L 10 AL 164/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AL 760/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 164/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 12.05.1999 wird zurückgewiesen und die Klage gegen die Bescheide vom 23.12.1999 und 21.01.2000 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 02.09.1997 bis 17.02.1998 sowie die Erstattung zu Unrecht bezogenen Algs in Höhe von 2.277,60 DM und Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 616,51 DM.

Die am 1943 geborene Klägerin war zuletzt vom 01.01.1993 bis 31.03.1996 als Schwesternhelferin tätig. Am 01.04.1996 beantragte sie bei der Beklagten Alg. Dabei gab sie ihre Wohnanschrift mit R.straße, S. an. Die Beklagte bewilligte Leistungen ab 01.04.1996 (Bescheid vom 30.05.1996). Am 09.04.1997 zeigte die Klägerin der Beklagten ihren Umzug zum 01.05.1997 in die F.straße, N. , bei H.B. und am 02.09.1997 wieder den Umzug in die R.straße, S. , bei S. , an. Aufforderungen der Beklagten vom 27.11.1997/01.12.1997 zur Meldung am 01.12.1997/05.12.1997 leistete die Klägerin ohne Angabe von Gründen nicht Folge. Nach einer anonymen Anzeige war die Klägerin zu dieser Zeit in Spanien wohnhaft. Daraufhin hob die Beklagte mit Bescheid vom 10.12.1997 die Alg-Bewilligung mit Wirkung ab 02.12.1997 auf. Zugleich stellte sie die Zahlung ein.

Am 18.02.1998 meldete die Klägerin bei einer persönlichen Vorsprache einen weiteren Umzug vom 15.02.1998 in die K.straße, N. , bei A. , und gab an, die Leistungseinstellung ab 02.12.1997 erst jetzt bemerkt zu haben. Gleichzeitig beantragte sie Fortzahlung des Alg. Mit Bescheid vom 26.02.1998 bewilligte die Beklagte Alg ab 18.02.1998. Am 08.03.1998 war dieser Anspruch erschöpft. Antrag auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) stellte die Klägerin nicht.

Am 22.04.1998 legte sie "gegen irgendwelche Kürzungen ihres Alg" und am 12.05.1998 gegen die Nichtgewährung von Alg in der Zeit vom 02.12.1997 bis 17.02.1998 Widerspruch ein. Eine Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse gem § 48 SGB X sei nicht eingetreten. Sie habe ihren ständigen Hauptwohnsitz in Deutschland gehabt und sich erst zum 24.04.1998 nach Spanien abgemeldet. Die Post des Arbeitsamtes habe sie vor dem letzten Umzug nicht erreicht, da sie der Vermieter zurückgehalten habe. Dies habe sie nicht zu vertreten. Am 10.12.1997 habe sie der Beklagten ihre Lohnsteuerkarte übergeben. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.07.1998 verwarf die Beklagte den Widerspruch wegen Versäumens der Widerspruchsfrist als unzulässig.

Dagegen hat die Klägerin am 26.08.1998 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und sinngemäß beantragt, den Bescheid vom 10.12.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.07.1998 aufzuheben und ab 02.12.1997 Alg zu gewähren. Sie habe den Bescheid vom 10.12.1997 nie erhalten. Ihrerseits lägen Meldeversäumnisse nicht vor, da ihr damaliger Vermieter die für sie bestimmte Post - diese sei in einen gemeinsamen Briefkasten eingeworfen worden - nicht weitergeleitet habe. Die Postzustellung sei täglich zwischen 10 Uhr und 16 Uhr erfolgt. Eine Pflicht zur Anwesenheit in der Wohnung während dieser Zeit verstoße gegen das Grundgesetz.

Mit Urteil vom 12.05.1999 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin den Bescheid vom 10.12.1997 erhalten habe. Dies lasse sich aus den Ausführungen der Klägerin im Widerspruchsschreiben schließen. In der Zeit vom 02.12.1997 bis 17.02.1998 habe sie der Beklagten für Vermittlungsbemühungen nicht zur Verfügung gestanden, da sie während der üblichen Zeit des Posteingangs nicht in ihrer Wohnung angetroffen worden sei. So ergebe sich aus den Angaben ihres Prozessbevollmächtigten im Rechtsstreit S 3 RA 157/97, dass sie sich im Januar 1998 nicht im Bundesgebiet aufgehalten habe.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin am 07.06.1999 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Sie habe bis heute weder die Einladungen der Beklagten vom 27.11.1997/01.12.1997 noch den Bescheid vom 10.12.1997 erhalten. Zu dieser Zeit habe sie sich nicht im Ausland aufgehalten. Die Ausführungen ihres Prozessbevollmächtigten seien insoweit missverständlich. Das SG hätte hierüber vom Postamt S. eine Auskunft einholen können, was es unterlassen habe. Hierin könne eine Befangenheit des Gerichts gesehen werden.

Nach schriftlicher Anhörung des Herrn R. S. , R.straße, S. , vom 25.11.1999 und nach Anhörung der Klägerin wegen beabsichtigter Aufhebung der Leistungsbewilligung bereits ab 02.09.1997 - die Klägerin machte insoweit "Verjährung" geltend und legte eine eidesstattliche Erklärung des W. B. vom 09.12.1999 vor, nach der sie in der R.straße in S. bis 15.02.1998 ein Zimmer zur Verfügung gehabt habe - hob die Beklagte mit Bescheid vom 23.12.1999/Änderungsbescheid vom 21.01.2000 die Leistungsbewilligung bereits ab 02.09.1997 auf und forderte für die Zeit vom 02.09.1997 bis 01.12.1997 2.277,60 DM zu Unrecht bezogenes Alg und 616,51 DM Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von der Klägerin zurück. Diese Bescheide wurden ihrer Ansicht nach gem §§ 153 Abs 1, 96 Abs 1 SGG des anhängigen Verfahrens. Die Klägerin teilte diese Auffassung nicht.

Die Klägerin beantragt,

Herrn W. B. für den Fall als Zeugen zu vernehmen, dass das Gericht Herrn R. S. vernehmen sollte. Im Übrigen beantragt die Klägerin sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 12.05.1999 und den Bescheid vom 10.12.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.07.1998 sowie die Bescheide vom 23.12.1999/21.01.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 02.12.1997 bis 17.02.1998 Alg zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

zum Beweis für die mangelnde Erreichbarkeit der Klägerin Herrn R. S. als Zeugen zu hören. Im Übrigen beantragt sie sinngemäß, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 12.05.1999 zurückzuweisen und die Klage gegen die Bescheide vom 23.12.1999 und 21.01.2000 abzuweisen.

Herr S. habe bestätigt, dass die Klägerin zu keinem Zeitpunkt im Haus in S. gewohnt habe. Die von W.B. erwähnte Vereinbarung sage nichts über die tatsächliche Nutzung der Wohnung in der hier streitigen Zeit durch die Klägerin aus. Ab 02.09.1997 (Tag der Ummeldung nach S. habe die Klägerin der Arbeitsvermittlung mangels Erreichbarkeit - ihr tatsächlicher Aufenthalt sei unbekannt gewesen - nicht mehr zur Verfügung gestanden und daher keinen Anspruch auf Alg gehabt. Die Meldeaufforderungen habe die Klägerin nur deswegen nicht zur Kenntnis nehmen können, weil sie wegen Abwesenheit nicht in der Lage gewesen sei, die für sie bestimmte Post entgegenzunehmen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Leistungsakten der Klägerin (Stamm-Nr 213 085), auf die Klageakte des Sozialgerichts Nürnberg Az: S 3 RA 157/97 sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil das Einverständnis der Beteiligten vorliegt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG), sie ist aber nicht begründet. Das SG hat ihre Klage zu Recht abgewiesen, denn die Beklagte hat die Alg-Bewilligung ab 02.09.1997 gem § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren (SGB X) iVm § 152 Abs 3 AFG zutreffend aufgehoben.

Streitgegenstand sind die Bescheide der Beklagten vom 10.12.1997/24.07.1998, aber auch die nach Einlegung der Berufung ergangenen Bescheide vom 23.12.1999 und 21.01.2000.

Die Beklagte hat die Aufhebung ab 02.12.1997 zunächst auf § 120 AFG (Säumniszeit) gestützt (Bescheid vom 10.12.1997). Ob dieser Bescheid wegen Versäumung der Widerspruchsfrist (§ 84 Abs 1 SGG) durch die Klägerin bindend geworden ist - so die Beklagte - kann jedoch dahinstehen, weil die Bescheide vom 23.12.1999/21.01.2000 gem §§ 153 Abs 1, 96 Abs 1 SGG automatisch Gegenstand des Verfahrens geworden sind, ohne dass es einer Prozesshandlung, etwa einer Klageänderung der Klägerin bedarf. Gemäß § 153 Abs 1 SGG ist § 96 SGG auch im Berufungsverfahren anwendbar und nach ständiger Rechtsprechung des BSG entsprechend anzuwenden, wenn - wie hier - der neue Verwaltungsakt zwar nicht denselben Streitgegenstand betrifft, er aber im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses ergeht, im Kern dieselbe Rechtsfrage betrifft und einen weiteren Zeitraum erfasst (BSG Urteil vom 12.12.1984 - 7 RAr 86/83; BSG SozR 3-4100 § 136 Nr 6; BSG SozR 1500 § 96 Nr 6 = BSGE 45, 49, 50 ff; SozR 3-4100 § 105 Nr 2 = BSGE 77, 175, 176; BSG Urteil vom 26.03.1998 - B 11 AL 11/98 B - nicht veröffentlicht; BSG SozR 3-1500 § 96 Nr 9).

Rechtlich unbedenklich ist es auch, dass die Beklagte die Bescheide vom 10.12.1997/24.07.1998 nachträglich auf eine andere Rechtsgrundlage gestellt hat, indem sie nunmehr wegen fehlender Erreichbarkeit der Klägerin deren Verfügbarkeit (§ 103 Abs 1 AFG) verneinte. Dieses Auswechseln der Begründung war zulässig, weil der Beklagten bei der Aufhebungsentscheidung kein Rücknahmeermessen zugestanden hat (§ 152 Abs 3 AFG; BSG Urteil vom 11.04.2002 - 11 B 3 P 8/01 R - nicht veröffentlicht).

Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Alg-Bewilligung ist § 48 Abs 1 SGB X iVm § 152 Abs 3 AFG.

Nach § 48 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (Satz 1). Ein Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Satz 2 Nr 2) oder soweit er wusste oder nicht wusste, weil er die Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Satz 2 Nr 4).

Bei der Alg-Bewilligung ab 01.01.1997 handelte es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 48). Die erforderliche wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die bei seinem Erlass (Bescheid vom 03.01.1997) vorgelegen haben, liegt darin, dass die Klägerin der Arbeitsvermittlung ab 02.09.1997 nicht mehr zur Verfügung gestanden hat. Anspruch auf Alg hat jedoch nur, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht (§ 100 Abs 1 AFG). Nach § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 3 AFG - eingefügt durch Art 1 Nr 31 des fünften Gesetzes zur Änderung des AFG vom 23.07.1979 (BGBl I 1189) - ist Voraussetzung für die Verfügbarkeit ua, dass der Arbeitslose das Arbeitsamt täglich aufsuchen kann und für das Arbeitsamt erreichbar ist. Hierzu bestimmt § 1 der Aufenthaltsanordnung vom 03.10.1997 (ANBA S 1388), dass das Arbeitsamt den Arbeitslosen während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von ihm benannten, für die Zuständigkeit des Arbeitsamtes maßgeblichen Anschrift erreichen können muss. An dieser Voraussetzung mangelt es hier für die Zeit vom 02.09.1997 bis 17.02.1998. Die Klägerin war ab 02.09.1997 für das zuständige Arbeitsamt nämlich unter der von ihr an diesem Tag dem Arbeitsamt mitgeteilten Wohnanschrift "R.straße bei S. , S. nicht erreichbar, denn sie hielt sich dort nicht auf. Dies steht zur Überzeugung des Senats fest auf Grund der schriftlichen Auskunft des R. S. , Eigentümer des Hauses R.straße in S. , vom 25.11.1999. Dieser teilte mit, die Klägerin sei zu keiner Zeit bei ihm in S. wohnhaft gewesen. Er habe die Klägerin seit September 1997 nicht mehr gesehen. Die für diese bestimmte Post habe er deshalb vor kurzem weggeworfen.

Zwar bestätigt W. B. in einer eidesstattlichen Erklärung vom 09.12.1999, dass die Klägerin in der R.straße bis 15.02.1998 ein Zimmer im Obergeschoss mit Benutzungsrecht der im Gang befindlichen Toilette/Dusche und des Briefkastens zur Verfügung hatte. Dass die Klägerin dort tatsächlich gewohnt hat, bestätigt Herr B. jedoch nicht. Die polizeiliche Meldung kann den tatsächlichen Aufenthalt nicht ersetzen. Nach der auch in der Arbeitslosenversicherung verbindlichen Legaldefinition des § 30 Abs 3 Satz 1 SGB Allgemeiner Teil (SGB I) hat jemand seinen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen inne hat, die daraus schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Maßgebend sind danach die tatsächlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten. Diese und die Auskunft des R.S. sprechen hier eindeutig dafür, dass die Klägerin ab 02.09.1997 nicht in der R.straße in S. gewohnt hat. So hat sie, wie sie selbst einräumt, die an diese Anschrift gerichtete Post nicht erreicht. Selbst wenn die Post die Klägerin durch geeignete Vorkehrungen - solche hat sie allerdings nicht getroffen - erreicht hätte, wäre dies nicht ausreichend. Denn es kommt nicht darauf an, dass der Arbeitslose irgendwie erreichbar ist, sondern er muss - so verlangt es § 1 Satz 1 der Aufenthaltsanordnung - unter der von ihm im Arbeitsamt benannten Anschrift täglich mindestens zur Zeit des Eingangs der Briefpost erreichbar sein (BSG SozR 3-4100 § 103 Nr 16). Desgleichen ist es ohne Bedeutung, ob die Klägerin im erwähnten Zeitraum überhaupt in Arbeit hätte vermittelt werden können (BSG SozR 4100 § 103 Nr 36; BSG SozR 3-4100 § 103 Nr 8). Denn die Berechtigung zum Leistungsbezug setzt voraus, dass Arbeitslose in der Lage sind, Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes - falls sie erfolgen - zeitlich und örtlich sachgerecht entsprechen zu können (BSG SozR 4100 § 103 Nr 36). Nach der Rechtsprechung des BSG ist das Erfordernis der Erreichbarkeit ein geeignetes und notwendiges Mittel, die sofortige Vermittelbarkeit des Arbeitslosen sicherzustellen (BSG Urteil vom 24.04.1997 - 11 RAr 8/96 - nicht veröffentlicht).

Ist somit wegen Wegfalls der Verfügbarkeit eine wesentliche Änderung eingetreten, konnte die Alg-Bewilligung rückwirkend aufgehoben werden, weil auch die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X gegeben waren. Da sich die Klägerin ab 02.09.1997 an einem anderen als den mitgeteilten Ort aufgehalten hat, hätte sie gem § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB I Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind - also den neuen Wohn- oder Aufenthaltsort - unverzüglich mitteilen müssen. Dieser Verpflichtung ist die Klägerin nicht nachgekommen. Ihr Unterlassen muss als grob fahrlässig bewertet werden, denn ihr war die Pflicht zur Mitteilung einer Adressenänderung durch das Merkblatt für Arbeitslose (Stand April 1995, S 30 Nr 8) bekannt. Nach ihrer unterschriftlichen Bestätigung vom 31.03.1996 hatte sie das Merkblatt erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen. Unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Einsichts- und Urteilsfähigkeit ist davon auszugehen, dass sie den Hinweis auf die Pflicht zur Mitteilung der Anschriftenänderung im Merkblatt auch verstanden hat. Dies ergibt sich daraus, dass sie bereits am 08.04.1997 die Anschriftenänderung zum 01.05.1997 sowie die vom 02.09.1997 als wesentlich erkannt und mitgeteilt hat (siehe die entsprechenden von der Klägerin unterzeichneten Veränderungsmitteilungen vom 08.04.1997 und 02.09.1997). Es ist also mit der Rechtsprechung des BSG der Klägerin wenigstens grob fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen (BSG SozR 4100 § 103 Nr 36; BSG SozR 4100 § 103 Nr 47).

Daneben kann die Rücknahme der Leistungsbewilligung für die Vergangenheit auch auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X gestützt werden, weil die Klägerin wenigstens grob fahrlässig nicht gewusst hat, dass der Anspruch nach dem Gesetz (BSG SozR 3-8755 § 6 Nr 1 S 6 f) ab 02.09.1997 ganz weggefallen ist. Eine Anpassung mit Rückwirkung soll auch hier erfolgen, soweit der Betroffene hinsichtlich seiner weiteren Leistungsberechtigung bösgläubig war (Steinwedel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 48 SGB X RdNr 43). Auf Grund der Ausführungen im Merkblatt wusste bzw hätte die Klägerin bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt wissen müssen, dass der sich aus der Alg-Bewilligung ergebende Anspruch weggefallen war. Im Merkblatt wird darauf hingewiesen, dass der Anspruch auf Alg vom Vorliegen der Verfügbarkeit abhängt, es wird erläutert, was unter Verfügbarkeit zu verstehen ist (S 8) und dass das Verlassen des mitgeteilten Wohnorts für mehrere Tage anzuzeigen ist (S 30 Nr 7). Gem § 100 Abs 1 AFG hat aber nur der Anspruch auf Alg, der der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht (§ 103 AFG). Fehlende Verfügbarkeit bedeutet grundsätzlich den Wegfall des Alg-Anspruchs. Da es sich insoweit um eine Grundvoraussetzung für die Bewilligung von Alg handelt, hat die Klägerin in besonders schwerem Maße die erforderliche Sorgfalt verletzt.

Bei der Aufhebung der Alg-Bewilligung hatte die Beklagte kein Ermessen auszuüben, sondern eine gebundene Entscheidung zu treffen (§ 152 Abs 3 AFG). Die Rücknahmefristen (§ 48 Abs 4 Satz 1 iVm § 45 Abs 3, 4) hat die Beklagte eingehalten. So hat sie unverzüglich nach Kenntnis der Ortsabwesenheit (Mitteilung des R.S. vom 25.11.1999) mit Bescheiden vom 23.12.1999/02.01.2000 die Alg-Bewilligung ab 02.09.1997 aufgehoben. Zur Erstattung des zu Unrecht bezogenen Alg ist die Klägerin gem § 50 SGB X, zur Erstattung der zur Kranken- und Pflegeversicherung entrichteten Beiträge gem § 157 Abs 3 a AFG/§ 335 Abs 1 SGB III verpflichtet.

Aus diesen Gründen ist die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 12.05.1999 zurückzuweisen und die Klage gegen die Bescheide vom 23.12.1999 und 21.01.2000 abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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