L 11 AL 107/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 AL 1320/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 107/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 25. Januar 2000 abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 11.12.1998 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld (Alg) und Arbeitslosenhilfe (Alhi) nach der Leistungsgruppe A (Lohnsteuerklasse IV) oder nach der Leistungsgruppe D (Lohnsteuerklasse V) zu gewähren hat und ferner ob zuviel gezahltes Alg erstattet werden muss und ob die Beklagte die Alhi-Bewilligung ab 15.12.1998 aufheben durfte.

Der 1952 geborene Kläger ist verheiratet und hatte zu Beginn des Jahres 1997 auf seiner Lohnsteuerkarte die Steuerklasse IV und zwei Kinder eingetragen.

Nach einer aus gesundheitlichen Gründen notwendigen Umschulung vom Elektroinstallateur zum Umwelttechniker, in der er Übergangsgeld bezog, meldete er sich zum 11.09.1997 arbeitslos und beantragte Alg.

Mit Bescheid vom 14.11.1997 wurde ihm Alg für 312 Tage auf der Basis eines wöchentlichen Bemessungsentgeltes von 1.070,00 DM nach der Leistungsgruppe A, dem erhöhten Leistungssatz in Höhe von 440,00 DM wöchentlich gewährt, ab 01.01.1998 in Höhe von 406,98 DM, ab 29.08.1998 (Anpassungsstichtag) in Höhe von 409,92 DM.

Da sich der Alg-Anspruch mit dem 09.09.1998 erschöpfte, hatte der Kläger für die anschließende Zeit Alhi beantragt.

In dem mit dem 30.08.1998 datierten Formblattantrag für Alhi hatte er angegeben, dass er seit dem 01.01.1998 die Lohnsteuerklasse V habe.

Dementsprechend wurde im Bescheid vom 12.10.1998 Alhi ab 10.09.1998 nach dem erhöhten Leistungssatz der Leistungsgruppe D gewährt.

Nachdem die Beklagte während des Alhi-Bewilligungsverfahrens bemerkt hatte, dass der Kläger in der Zeit vom 01.01.1998 bis 09.09.1998 ein um die Differenz zwischen der Leistungsgruppe D und A zu hohes Alg bezogen hatte, hörte sie den Kläger an. Dabei wies sie darauf hin, dass er den Steuerklassenwechsel zum 01.01.1998 nicht angezeigt habe.

Mit Bescheid vom 30.10.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.11.1998 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg für den Zeitraum vom 01.01.1998 bis 09.09.1998 um die Differenz zwischen der Leistungsgruppe D und A auf. Der Kläger habe grob fahrlässig den entsprechenden Steuerklassenwechsel nicht unverzüglich mitgeteilt, dadurch sei es zu der Überzahlung gekommen. Die Beklagte forderte überzahltes Alg in Höhe von 3.728,64 DM zurück.

Der Kläger hatte auch Widerspruch gegen den Alhi-Bewilligungsbescheid vom 12.10.1998 erhoben. Er begehrte weiterhin die Berücksichtigung der Leistungsgruppe A. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.1998 zurückgewiesen.

Gegen beide Entscheidungen der Beklagten erhob der Kläger Klagen zum Sozialgericht Nürnberg. Die Verfahren sind dort verbunden worden.

Er machte geltend: Wegen einer falschen und lückenhaften Information des Arbeitsamtes Neustadt/Aisch sei er veranlasst worden, die Steuerklasse zu wechseln. Die Steuerklassenkombination IV/IV sei für ihn und seine Ehefrau die steuerrechtlich zweckmäßige gewesen. Er habe den Steuerklassenwechsel im Dezember 1997 telefonisch dem Arbeitsamt Neustadt/Aisch mitgeteilt.

Der Beklagtenvertreter hat eine fehlerhafte Beratung des Klägers und die Mitteilung des Steuerklassenwechsels durch den Kläger an das Arbeitsamt Neustadt/Aisch bestritten.

Während des Verfahrens vor dem Sozialgericht um die Höhe der Alhi (Klageerhebung am 11.12.1998), erließ die Beklagte ohne erkennbare Anhörung den Bescheid vom 11.12.1998, mit dem sie die Alhi ab 15.12.1998 ganz aufhob, weil der Kläger in Ansehung des Einkommens seiner Ehefrau nicht bedürftig sei.

Dagegen erhob der Kläger am 23.12.1998 Widerspruch. Im Widerspruchsbescheid wird wörtlich ausgeführt: "Der Widerspruch richtet sich gegen die Festsetzung der Leistungsgruppe D. Diese entspricht nicht einer zweckmäßigen Lohnsteuerkombination."

Ab 01.01.1999 gewährte die Beklagte dem Kläger wieder Alhi unter Berücksichtigung der Leistungsgruppe A. Der Kläger hatte ab 01.01.1999 wieder die Steuerklasse IV.

Das Sozialgericht hat die verbundenen Klagen mit Urteil vom 25.01.2000 abgewiesen. Die Voraussetzung für die teilweise Aufhebung der Alg-Bewilligung habe vorgelegen. Durch den Steuerklassenwechsel sei eine wesentliche Änderung eingetreten. Dem Kläger habe ab 01.01.1998 nur ein Alg nach der Leistungsgruppe D zugestanden. Dieser Fehler sei auf die grob fahrlässige Nichtanzeige des Steuerklassenwechsels zurückzuführen. Das überzahlte Alg sei zu erstatten. Die Richtigkeit der Behauptung des Klägers, er habe die Beklagte über den Steuerklassenwechsel unterrichtet und sei falsch beraten worden, sei nicht feststellbar. Die Alhi sei in richtiger Höhe nach der Leistungsgruppe D bewilligt worden. Der Kläger habe sich nicht gegen die Rücknahme der Alhi-Bewilligung ab 15.12.1998 wegen fehlender Bedürftigkeit, sondern nur gegen die Einstufung in die Leistungsgruppe D gewandt. Diese Einstufung sei nicht zu beanstanden.

Gegen das dem Kläger am 16.02.2000 zugestellte Urteil vom 25.01.2000 hat dieser am 14.03.2000 Berufung eingelegt. Dazu wiederholt er sein bisheriges Vorbringen.

Der Kläger stellt sinngemäß folgenden Antrag:

Der Bescheid der Beklagten vom 12.10.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.11.1998 wird abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 30.10.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.11.1998 und der Bescheid vom 11.12.1998 werden aufgehoben. Das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 25.01.2000 wird abgeändert. Es wird weiterhin die Leistungsgruppe A berücksichtigt.

Der Vertreter der Beklagten stellt den Antrag,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte bezieht sich auf ihr bisheriges Vorbringen und die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird verwiesen auf die beigezogene Akte der Beklagten (Stamm-Nr: 14982) und auf die Akten des Sozialgerichts Nürnberg (Az: S 15 AL 1284/98 und S 15 AL 1320/98), deren wesentliche Inhalte zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist im Wesentlichen nicht begründet.

Die Höhe des Alg bestimmt sich für 1998 nach § 129 ff Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Soweit Alg-Ansprüche vor dem 01.01.1998 entstanden sind, enthält § 427 SGB III einige Ausnahmen für die Anwendung des SGB III. Nach § 427 Abs 4 SGB III sind das Bemessungsentgelt und die Zuordnung zu einer bestimmten Leistungsgruppe nur dann ab 01.01.1998 neu zu bestimmen, wenn die Änderung auf Grund eines Sachverhaltes erforderlich wird, der nach dem 31.12.1997 eingetreten ist. Dies ist hier bezüglich der Zuordnung zur Leistungsgruppe geschehen. Denn der Kläger hatte nach dem 31.12.1997 eine andere Steuerklasse und damit eine andere Leistungsgruppe. Das SGB III findet also bezüglich der Leistungsgruppenzuordnung auf den vorliegenden Fall uneingeschränkt Anwendung.

Nach § 137 Abs 2 Nr 4 SGB III ist Arbeitnehmern, auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerkarte V angegeben ist, die Leistungsgruppe D zuzuordnen.

Gem § 137 Abs 4 Satz 1 Nr 2 SGB III wird - wenn Ehepaare die Lohnsteuerklassen gewechselt haben - die neu eingetragene Lohnsteuerklasse berücksichtigt und zwar unabhängig von der steuerrechtlichen Zweckmäßigkeit des Wechsels, wenn das daraus resultierende Alg geringer ist als das bisher bezogene. Das ist im vorliegenden Fall gegeben. Denn das Alg nach der Leistungsgruppe D (Lohsteuerklasse V) ist geringer als das nach der Leistungsgruppe A (Lohnsteuerklasse IV).

Der Argumentation des Klägers, dass der Steuerklassenwechsel zum 01.01.1998 für ihn und seine Ehefrau nicht zweckmäßig war, kann deshalb nicht nachgegangen werden. Diese Problematik ist für den vorliegenden Fall durch die neue Rechtslage ab dem 01.01.1998 überholt.

Die Beklagte hat also zu Recht festgestellt, dass der Kläger ab 01.01.1998 bis zum 09.09.1998 ein zu hohes Alg bezogen hat. Diese Überzahlung beruhte auf der grob fahrlässigen Nichtanzeige des Steuerklassenwechsels durch den Kläger. Der Kläger war gem § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB I verpflichtet, alle Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind und über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen.

Im Antragsformular zum Alg vom August 1997 hatte der Kläger die Lohnsteuerklasse IV angegeben und unmittelbar unter dieser Angabe unterschriftlich erklärt, dass er Änderungen zu den im Antragsformblatt gemachten Angaben unverzüglich anzeigen werde. Das hat er versäumt. Wegen der eindeutigen Belehrung im Antragsformblatt ist dieses Versäumnis als grob fahrlässig zu bewerten. Auf diese Nichtanzeige ist die Überzahlung von Alg zurückzuführen.

Die Aufhebung bezüglich des zu hoch bewilligten Alg resultiert aus § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X iVm § 330 Abs 3 SGB X, die Erstattungspflicht des zu hoch bewilligten Alg aus § 50 Abs 1 SGB X.

Die Höhe der Alhi für die Zeit ab 10.09.1998 entspricht dem Gesetz (§ 195 ff SGB III). Insbesondere hat die Beklagte die richtige Leistungsgruppe - wie oben dargelegt - berücksichtigt. § 198 Nr 4 SGB X verweist wegen der Zuordnung der Leistungsgruppe bei der Alhi auf die Bestimmungen über das Alg.

Rechtswidrig ist die Aufhebung der Alhi ab 15.12.1998. Der Bescheid vom 11.12.1998 ist Gegenstand des Klageverfahrens geworden (§ 96 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), denn er modifizierte den anhängigen Alhi-Bewilligungsbescheid vom 30.10.1998. Der Bescheid vom 11.12.1998 erging ohne die nötige Anhörung. Diese hätte ab 01.01.2000 nach § 41 Abs 2 SGB X nachgeholt werden können, was nicht geschehen ist.

Die Auslegung des Begehrens des Klägers bezüglich des Bescheides vom 11.12.1998 durch das Erstgericht bedarf der Klarstellung. Ein Streit um die Höhe ist auch subsidiär ein Streit um den Anspruch als solchen. Insofern hat der Kläger mit seinem "Widerspruch" den Bescheid vom 11.12.1998 insgesamt angefochten. Der Bescheid vom 11.12.1998 war wegen fehlender Anhörung aufzuheben (§ 42 Satz 2 SGB X).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG. Wegen des geringen Obsiegens, nur wegen des Aufhebungsbescheides vom 11.12.1998, war es nicht angemessen, die Beklagte mit außergerichtlichen Kosten des Klägers zu belasten.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben (§ 106 SGG).
Rechtskraft
Aus
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