Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AL 747/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 155/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 1. März 2000 aufgehoben und die Klage festzustellen, dass der Bescheid vom 17. Juni 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 1999 rechtswidrig war, abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Zusicherung der Erteilung von Arbeitserlaubnissen (AEs) nach der deutsch-rumänischen Vereinbarung über die Entsendung rumänischer Arbeitnehmer aus in Rumänien ansässigen Unternehmen zur Beschäftigung auf der Grundlage von Werkverträgen.
Die Klägerin ist ein rumänisches Unternehmen, das im Rahmen der vorgenannten Vereinbarung tätig wird. Sie schloss am 08.03.1999 einen Werkvertrag mit der Firma Pro F. GmbH in D. über die Anfertigung von Fleischzuschnitten ab. Im Rahmen der industriellen Fertigung in der Betriebsstätte der Firma W. im Schlachthof S. sollten vom 15.05.1999 bis 15.05.2001 rumänische Arbeitnehmer (1 Werkleiter, 1 Kalkulator, 2 Vorarbeiter, 74 Fleischzerleger und 2 Dolmetscher) aus dem Unternehmen der Klägerin eingesetzt werden.
Am 01.04.1999 beantragte die Klägerin unter Vorlage des Werkvertrages bei der Beklagten die Erteilung der Zusicherung von AEs für diese Arbeitnehmer.
Mit Schreiben vom 28.04.1999 wandte sich die Steuerberaterin D. G. für die Firma B. Fleischverpackungsgesellschaft mbH und die Firma F. & B. Lager GmbH, beide vertreten durch die Geschäftsführer F. und B. , an das Bundesministerium für Arbeit. Beide Gesellschaften stünden seit Jahren in werkvertraglicher Geschäftsverbindung mit der Firma W ... Der Werkvertrag sei zum 31.05.1999 gekündigt worden. Die Firma W. beabsichtige, einen Werkvertrag mit einer Gesellschaft des Herrn H. , der über ein Arbeitnehmerpotential von 150 rumänischen Arbeitnehmern verfüge, zu schließen. Von diesen 150 rumänischen Arbeitnehmern arbeiteten bereits 20 in der Niederlassung in H. und weitere 80 sollten am 01.06.1999 in der Niederlassung C. , Abteilung S. , die Arbeit aufnehmen. Auf Grund der Vertragskündigung müsse die Firma B. alle ihre 20 Arbeitnehmer entlassen, die Firma F. & B. 70 ihrer insgesamt 150 Beschäftigten. Die entsprechenden Anträge auf Massenentlassung seien beim zuständigen Arbeitsamt bereits gestellt worden. Von den insgesamt 90 entlassenen Arbeitnehmern stammten 95 % aus dem Arbeitsamtsbezirk C ...
Mit Bescheid vom 17.06.1999 lehnte die Beklagte daraufhin eine Zusicherung zur Erteilung von AEs für den Werkvertrag der Klägerin mit der Firma P. Fleisch ab. Nach der in der Regierungsvereinbarung getroffenen Arbeitsmarktschutzklausel dürften ausländische Vertragsarbeitnehmer nicht in Deutschland tätig werden, wenn in einem Betrieb die Entlassung inländischer Arbeitnehmer in erkennbarem Zusammenhang mit der Beschäftigung ausländischer Werkvertragsarbeitnehmer stünde. Dies sei vorliegend der Fall.
Hiergegen legte die Klägerin am 23.06.1999 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass die von der Entlassung bedrohten Arbeitnehmer der B. Fleischverpackungsgesellschaft mbH bei Mitbewerbern in der näheren Umgebung Arbeitsstellen angetreten hätten. Die F. & B. Lager GmbH arbeite derzeit für die Firma W. , so dass deren Mitarbeiter nicht von Entlassungen bedroht seien.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte die F. & B. Lager GmbH am 25.06.1999 mit, dass ihre Mitarbeiter von der Firma P. Fleisch zu stark überhöhten Stundenlöhnen abgeworben worden seien und bei der Firma W. in der Grobzerlegung eingesetzt würden. Wegen der einwöchigen Kündigungsfrist, die man bis zur Entscheidung über die Zustimmung zum Werkvertrag mit der Firma W. vereinbart hätte, seien vernünftige personalpolitische Entscheidungen derzeit nicht möglich. Ehemalige Mitarbeiter hätten bereits vor dem Arbeitsgericht auf Wiedereinstellung geklagt.
Mit Bescheid vom 12.07.1999 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 10.08.1999 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und beantragt, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes zu erteilen. Die Kündigung der Arbeitnehmer sei wegen schlechter Leistung erfolgt.
Mit Urteil vom 01.03.2000 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Nach Art 1 Abs 1 iVm Art 4 Abs 1 der Regierungsvereinbarung werde rumänischen Arbeitnehmern, die auf der Grundlage eines Werkvertrages zwischen einem rumänischen Arbeitgeber und einem in der Bundesrepublik ansässigen Unternehmens entsandt würden, die AE unabhängig von der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes erteilt. Art 3 Abs 2 der Regierungsvereinbarung enthalte keine Arbeitsmarktschutzklausel auch wenn zwischen den Vertragsparteien vereinbart worden sei, dass es nicht zu einer regionalen oder sektoralen Konzentration der beschäftigten Werkvertragsarbeitnehmer kommen dürfe. Ob dies hier der Fall sei, habe die Beklagte nicht geprüft. Dagegen sehe die Regierungsvereinbarung keine Einschränkung dergestalt vor, dass bei erhöhter Arbeitslosenquote in einem Arbeitsamtsbezirk bzw bei Massenentlassungen deutscher Arbeitnehmer Werkverträge nicht zustimmungsfähig seien. Hierzu bedürfe es gegebenenfalls einer Ergänzung der Regierungsvereinbarung. Die ablehnenden Bescheide seien deshalb aufzuheben. Die Beklagte werde die Erteilung der Zustimmung erneut zu überprüfen haben.
Gegen das ihr am 22.03.2000 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 20.04.2000 beim Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) eingelegten Berufung.
Mit der Arbeitsmarktschutzklausel des Art 3 Abs 2 der Regierungsvereinbarung solle verhindert werden, dass in den Regionen und Wirtschaftsbereichen, in denen die wirtschaftliche Lage über das übliche Maß hinaus Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit zur Folge hat, die Situation der einheimischen Arbeitnehmer noch dadurch verschärft wird, dass ausländische Werkvertragsarbeitnehmer beschäftigt werden. Nach Art 5 Abs 2 der Regierungsvereinbarung fänden im Übrigen die einschlägigen Rechtsvorschriften über die Erteilung und Versagung sowie über das Erlöschen der AE Anwendung. Hieraus folge, dass für die Zusicherung und Erteilung von AEs auch zu prüfen sei, ob Versagensgründe nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (§§ 284 ff SGB III) vorlägen. Es sei nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden gewesen, ob die gewünschte Zusicherung iS des § 34 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) erteilt werden könne. Nach § 285 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB III könne die Erteilung von AEs danach nur zugesichert werden, wenn sich durch die Beschäftigung von Ausländern nachteilige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, insbesondere hinsichtlich der Beschäftigungsstruktur der Regionen und der Wirtschaftszweige nicht ergäben. Entsprechend der Begründung des ersten AFRG-Entwurfes verfolge diese Vorschrift den Zweck, strukturellen Verwerfungen stärker entgegenwirken zu können, die sich aus dem zusätzlichen Kräfteangebot ausländischer Arbeitnehmer ergäben. Mit der Vorschrift werde ferner das Ziel verfolgt, den Zustrom ausländischer Arbeitnehmer auf den deutschen Arbeitsmarkt besser steuern zu können. Danach konnte eine Zusicherung zur Erteilung von AEs für den hier strittigen Werkvertrag an die Klägerin nicht erfolgen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Nürnberg vom 01.03.2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass festgestellt wird, dass der Bescheid vom 17.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.1999 rechtswidrig war.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 09.04.2002 hat die Beklagte eine Statistik über die Arbeitslosenquote im Bezirk Coesfeld übergeben, aus der sich ergibt, dass diese im Zeitraum Dezember 1998 bis Mai 1999 jedenfalls 30 % unter dem Bundesdurchschnitt lag.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne weitere mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakten des SG und des BayLSG wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG). Da hier Streitgegenstand die Zusicherung der Erteilung von AEs ist, handelt es sich hier um eine Dienstleistung iS des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG (vgl BSG, Urteil vom 04.12.1997 - 7 RAr 24/96).
Die Klägerin hat ihr Begehren nach Ende der Vertragslaufzeit des Werkvertrages am 15.05.2001 zu Recht in Form der Fortsetzungsfeststellungsklage iS des § 131 Abs 1 Satz 3 SGG weiter verfolgt. Dieses Rechtsinstitut ist auf Verpflichtungsklagen entsprechend anzuwenden (vgl stRspr des BSG, zB BSGE 73, 244, 246 = SozR 3-1500 § 88 Nr 1 Satz 3; BSG in SozR 3-2500 § 116 Nr 14; BSG, Urteil vom 30.01.2002 - B 6 KA 12/01 R, SGb 2002, 271). Das gemäß § 131 Abs 1 Satz 3 SGG erforderliche sog Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gegeben, da die Klägerin vorgetragen hat, auch weiterhin am Werkvertragsverfahren zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien teilzunehmen. Der Senat konnte ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs 2 SGG).
In der Sache erweist sich die Berufung als begründet, denn die Beklagte hat im angefochtenen Bescheid vom 17.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.1999 zu Recht die Erteilung einer Zusicherung zur Erteilung von AEs für den Werkvertrag der Klägerin mit der Firma P. Fleisch GmbH vom 08.03.1999 abgelehnt.
Die Beklagte ist auf Grund der §§ 284 - 288 SGB III zuständig für die Erteilung von Genehmigungen an Ausländer, die eine Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland ausüben wollen. Nach § 285 Abs 3 SGB 3 darf Ausländern, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben und eine Beschäftigung im Bundesgebiet aufnehmen wollen, eine AE nicht erteilt werden, soweit durch Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist.
§ 3 Abs 1 der Verordnung über Ausnahmeregelungen für die Erteilung einer AE an neueinreisende ausländische Arbeitnehmer (Anwerbestoppausnahmeverordnung [= ASAV] vom 17.09.1998 - BGBl I, S 2893) lässt die Erteilung einer AE für die Beschäftigung im Rahmen von Werkverträgen auf der Grundlage einer zwischenstaatlichen Vereinbarung zu. Die Bundesregierung hat mit der Regierung von Rumänien am 31.07.1990 eine Vereinbarung über die Entsendung rumänischer Arbeitnehmer aus in Rumänien ansässigen Unternehmen zur Beschäftigung auf der Grundlage von Werkverträgen abgeschlossen (BGBl II S 666). Diese Vereinbarung wurde am 14.05.1991 (BGBl II S 822) und am 04.07.1996 (BGBl II S 1303) geändert. Nach Art 8 Abs 2 der Regierungsvereinbarung ist die AE nach der Einreise unmittelbar beim Arbeitsamt zu beantragen. Für die Bearbeitungsverfahren und die Erteilung von AEs an rumänische Arbeitnehmer wurde das Landesarbeitsamt Hessen der Beklagten bzw das Arbeitsamt Frankfurt/Main der Beklagten für zuständig erklärt (Art 8 Abs 2 der Regierungsvereinbarung iVm § 11 Abs 5 der Arbeitsgenehmigungsverordnung [ArGV] vom 17.09.1998 [BGBl I S 2899]).
Mit Bescheid vom 17.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.1999 hat die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Erteilung eines Zusicherungsbescheides (Zustimmungsbescheides) abgelehnt, wie aus der Formulierung "die Zustimmung zu dem oben genannten Werkvertrag wird abgelehnt" zu entnehmen ist. Rechtsgrundlage für die begehrte Zusicherung bildet § 34 Abs 1 SGB X. Entgegen der Auffassung des SG im angefochtenen Urteil vom 01.03.2000 enthält die Regierungsvereinbarung in der hier anwendbaren Fassung der 2.Vereinbarung zur Änderung der Vereinbarung vom 31.07.1990 vom 04.07.1996 (BGBl II S 1303) im geänderten Art 3 Abs 2 nun eine Arbeitsmarktschutzklausel. Nach der Neufassung des Satzes 2 des Abs 2 achten die in Satz 1 genannten Stellen, also - wie dargelegt - das Landesarbeitsamt Hessen der Beklagten - insbesondere darauf, dass Werkvertragsarbeitnehmer nicht zugelassen werden, wenn in dem in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Unternehmen Arbeitnehmer kurzarbeiten oder kurzarbeiten sollen oder der Arbeitsamtsbezirk, in dem die Werkvertragsarbeitnehmer beschäftigt werden sollen, über das übliche Maß hinaus von Arbeits- losigkeit betroffen ist. Aus der Fassung des Gesetzes ("insbesondere") ergibt sich, dass die in Satz 2 genannte Aufzählung nicht abschließend ist. Da die Beklagte nach Art 5 Abs 2 der Regierungsvereinbarung iVm § 285 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB III auch zu beachten hat, dass sich die Beschäftigung von Ausländern nicht nachteilig auf den Arbeitsmarkt, insbesondere hinsichtlich der Beschäftigungsstruktur in den jeweiligen Regionen und Wirtschaftszweigen auswirkt, können Werkverträge auch dann nicht zugelassen werden, wenn der inländische Vertragspartner die Kooperation im Rahmen von Werkverträgen mit anderen inländischen Unternehmen nicht fortsetzt und in Zusammenhang damit Arbeitnehmer bei diesen Unternehmen entlassen werden oder kurzarbeiten müssen (Austausch inländischer durch ausländische Werkvertragsarbeitnehmer - vgl Ziffer 2.7 Buchstabe d des Merkblattes 16 der Beklagten). Dies war hier der Fall, denn nach der vorliegenden - von den Beteiligten nicht bestrittenen - Sachlage hat der inländische Vertragspartner (die Fa. P. Fleisch GmbH in D.) den Werkvertrag mit einem anderen inländischen Unternehmen (der Fa. W.) nicht fortgesetzt. In diesem Zusammenhang wurden auch - was ebenfalls unter den Beteiligten unstreitig ist - Arbeitnehmer bei der Fa. B. Fleischverpackungsgesellschaft mbH und der Fa. F. und B. Lager GmbH entlassen.
Das Urteil des SG Nürnberg vom 1.03.2000 war deshalb aufzuheben und die Klage, festzustellen, dass der Bescheid vom 17.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.1999 rechtswidrig war, abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zugelassen, weil die Auslegung des Art 3 Abs 2 der deutsch-rumänischen Vereinbarung über die Entsendung rumänischer Arbeitnehmer aus in Rumänien ansässigen Unternehmen zur Beschäftigung auf der Grundlage von Werkverträgen in der Fassung vom 04.07.1996 (BGBl II S 3103) höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Zusicherung der Erteilung von Arbeitserlaubnissen (AEs) nach der deutsch-rumänischen Vereinbarung über die Entsendung rumänischer Arbeitnehmer aus in Rumänien ansässigen Unternehmen zur Beschäftigung auf der Grundlage von Werkverträgen.
Die Klägerin ist ein rumänisches Unternehmen, das im Rahmen der vorgenannten Vereinbarung tätig wird. Sie schloss am 08.03.1999 einen Werkvertrag mit der Firma Pro F. GmbH in D. über die Anfertigung von Fleischzuschnitten ab. Im Rahmen der industriellen Fertigung in der Betriebsstätte der Firma W. im Schlachthof S. sollten vom 15.05.1999 bis 15.05.2001 rumänische Arbeitnehmer (1 Werkleiter, 1 Kalkulator, 2 Vorarbeiter, 74 Fleischzerleger und 2 Dolmetscher) aus dem Unternehmen der Klägerin eingesetzt werden.
Am 01.04.1999 beantragte die Klägerin unter Vorlage des Werkvertrages bei der Beklagten die Erteilung der Zusicherung von AEs für diese Arbeitnehmer.
Mit Schreiben vom 28.04.1999 wandte sich die Steuerberaterin D. G. für die Firma B. Fleischverpackungsgesellschaft mbH und die Firma F. & B. Lager GmbH, beide vertreten durch die Geschäftsführer F. und B. , an das Bundesministerium für Arbeit. Beide Gesellschaften stünden seit Jahren in werkvertraglicher Geschäftsverbindung mit der Firma W ... Der Werkvertrag sei zum 31.05.1999 gekündigt worden. Die Firma W. beabsichtige, einen Werkvertrag mit einer Gesellschaft des Herrn H. , der über ein Arbeitnehmerpotential von 150 rumänischen Arbeitnehmern verfüge, zu schließen. Von diesen 150 rumänischen Arbeitnehmern arbeiteten bereits 20 in der Niederlassung in H. und weitere 80 sollten am 01.06.1999 in der Niederlassung C. , Abteilung S. , die Arbeit aufnehmen. Auf Grund der Vertragskündigung müsse die Firma B. alle ihre 20 Arbeitnehmer entlassen, die Firma F. & B. 70 ihrer insgesamt 150 Beschäftigten. Die entsprechenden Anträge auf Massenentlassung seien beim zuständigen Arbeitsamt bereits gestellt worden. Von den insgesamt 90 entlassenen Arbeitnehmern stammten 95 % aus dem Arbeitsamtsbezirk C ...
Mit Bescheid vom 17.06.1999 lehnte die Beklagte daraufhin eine Zusicherung zur Erteilung von AEs für den Werkvertrag der Klägerin mit der Firma P. Fleisch ab. Nach der in der Regierungsvereinbarung getroffenen Arbeitsmarktschutzklausel dürften ausländische Vertragsarbeitnehmer nicht in Deutschland tätig werden, wenn in einem Betrieb die Entlassung inländischer Arbeitnehmer in erkennbarem Zusammenhang mit der Beschäftigung ausländischer Werkvertragsarbeitnehmer stünde. Dies sei vorliegend der Fall.
Hiergegen legte die Klägerin am 23.06.1999 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass die von der Entlassung bedrohten Arbeitnehmer der B. Fleischverpackungsgesellschaft mbH bei Mitbewerbern in der näheren Umgebung Arbeitsstellen angetreten hätten. Die F. & B. Lager GmbH arbeite derzeit für die Firma W. , so dass deren Mitarbeiter nicht von Entlassungen bedroht seien.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte die F. & B. Lager GmbH am 25.06.1999 mit, dass ihre Mitarbeiter von der Firma P. Fleisch zu stark überhöhten Stundenlöhnen abgeworben worden seien und bei der Firma W. in der Grobzerlegung eingesetzt würden. Wegen der einwöchigen Kündigungsfrist, die man bis zur Entscheidung über die Zustimmung zum Werkvertrag mit der Firma W. vereinbart hätte, seien vernünftige personalpolitische Entscheidungen derzeit nicht möglich. Ehemalige Mitarbeiter hätten bereits vor dem Arbeitsgericht auf Wiedereinstellung geklagt.
Mit Bescheid vom 12.07.1999 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 10.08.1999 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und beantragt, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes zu erteilen. Die Kündigung der Arbeitnehmer sei wegen schlechter Leistung erfolgt.
Mit Urteil vom 01.03.2000 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Nach Art 1 Abs 1 iVm Art 4 Abs 1 der Regierungsvereinbarung werde rumänischen Arbeitnehmern, die auf der Grundlage eines Werkvertrages zwischen einem rumänischen Arbeitgeber und einem in der Bundesrepublik ansässigen Unternehmens entsandt würden, die AE unabhängig von der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes erteilt. Art 3 Abs 2 der Regierungsvereinbarung enthalte keine Arbeitsmarktschutzklausel auch wenn zwischen den Vertragsparteien vereinbart worden sei, dass es nicht zu einer regionalen oder sektoralen Konzentration der beschäftigten Werkvertragsarbeitnehmer kommen dürfe. Ob dies hier der Fall sei, habe die Beklagte nicht geprüft. Dagegen sehe die Regierungsvereinbarung keine Einschränkung dergestalt vor, dass bei erhöhter Arbeitslosenquote in einem Arbeitsamtsbezirk bzw bei Massenentlassungen deutscher Arbeitnehmer Werkverträge nicht zustimmungsfähig seien. Hierzu bedürfe es gegebenenfalls einer Ergänzung der Regierungsvereinbarung. Die ablehnenden Bescheide seien deshalb aufzuheben. Die Beklagte werde die Erteilung der Zustimmung erneut zu überprüfen haben.
Gegen das ihr am 22.03.2000 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 20.04.2000 beim Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) eingelegten Berufung.
Mit der Arbeitsmarktschutzklausel des Art 3 Abs 2 der Regierungsvereinbarung solle verhindert werden, dass in den Regionen und Wirtschaftsbereichen, in denen die wirtschaftliche Lage über das übliche Maß hinaus Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit zur Folge hat, die Situation der einheimischen Arbeitnehmer noch dadurch verschärft wird, dass ausländische Werkvertragsarbeitnehmer beschäftigt werden. Nach Art 5 Abs 2 der Regierungsvereinbarung fänden im Übrigen die einschlägigen Rechtsvorschriften über die Erteilung und Versagung sowie über das Erlöschen der AE Anwendung. Hieraus folge, dass für die Zusicherung und Erteilung von AEs auch zu prüfen sei, ob Versagensgründe nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (§§ 284 ff SGB III) vorlägen. Es sei nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden gewesen, ob die gewünschte Zusicherung iS des § 34 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) erteilt werden könne. Nach § 285 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB III könne die Erteilung von AEs danach nur zugesichert werden, wenn sich durch die Beschäftigung von Ausländern nachteilige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, insbesondere hinsichtlich der Beschäftigungsstruktur der Regionen und der Wirtschaftszweige nicht ergäben. Entsprechend der Begründung des ersten AFRG-Entwurfes verfolge diese Vorschrift den Zweck, strukturellen Verwerfungen stärker entgegenwirken zu können, die sich aus dem zusätzlichen Kräfteangebot ausländischer Arbeitnehmer ergäben. Mit der Vorschrift werde ferner das Ziel verfolgt, den Zustrom ausländischer Arbeitnehmer auf den deutschen Arbeitsmarkt besser steuern zu können. Danach konnte eine Zusicherung zur Erteilung von AEs für den hier strittigen Werkvertrag an die Klägerin nicht erfolgen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Nürnberg vom 01.03.2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass festgestellt wird, dass der Bescheid vom 17.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.1999 rechtswidrig war.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 09.04.2002 hat die Beklagte eine Statistik über die Arbeitslosenquote im Bezirk Coesfeld übergeben, aus der sich ergibt, dass diese im Zeitraum Dezember 1998 bis Mai 1999 jedenfalls 30 % unter dem Bundesdurchschnitt lag.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne weitere mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakten des SG und des BayLSG wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG). Da hier Streitgegenstand die Zusicherung der Erteilung von AEs ist, handelt es sich hier um eine Dienstleistung iS des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG (vgl BSG, Urteil vom 04.12.1997 - 7 RAr 24/96).
Die Klägerin hat ihr Begehren nach Ende der Vertragslaufzeit des Werkvertrages am 15.05.2001 zu Recht in Form der Fortsetzungsfeststellungsklage iS des § 131 Abs 1 Satz 3 SGG weiter verfolgt. Dieses Rechtsinstitut ist auf Verpflichtungsklagen entsprechend anzuwenden (vgl stRspr des BSG, zB BSGE 73, 244, 246 = SozR 3-1500 § 88 Nr 1 Satz 3; BSG in SozR 3-2500 § 116 Nr 14; BSG, Urteil vom 30.01.2002 - B 6 KA 12/01 R, SGb 2002, 271). Das gemäß § 131 Abs 1 Satz 3 SGG erforderliche sog Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gegeben, da die Klägerin vorgetragen hat, auch weiterhin am Werkvertragsverfahren zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien teilzunehmen. Der Senat konnte ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs 2 SGG).
In der Sache erweist sich die Berufung als begründet, denn die Beklagte hat im angefochtenen Bescheid vom 17.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.1999 zu Recht die Erteilung einer Zusicherung zur Erteilung von AEs für den Werkvertrag der Klägerin mit der Firma P. Fleisch GmbH vom 08.03.1999 abgelehnt.
Die Beklagte ist auf Grund der §§ 284 - 288 SGB III zuständig für die Erteilung von Genehmigungen an Ausländer, die eine Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland ausüben wollen. Nach § 285 Abs 3 SGB 3 darf Ausländern, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben und eine Beschäftigung im Bundesgebiet aufnehmen wollen, eine AE nicht erteilt werden, soweit durch Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist.
§ 3 Abs 1 der Verordnung über Ausnahmeregelungen für die Erteilung einer AE an neueinreisende ausländische Arbeitnehmer (Anwerbestoppausnahmeverordnung [= ASAV] vom 17.09.1998 - BGBl I, S 2893) lässt die Erteilung einer AE für die Beschäftigung im Rahmen von Werkverträgen auf der Grundlage einer zwischenstaatlichen Vereinbarung zu. Die Bundesregierung hat mit der Regierung von Rumänien am 31.07.1990 eine Vereinbarung über die Entsendung rumänischer Arbeitnehmer aus in Rumänien ansässigen Unternehmen zur Beschäftigung auf der Grundlage von Werkverträgen abgeschlossen (BGBl II S 666). Diese Vereinbarung wurde am 14.05.1991 (BGBl II S 822) und am 04.07.1996 (BGBl II S 1303) geändert. Nach Art 8 Abs 2 der Regierungsvereinbarung ist die AE nach der Einreise unmittelbar beim Arbeitsamt zu beantragen. Für die Bearbeitungsverfahren und die Erteilung von AEs an rumänische Arbeitnehmer wurde das Landesarbeitsamt Hessen der Beklagten bzw das Arbeitsamt Frankfurt/Main der Beklagten für zuständig erklärt (Art 8 Abs 2 der Regierungsvereinbarung iVm § 11 Abs 5 der Arbeitsgenehmigungsverordnung [ArGV] vom 17.09.1998 [BGBl I S 2899]).
Mit Bescheid vom 17.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.1999 hat die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Erteilung eines Zusicherungsbescheides (Zustimmungsbescheides) abgelehnt, wie aus der Formulierung "die Zustimmung zu dem oben genannten Werkvertrag wird abgelehnt" zu entnehmen ist. Rechtsgrundlage für die begehrte Zusicherung bildet § 34 Abs 1 SGB X. Entgegen der Auffassung des SG im angefochtenen Urteil vom 01.03.2000 enthält die Regierungsvereinbarung in der hier anwendbaren Fassung der 2.Vereinbarung zur Änderung der Vereinbarung vom 31.07.1990 vom 04.07.1996 (BGBl II S 1303) im geänderten Art 3 Abs 2 nun eine Arbeitsmarktschutzklausel. Nach der Neufassung des Satzes 2 des Abs 2 achten die in Satz 1 genannten Stellen, also - wie dargelegt - das Landesarbeitsamt Hessen der Beklagten - insbesondere darauf, dass Werkvertragsarbeitnehmer nicht zugelassen werden, wenn in dem in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Unternehmen Arbeitnehmer kurzarbeiten oder kurzarbeiten sollen oder der Arbeitsamtsbezirk, in dem die Werkvertragsarbeitnehmer beschäftigt werden sollen, über das übliche Maß hinaus von Arbeits- losigkeit betroffen ist. Aus der Fassung des Gesetzes ("insbesondere") ergibt sich, dass die in Satz 2 genannte Aufzählung nicht abschließend ist. Da die Beklagte nach Art 5 Abs 2 der Regierungsvereinbarung iVm § 285 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB III auch zu beachten hat, dass sich die Beschäftigung von Ausländern nicht nachteilig auf den Arbeitsmarkt, insbesondere hinsichtlich der Beschäftigungsstruktur in den jeweiligen Regionen und Wirtschaftszweigen auswirkt, können Werkverträge auch dann nicht zugelassen werden, wenn der inländische Vertragspartner die Kooperation im Rahmen von Werkverträgen mit anderen inländischen Unternehmen nicht fortsetzt und in Zusammenhang damit Arbeitnehmer bei diesen Unternehmen entlassen werden oder kurzarbeiten müssen (Austausch inländischer durch ausländische Werkvertragsarbeitnehmer - vgl Ziffer 2.7 Buchstabe d des Merkblattes 16 der Beklagten). Dies war hier der Fall, denn nach der vorliegenden - von den Beteiligten nicht bestrittenen - Sachlage hat der inländische Vertragspartner (die Fa. P. Fleisch GmbH in D.) den Werkvertrag mit einem anderen inländischen Unternehmen (der Fa. W.) nicht fortgesetzt. In diesem Zusammenhang wurden auch - was ebenfalls unter den Beteiligten unstreitig ist - Arbeitnehmer bei der Fa. B. Fleischverpackungsgesellschaft mbH und der Fa. F. und B. Lager GmbH entlassen.
Das Urteil des SG Nürnberg vom 1.03.2000 war deshalb aufzuheben und die Klage, festzustellen, dass der Bescheid vom 17.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.1999 rechtswidrig war, abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zugelassen, weil die Auslegung des Art 3 Abs 2 der deutsch-rumänischen Vereinbarung über die Entsendung rumänischer Arbeitnehmer aus in Rumänien ansässigen Unternehmen zur Beschäftigung auf der Grundlage von Werkverträgen in der Fassung vom 04.07.1996 (BGBl II S 3103) höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.
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