Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AL 580/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 195/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 23. März 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) an die Klägerin ab dem 22.12.1994.
Die am ...1938 geborene Klägerin war vom 15.01.1992 bis 31.08.1993 als Reinigungskraft bei der Fa ... GmbH, Nürnberg, beschäftigt. Laut Arbeitsvertrag war eine Arbeitszeit von vier Stunden täglich an fünf bis sechs Wochentagen vereinbart. Der Arbeitsplatz der Klägerin war zunächst das ...krankenhaus in Bad ..., ab April 1992 auch das Diagnostikum der ...-Klinik der BfA. Im Juni 1992 arbeitete die Klägerin an 22 Tagen insgesamt 89 Arbeitsstunden.
Am 29.06.1992 erlitt sie im ...krankenhaus einen Unfall, aufgrund dessen sie vom 29.06.1992 bis 14.08.1992 und vom 18.08. bis 28.08.1992 stationär behandelt wurde. Nach Ende der Lohnfortzahlung zum 10.08.1992 bezog sie über die Innungskrankenkasse (IKK) Nürnberg-Fürth vom 11.08. bis 20.09.1992 Verletztengeld zu Lasten des zuständigen Unfallversicherungsträgers.
Vom 21.09.1992 bis 10.11.1992 arbeitete die Klägerin erneut als Reinigungskraft im Diagnostikum der ...-Klinik in Bad ... Ihre Arbeitszeit begrenzte sie dabei auf 15 Wochenstunden.
Vom 11.11.1992 bis 01.01.1993 war die Klägerin wieder arbeitsunfähig und bezog Verletztengeld.
Vom 04.01.1993 bis 03.02.1993 nahm die Klägerin Urlaub.
Vom 10.02.1993 bis 27.05.1993 war sie erneut als Reinigungskraft mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 15 Stunden tätig. Vom 28.05. bis 25.06.1993 befand sich die Klägerin in Urlaub, vom 27.06.1993 bis 10.07.1993 war sie wiederum arbeitsunfähig. Im Zeitraum vom 12.07. bis 15.07.1993 arbeitete sie mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 22,5 Stunden. Vom 15.07.1993 bis 11.01.1995 war die Klägerin arbeitsunfähig und erhielt nach Ende der erneuten Lohnfortzahlung ab dem 27.08.1993 bis 11.01.1995 Kranken- bzw Übergangsgeld.
Nach erfolgter Arbeitgeberkündigung schloss die Klägerin im anschließenden Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht Würzburg - Kammer Schweinfurt - (Az: 10 Ca 1113/93 S) am 02.02.1994 mit ihrer Arbeitgeberin einen Vergleich, wonach ihr Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.08.1993 aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Kündigung vom 11.08.1993 endete. Die Arbeitgeberin verpflichtete sich zur Zahlung einer Abfindung von 2.000,00 DM an die Klägerin.
Am 22.12.1994 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 20.06.1995 ab. Die Klägerin erfülle nicht die Anwartschaftszeit, weil sie innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung nicht mindestens 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden habe. Mit Bescheid vom 07.07.1995 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab dem 12.01.1995.
Den gegen den Bescheid vom 20.06.1995 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.09.1995 zurück. Innerhalb der Rahmenfrist vom 22.12.1991 bis 21.12.1994 habe die Klägerin nur für die Dauer von 138 Kalendertagen in einem beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Ab Juni 1992 sei ihre wöchentliche Arbeitszeit auf 15 Stunden reduziert und für die Zeit des Verletztengeldbezuges ab dem 11.08.1992 seien keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung bezahlt worden.
Dagegen hat die Klägerin am 30.10.1995 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Die Arbeitsbescheinigung ihres früheren Arbeitgebers sei aufgrund des zwischenzeitlich durchgeführten Kündigungsschutzprozesses nicht als neutral zu bezeichnen. Sie habe im Widerspruchsverfahren Kalenderaufzeichnungen aus dem Jahr 1993 vorgelegt, aus denen sich ergebe, dass sie länger gearbeitet habe. Bei der Arbeitsaufnahme im September 1992 habe es sich um einen Arbeitsversuch gehandelt, bei dem auf ärztliches Anraten die Arbeitszeit auf drei Stunden täglich begrenzt worden sei. Eine Abänderung des beitragspflichtigen Arbeitsverhältnisses sei damit nicht verbunden gewesen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 23.03.1999 abgewiesen. In der Rahmenfrist vom 22.12.1991 bis 21.12.1994 habe die Klägerin lediglich vom 15.01.1992 bis 20.09.1992 eine Anwartschaftszeit zurückgelegt, so dass die gesetzliche Voraussetzung einer Beschäftigung von 360 Kalendertagen nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nicht erfüllt sei. Ab dem 21.09.1992 habe sie lediglich ein kurzzeitiges Beschäftigungsverhältnis aufgenommen. Die Bestimmung des § 74 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sei nicht anwendbar, denn die Klägerin habe auf Anraten ihres Arztes nicht nur vorübergehend drei Stunden täglich gearbeitet, sondern insgesamt siebeneinhalb Wochen bis einschließlich 10.11.1992. Für diesen Zeitraum habe keine AU-Bescheinigung für die Klägerin vorgelegen. Nach Auskunft der IKK Nürnberg-Fürth sei auch keine stufenweise Wiedereingliederung der Klägerin beabsichtigt gewesen. Im Zeitraum vom 10.02.1993 bis 27.05.1993, also für 15 Wochen, habe sie nicht mehr als drei Stunden täglich gearbeitet. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus ihren "Tagebuch-Aufzeichnungen". Eine arbeitsrechtliche Änderungsvereinbarung, deren Abschluss die Klägerin bestreite, sei unerheblich, da es nach der klaren Fassung der Vorschrift des § 74 SGB V allein auf die prognostisch zu beurteilenden tatsächlichen Verhältnisse ankomme. Im Übrigen habe die Klägerin ihren Verdienstbescheinigungen entnehmen können, dass keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung vom Arbeitgeber abgeführt worden waren, dies jedoch nicht beanstandet.
Gegen das ihr am 28.06.1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 07.07.1999 Berufung beim Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) eingelegt.
Die Klägerin trägt vor, sie habe nach ihrem Arbeitsvertrag vier Stunden beschäftigt werden müssen, sei aber lediglich drei Stunden im Diagnostikum der ...-Klinik eingesetzt worden. Es habe sich dabei um einen Arbeitsversuch gehandelt, da sie ihre Tätigkeit als Raumpflegerin nicht mehr habe ausüben können. Ihr Arbeitsvertrag sei nicht stillschweigend geändert worden. Im Übrigen habe sie keine Gehaltsabrechnungen mehr erhalten, so dass ihr nicht habe auffallen können, dass keine Sozialversicherungsbeiträge für sie mehr abgeführt wurden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG Würzburg vom 23.06.1999 und den Bescheid der Beklagten vom 20.06.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.1995 aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von Alg ab 12.01.1995 zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Für einen Alg-Anspruch sei die Kenntnis von der Beitragspflicht nicht maßgeblich. Die Klägerin habe der Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen, so dass sie sich nicht darauf berufen könne, der Arbeitgeber habe ohne ihre Billigung keine Beiträge mehr abgeführt.
Auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakten des SG wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG).
Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet, denn das SG hat die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 20.06.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.09.1995 zu Recht abgewiesen.
Anspruch auf Alg hat nach § 100 Abs 1 AFG, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Die Anwartschaft nach § 104 AFG erfüllt, wer in der Rahmenfrist, die dem ersten Tage der Arbeitslosigkeit unmittelbar vorausgeht (§ 104 Abs 2), 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung im Sinne des § 168 AFG gestanden hat.
Innerhalb der Rahmenfrist (22.12.1991 bis 21.12.1994) stand die Klägerin vom 15.01.1992 bis 31.05.1992 (= 138 Kalendertage) in einem beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis bei der Fa ... GmbH, Nürnberg. Für die Zeit des Verletztengeldbezuges vom 11.08.1992 bis 20.09.1992 (= 41 Tage) bestand Beitragspflicht zur Beklagten nach § 186 Abs 1 Satz 1 AFG; zur Begründung der Anwartschaft steht diese Zeit einer beitragspflichtigen Beschäftigung gleich (§ 107 Satz 1 Nr 5a AFG). Gleiches gilt für den Zeitraum vom 11.11.1992 bis 01.01.1993 (= 52 Tage).
Im Zeitraum vom 10.02.1993 bis 27.05.1993 und ab dem 25.09.1992 war die Klägerin jedoch lediglich kurzzeitig beschäftigt, da sie weniger als 18 Stunden wöchentlich eine Tätigkeit ausübte (§ 102 Abs 1 AFG). Diese war nicht beitragspflichtig (§ 169a Abs 1 Satz 1 AFG). Dem steht nicht die Bestimmung des § 102 Abs 2 Nr 2 AFG iVm § 74 SGB V entgegen, wonach eine Beschäftigung dann nicht kurzzeitig ist, wenn wegen einer stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben 18 Stunden wöchentlich nicht erreicht werden. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, stellt eine mehr als siebeneinhalbwöchige Beschäftigung (vom 21.09.1992 bis 10.11.1992 und vom 10.02.1993 bis 27.05.1993) keinen kurzzeitigen Arbeitsversuch dar. Dagegen spricht ferner, dass die zuständige IKK eine Arbeitsunfähigkeit über den 20.09.1992 hinaus nicht bestätigt hat und entsprechende ärztliche Anordnungen für eine stufenweise Wiedereingliederung nicht vorliegen.
Die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge obliegt gemäß § 28e Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) dem Arbeitgeber, (§ 28g Satz 1 und 2 SGB IV). Führt der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nicht ab, so muss der Arbeitnehmer (hier die Klägerin) dies gegenüber dem Arbeitgeber rügen Dies ist offensichtlich nicht geschehen, obwohl der Klägerin aufgrund ihrer genauen Aufzeichnungen über den Umfang ihrer täglichen Beschäftigung und der niedrigeren Gehaltshöhe hätte auffallen müssen, dass ihre Tätigkeit unter der arbeitsvertraglich vereinbarten Beschäftigungszeit von vier Stunden blieb. Die Klägerin kann nicht so gestellt werden, als sei die Tätigkeit bei der Fa ... GmbH, beitragspflichtig gewesen. Denn die Voraussetzungen hierfür liegen offensichtlich nicht vor.
Die Berufung gegen das Urteil des SG Würzburg vom 23.03.1997 war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) an die Klägerin ab dem 22.12.1994.
Die am ...1938 geborene Klägerin war vom 15.01.1992 bis 31.08.1993 als Reinigungskraft bei der Fa ... GmbH, Nürnberg, beschäftigt. Laut Arbeitsvertrag war eine Arbeitszeit von vier Stunden täglich an fünf bis sechs Wochentagen vereinbart. Der Arbeitsplatz der Klägerin war zunächst das ...krankenhaus in Bad ..., ab April 1992 auch das Diagnostikum der ...-Klinik der BfA. Im Juni 1992 arbeitete die Klägerin an 22 Tagen insgesamt 89 Arbeitsstunden.
Am 29.06.1992 erlitt sie im ...krankenhaus einen Unfall, aufgrund dessen sie vom 29.06.1992 bis 14.08.1992 und vom 18.08. bis 28.08.1992 stationär behandelt wurde. Nach Ende der Lohnfortzahlung zum 10.08.1992 bezog sie über die Innungskrankenkasse (IKK) Nürnberg-Fürth vom 11.08. bis 20.09.1992 Verletztengeld zu Lasten des zuständigen Unfallversicherungsträgers.
Vom 21.09.1992 bis 10.11.1992 arbeitete die Klägerin erneut als Reinigungskraft im Diagnostikum der ...-Klinik in Bad ... Ihre Arbeitszeit begrenzte sie dabei auf 15 Wochenstunden.
Vom 11.11.1992 bis 01.01.1993 war die Klägerin wieder arbeitsunfähig und bezog Verletztengeld.
Vom 04.01.1993 bis 03.02.1993 nahm die Klägerin Urlaub.
Vom 10.02.1993 bis 27.05.1993 war sie erneut als Reinigungskraft mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 15 Stunden tätig. Vom 28.05. bis 25.06.1993 befand sich die Klägerin in Urlaub, vom 27.06.1993 bis 10.07.1993 war sie wiederum arbeitsunfähig. Im Zeitraum vom 12.07. bis 15.07.1993 arbeitete sie mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 22,5 Stunden. Vom 15.07.1993 bis 11.01.1995 war die Klägerin arbeitsunfähig und erhielt nach Ende der erneuten Lohnfortzahlung ab dem 27.08.1993 bis 11.01.1995 Kranken- bzw Übergangsgeld.
Nach erfolgter Arbeitgeberkündigung schloss die Klägerin im anschließenden Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht Würzburg - Kammer Schweinfurt - (Az: 10 Ca 1113/93 S) am 02.02.1994 mit ihrer Arbeitgeberin einen Vergleich, wonach ihr Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.08.1993 aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Kündigung vom 11.08.1993 endete. Die Arbeitgeberin verpflichtete sich zur Zahlung einer Abfindung von 2.000,00 DM an die Klägerin.
Am 22.12.1994 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 20.06.1995 ab. Die Klägerin erfülle nicht die Anwartschaftszeit, weil sie innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung nicht mindestens 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden habe. Mit Bescheid vom 07.07.1995 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab dem 12.01.1995.
Den gegen den Bescheid vom 20.06.1995 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.09.1995 zurück. Innerhalb der Rahmenfrist vom 22.12.1991 bis 21.12.1994 habe die Klägerin nur für die Dauer von 138 Kalendertagen in einem beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Ab Juni 1992 sei ihre wöchentliche Arbeitszeit auf 15 Stunden reduziert und für die Zeit des Verletztengeldbezuges ab dem 11.08.1992 seien keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung bezahlt worden.
Dagegen hat die Klägerin am 30.10.1995 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Die Arbeitsbescheinigung ihres früheren Arbeitgebers sei aufgrund des zwischenzeitlich durchgeführten Kündigungsschutzprozesses nicht als neutral zu bezeichnen. Sie habe im Widerspruchsverfahren Kalenderaufzeichnungen aus dem Jahr 1993 vorgelegt, aus denen sich ergebe, dass sie länger gearbeitet habe. Bei der Arbeitsaufnahme im September 1992 habe es sich um einen Arbeitsversuch gehandelt, bei dem auf ärztliches Anraten die Arbeitszeit auf drei Stunden täglich begrenzt worden sei. Eine Abänderung des beitragspflichtigen Arbeitsverhältnisses sei damit nicht verbunden gewesen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 23.03.1999 abgewiesen. In der Rahmenfrist vom 22.12.1991 bis 21.12.1994 habe die Klägerin lediglich vom 15.01.1992 bis 20.09.1992 eine Anwartschaftszeit zurückgelegt, so dass die gesetzliche Voraussetzung einer Beschäftigung von 360 Kalendertagen nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nicht erfüllt sei. Ab dem 21.09.1992 habe sie lediglich ein kurzzeitiges Beschäftigungsverhältnis aufgenommen. Die Bestimmung des § 74 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sei nicht anwendbar, denn die Klägerin habe auf Anraten ihres Arztes nicht nur vorübergehend drei Stunden täglich gearbeitet, sondern insgesamt siebeneinhalb Wochen bis einschließlich 10.11.1992. Für diesen Zeitraum habe keine AU-Bescheinigung für die Klägerin vorgelegen. Nach Auskunft der IKK Nürnberg-Fürth sei auch keine stufenweise Wiedereingliederung der Klägerin beabsichtigt gewesen. Im Zeitraum vom 10.02.1993 bis 27.05.1993, also für 15 Wochen, habe sie nicht mehr als drei Stunden täglich gearbeitet. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus ihren "Tagebuch-Aufzeichnungen". Eine arbeitsrechtliche Änderungsvereinbarung, deren Abschluss die Klägerin bestreite, sei unerheblich, da es nach der klaren Fassung der Vorschrift des § 74 SGB V allein auf die prognostisch zu beurteilenden tatsächlichen Verhältnisse ankomme. Im Übrigen habe die Klägerin ihren Verdienstbescheinigungen entnehmen können, dass keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung vom Arbeitgeber abgeführt worden waren, dies jedoch nicht beanstandet.
Gegen das ihr am 28.06.1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 07.07.1999 Berufung beim Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) eingelegt.
Die Klägerin trägt vor, sie habe nach ihrem Arbeitsvertrag vier Stunden beschäftigt werden müssen, sei aber lediglich drei Stunden im Diagnostikum der ...-Klinik eingesetzt worden. Es habe sich dabei um einen Arbeitsversuch gehandelt, da sie ihre Tätigkeit als Raumpflegerin nicht mehr habe ausüben können. Ihr Arbeitsvertrag sei nicht stillschweigend geändert worden. Im Übrigen habe sie keine Gehaltsabrechnungen mehr erhalten, so dass ihr nicht habe auffallen können, dass keine Sozialversicherungsbeiträge für sie mehr abgeführt wurden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG Würzburg vom 23.06.1999 und den Bescheid der Beklagten vom 20.06.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.1995 aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von Alg ab 12.01.1995 zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Für einen Alg-Anspruch sei die Kenntnis von der Beitragspflicht nicht maßgeblich. Die Klägerin habe der Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen, so dass sie sich nicht darauf berufen könne, der Arbeitgeber habe ohne ihre Billigung keine Beiträge mehr abgeführt.
Auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakten des SG wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG).
Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet, denn das SG hat die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 20.06.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.09.1995 zu Recht abgewiesen.
Anspruch auf Alg hat nach § 100 Abs 1 AFG, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Die Anwartschaft nach § 104 AFG erfüllt, wer in der Rahmenfrist, die dem ersten Tage der Arbeitslosigkeit unmittelbar vorausgeht (§ 104 Abs 2), 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung im Sinne des § 168 AFG gestanden hat.
Innerhalb der Rahmenfrist (22.12.1991 bis 21.12.1994) stand die Klägerin vom 15.01.1992 bis 31.05.1992 (= 138 Kalendertage) in einem beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis bei der Fa ... GmbH, Nürnberg. Für die Zeit des Verletztengeldbezuges vom 11.08.1992 bis 20.09.1992 (= 41 Tage) bestand Beitragspflicht zur Beklagten nach § 186 Abs 1 Satz 1 AFG; zur Begründung der Anwartschaft steht diese Zeit einer beitragspflichtigen Beschäftigung gleich (§ 107 Satz 1 Nr 5a AFG). Gleiches gilt für den Zeitraum vom 11.11.1992 bis 01.01.1993 (= 52 Tage).
Im Zeitraum vom 10.02.1993 bis 27.05.1993 und ab dem 25.09.1992 war die Klägerin jedoch lediglich kurzzeitig beschäftigt, da sie weniger als 18 Stunden wöchentlich eine Tätigkeit ausübte (§ 102 Abs 1 AFG). Diese war nicht beitragspflichtig (§ 169a Abs 1 Satz 1 AFG). Dem steht nicht die Bestimmung des § 102 Abs 2 Nr 2 AFG iVm § 74 SGB V entgegen, wonach eine Beschäftigung dann nicht kurzzeitig ist, wenn wegen einer stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben 18 Stunden wöchentlich nicht erreicht werden. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, stellt eine mehr als siebeneinhalbwöchige Beschäftigung (vom 21.09.1992 bis 10.11.1992 und vom 10.02.1993 bis 27.05.1993) keinen kurzzeitigen Arbeitsversuch dar. Dagegen spricht ferner, dass die zuständige IKK eine Arbeitsunfähigkeit über den 20.09.1992 hinaus nicht bestätigt hat und entsprechende ärztliche Anordnungen für eine stufenweise Wiedereingliederung nicht vorliegen.
Die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge obliegt gemäß § 28e Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) dem Arbeitgeber, (§ 28g Satz 1 und 2 SGB IV). Führt der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nicht ab, so muss der Arbeitnehmer (hier die Klägerin) dies gegenüber dem Arbeitgeber rügen Dies ist offensichtlich nicht geschehen, obwohl der Klägerin aufgrund ihrer genauen Aufzeichnungen über den Umfang ihrer täglichen Beschäftigung und der niedrigeren Gehaltshöhe hätte auffallen müssen, dass ihre Tätigkeit unter der arbeitsvertraglich vereinbarten Beschäftigungszeit von vier Stunden blieb. Die Klägerin kann nicht so gestellt werden, als sei die Tätigkeit bei der Fa ... GmbH, beitragspflichtig gewesen. Denn die Voraussetzungen hierfür liegen offensichtlich nicht vor.
Die Berufung gegen das Urteil des SG Würzburg vom 23.03.1997 war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
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