L 11 AL 123/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 AL 309/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 123/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 16. Januar 2001 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Erteilung einer Arbeitserlaubnis (AE) an den Kläger vom 01.02.1999 bis 28.02.1999.

Der am 1955 geborene Kläger ist tschechischer Staatsangehöriger. Für das Kalenderjahr 1998 erteilte ihm die Beklagte AEs für insgesamt 296 Tage.

Am 28.01.1999 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erteilung einer AE für eine Beschäftigung als Monteur bei der Montage von Fertighäusern/-hallen bei der Firma S. (Firma S.) in D. für die Zeit vom 01.02.1999 bis 28.02.1999.

Mit Bescheid vom 03.02.1999 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Nach § 4 Abs 3 Satz 3 der Verordnung über Ausnahmeregelungen für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis an neu einreisende ausländische Arbeitnehmer (Anwerbestoppausnahmeverordnung - ASAV) dürfe einem Ausländer, wenn dessen Beschäftigung in einem Kalenderjahr sechs Monate übersteige, im folgenden Kalenderjahr keine AE für eine Beschäftigung erteilt werden. Nachdem der Kläger im Jahr 1998 insgesamt 296 Tage, also mehr als sechs Monate in der Bundesrepublik gearbeitet habe, dürfe ihm für das Kalenderjahr 1999 keine AE erteilt werden.

Hiergegen legte der Kläger am 02.03.1999 Widerspruch ein. Er habe in der Bundesrepublik 1998 lediglich an 93 Tagen gearbeitet, wie von der Firma S. in der beigefügten Einsatzliste bestätigt worden sei.

Im Ergänzungsbescheid vom 02.03.1999 wies die Beklagte zur Begründung des Bescheides vom 03.02.1999 darauf hin, dass bei der Berechnung der Beschäftigungszeit nach § 4 Abs 3 ASAV die Geltungsdauer der AE nicht jedoch die tatsächliche Beschäftigung maßgebend sei.

Die Beklagte erteilte dem Kläger in der Zeit vom 20.04.1999 bis 03.04.2002 befristete AEs für eine Beschäftigung auf wechselnden Baustellen in der Bundesrepublik, die jeweils von seinem Arbeitgeber beantragt wurden. Teilweise wurden diese AEs bereits vor der geplanten Ausführung der Arbeiten wieder zurückgegeben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.03.1999 wies die Beklagte den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

Dagegen hat der Kläger am 19.03.1999 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und zunächst die Erteilung einer Arbeitserlaubnis begehrt.

In der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 16.01.2001 hat der Kläger nach Ablauf des Zeitraumes, für den die AE begehrt wurde, beantragt, festzustellen, dass die Bescheide der Beklagten vom 03.02.1999 und 02.03.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.1999 rechtswidrig war.

Das SG hat der so geänderten Klage mit Urteil vom gleichen Tag stattgegeben. Ein berechtigtes Feststellungsinteresse des Klägers liege vor, da die Beklagte während eines offenen Widerspruchs des Klägers gegen die Ablehnung der AE ihre Rechtsauffassung bekräftigt habe. Es müsse deshalb zukünftig davon ausgegangen werden, dass die Beklagte bei gleichgelagertem Sachverhalten an ihrer Rechtsauffassung festhalte. Dies sei zwischenzeitlich auch geschehen. Die Feststellungsklage sei auch begründet, da - entgegen der Auffassung der Beklagten - die Zeiten der Beschäftigung des § 4 Abs 3 Satz 3 ASAV nicht mit dem Zeitraum der Geltungsdauer erteilter AEs gleichzusetzen sei. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift habe der Verordnungsgeber ausdrücklich den Begriff der Beschäftigung gewählt und sei sich dabei dem Unterschied zwischen der tatsächlichen Beschäftigung einerseits und der Geltungsdauer der AE andererseits bewusst gewesen, da er in § 2 Abs 2, Abs 3, Abs 4 und Abs 5 der ASAV in der Fassung vom 17.09.1998 ausdrücklich den Begriff der "Geltungsdauer der AE" verwendet habe. Eine Änderung der Rechtslage könne deshalb nicht im Wege der Auslegung des insoweit eindeutigen Begriffes "Beschäftigung" im Sinne des § 4 Abs 3 Satz 3 ASAV herbeigeführt werden, sondern lediglich durch eine Änderung des Wortlauts der Verordnung.

Gegen das ihr am 20.02.2001 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 15.03.2001 beim Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) eingelegten Berufung.

Es fehle an einem Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Klägers, da der Zeitraum, für den er eine AE beantragt hatte, verstrichen sei. Ab dem 01.01.2000 habe eine frühere Tätigkeit des Klägers der Erteilung der AE nicht mehr entgegen gestanden. Es sei auch nicht ersichtlich, dass er in nächster Zeit wieder eine AE beantragen werde. In der Sache geht die Beklagte weiterhin davon aus, dass der Begriff der Beschäftigung im Sinne des § 4 Abs 3 Satz 3 ASAV dahingehend auszulegen sei, dass er sich auf die Zeiten beziehe, für die einem ausländischen Arbeitnehmer eine AE erteilt worden sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG Nürnberg vom 16.01.2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Dem Kläger sei - wie auch anderen Arbeitnehmern - keine AEs mehr erteilt worden. Einen Amtshaftungs- der Schadensersatzprozess habe er gegen die Beklagte jedoch nicht angestrengt. Er sei in der Tschechei arbeitslos gewesen, weil ihm keine AEs mehr erteilt worden seien.

Auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und der Prozessakten des SG und des BayLSG wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz = SGG) ist auch im Übrigen zulässig (§144 SGG).

In der Sache erweist sich die Berufung als begründet. Zwar hat der Kläger die von ihm zunächst erhobene Verpflichtungsklage in der mündlichen Verhandlung vor dem SG Nürnberg vom 16.01.2001 auf Grund des Zeitablaufes zutreffend in eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs 1 Satz 3 SGG geändert. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des SG lag jedoch ein berechtigtes Feststellungsinteresse des Klägers nicht mehr vor.

Nach § 131 Abs 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn dieser sich durch Zurücknahme oder anders erledigt und der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

Das nach § 131 Abs 1 Satz 3 SGG erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse liegt nur dann vor, wenn dem angestrebten gerichtlichen Ausspruch über die Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungshandelns rechtliche, wirtschaftliche oder ideelle Bedeutung zwischen den Beteiligten zukommt (vgl die ständige Rechtsprechung des BSG, zuletzt Urteil vom 05.11.1997 - 6 RKA 10/95; vom 05.11.1997 - 6 RKA 10/97; vom 28.01.1998 - B 6 KA 44/96 R; Urteil vom 01.07.1998 - B 6 KA 64/97 R; vom 10.09.1998 - B 7 AL 70/97 R und vom 28.01.1998 - B 6 KA 44/96 R; Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 7.Aufl, § 131 RdNr 10).

Ein solches Feststellungsinteresse hat der Kläger nicht darlegen können.

Von einem ideellen Feststellungsinteresse des Klägers kann nicht ausgegangen werden, denn weder nach seinem Vortrag noch aus dem vorliegenden Akteninhalt ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass er durch die Frage der Rechtmäßigkeit der Ablehnung einer AE in seinem Ansehen beschädigt wurde (vgl hierzu Meyer-Ladewig, aaO, RdNr 10 a mwN).

Ein wirtschaftliches Interesse an der begehrten Feststellung ist ebenfalls nicht ersichtlich. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass die Entgeltansprüche gegen seinen tschechischen Arbeitgeber während des fraglichen Zeitraumes nicht realisiert werden konnten. Schadensersatzansprüche gegen seinen Arbeitgeber oder die Beklagte will er nicht geltend machen. Er stand zur Überzeugung des Senats auch nach der Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom 03.02.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.1999 weiterhin in einem Arbeitsverhältnis zu seinem Arbeitgeber, denn dieser hat nach den Unterlagen der Beklagten von 1999 bis zur mündlichen Verhandlung vor dem SG auch weiterhin für den Kläger AEs beantragt, was er sicherlich nicht getan hätte, wenn der Kläger dort nicht mehr beschäftigt gewesen wäre. Gegen das von seinem Bevollmächtigten behauptete Vorliegen einer Arbeitslosigkeit beim Kläger spricht auch die Vielzahl der ihm von der Beklagten danach erteilten AEs für Einsätze auf verschiedenen Baustellen in der Bundesrepublik die teilweise von seinem Arbeitgeber sogar zurückgegeben wurden. Dass in diesem Zeitraum Lohnansprüche gegen seinen Arbeitgeber verloren gegangen sein könnten, wurde weder vom Kläger im Verfahren vorgetragen, noch ist dies für den Senat aus dem vorliegenden Akteninhalt ersichtlich. Der Kläger befand sich mit dem Angebot seiner Arbeitsleistung auch nicht in Verzug und konnte die ihm gegenüber seinem Arbeitgeber obliegenden Verpflichtungen in Tschechien erfüllen. Sein Lohnanspruch ist deshalb nicht entfallen.

Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann vom Kläger ferner nicht mit einer bestehenden Wiederholungsgefahr begründet werden, denn ihm droht nach Auffassung des Senates nicht die Gefahr, dass sich der Erlass der angefochtenen und zwischenzeitlich erledigten Bescheide ohne Klarstellung der Rechtslage bei nächster Gelegenheit unter gleichen oder ähnlichen Voraussetzungen wiederholen wird (vgl dazu BSG vom 14.02.1978 - 7 RAr 81/76 in SozR 4100 § 19 AFG Nr 5). Davon könnte nur dann ausgegangen werden, wenn Änderungen in den entscheidungserheblichen Tatsachen ausgeschlossen erscheinen und die Verwaltungsentscheidung ansonsten maßgeblich von Rechtsfragen abhängt, die voraussichtlich künftig wieder relevant werden (vgl BSG vom 01.07.1998 - B 6 KA 64/97 R). Im vorliegenden Fall war jedoch eine Wiederholungsgefahr für den Kläger bereits im Zeitpunkt der Entscheidung durch das SG zu verneinen, weil er sowohl in den Jahren 1999 und 2000 auf Grund befristeter AEs wieder in der Bundesrepublik beschäftigt gewesen war und sich im Übrigen die in § 4 Abs 3 Satz 3 ASAV enthaltene Regelung bezüglich der Vorbeschäftigung im Kalenderjahr vor Antragstellung auf zukünftige Anträge des Klägers auf AE nicht mehr beziehen konnte. Im Übrigen hat die Beklagte für den Kläger in den Jahren 2001 und 2002 weitere AEs für Montagetätigkeiten auf Fertighausbaustellen in der Bundesrepublik erteilt. Der Kläger war dabei - wie bisher - als Monteur bei der Montage von Fertighäusern eingesetzt, bei denen es sich naturgemäß um zeitlich begrenzte Arbeitseinsätze auf verschiedenen Baustellen handelt, für die ihm die Beklagte AEs erteilt. Es ist deshalb für den Senat nicht ersichtlich, weshalb der Kläger ein Interesse an der weitergehenden Feststellung hat, dass bei der Berechnung der Beschäftigungszeit nach § 4 Abs 3 ASAV die Geltungsdauer der AE und nicht die tatsächliche Beschäftigung maßgebend ist, zumal von ihm nicht substantiiert vorgetragen wurde, dass er von seinem Arbeitgeber auf weiteren Baustellen in der Bundesrepublik eingesetzt werden sollte. Entsprechende Werkverträge wurden nicht vorgelegt, vielmehr wurden einzelne dem Kläger bereits erteilte AEs wieder zurückgegeben. Stellt jedoch ein wiederholter Eintritt einer Ablehnung einer beantragten AE nur eine ganz entfernte von vielen Möglichkeiten dar, nachdem sich die maßgeblichen rechtlichen Umstände für die Gewährung einer AE durch Zeitablauf verändert haben, besteht keine begründete Gefahr, dass die Beklagte die Gewährung einer AE an den Kläger unter gleichen oder ähnlichen Voraussetzungen ablehnt.

Mangels Vorliegens eines Feststellungsinteresses war das Urteil des SG Nürnberg vom 16.01.2001 somit aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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