L 11 AL 129/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 AL 305/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 129/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 11. März 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Sperrzeit von zwölf Wochen vom 29.07.1997 bis zum 20.10.1997.

Der 1964 geborene, verheiratete Kläger ist ausgebildeter Schreiner und hatte in diesem Beruf bei verschiedenen Arbeitgebern gearbeitet. In der Zeit vom 01.04.1996 bis zum 30.11.1996 war er bei der O. Baumarkt GmbH & Co KG als Fachverkäufer in Bamberg tätig.

Seit 02.12.1996 bezog er Arbeitslosengeld. Nach Erschöpfung dieses Anspruchs wurde ihm ab 11.06.1997 Anschlussarbeitslosenhilfe (Alhi) nach Anrechnung des Einkommens der Ehefrau in Höhe von wöchentlich 222,00 DM gewährt.

Mit Schreiben des Arbeitsamtes Nürnberg vom 24.07.1997 - das eine Rechtsfolgenbelehrung für den Fall der Ablehnung enthielt - wurde dem Kläger ein Stellenangebot als Schreiner im Ladenbau bei dem N. Betrieb T. angeboten.

Der Kläger stellte sich dort am 28.07.1997 vor. Es kam nicht zu einer Einstellung.

Der Arbeitgeber kreuzte in der Formblattrückantwort vom 29.07.1997 für die Vermittlung an: Bewerber hat sich am 28.07.1997 um 15.00 Uhr vorgestellt. Bewerber wird nicht eingestellt, weil er mit folgender Begründung abgesagt hat: "Möchte nicht als Schreiner/Facharbeiter arbeiten, sondern lieber im Verkauf".

Der Kläger hat mit Datum vom 19.08.1997 folgende Erklärung gegenüber dem Arbeitsamt abgegeben: "Die angebotene Arbeit habe ich nicht abgelehnt. Ich habe nur gefragt, ob sie mich auch als Verkäufer vermitteln können. Außerdem kenne ich das Gesetz von Ablehnung. Ich werde auch keinen Anlass dazu geben. Es ist sicherlich ein Missverständnis."

Mit Bescheid vom 13.10.1997 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von zwölf Wochen vom 29.07. bis zum 20.10.1997 fest, weil der Kläger bei T. nicht als Schreiner, sondern lieber im Verkauf arbeiten wollte. Es wurde die Bewilligung von Alhi in der Sperrzeit aufgehoben und die Erstattung von 1.073,29 DM überzahlter Alhi gefordert.

Der Kläger erhob Widerspruch. Er habe in dem Vorstellungsgespräch lediglich erwähnt, dass er auch schon einmal im Verkauf gearbeitet habe, dabei auch klar gemacht, dass er selbstverständlich als Schreiner arbeiten würde.

Im Laufe des Widerspruchverfahrens schrieb die Beklagte die Firma T. an, ob nicht evtl ein Missverständnis wegen der Arbeitsablehnung vorliege. Darauf antwortete der Zeuge T. telefonisch am 09.01.1998. Die Gesprächsnotiz der Beklagten lautet wie folgt:

"Herr T. ruft an und erklärt: Er könne sich genau an den Vorgang erinnern. W. sei nicht bereit gewesen, als Facharbeiter zu arbeiten. Auf die Frage, ob W. telefonisch erreichbar sei, falls sich doch eine andere Beschäftigungsmöglichkeit ergebe, habe W. geantwortet, er habe sich extra kein Telefon angeschafft, um ungestört zu leben. Später habe W. nochmals bei Herrn T. vorgesprochen und mit Klage gedroht, falls dieser die Darstellung des Vorstellungsgesprächs gegenüber dem AA nicht zurücknehme. Für Herrn T. habe kein Zweifel bestanden, dass W. nicht an einer Beschäftigungsaufnahme interessiert sei. Ein Missverständnis sei ausgeschlossen; W. habe eindeutig abgelehnt, als Facharbeiter zu arbeiten."

Daraufhin erging der ablehnende Widerspruchsbescheid vom 26.02.1998. Die Beklagte sah eine Arbeitsablehnung durch den Kläger als belegt an.

Im Widerspruchsverfahren teilte der Kläger mit, dass er vom 01.09.1997 bis zum 10.10.1997 als Montagehelfer beschäftigt gewesen sei.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg wurde der Kaufmann T. , der die Einstellungsverhandlung für die Firma T. geführt hatte, als Zeuge vernommen. Der Zeuge konnte sich an Einzelheiten (Vernehmungstermin war am 11.03.1999) nicht mehr erinnern. Er sagte jedoch aus, er könne sich noch genau daran erinnern, dass bei ihm der Eindruck entstanden sei, dass das Interesse des Klägers an der angebotenen Arbeit in der Montage und in der Werkstatt nicht stimme. Der Kläger sei nicht bereit gewesen als Facharbeiter zu arbeiten.

Die Klage ist mit Urteil vom 11.03.1999 abgewiesen worden. Das Sozialgericht ist der Entscheidung der Beklagten gefolgt.

Das Urteil ist dem Kläger am 01.04.1999 zugestellt worden. Am 29.04.1999 hat der Kläger Berufung eingelegt.

Der Kläger trägt vor: Eine ausdrückliche Ablehnung des Stellenangebotes sei durch den Zeugen T. nicht bestätigt worden. Der Zeuge habe vielmehr nur einen Eindruck wiedergegeben. Der Zeuge sei nicht in der Lage gewesen, Einzelheiten darzulegen, anhand derer sich objektiv nachvollziehen lasse, worauf der Eindruck hätte zurückgeführt werden können. Auf Eindrücke des Zeugen könne es nicht ankommen. Die Ausführungen des Sozialgerichts dahingehend, dass der Kläger nicht bereit gewesen sei, als Facharbeiter zu arbeiten, sondern vielmehr eine andere Tätigkeit im verkäuferischen Bereich ausüben wolle, seien unzutreffend und fänden keine Grundlage in der erfolgten Beweisaufnahme. Der Kläger habe durch seine Bereitschaft, nicht nur als Facharbeiter, sondern auch im Verkaufsbereich tätig sein zu können, seine Flexibilität und Vielfertigkeit zum Ausdruck bringen wollen, um seine Chancen auf eine Einstellung zu erhöhen.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt

Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 11.03.1999 sowie des Bescheides der Beklagten vom 13.10.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.1998.

Der Vertreter der Beklagten beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er führt aus: Es komme nicht darauf an, dass der Zeuge T. sich im Zeugentermin nicht mehr an Details erinnern konnte. Er habe am 29.07.1997, also unmittelbar nach der Vorstellung des Klägers am 28.07.1997, das Formblatt über den Vermittlungsvorschlag mit der Bemerkung, dass der Kläger nicht als Schreiner/Facharbeiter, sondern lieber im Verkauf arbeiten wolle, zurückgesandt. Das wiederholte Vorbringen des Klägers, wonach er zwar lieber im Verkauf, jedoch auch als Facharbeiter gearbeitet hätte, sei durch die Zeugenaussage widerlegt.

Der Zeuge T. ist vom Senat erneut vernommen worden. Bezüglich seiner Aussage wird auf die Niederschrift im Terminsprotokoll vom 30.05.2001 Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird verwiesen auf die beigezogenen Akten der Beklagten (Stamm-Nr 944158) und die beigezogene Akte des Sozialgerichts Nürnberg, deren Inhalte zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Dem Kläger war Alhi bewilligt. Eine Alhi-Bewilligung war bis zum 31.12.1997 nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) iVm § 152 Abs 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) u.a. aufzuheben, wenn in den Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen hatten, eine wesentliche Änderung eintrat und der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hatte, dass der sich aus der Gewährung ergebene Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen war.

Eine wesentliche Änderung lag im vorliegenden Fall im Eintritt einer Sperrzeit. Eine Sperrzeit trat ein, wenn ua ein Arbeitsloser trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine ihm vom Arbeitsamt angebotene Arbeit nicht angenommen hatte (§ 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG), ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Rechtsfolge der Sperrzeit war das Ruhen der Leistung für zwölf Wochen (§§ 119 Abs 1, 119 a AFG). Es sei denn, dass wegen des Vorliegens einer besonderen Härte nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen die Sperrzeit zu halbieren gewesen wäre (§ 119 Abs 2 AFG).

Die Beklagte ist den schriftlichen und mündlichen Äußerungen des Zeugen T. gefolgt und hat eine Ablehnung der angebotenen Stelle durch den Kläger am 28.07.1997 angenommen. Danach hat der Kläger geäußert, dass er nicht als Schreiner/Facharbeiter arbeiten möchte, sondern lieber im Verkauf.

In dieser Äußerung des Klägers war die Ablehnung einer angebotenen Arbeit zu sehen. Es ist auf die konkrete Situation des Vorstellungsgespräches am 28.07.1997 abzustellen. Es ging bei der Vorstellung allein um die Einstellung als Schreiner. Im Stellenangebot war dem Kläger mitgeteilt worden: Ladenbau mit Kenntnis Weinig-Hobelmaschine (4-Seiten), abgeschlossene Ausbildung, Berufserfahrung erforderlich, FS-Kl.3 und Pkw erforderlich. Es war also weder alternativ noch additiv eine Stelle im Verkaufsbereich angeboten worden. Es waren für den Kläger keine objektiven Anhaltspunkte dafür gegeben, dass eine solche Stelle ebenfalls von dem Arbeitgeber hätte vergeben werden können. In einer solchen Situation gab es für einen verständigen Bewerber keinen Sinn darauf hinzuweisen, dass er lieber im Verkauf arbeiten möchte. Ein solcher Hinweis konnte von dem Arbeitgeber, der eine Stelle für Schreiner zu besetzen hatte, nur dahingehend verstanden werden, dass ein Interesse an der angebotenen Stelle nicht gegeben war. Darin ist in der konkreten Situation eine Ablehnung der angebotenen Arbeit bzw die Nichtannahme der vermittelten Arbeit zu sehen.

Der von der Beklagten ihrer Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt bezüglich der Nichtannahme der von ihr vermittelten Arbeit durch den Kläger am 28.07.1997 ist zur Überzeugung des Senats durch die schriftliche Feststellung des Zeugen T. vom 29.07.1997, seine telefonische Aussage vom 09.01.1998 und seine Zeugenaussagen vor dem Sozialgericht am 11.03.1999 und am Terminstag vor dem Senat hinreichend belegt. Der Zeuge hat durchgehend, eindeutig und für den Senat überzeugend glaubwürdig bestätigt, dass der Kläger am 28.07.1997 die von T. angebotene Arbeit nicht angenommen hat. Am 28.07.1997 wurden von der T. nur Schreiner für handwerkliche Tätigkeiten gesucht; Einsatzmöglichkeiten für Schreiner im Verkauf waren nicht gegeben. Anhaltspunkte für ein Missverständnis zwischen dem Kläger und dem Zeugen sind nicht gegeben. Ebenso wenig sind Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Zeuge im relevanten Kern seiner Aussage etwas Falsches gesagt haben könnte. Es war zur Überzeugungsbildung des Senats nicht nötig, dass der Zeuge zur Zeit seiner Vernehmung vor dem Sozialgericht und vor dem Senat den Hergang des Vorstellungsgesprächs vom 28.07.1997 in allen Einzelheiten in Erinnerung hatte. Insofern sind seine zeitnah gemachten einschlägigen Äußerungen hinreichend konkret. Es genügt zur Überzeugungsbildung des Senats, dass er sich an den hier relevanten Kern dieser Äußerungen später noch sinngemäß erinnern konnte.

Ein wichtiger Grund für die Ablehnung der vermittelten Arbeit ist nicht ersichtlich. Der Eintritt der Sperrzeit von zwölf Wochen bedeutet im vorliegenden Fall nach den für den Eintritt maßgebenden Tatsachen keine besondere Härte.

Da der Kläger mit dem Vermittlungsvorschlag schriftlich und fallbezogen über die Rechtsfolgen einer Ablehnung der vermittelten Arbeit belehrt worden war, musste er, wenn er nicht grob fahrlässig gehandelt hat, wissen, dass die Ablehnung eine Sperrzeit mit Ruhen der Leistung zur Folge hatte (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch [SGB X] iVm § 152 Abs 3 AFG).

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger, auch wenn er nicht wortwörtlich im Vorstellungsgespräch vom 28.07.1997 die angebotene Arbeit ablehnte, sich auf Grund seiner sozialen Kompetenz sehr wohl der Folgen seines Verhaltens bewusst war. Dafür sprechen die relativ geschickte Verteidigung gegen den Vorwurf der Arbeitsablehnung, die jedoch durch die glaubhafte Aussage des Zeugen T. widerlegt wurde, und der persönliche Eindruck, den der Zeuge vor dem Senat gemacht hat. Dabei sind Defizite in den für den vorliegenden Fall erforderlichen Rechtskenntnissen nicht aufgefallen.

Die Erstattungspflicht der gezahlten Alhi für Zeiten, die in der Sperrzeit fallen, ergibt sich aus § 50 SGB X.

Die streitgegenständlichen Entscheidungen sind nicht zu beanstanden. Die Berufung konnte keinen Erfolg haben.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben (§ 160 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved