L 10 AL 21/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AL 458/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 21/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 24.10.2000 und der Bescheid vom 27.05.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.1998 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab 01.04.1998 dem Grunde nach Arbeitslosengeld zu gewähren.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin als Gesellschafterin/Geschäftsführerin der G. GmbH Arbeitnehmerin war und dadurch einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) erworben hat.

Die am 1941 geborene Klägerin war von 1958 bis 1963 als Bürokraft (einschl. Lehrzeit) tätig, wechselte von 1964 bis 1985 in die Familienphase, arbeitete von 1986 bis 1988 als Büroangestellte und war von 1989 bis 31.03.1998 Geschäftsführerin der G. Planungsbüro für Metalltechnik GmbH. Diese war gemäß Gesellschaftsvertrag vom 03.04.1989 von der am 1968 geborenen Tochter der Klägerin A. G. (Kapitalanteil 40 vH), die Philologie studierte, und dem Schwiegersohn (der anderen Tochter G.) T. S. (Kapitalanteil 60 vH) mit dem Mindeststammkapital von 50.000,00 DM gegründet worden. Über das für den Gesellschaftszweck Planung, Vertrieb und Beratung auf dem Gebiet der Metallbautechnik erforderliche technische Knowhow verfügte allein der Ehemann der Klägerin, Herr Dipl.Ing. G. G ... Im notariellen Gründungsvertrag vom 03.04.1989 wurde die Klägerin zur allein vertretungsberechtigten Geschäftsführerin bestellt, von Beschränkungen der Vertretungsmacht befreit einschl. dem Verbot des Selbstkontrahierens und zur Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister bevollmächtigt. Mit Vertrag vom 19.07.1989 übertrug der Gesellschafter T. S. einen hälftigen Gesellschaftsanteil (15.000,00 DM) an die Klägerin, den anderen auf die Gesellschafterin A. G ...

Im Geschäftsführerdienstvertrag vom 19.07.1989 - abgeschlossen von der GmbH vertreten durch A. G. , sowie der Klägerin - wurde diese mit dem kaufmännischen Bereich betraut zu einem Monatsgehalt von brutto 3.500,00 DM bei 40 Stunden/Woche. Vereinbart wurden ua Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für sechs Monate, Urlaub von 30 Arbeitstagen, eine Tantieme von 5 % des Jahresüberschusses sowie eine Laufzeit bis 31.12.1994 bei Verlängerung um jeweils drei Jahre im Falle der Nichtkündigung, wobei eine Kündigungsfrist von sechs Monaten galt. Im Übrigen war der Geschäftsführervertrag nur in Sonderfällen aus wichtigem Grund kündbar. Neben der Klägerin beschäftigte die GmbH nur noch ihren Ehemann, so dass dieser für den fachlichen/technischen Bereich und sie selbst für den Bürobereich zuständig war. Die drei Geschäftsräume der GmbH - mit separatem Eingang - befanden sich im Wohngebäude der Eheleute.

Der Geschäftsbetrieb endete, als der Ehemann der Klägerin schwer erkrankte, durch Gesellschafterbeschluss vom 10.12.1997, mit dem die Klägerin gleichzeitig beauftragt wurde, sich unverzüglich die Kündigung des Geschäftsführervertrages auszusprechen.

Auf Arbeitslosmeldung vom 25.03.1998 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27.05.1998 (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 10.07.1998) die Bewilligung von Alg ab , weil die Klägerin mangels Beschäftigung als Arbeitnehmerin keine Alg-Anwartschaft erworben habe. Sie sei als GmbH-Gesellschafterin/Geschäftsführerin nicht als weisungsabhängige Arbeitnehmerin beschäftigt gewesen.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Würzburg (SG) hat die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.05.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.07.1998 zu verurteilen, der Klägerin Arbeitslosengeld ab 01.04.1998 zu zahlen. Sie hat zur Begründung ausgeführt, sie habe in einer abhängigen, versicherungspflichtigten Beschäftigung zur G. GmbH gestanden. Sie sei Weisungen der Gesellschafterversammlung unterworfen gewesen, habe deren Zustimmung in Bezug auf bestimmte Geschäfte benötigt, ihr seien der Dienstort sowie die Arbeitszeit vorgegeben worden. Aus den Niederschriften der Gesellschafterversammlung vom 15.06.1993 sowie 17.12.1995 ergebe sich, dass sie gegen ihre eigene Stimme Weisungen erhalten habe. Sie sei Minderheitengesellschafterin gewesen, eine Sperrminorität habe sie nicht besessen. Die Landesversicherungsanstalt Unterfranken habe im Rahmen einer Betriebsprüfung am 06.05.1996 eine beitragspflichtige Beschäftigung anerkannt. Allein familienrechtliche Bindungen rechtfertigten es nicht, eine abhängige Beschäftigung zu verneinen.

Nach Ladung als Zeugin hat die Gesellschafterin A. G. von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht gebrauch gemacht, jedoch schriftlich angegeben, wichtige Entscheidungen seien in der Gesellschafterversammlung getroffen und von der Zeugin maßgeblich beeinflusst worden. Die Bürozeit der Klägerin habe arbeitstäglich 7,5 Stunden (8.30 Uhr bis 17.00 Uhr bei Mittagspause zwischen 12.30 Uhr und 13.30 Uhr - im Einzelfall abhängig vom Geschäftsvorfall -) umfasst.

Das SG hat mit Urteil vom 24.10.2000 die Klage abgewiesen und auf Grund einer Gesamtschau eine Beschäftigung als Arbeitnehmerin verneint. Die Klägerin habe ihre Tätigkeit in einem durch familienhafte Rücksichtnahme und nicht durch ein Direktionsrecht geprägten Verhältnis ausgeübt. Sie habe maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft gehabt, weil ihre Tochter A. nur formell Gesellschafterin gewesen sei, der zudem die Fachkunde zur Führung der GmbH gefehlt habe. Die Tochter habe deshalb ihre Stellung als Gesellschafterin nur unmaßgeblich wahrnehmen können, zumal der Vater G. G. allein über das fachliche Knowhow verfügt habe. Die Klägerin selbst habe die Arbeitsbescheinigung und den Feststellungsbogen der Beklagten ausgefüllt und unterzeichnet. Die vorgelegten Niederschriften von Gesellschafterversammlungen zeigten nicht, dass die Klägerin gegenüber der Versammlung untergeordnet gewesen sei.

Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, ein GmbH-Geschäftsführer sei grundsätzlich abhängig beschäftigt, eine Organstellung schließe Abhängigkeit nicht aus. Die Minoritätsbeteiligung ohne Sperrwirkung indiziere eine abhängige Beschäftigung, dieses Indiz sei nicht durch die tätsächlichen Umstände entkräftet. Das SG habe übersehen, dass in einer Familien-GmbH die tatsächliche Ausübung des Weisungsrechts von der Sache her eingeschränkt sei. Die Frage der Fachkunde der Tochter A. sei nicht maßgeblich. Die Klägerin habe die Bescheinigungen für die Beklagte als einzige Geschäftsführerin ausfüllen müssen, weil eine andere Person hierfür nicht zur Verfügung gestanden habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 24.10.2000 und den Bescheid der Beklagten vom 27.05.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab dem 01.04.1998 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Würzburg vom 24.10.2000 zurückzuweisen.

Der Senat hat die Leistungsakte der Beklagten beigezogen und diese ebenso wie die Akten beider Rechtszüge zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Auf diese Akten wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung ist begründet. Die Klägerin hat durch eine versicherungspflichtige Tätigkeit als Geschäftsführerin der G. GmbH die Anwartschaftszeit erfüllt und dadurch nach Arbeitslosmeldung zum 01.04.1998 einen Anspruch auf Alg erworben. In diesem Anspruch wird die Klägerin durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 27.05.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.1998 verletzt. Diese Entscheidung sowie das Urteil des SG Würzburg vom 24.10.2000 werden aufgehoben und die Beklagte zur Bewilligung von Alg verurteilt.

Die Klägerin hatte ab 01.04.1998 alle Voraussetzungen eines Alg-Anspruches gem § 117 Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) erfüllt. Aus dem gesamten Akteninhalt ergibt sich, dass die Klägerin ab diesem Zeitpunkt arbeitslos war iS §§ 117 Abs 1 Nr 1, 118 SGB III, insbesondere nicht (mehr) in einem Beschäftigungsverhältnis stand, eine Beschäftigung suchte und verfügbar war (§ 119 Abs 1, 2 SGB III). Ebenso hatte sich die Klägerin persönlich arbeitslos gemeldet (§§ 117 Abs 1 Nr 2, 122 SGB III). Diese Voraussetzungen sind auch unter den Beteiligten nicht streitig. Zusätzlich hatte die Klägerin die Anwartschaftszeit erfüllt gem § 117 Abs 1 Nr 3 SGB III. Diese hat erfüllt, wer in einer Rahmenfrist von drei Jahren, die rückwirkend ab der Erfüllung des Anspruches auf Alg im Übrigen berechnet wird - hier also ab 01.04.1998 - mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (§§ 123, 124 SGB III). In einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehen Personen, die als Beschäftigte gegen Arbeitsentgelt oder zur Berufsausbildung beschäftigt sind (§§ 24, 25 SGB III).

Zur Bestimmung des Begriffs des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses sind die für die Abgrenzung der Arbeitnehmer von den Selbstständigen im Beitragsrecht der Arbeitslosenversicherung entwickelten Grundsätze heranzuziehen. Arbeitnehmer sind danach Personen, die - gemäß dem ergänzend anzuwendenden § 7 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) - nicht selbstständig in Arbeit stehen, sondern von einem Arbeitgeber persönlich abhängig sind (st.Rspr. vgl BSG SozR Nr 5 zu § 1 AVG aF; SozR 2100 § 7 Nr 7; SozR 3-4100 § 168 Nr 16, 22; SozR 3-4100 § 141 b Nr 17). Dies zeigt sich an der Eingliederung in einen Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers, insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung. Dieses Weisungsrecht kann erheblich eingeschränkt sein insbesondere bei Tätigkeiten höherer Art oder falls familiäre Zusammengehörigkeit die Tätigkeit prägt, denn unter Ehegatten sowie innerhalb von Eltern-Kind-Beziehungen ist das Weisungsrecht im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt (vgl BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 11). Demgegenüber wird die selbstständige Tätigkeit durch ein Unternehmerrisiko sowie durch das Recht und die Möglichkeit gekennzeichnet, über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei zu verfügen (vgl BSG NZA 1990, 950).

Auch die Frage, wann Gesellschafter/Geschäftsführer einer GmbH persönlich abhängig in einem Arbeitsverhältnis stehen, entscheidet sich nach den genannten Kriterien. Geschäftsführer einer GmbH sind demnach nicht allein wegen ihrer Organgstellung oder wegen der Ausübung von Arbeitgeberfunktionen von einer abhängigen Beschäftigung ausgeschlossen. Abhängigkeit kann vielmehr aus einer Bindung des Geschäftsführers an ein Weisungen erteilendes willensbildendes Organ, in der Regel die Gesamtheit der Gesellschafter, resultieren (BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 8 S 15). Allerdings ist anerkannt, dass eine abhängige Beschäftigung nicht vorliegt, wenn der Geschäftsführer an der Gesellschaft beteiligt ist und allein oder jedenfalls mit Hilfe seiner Gesellschafterrechte die für ein Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann. Dies ist dann der Fall, wenn der Geschäftsführer (1.) über die Hälfte des Stammkapitals verfügt, (2.) er eine Sperrminorität inne hat, mit der er nicht genehme Weisungen der Gesellschaft verhindern kann oder (3.) hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort der Tätigkeit im Wesentlichen weisungsfrei ist und wirtschaftlich gesehen die Tätigkeit nicht für eine fremdes sondern für ein eigenes Unternehmen ausübt (vgl BSGE 13, 196, 200; BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 8 S 16 mwN). Maßgeblich sind dabei alle Umstände des Einzelfalles, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Vordergrund steht. Sie tritt allerdings dann zurück, falls die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend davon abweichen (vgl BSG Dienstblatt 4201 a § 168 AFG; BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 22 S 62/63 mwN).

Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den zu entscheidenden Fall ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin entsprechend § 10 Abs 3 des notariellen Gesellschaftsvertrages vom 03.04.1989 idF des notariellen Vertrages vom 19.07.1989 weder über eine Stimmenmehrheit noch über eine Sperrminorität verfügte. Wie der Beschluss zur Auflösung der Gesellschaft vom 10.12.1997 beweist, war auch die tatsächliche Durchführung dieses Gesellschaftsvertrages nicht anders, denn in diesem Beschluss wurde die Auflösung der Gesellschaft und die Kündigung des Geschäftsführervertrages mit der Klägerin gegen deren Willen beschlossen.

Die Bestimmungen des Geschäftsführerdienstvertrages vom 19.07.1989 zeigen auch, dass die Klägerin nach der vertraglichen Gestaltung Arbeitnehmerin war. Zentrale Entscheidungsbefugnisse eines Arbeitgebers, nämlich Personal-, Organisations- und Finanzfragen waren der Entscheidungsgewalt der Klägerin im Wesentlichen entzogen. Einstellungen und Entlassungen von Arbeitnehmern mit einem Jahreseinkommen von mehr als 40.000,00 DM brutto durfte die Klägerin nicht vornehmen. Verwaltung, Organisation oder Vertrieb, Einstellung oder wesentliche Einschränkung betriebener Geschäftszweige oder die Aufnahme neuer Geschäftszweige waren der Klägerin verwehrt. Verbindlichkeiten mit einem Risiko von über 50.000,00 DM, die Gewährung von Sicherheiten aller Art, Bewilligung von Krediten sowie die Einleitung von Rechtsstreitigkeiten mit einem Gegenstandswert von mehr als 20.000,00 DM durfte die Klägerin nicht abschließen. Die Klägerin erhielt ein Bruttogehalt von 3.500,00 DM monatlich, was ein für Bürotätigkeiten übliches Gehalt darstellt (Durchschnittsentgelt der Rentenversicherung 1989: 40.030,60 DM, vergl Anl 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch -SGB VI-). Die Erhöhung des monatlichen Bruttogehaltes war, wie bei Arbeitnehmern üblich, an die Entwicklung eines Gehaltstarifes, nämlich des Metalltarifes, gebunden. Die Klägerin hatte Anspruch auf Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall, wobei ihr entsprechend damals im Metallbereich tarifunüblichen Bestimmungen bei der Fortzahlung über den gesetzlichen Entgeltfortzahlungsreitraum hinaus das Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung angerechnet wurde. Sie hatte Anspruch auf einen Jahresurlaub von 30 Tagen, der mit Rücksicht auf die Belange der GmbH genommen werden musste. Schließlich war die Klägerin zur Geheimhaltung verpflichtet, bedurfte zur Ausübung von Nebentätigkeiten der vorausgegangenen Zustimmung der Gesellschafter und sie war einem Wettbewerbsverbot unterworfen.

Anhaltspunkte dafür, dass die Durchführung des Geschäftsführerdienstvertrages von den schriftlichen Bestimmungen abwich, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil beweisen die Beschlüsse vom 14.04.1996 (Abschluss Leasingvertrag Pkw Ford Scorpio), 15.06.1993 (Anhebung Kreditrahmen auf 150.000,00 DM) sowie vom 17.12.1995 (Abschluss Berufshaftpflicht), dass die Klägerin tatsächlich in zentralen Bereichen eines Arbeitgebers keine Entscheidungsgewalt hatte. Aus dem Beschluss vom 26.07.1991 ist ersichtlich, dass es für eine Gehaltserhöhung eines formellen Gesellschafterbeschlusses bedurfte. Zudem ist den schriftlichen Angaben der Tochter zur Arbeitszeit der Klägerin zu entnehmen, dass diese ihre Tätigkeiten nicht nach Belieben beginnen oder beenden konnte, sondern übliche Bürozeiten zu berücksichtigen hatte. Schließlich ergeben die Gesellschaftsbeschlüsse vom 21.09.1997 und vom 10.12.1997, dass die Klägerin die wirtschaftlichen Geschicke der GmbH gerade nicht bestimmt hat. Denn der Planungsauftrag D. Bauteil E wurde von der Gesellschaft nur übernommen, nachdem der Ehemann der Klägerin wegen seines Knowhow zur Gesellschafterversammlung beigezogen worden war und er seine Zustimmung erteilt hatte. Als nur knapp drei Monate später der Ehemann der Klägerin schwer erkrankte, wurde - ohne die Stimme der Klägerin - die Beendigung der Gesellschaft beschlossen.

Für eine abhängige Beschäftigung der Klägerin spricht schließlich auch, dass sie in der Firma die erlernten Tätigkeiten im Verwaltungs- und Bürowesen ausgeübt hat, die sie vorher von 1986 bis 1988 in einem Angestelltenverhältnis getätigt hatte.

Der Senat übersieht bei dieser Entscheidung nicht, dass die Mehrheitsgesellschafterin, die Tochter A. , studienbedingt die meiste Zeit nicht am Arbeitsort der Klägerin anwesend war und dabei von ihrem Weisungsrecht nicht täglich Gebrauch gemacht hat. Eine dauernde oder überwiegende Anwesenheit des Arbeitgebers ist jedoch zur Ausübung der Weisungsbefugnis nicht erforderlich. Insoweit ist wesentlich, dass die Tochter A. - wie dargelegt - auch tatsächlich von ihrer Entscheidungsbefugnis Gebrauch gemacht hat. Der Senat verkennt auch nicht, dass die Klägerin ihre Tätigkeit im privaten Wohnhaus ausgeübt hat, sie also stets ohne weiteres vom Wohn- in den Arbeitsbereich und wieder zurück wechseln konnte, so dass ihre Arbeitszeiten nicht ohne weiteres nachprüfbar waren. Der Senat misst dem aber im Verhältnis zu dem Ausgeführten kein Übergewicht zu, sondern hält die Besonderheit der Tätigkeitsausübung mit den üblichen Verhältnissen in einer Familienfirma für vereinbar.

Ebensowenig ergibt sich aus der für mehrere Jahre erfolgten Festanstellung der Klägerin sowie der langen Kündigungsfrist eine Arbeitgeberstellung der Klägerin, obgleich derartige Regelungen nicht für ein Arbeitsverhältnis typisch sind. Denn wie der Auflösungsbeschluss vom 10.12.1997 beweist, musste sich die Klägerin gegen ihren erklärten Willen die Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt aussprechen. Sie besaß damit keinen arbeitnehmeruntypischen faktischen Kündigungsschutz.

Schließlich kann auch die Abhaltung der Gesellschafterversammlungen am Wohnort der Klägerin und die Tatsache der jeweiligen Einberufung unter Verzicht auf sämtliche Form- und Fristbestimmungen keine andere Entscheidung herbeiführen, da diese Handhabung in Familienunternehmen üblich ist und familiäre Beziehungen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis allein nicht verhindern können.

Die Berufung hat damit in vollem Umfang erfolg.

Kosten: § 193 SGG.

Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved