstelle des Senates ergehen, da die Beteiligten zuvor ihr Einständnis damit erklärt haben (§ 155 Abs 3 und 4 SGG).
Die Berufung erweist sich in der Sache nicht als begründet. Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 08.11.2000 zu Recht die Klage gegen Bescheid vom 07.07.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.11.1998 abgewiesen, in dem die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen vom 18.12.1997 bis 11.03.1998, das Ruhen des Alg-Anspruches in dieser Zeit und die Verkürzung der Anspruchsdauer festgestellt hat.
Der Eintritt einer Sperrzeit nach Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitgeber (§ 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 2. Alternative AFG) setzt ein schwerwiegend vertragswidriges Verhalten des Arbeitslosen voraus, das - gegebenenfalls zusammen mit anderen Umständen - geeignet ist, die Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses zu dem Zeitpunkt zu rechtfertigen, zu dem die Arbeitslosigkeit tatsächlich eingetreten ist (Niesel, Kommentar zum AFG, 2. Auflage, Anm 32 zu § 119; BSG in SozR 3-4100 § 119 Nr 3 = NZA 1990, 791). Bei einer außerordentlichen Kündigung ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 626 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erfüllt sind (BSG vom 25.03.1987 - 7 RAr 95/85). Im Rahmen des § 119 AFG kann eine Kündigung nur dann kausal für die Arbeitslosigkeit sein, wenn sie vom Arbeitgeber zu Recht ausgesprochen wurde (vgl Niesel aaO Anm 35).
Wie das SG zutreffend festgestellt hat, hat die Klägerin durch ihr schwerwiegendes arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch die F.-Universität E. gegeben und dadurch grob fahrlässig ihre Arbeitslosigkeit herbeigeführt, ohne für ihr Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Das vertragswidrige Verhalten der Klägerin liegt hier in der schwerwiegenden Störung des Betriebsfriedens. Mit ihren unangemessenen und haltlosen Beleidigungen und Verletzungen des Zeugen R. vor der Kollegenschaft und den Vorgesetzten hat die Klägerin, die bereits zuvor ständig Schwierigkeiten mit anderen Kolleginnen und Kollegen hatte, eine Weiterbeschäftigung bei ihrem Arbeitgeber unmöglich gemacht. Die Entgleisungen der Klägerin können nicht mit einer momentanen Unbeherrschtheit oder überschießenden Reaktion gerechtfertigt werden. Zwischen der Auseinandersetzung am Vormittag und den Geschehnissen am Nachmittag im Labor der Immunologie der F.-Universität E. lag ein zeitlicher Abstand von mehreren Stunden, in dem sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die Auseinandersetzung nicht fortsetzte. Darüberhinaus liegen auch keine Anhaltspunkte für eine fehlende Schuldfähigkeit bei ihr vor. Die Klägerin begab sich nicht im Anschluss an die Vorfälle im Labor der F.-Universität unmittelbar am 03.12.1997 in ärztliche Behandlung, sondern wurde bei Frau Dr.K. erst am 04.12.1997 vorstellig. Die Hausärztin stellte dabei keine Anzeichen für eine Übererregung der Klägerin fest, sondern im Gegensatz dazu eine depressive Verstimmung.
Das schwerwiegende vertragswidrige Verhalten der Klägerin, das nicht zu rechtfertigen war, stellte somit den Grund für die außerordentliche Kündigung durch ihren Arbeitgeber dar. Eine Weiterbeschäftigung an einem anderen Arbeitsplatz für die Dauer der Kündigungsfrist bei einer ordentlichen Kündigung war nicht möglich, da ihr Verhalten gegenüber Kolleginnen bereits zuvor Anlass für eine innerbetriebliche Umsetzung gegeben hatte. Die außerordentliche Kündigung der Klägerin zum 03.12.1997 war deshalb aufgrund ihres schwerwiegenden vertragswidrigen Verhaltens gerechtfertigt (vgl auch BSG in SozR 3-4100 § 119 Nr 3; Niesel Kommentar zum AFG, 2. Auflage, Anm 32 zu § 119; Etzel in KR § 1 Kündigungsschutzgesetz Anm 456; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 8. Auflage, Seite 1174).
Die Klägerin hatte somit Anlass für die Lösung ihres Beschäftigungsverhältnisses durch die F.-Universität E. gegeben und dadurch grob fahrlässig ihre Arbeitslosigkeit herbeigeführt, ohne für ihr Verhalten einen wichtigen Grund zu haben; dadurch ist eine Sperrzeit von 12 Wochen, beginnend mit dem Ende der Beschäftigung, eingetreten (§ 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 2. Alternative, § 119 a Nr 1, § 119 Abs 1 Satz 2 AFG). Die Sperrzeit von 12 Wochen bedeutet für die Klägerin nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen auch keine besondere Härte (§ 119 Abs 2 AFG). Gründe hierfür wurden im Verfahren weder vorgetragen, noch sind sie für das BayLSG aus dem gesamten vorliegenden Akteninhalt ersichtlich. Während der Sperrzeit ruhte der Anspruch auf Alg (§ 119 Abs 1 Satz 3 AFG) Die Dauer des Anspruchs auf Alg minderte sich um 72 Tage (§ 110 Satz 1 Nr 2 AFG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
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