Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AL 226/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 193/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 02.04.1998 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung höheren Unterhaltsgeldes (Uhg) für die Zeit ab 13.09.1994.
Die am 1960 geborene Klägerin, von Beruf Näherin, bezog nach Eintritt der Arbeitslosigkeit vom 06.03.1989 bis 03.03.1990 (Erschöpfung des Anspruchs) von der Beklagten Arbeitslosengeld (Alg) nach einem gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt von 440,00 DM und anschließend Arbeitslosenhilfe (Alhi) nach einem gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt von 450,00 DM. Vom 25.10.1990 bis 24.10.1992 befand sie sich im Mutterschutz und Erziehungsurlaub. Einen am 25.02.1993 gestellten Alg-Antrag lehnte die Beklagte wegen fehlender Anwartschaft ab. Der Bezug von Mutterschaftsgeld/Erziehungsgeld könne einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung nicht gleichgestellt werden (§ 107 AFG), da unmittelbar zuvor kein Beschäftigungsverhältnis bestanden habe bzw kein Alg bezogen worden sei (Bescheid vom 13.04.1993).
Vom 01.09.1993 bis 31.08.1994 war die Klägerin als Vorpraktikantin im Kindergarten der Gemeinde D. mit einer tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden versicherungspflichtig beschäftigt (mtl. Brutto-Arbeitsentgelt 793,59 DM). Dem anschließend bewilligten Alg (01.09.1994 bis 12.09.1994) lag ein gerundetes wöchentliches Bemessungsentgelt von 180,00 DM zugrunde. Vom 13.09.1994 bis 31.07.1996 wurde die Klägerin zu Lasten der Beklagten zur Erzieherin umgeschult (Bescheid vom 26.08.1994). Mit Bescheid vom 07.10.1994 bewilligte das Arbeitsamt Schweinfurt ab 13.09.1994 Uhg nach dem Bemessungsentgelt von 180,00 DM. Den Widerspruch der Klägerin, mit dem diese höhere Leistungen begehrte, wies die Widerspruchsstelle der Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 06.03.1995 mit der Begründung zurück, das Uhg sei zu Recht nach dem Arbeitsentgelt berechnet worden, das dem unmittelbar vor dem Eintritt in die Bildungsmaßnahme bezogenen Alg zugrunde gelegen habe. Zwar sei anlässlich der Beratungen in der Rehastelle des Arbeitsamtes im Juli/August 1993 von anderen Voraussetzungen ausgegangen worden. Es sei aber nicht vorhersehbar gewesen, dass die Klägerin vor der berufsfördernden Maßnahme durch die Tätigkeit als Vorpraktikantin einen Anspruch auf Alg erwerben werde.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid des Arbeitsamtes Schweinfurt vom 07.10.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.03.1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr durch Zugunstenbescheid für die Zeit vom 13.09.1994 bis 31.07.1996 Uhg zu bewilligen, dessen Höhe nach einer fiktiven Bemessung erfolgt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, der Reha-Berater G. habe in Kenntnis ihres Vorpraktikums und der Neufassung des AFG zum 01.01.1994 ihr für die Zeit zwischen Beendigung des Vorpraktikums und Maßnahmebeginn zur Stellung eines Alg-Antrags geraten und darauf hingewiesen, der Bezug von Alg habe keinen Einfluss auf die Höhe des Uhg. Er habe eine fiktive Bemessung des Uhg zugesichert. Die Beklagte hat hierzu eine Stellungnahme des Reha-Beraters G. vom 02.06.1995 vorgelegt; das SG hat diesen als Zeugen vernommen.
Mit Urteil vom 02.04.1998 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, das Uhg der Klägerin vom 13.09.1994 bis 31.07.1996 gem § 112 Abs 7 AFG fiktiv zu bemessen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klägerin habe Anspruch auf fiktive Bemessung des Uhg gem §§ 112 Abs 7, 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG, weil es unbillig hart wäre, vom Arbeitsentgelt nach § 44 Abs 2 oder 2 b AFG auszugehen. Die Klägerin sei über die Gefahr der Regelbemessung zu keinem Zeitpunkt aufgeklärt worden. Sie hätte bis zur Entscheidung über den Alg-Antrag vom 08.09.1994 ohne Schwierigkeiten eine fiktive Bemessung erlangen können. Es könne für die Frage der Regelbemessung bzw fiktiven Bemessung jedoch nicht entscheidend sein, wie schnell das Arbeitsamt über einen Antrag entscheide. Daher liege eine unbillige Härte vor.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Der Bezug von Alg unmittelbar vor dem Anspruch auf Uhg habe keine Auswirkungen auf die Höhe des Bemessungsentgeltes gehabt. Eine unbillige Härte liege schon deshalb nicht vor, weil die Klägerin das Entgelt aus dem Vorpraktikum in Vollzeittätigkeit erzielt habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Würzburg vom 02.04.1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Von Anfang an sei die Beklagte von einer fiktiven Bemessung des Uhg ausgegangen. Dies habe der Zeuge G. bei seiner Einvernahme vor dem SG bestätigt. Über eine davon abweichende Bemessungsgrundlage hätte sie die Beklagte aufklären müssen. Wenn die Beklagte meine, es sei lediglich das Lohnniveau einer Vorpraktikantin auszugleichen gewesen, übersehe sie, dass das Praktikum Voraussetzung für die Teilnahme an der Maßnahme gewesen sei.
Der Senat hat den Zeugen G. erneut gehört. Auf die Sitzungsniederschrift vom 26.02.2002 wird insoweit verwiesen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Leistungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und begründet.
Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, das Uhg der Klägerin für die Zeit vom 13.09.1994 bis 31.07.1996 in Anwendung des § 112 Abs 7 AFG fiktiv höher zu bemessen. Ein höheres Uhg als die der Klägerin von der Beklagten zugestandene Leistung nach einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt von 180,00 DM lässt sich nämlich nicht begründen.
Auf den Leistungsfall der Klägerin ist § 44 AFG anzuwenden, da gem § 56 Abs 3 AFG in der Fassung des ersten SKWPG vom 21.12.1993 (BGBl I 2353) - in Kraft ab 01.04.1994 - Leistungen wegen der nicht behindertenspezifischen Bildungsmaßnahme nach §§ 33 bis 55 a AFG (Förderung der beruflichen Umschulung) zu erbringen waren und nicht nach §§ 58 ff AFG.
Nach § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG bemisst sich das Uhg wie in einem Fall des § 112 Abs 7 AFG, wenn es unbillig hart wäre, von dem Arbeitsentgelt nach den Absätzen 2 oder 2 b auszugehen. Es ist jedoch nicht unbillig, im Falle der Klägerin von § 44 Abs 2 AFG auszugehen: Die Höhe des Uhg richtet sich für den Regelfall nach § 44 Abs 2 Satz 1 AFG (BSGE 76, 77, 78; BSG vom 25.04.1996 - 11 RAr 87/95). Danach errechnet sich der Anspruch der Klägerin auf Uhg unter Zugrundelegung des Arbeitsentgelts der letzten sechs Monate der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 112 AFG). Das waren die letzten sechs Monate der Vorpraktikantentätigkeit (01.03.1994 bis 31.08.1994) mit einem mtl. Arbeitsentgelt in Höhe von 793,59 DM gewesen. Dieses Arbeitsentgelt lag auch der Alg-Bemessung ab 01.09.1994 zugrunde.
Damit steht gleichzeitig fest, dass die Sondervorschrift des § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG nicht greift, weil die Regelbemessung nach § 44 Abs 2 AFG nicht ungünstiger ist (BSG SozR 4100 § 44 Nr 48; BSG vom 29.01.1997 - 11 RAr 59/96).
Eine günstigere Bemessung des Uhg lässt sich auch nicht auf § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG iVm § 112 Abs 7 AFG stützen.
§ 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG formuliert eine offene Generalklausel, die den Härtefall nicht auf den in § 112 Abs 7 erste Alternative AFG geregelten Härtefall beschränkt (Gagel, AFG, § 44 RdNr 93; Hennig-Kühl/Heuer/Henke AFG § 44 RdNr 97; BSG vom 29.01.1997 - RAr 59/96) und die dem Schutz gegen eine zu niedrige Leistungsbemessung dient. Hieraus folgt jedoch nicht, dass sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen wären. Die Generalklausel ist vielmehr nach Maßgabe der Funktion des Uhg auszulegen (BSG vom 29.01.1997 aaO).
Ein Härtefall ist grundsätzlich nur dann zu bejahen, wenn die Regelbemessung nicht möglich war oder - wie im Falle einer Teilzeitbeschäftigung im Bemessungszeitraum - zu unerträglichen Ergebnissen führt (BSG vom 29.01.1997 aaO).
Die Frage der in § 112 Abs 7 erste Alternative AFG angesprochenen Unbilligkeit, wenn in den letzten drei Jahren ein höherer Verdienst als der der Bemessung zugrunde gelegte erzielt worden ist, stellt sich im vorliegenden Fall nicht, denn die Klägerin hat den Anspruch auf Uhg ausschließlich mit der Tätigkeit als Vorpraktikantin begründet. Sie war vor Beginn der Maßnahme auch nicht teilzeitbeschäftigt, sondern ihrem Anspruch auf Uhg lag eine Vollzeitbeschäftigung zugrunde. Dies entspricht der Lohnersatzfunktion des Uhg. Auch entspricht es nicht dem Sinn des § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG, eine unbillige Härte schon dann anzunehmen, wenn das im Bemessungszeitraum erzielte Arbeitsentgelt unter dem erzielbaren Arbeitsentgelt liegt. Eine solche Konstellation ist nicht außergewöhnlich (BSG vom 29.01.1997 aaO).
Stützen kann die Klägerin ihr Begehren auch nicht auf eine Zusicherung des Reha-Beraters G. oder auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch.
Unstrittig hat der Reha-Berater eine fiktive Bemessung des Uhg nicht schriftlich zugesichert. Damit wäre eine eventuelle mündliche Zusicherung gem § 34 SGB X unwirksam. Unterstellt man zugunsten der Klägerin jedoch, der Reha-Berater habe eine fiktive Bemessung mündlich zugesichert - hierauf könnten die Angaben des Zeugen anlässlich seiner Einvernahme durch das SG am 02.04.1998 hindeuten -, lässt sich trotzdem ein höheres Uhg nicht als sozialrechtlicher Herstellungsanspruch auf Grund einer Beratungspflichtverletzung der Beklagten begründen. Gem § 14 SGB I besteht eine Verpflichtung des zuständigen Leistungsträgers, den Leistungsberechtigten über seine Rechte und Pflichten zu beraten. Hierunter versteht man eine konkret-individuelle Information des Leistungsberechtigten über seine Rechte und Pflichten einschl der Verwaltungspraxis und des zweckmäßigen Verhaltens (LSG Sachsen, Urteil vom 31.01.2001 - L 3 AL 37/99). Der Herstellungsanspruch kommt aber nur dann zum Tragen, wenn eine Pflichtverletzung für den eingetretenen Nachteil kausal geworden ist. Das ist bei der Klägerin jedoch nicht der Fall. Das Vorpraktikum war nämlich Voraussetzung für die Umschulung der Klägerin zur Erzieherin. Zur Umschulung hatte sich die Klägerin bereit erklärt; sie entsprach daher ihrem Willen und verbesserte ihre Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt. Dies bedeutet, dass der finanzielle Nachteil auch ohne eine fehlerhafte Beratung zur Bemessung des Uhg eingetreten wäre. Die Klägerin kann auch nicht rechtserheblich einwenden, sie hätte die Umschulungsmaßnahme in Kenntnis der tatsächlichen Uhg-Bemessung nicht angetreten. Immerhin hat sie die Maßnahme trotz der geringen Leistungen beendet und nicht abgebrochen.
Auf die Berufung der Beklagten war daher das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 02.04.1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung höheren Unterhaltsgeldes (Uhg) für die Zeit ab 13.09.1994.
Die am 1960 geborene Klägerin, von Beruf Näherin, bezog nach Eintritt der Arbeitslosigkeit vom 06.03.1989 bis 03.03.1990 (Erschöpfung des Anspruchs) von der Beklagten Arbeitslosengeld (Alg) nach einem gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt von 440,00 DM und anschließend Arbeitslosenhilfe (Alhi) nach einem gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt von 450,00 DM. Vom 25.10.1990 bis 24.10.1992 befand sie sich im Mutterschutz und Erziehungsurlaub. Einen am 25.02.1993 gestellten Alg-Antrag lehnte die Beklagte wegen fehlender Anwartschaft ab. Der Bezug von Mutterschaftsgeld/Erziehungsgeld könne einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung nicht gleichgestellt werden (§ 107 AFG), da unmittelbar zuvor kein Beschäftigungsverhältnis bestanden habe bzw kein Alg bezogen worden sei (Bescheid vom 13.04.1993).
Vom 01.09.1993 bis 31.08.1994 war die Klägerin als Vorpraktikantin im Kindergarten der Gemeinde D. mit einer tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden versicherungspflichtig beschäftigt (mtl. Brutto-Arbeitsentgelt 793,59 DM). Dem anschließend bewilligten Alg (01.09.1994 bis 12.09.1994) lag ein gerundetes wöchentliches Bemessungsentgelt von 180,00 DM zugrunde. Vom 13.09.1994 bis 31.07.1996 wurde die Klägerin zu Lasten der Beklagten zur Erzieherin umgeschult (Bescheid vom 26.08.1994). Mit Bescheid vom 07.10.1994 bewilligte das Arbeitsamt Schweinfurt ab 13.09.1994 Uhg nach dem Bemessungsentgelt von 180,00 DM. Den Widerspruch der Klägerin, mit dem diese höhere Leistungen begehrte, wies die Widerspruchsstelle der Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 06.03.1995 mit der Begründung zurück, das Uhg sei zu Recht nach dem Arbeitsentgelt berechnet worden, das dem unmittelbar vor dem Eintritt in die Bildungsmaßnahme bezogenen Alg zugrunde gelegen habe. Zwar sei anlässlich der Beratungen in der Rehastelle des Arbeitsamtes im Juli/August 1993 von anderen Voraussetzungen ausgegangen worden. Es sei aber nicht vorhersehbar gewesen, dass die Klägerin vor der berufsfördernden Maßnahme durch die Tätigkeit als Vorpraktikantin einen Anspruch auf Alg erwerben werde.
Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid des Arbeitsamtes Schweinfurt vom 07.10.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.03.1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr durch Zugunstenbescheid für die Zeit vom 13.09.1994 bis 31.07.1996 Uhg zu bewilligen, dessen Höhe nach einer fiktiven Bemessung erfolgt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, der Reha-Berater G. habe in Kenntnis ihres Vorpraktikums und der Neufassung des AFG zum 01.01.1994 ihr für die Zeit zwischen Beendigung des Vorpraktikums und Maßnahmebeginn zur Stellung eines Alg-Antrags geraten und darauf hingewiesen, der Bezug von Alg habe keinen Einfluss auf die Höhe des Uhg. Er habe eine fiktive Bemessung des Uhg zugesichert. Die Beklagte hat hierzu eine Stellungnahme des Reha-Beraters G. vom 02.06.1995 vorgelegt; das SG hat diesen als Zeugen vernommen.
Mit Urteil vom 02.04.1998 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, das Uhg der Klägerin vom 13.09.1994 bis 31.07.1996 gem § 112 Abs 7 AFG fiktiv zu bemessen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klägerin habe Anspruch auf fiktive Bemessung des Uhg gem §§ 112 Abs 7, 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG, weil es unbillig hart wäre, vom Arbeitsentgelt nach § 44 Abs 2 oder 2 b AFG auszugehen. Die Klägerin sei über die Gefahr der Regelbemessung zu keinem Zeitpunkt aufgeklärt worden. Sie hätte bis zur Entscheidung über den Alg-Antrag vom 08.09.1994 ohne Schwierigkeiten eine fiktive Bemessung erlangen können. Es könne für die Frage der Regelbemessung bzw fiktiven Bemessung jedoch nicht entscheidend sein, wie schnell das Arbeitsamt über einen Antrag entscheide. Daher liege eine unbillige Härte vor.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Der Bezug von Alg unmittelbar vor dem Anspruch auf Uhg habe keine Auswirkungen auf die Höhe des Bemessungsentgeltes gehabt. Eine unbillige Härte liege schon deshalb nicht vor, weil die Klägerin das Entgelt aus dem Vorpraktikum in Vollzeittätigkeit erzielt habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Würzburg vom 02.04.1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Von Anfang an sei die Beklagte von einer fiktiven Bemessung des Uhg ausgegangen. Dies habe der Zeuge G. bei seiner Einvernahme vor dem SG bestätigt. Über eine davon abweichende Bemessungsgrundlage hätte sie die Beklagte aufklären müssen. Wenn die Beklagte meine, es sei lediglich das Lohnniveau einer Vorpraktikantin auszugleichen gewesen, übersehe sie, dass das Praktikum Voraussetzung für die Teilnahme an der Maßnahme gewesen sei.
Der Senat hat den Zeugen G. erneut gehört. Auf die Sitzungsniederschrift vom 26.02.2002 wird insoweit verwiesen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Leistungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und begründet.
Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, das Uhg der Klägerin für die Zeit vom 13.09.1994 bis 31.07.1996 in Anwendung des § 112 Abs 7 AFG fiktiv höher zu bemessen. Ein höheres Uhg als die der Klägerin von der Beklagten zugestandene Leistung nach einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt von 180,00 DM lässt sich nämlich nicht begründen.
Auf den Leistungsfall der Klägerin ist § 44 AFG anzuwenden, da gem § 56 Abs 3 AFG in der Fassung des ersten SKWPG vom 21.12.1993 (BGBl I 2353) - in Kraft ab 01.04.1994 - Leistungen wegen der nicht behindertenspezifischen Bildungsmaßnahme nach §§ 33 bis 55 a AFG (Förderung der beruflichen Umschulung) zu erbringen waren und nicht nach §§ 58 ff AFG.
Nach § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG bemisst sich das Uhg wie in einem Fall des § 112 Abs 7 AFG, wenn es unbillig hart wäre, von dem Arbeitsentgelt nach den Absätzen 2 oder 2 b auszugehen. Es ist jedoch nicht unbillig, im Falle der Klägerin von § 44 Abs 2 AFG auszugehen: Die Höhe des Uhg richtet sich für den Regelfall nach § 44 Abs 2 Satz 1 AFG (BSGE 76, 77, 78; BSG vom 25.04.1996 - 11 RAr 87/95). Danach errechnet sich der Anspruch der Klägerin auf Uhg unter Zugrundelegung des Arbeitsentgelts der letzten sechs Monate der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 112 AFG). Das waren die letzten sechs Monate der Vorpraktikantentätigkeit (01.03.1994 bis 31.08.1994) mit einem mtl. Arbeitsentgelt in Höhe von 793,59 DM gewesen. Dieses Arbeitsentgelt lag auch der Alg-Bemessung ab 01.09.1994 zugrunde.
Damit steht gleichzeitig fest, dass die Sondervorschrift des § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG nicht greift, weil die Regelbemessung nach § 44 Abs 2 AFG nicht ungünstiger ist (BSG SozR 4100 § 44 Nr 48; BSG vom 29.01.1997 - 11 RAr 59/96).
Eine günstigere Bemessung des Uhg lässt sich auch nicht auf § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG iVm § 112 Abs 7 AFG stützen.
§ 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG formuliert eine offene Generalklausel, die den Härtefall nicht auf den in § 112 Abs 7 erste Alternative AFG geregelten Härtefall beschränkt (Gagel, AFG, § 44 RdNr 93; Hennig-Kühl/Heuer/Henke AFG § 44 RdNr 97; BSG vom 29.01.1997 - RAr 59/96) und die dem Schutz gegen eine zu niedrige Leistungsbemessung dient. Hieraus folgt jedoch nicht, dass sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen wären. Die Generalklausel ist vielmehr nach Maßgabe der Funktion des Uhg auszulegen (BSG vom 29.01.1997 aaO).
Ein Härtefall ist grundsätzlich nur dann zu bejahen, wenn die Regelbemessung nicht möglich war oder - wie im Falle einer Teilzeitbeschäftigung im Bemessungszeitraum - zu unerträglichen Ergebnissen führt (BSG vom 29.01.1997 aaO).
Die Frage der in § 112 Abs 7 erste Alternative AFG angesprochenen Unbilligkeit, wenn in den letzten drei Jahren ein höherer Verdienst als der der Bemessung zugrunde gelegte erzielt worden ist, stellt sich im vorliegenden Fall nicht, denn die Klägerin hat den Anspruch auf Uhg ausschließlich mit der Tätigkeit als Vorpraktikantin begründet. Sie war vor Beginn der Maßnahme auch nicht teilzeitbeschäftigt, sondern ihrem Anspruch auf Uhg lag eine Vollzeitbeschäftigung zugrunde. Dies entspricht der Lohnersatzfunktion des Uhg. Auch entspricht es nicht dem Sinn des § 44 Abs 3 Satz 1 Nr 3 AFG, eine unbillige Härte schon dann anzunehmen, wenn das im Bemessungszeitraum erzielte Arbeitsentgelt unter dem erzielbaren Arbeitsentgelt liegt. Eine solche Konstellation ist nicht außergewöhnlich (BSG vom 29.01.1997 aaO).
Stützen kann die Klägerin ihr Begehren auch nicht auf eine Zusicherung des Reha-Beraters G. oder auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch.
Unstrittig hat der Reha-Berater eine fiktive Bemessung des Uhg nicht schriftlich zugesichert. Damit wäre eine eventuelle mündliche Zusicherung gem § 34 SGB X unwirksam. Unterstellt man zugunsten der Klägerin jedoch, der Reha-Berater habe eine fiktive Bemessung mündlich zugesichert - hierauf könnten die Angaben des Zeugen anlässlich seiner Einvernahme durch das SG am 02.04.1998 hindeuten -, lässt sich trotzdem ein höheres Uhg nicht als sozialrechtlicher Herstellungsanspruch auf Grund einer Beratungspflichtverletzung der Beklagten begründen. Gem § 14 SGB I besteht eine Verpflichtung des zuständigen Leistungsträgers, den Leistungsberechtigten über seine Rechte und Pflichten zu beraten. Hierunter versteht man eine konkret-individuelle Information des Leistungsberechtigten über seine Rechte und Pflichten einschl der Verwaltungspraxis und des zweckmäßigen Verhaltens (LSG Sachsen, Urteil vom 31.01.2001 - L 3 AL 37/99). Der Herstellungsanspruch kommt aber nur dann zum Tragen, wenn eine Pflichtverletzung für den eingetretenen Nachteil kausal geworden ist. Das ist bei der Klägerin jedoch nicht der Fall. Das Vorpraktikum war nämlich Voraussetzung für die Umschulung der Klägerin zur Erzieherin. Zur Umschulung hatte sich die Klägerin bereit erklärt; sie entsprach daher ihrem Willen und verbesserte ihre Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt. Dies bedeutet, dass der finanzielle Nachteil auch ohne eine fehlerhafte Beratung zur Bemessung des Uhg eingetreten wäre. Die Klägerin kann auch nicht rechtserheblich einwenden, sie hätte die Umschulungsmaßnahme in Kenntnis der tatsächlichen Uhg-Bemessung nicht angetreten. Immerhin hat sie die Maßnahme trotz der geringen Leistungen beendet und nicht abgebrochen.
Auf die Berufung der Beklagten war daher das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 02.04.1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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