Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 AL 142/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 249/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 30. Juni 1999 abgeändert. Der Bescheid des Arbeitsamtes Memmingen vom 22. Januar 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. März 1997 wird insoweit aufgehoben, als die Aufhebung der Bewilligung des Arbeitslosengeldes und die festgesetzte Erstattung über den Unterschiedsbetrag zwischen den Leistungsgruppen C und B hinausgehen. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im 1. und 2. Rechtszug zu einem Drittel.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld und die Erstattung von Leistungen.
Der 1951 geborene Kläger war seit 1982 mit der W. H. verheiratet, mit der er drei gemeinsame Kinder hat. 1993 musste er seine Tätigkeit als Maschinist in einem Kieswerk aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen aufgeben. Er nahm anschließend auf Kosten der LVA Schwaben an einem Reha-Vorbereitungslehrgang und an einem beruflichen Praktikum für Erwachsene teil und bezog Übergangsgeld. Am 07.02.1995 meldete er sich ab 25.03.1995 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.
Auf seiner Lohnsteuerkarte 1995, die er anläßlich seines Antrags vorlegte, war zu diesem Zeitpunkt die Lohnsteuerklasse 3, auf der Lohnsteuerkarte seiner Ehefrau die Lohnsteuerklasse 5 eingetragen.
Mit Bescheid vom 07.04.1995 bewilligte das Arbeitsamt dem Kläger ab 25.03.1995 Arbeitslosengeld in Höhe von wöchentlich 386,40 DM unter Zugrundelegung der der Lohnsteuerklasse 3 entsprechenden Leistungsgruppe C/1.
Ab 08.08.1995 hob das Arbeitsamt die Bewilligung des Arbeitslosengeldes auf. Der Kläger unterzog sich vom 08.08.1995 bis 17.10.1995 einer Kur und bezog Übergangsgeld.
Am 26.05.1995 hatte die Verwaltungsgemeinschaft M. die Lohnsteuerkarten 1995 der Eheleute H., die nunmehr getrennt lebten, mit Wirkung ab 01.06.1995 geändert, die Lohnsteuerklasse des Klägers auf 2, die der Ehefrau auf 1. Am 26.09.1995 stellte die Verwaltungsgemeinschaft dem Kläger die Lohnsteuerkarte 1996 aus und zwar zunächst auf Lohnsteuerklasse 1. Am 23.10.1995 wurde die auf der Lohnsteuerklasse 1996 für den Kläger eingetragene Lohnsteuerklasse in Steuerklasse 2 abgeändert.
Am 19.10.1995 meldete sich der Kläger im Anschluss an die Kur erneut arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.
Die Zeugin G. , seinerzeit H. , bei der er als zuständiger Vermittlerin vorsprach, vermerkte unter dem 19.10.1995: "War wegen psychosomatischer Beschwerden (lebt in Trennung) u.a. auf Kur, Bescheinigung für VHS ausgestellt- macht dort derzeit EDV-Kurs. Förderung über Arbeitsamt nicht möglich".
Am 23.10.1995 reichte der Kläger den ihm ausgehändigten Antragsvordruck bei der Zeugin J. , seinerzeit Antragsannehmerin, ein. Diese gab ihm den Antragsvordruck zur weiteren Ergänzung nochmals zurück. Am 30.10.1995 gab der Kläger den Antrag endgültig ab.
Der Antragsvordruck weist in Nr.6 darauf hin, dass die Fragen in den nachfolgenden Feldern Nr.7 bis Nr.14 bereits in früheren Anträgen beantwortet worden seien; eine erneute Beantwortung sei daher nur dann erforderlich, wenn sich seit dem letzten Bezug von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Arbeitslosenbeihilfe in den Verhältnissen des Arbeitslosen etwas geändert habe, was Auswirkungen auf den Leistungsanspruch haben könne. Habe sich zu einem der genannten Felder etwas geändert, so möge der Arbeitslose alle Fragen in dem betreffenden Feld beantworten, habe sich zu einem Feld nichts geändert, so möge er dies durch Ankreuzen des entsprechenden Kästchens für die Nr.7 bis 14 zum Ausdruck bringen.
Angekreuzt als Nicht-Änderungsfall ist mit dem grünen Stift der Antragsannehmerin u.a. das Kästchen Nr.8. In dem Feld Nr.8 wird u.a. nach einer Änderung der Steuerklasse im Laufe des Jahres gegenüber der zu Beginn des Jahres geltenden Steuerklasse gefragt, des Weiteren nach der für das folgende Jahr geltenden Lohnsteuerklasse für den Fall, dass die Lohnsteuerkarte für das folgende Jahr bereits vorliegt. In beiden Feldern findet sich keine Eintragung.
Der Antrag ist vom Kläger eigenhändig unterschrieben.
Mit Bescheid vom 15.11.1995 bewilligte das Arbeitsamt dem Kläger ab 19.10.1995 Arbeitslosengeld wiederum in Höhe von wöchentlich 386,40 DM unter Zugrundelegung der der Lohnsteuerklasse 3 entsprechenden Leistungsgruppe C/1. Mit Bescheid vom 04.01.1996 hob das Arbeitsamt das Arbeitslosengeld nach Maßgabe der Leistungsverordnung 1996 ab 01.01.1996 weiterhin unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe C/1 auf 420,60 DM wöchentlich an, mit Dynamisierungsbescheid vom 14.03.1996 weiterhin unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe C/1 ab 01.03.1996 auf 427,80 DM.
Am 02.12.1996 war der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld erschöpft. Am 13.11.1996 reichte er den von ihm ausgefüllten Antrag auf Anschluss-Arbeitslosenhilfe ein. Darin war angegeben, dass zu Jahresbeginn die Lohnsteuerklasse 1 auf der Lohnsteuerkarte eingetragen gewesen sei sowie auch, dass die Lohnsteuerklasse ab 01.01.1996 auf 2 geändert worden sei.
Auf Nachfrage teilte die Einwohnermeldestelle der Verwaltungsgemeinschaft M. der Zeugin K. , seinerzeit Sachbearbeiterin in der Leistungsabteilung, am 14.11.1996 telefonisch mit:"Für den Kläger sei für 1996 die Lohnsteuerklasse 2, für 1997 die Lohnsteuerklasse 1 eingetragen worden. Er sei aufgefordert worden, die Eintragung auf der Lohnsteuerkarte für 1996 auf Lohnsteuerklasse 1 ändern zu lassen, da die Kinder seit September 1995 bei der Mutter lebten.
Das Arbeitsamt hatte zu diesem Zeitpunkt das Arbeitslosengeld bis zum 06.11.1996 überwiesen. Mit Bescheid vom 19.11.1996 setzte das Arbeitsamt das Arbeitslosengeld für den Restzeitraum vom 07.11.1996 bis 02.12.1996 unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe A/1 auf wöchentlich 350,40 DM herab, mit Bescheid vom 04.12.1996 bewilligte es dem Kläger ab 03.12.1996 Anschluss-Arbeitslosenhilfe in Höhe von 272,40 DM wöchentlich unter Zugrundelegung weiterhin der Leistungsgruppe A/1.
Nach Aufforderung zur Stellungnahme, auf die der Kläger nicht reagierte, hob das Arbeitsamt die Bewilligung des Arbeitslosengeldes vom 01.01.1996 bis 06.11.1996 in Höhe von 3.420,90 DM auf und ordnete die Erstattung des überzahlten Betrages an. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld hätten für den Zeitraum vom 01.01.1996 bis 06.11.1996 in Höhe von insgesamt 3.420,90 DM nicht vorgelegen. Der Kläger habe zu Unrecht Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung der der Lohnsteuerklasse 3 entsprechend Leistungsgruppe C bezogen. Zugestanden hätten ihm jedoch lediglich Leistungen unter Zugrundelegung der der Lohnsteuerklasse 1 entsprechenden Leistungsgruppe A, nachdem er seit 1995 von seiner Ehefrau getrennt lebe und die Kinder sich nicht mehr in seinem Haushalt befänden. Vertrauensschutz könne der Kläger nicht beanspruchen, da er die Überzahlung durch seine unrichtigen bzw. unvollständigen Angaben herbeigeführt habe.
Der Kläger erhob Widerspruch: Er sei nicht schuld an der Überzahlung. Dem Arbeitsamt sei bekannt gewesen, dass er von seiner Ehefrau getrennt lebe. Er habe dies mehrfach gesagt, z.B. seiner Arbeitsvermittlerin H. sowie dem Reha-Berater D ... Außerdem hätten seine Rechtsanwälte der von ihm getrennt lebenden Ehefrau und dem Jugendamt M. im Zuge der Durchführung des Unterhaltsvorschussgesetzes Bescheinigungen über die ihm vom Arbeitsamt gewährten Leistungen zugesandt. Die Gründe für die Anforderung dieser Bescheinigungen seien dem Arbeitsamt genannt worden. Schließlich habe auch die Sachbearbeiterin K. wegen seiner Lohnsteuerklasse in der Verwaltungsgemeinschaft M. nachgefragt.
Die Zeugin G. , seinerzeit H. , äußerte sich in einem Aktenvermerk vom 12.02.1997 zur Vorsprache des Klägers anläßlich seiner Arbeitslosmeldung vom 19.10.1995. Es treffe zu, dass der Kläger erwähnt habe, dass er getrennt lebe; sie habe in diesem Zusammenhang aber keine Veranlassung gesehen, dies der Leistungsabteilung zu melden. In dem Gespräch sei es auch nicht um leistungsrechtliche Fragen, vielmehr nur um den Gemütszustand des Klägers und vermittlerische Dinge gegangen.
Laut Aktenvermerk über ein Telefonat vom 26.02.1997 teilte die Verwaltungsgemeinschaft M. mit: Die Verwaltungsgemeinschaft habe den Kläger im Dezember 1995 aufgefordert, die Lohnsteuerklasse für 1996 von 2 auf 1 zu ändern, da die Kinder bei der Mutter lebten. Dem sei der Kläger aber nicht gefolgt. Nach Auskunft der Finanzverwaltung sei eine diesbezügliche Änderung nicht möglich.
Das Arbeitsamt wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.1997 als unbegründet zurück. Es bleibe dabei, dass die Bewilligung des Arbeitslosengeldes in der Zeit vom 01.01.1996 bis 06.11.1996 in Höhe der Differenz zwischen dem Arbeitslosengeld nach Leistungsgruppe C, -wie vom Kläger bezogen -, und der Leistungsgruppe A aufgehoben werde. Zwar sei auf der Lohnsteuerkarte des Klägers für 1996 die Steuerklasse 2 eingetragen gewesen. Nach den tatsächlichen Verhältnissen habe ihm jedoch nur die einem getrennt lebenden Ehegatten ohne Kinder-Haushaltsfreibetrag zustehende Lohnsteuerklasse 1 und damit die Leistungsgruppe A zugestanden. Dies sei auch für die Höhe des ihm zustehenden Arbeitslosengeldes maßgeblich.
Vertrauensschutz könne der Kläger nicht in Anspruch nehmen. Es sei ihm ohne Weiteres möglich gewesen, die bei ihm eingetragene Steuerklasse anzugeben. Über seine Verpflichtung hierüber sei er durch die Hinweise im "Merkblatt für Arbeitslose" belehrt worden. Die Angabe seines Getrenntlebens im Vermittlungsgespräch vom 19.10.1995 könne den Kläger nicht entlasten. Er habe dabei nicht zum Ausdruck gebracht, dass dies leistungsrechtlich relevant sein könne.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben.
Er habe verschiedenen Mitarbeitern des Arbeitsamts mehrfach seine Situation dargelegt. Auch aus Anschreiben des Jugendamts und der Rechtsanwälte hätte das Arbeitsamt die Tatsache seines Getrenntlebens folgern können.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 30.06.1999 als unbegründet abgewiesen. Es hat sich den Ausführungen der Beklagten angeschlossen.
Der Kläger hat im Berufungsverfahren ergänzend vorgetragen:
Ein Merkblatt für Arbeitslose habe er entgegen seiner unterschriftlichen Bestätigung nie erhalten.
Als er am 19.10.1995 nach Rückkehr von der Kur bei der Zeugin H. vorgesprochen habe, habe er nicht gewusst, dass die Gemeinde beabsichtige, ihm bereits in den nächsten Tagen die von Lohnsteuerklasse 1 auf Lohnsteuerklasse 2 geänderte Lohnsteuerkarte zuzuschicken. Er habe diese dann beim Arbeitsamt abgegeben. Als ihn die Gemeinde aufgefordert habe, die Eintragung in der Lohnsteuerkarte 1996 auf Lohnsteuerklasse 1 abändern zu lassen, sei er Anfang 1996 zum Arbeitsamt gegangen, seiner Erinnerung nach zu Frau K. , wo aber seine Lohnsteuerkarte nicht auffindbar gewesen sei. Die Sachbearbeiterin habe deswegen mit der Gemeinde telefoniert. Er habe der Gemeinde gesagt, dass er keine neue Lohnsteuerkarte brauche, da er derzeit arbeitslos sei.
Der Kläger hat noch Schreiben seiner Anwälte an ihn, an das Kreisjugendamt sowie an die Gegenanwältin der Ehefrau vom Januar und Februar 1996 eingereicht, mit denen die Rechtsanwälte die Einkommensverhältnisse des Klägers belegen, nämlich den Bewilligungsbescheid vom 07.04.1995 über das Arbeitslosengeld ab 25.03.1995, eine Entgeltbescheinigung über den Bezug von Arbeitslosengeld vom 25.03.1995 bis 07.08.1995 sowie den Bescheid vom 15.11.1995 über die Bewilligung des Arbeitslosengeldes ab 19.10.1995.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 30.06. 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22.01. 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.1997 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass Arbeitslosengeld im streitigen Zeitraum zu Unrecht nicht nur in Höhe der Differenz zwischen Leistungsgruppe C und - entsprechend der in der Lohnsteuerkarte des Klägers eingetragenen Lohnsteuerklasse 2 - Leistungsgruppe B, sondern darüber hinaus in Höhe des weitergehenden Differenzbetrages zu der der eigentlich zutreffenden Lohnsteuerklasse 1 entsprechenden Leistunggruppe A geleistet worden sei. Anderenfalls könne der Leistungsempfänger, der sich einer materiell-rechtlich gebotenen Änderung der eingetragenen Lohnsteuerklasse entziehe, indem er seine Lohnsteuerkarte nicht zurückgebe, einen überhöhten Leistungsbezug herbeiführen.
Vertrauensschutz könne der Kläger keinen beanspruchen. Der Kläger habe seine Lohnsteuerkarte 1996 niemals beim Arbeitsamt abgegeben. Die Eintragung der Lohnsteuerklasse 2 auf der Lohnsteuerkarte des Klägers für 1996 sei dem Arbeitsamt erstmals anläßlich des Antrags auf Anschluss-Arbeitslosenhilfe vom 13.11.1996 bekannt geworden. Zweifelsfrei habe der Kläger bei der endgültigen Abgabe seines Antrags auf Arbeitslosengeld ab 19.10.1995 am 30.10.1995 unzutreffende Angaben gemacht. Er habe im Antragsvordruck unter Nr.6 verneint bzw. die entsprechende Ankreuzung durch die Antragsannehmerin unterschriftlich bestätigt, dass u.a. bezüglich der unter Nr.8 gestellten Fragen gegenüber vormaligen Leistungszeiträumen keine Änderung eingetreten sei. Unter Nr.8 werde aber u.a. nach der Lohnsteuerkarte bzw. der eingetragenen Lohnsteuerklasse für das dem Antrag folgende Kalenderjahr gefragt, falls der Arbeitslose seine Lohnsteuerkarte für das Folgejahr bereits erhalten habe. Dies sei aber am 30.10.1995 der Fall gewesen.
Der Senat hat die Gerichtsakten erster Instanz sowie die Leistungsakten des Klägers und seiner Ehefrau beigezogen. Die Beklagte hat dem Senat Muster der 1995/96 gebräuchlichen Bewilligungsbescheide, Änderungsbescheide und Dynamisierungsbescheide überlassen. Das Kreisjugendamt M. hat dem Senat die Akten über seine Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für die Kinder des Klägers übersandt und ergänzend mit Schreiben vom 27.09.2001 mitgeteilt, dass das in den Akten befindliche Schreiben vom 05.12.1996, worin das Arbeitsamt über die Gewährung von Unterhalt nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für die Kinder des Klägers unterrichtet wird, die erste Kontaktaufnahme mit dem Arbeitsamt gewesen sei. Über die Steuerklasse des Klägers habe sich das Jugendamt gegenüber dem Arbeitsamt nicht geäußert. Die Verwaltungsgemeinschaft M. hat dem Senat die Urlisten über die Eintragungen auf den Steuerkarten des Klägers und seiner Ehefrau für 1995 und 1996 überlassen. Der Senat hat im nicht öffentlichen Erörterungstermin vom 10.07.2001 die Mitarbeiterinnen des Arbeitsamts Memmingen G. (vormals H.), J. und K. als Zeuginnen zu den Vorsprachen des Klägers einvernommen. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10.07.2001 verwiesen, im Übrigen zur Ergänzung des Tatbestandes im Einzelnen auf den Inhalt der gesamten Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere statthafte und form- wie fristgerecht eingelegte Berufung ist zum Teil begründet.
Die Beklagte durfte die Bewilligung des Arbeitslosengeldes für den streitigen Zeitraum vom 01.01.1996 bis 06.11.1996 lediglich in Höhe der Differenz zwischen dem sich unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe C ergebenden Leistungssatz und dem sich unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe B ergebenden Leistungssatz aufheben und Arbeitslosengeld nur in dieser Höhe zurückfordern. Soweit die Beklagte darüber hinaus die Bewilligung des Arbeitslosengeldes in Höhe der Differenz zwischen dem Alg- Leistungssatz nach Leistungsgruppe B und dem Alg-Leistungssatz nach Leistungsgruppe A aufgehoben und eine sich daraus errechnende weitere Überzahlung zurückgefordert hat, waren die angefochtenen Bescheide aufzuheben. Das Urteil des SG war insoweit abzuändern.
Maßgebliche Rechtsgrundlage ist § 45 SGB X in Verbindung mit den noch anzuwendenden Bestimmungen des AFG. Danach waren der Bewilligungsbescheid vom 15.11.1995, der Änderungsbescheid vom 04.01.1996 und der Dynamisierungsbescheid vom 14.03.1996 nicht in dem von der Beklagten geltend gemachten Umfang unrichtig.
Bei der Umrechnung der nach § 112 AFG ermittelten Bemessungsgrundlage - dem Arbeitsentgelt - in das dem Arbeitslosen auszuzahlende Arbeitslosengeld pauschaliert die jährlich erneuerte Leistungsverordnung nach § 111 Abs.2 AFG die gewöhnlich bei Arbeitnehmern anfallenden Abzüge. Dabei bildet das Gesetz in § 111 Abs.2 Satz 2 Nr.1 AFG Leistungsgruppen von A bis E je nachdem, welche Lohnsteuerklasse auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen "eingetragen ist".
Hierzu bestimmt § 113 Abs.1 AFG:"Soweit die Höhe des Arbeitslosengeldes von der auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragenen Lohnsteuerklasse abhängt, ist die Lohnsteuerklasse maßgebend, die zu Beginn des Kalenderjahres eingetragen war, in dem der Anspruch entstanden ist. Spätere Änderungen der eingetragenen Lohnsteuerklasse werden mit Wirkung des Tages berücksichtigt, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderung vorlagen".
Zwar ist die Lohnsteuerkarte 1996 offenbar nicht mehr auffindbar. Nach dem dem Senat überlassenen Urlisteneintrag der Verwaltungsgemeinschaft M. war jedoch auf der Lohnsteuerkarte 1996 des Klägers nach der letztmaligen Änderung am 23.10.1995 zweifelsfrei die Lohnsteuerklasse 2 eingetragen und wurde nicht geändert.
Damit hat der Kläger für den streitigen Zeitraum zu Unrecht Arbeitslosengeld in Höhe der Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten Arbeitslosengeld nach Maßgabe der Leistungsgruppe C (entsprechend Lohnsteuerklasse 3) und dem Arbeitslosengeld nach Maßgabe der Leistungsgruppe B (entsprechend Lohnsteuerklasse 2, s. § 111 Abs.2 Satz 2 Nr.1 Buchstabe b AFG) bezogen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass der Kläger darüber hinaus Arbeitslosengeld auch in Höhe der weitergehenden Differenz zwischen dem Alg-Leistungssatz nach Maßgabe der der Lohnsteuerklasse 2 entsprechenden Leistungsgruppe B und der der Lohnsteuerklasse 1 entsprechenden Leistungsgruppe A zu Unrecht bezogen hat. Dies deswegen, da die Kinder des Klägers und seiner Ehefrau seit September 1995 bei der Ehefrau lebten, weswegen dem Kläger der Haushaltsfreibetrag nach § 32 Abs.7 Einkommensteuergesetz und damit auch die eingetragene Lohnsteuerklasse 2 nicht zustand, vielmehr die ungünstigere Steuerklasse 1 einzutragen gewesen wäre.
Die Auffassung der Beklagten findet im Gesetz und in der höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Stütze.
Grundlegend ist insoweit das Urteil des BSG vom 12.07.1989 (SozR 4100 § 113 Nr.9). In dem dort zugrunde liegenden Fall war der Arbeitslose mit einer Spanierin verheiratet, die mit den gemeinsamen Kindern seit mehreren Jahren in Spanien lebte. Gleichwohl war bei dem Arbeitslosen fortlaufend weiterhin die nur bei zusammen lebenden Ehegatten in Betracht kommende Steuerklasse 3 eingetragen. Das BSG hat die Beklagte im Urteil vom 12.07.1989 aaO verurteilt, dem dortigen Kläger Arbeitslosenhilfe entsprechend der eingetragenen Lohnsteuerklasse 3, also nach der Leistungsgruppe C, zu leisten. Ob die Eintragung zutreffend gewesen sei, sei unerheblich. Dem von der Beklagten seinerzeit vorgetragenen Einwand der unzulässigen Rechtsausübung hat das BSG entgegengehalten, dass die Änderung einer fehlerhaften Eintragung in der Lohnsteuerkarte nicht allein vom Verhalten des Arbeitslosen abhänge. Vielmehr könnten die Gemeinde und ggf. die Finanzgerichte den Sachverhalt von Amts wegen ermitteln und die zutreffende Steuerklasse bestimmen, was auch noch nach Ablauf des maßgeblichen Kalenderjahres möglich sei. Die Beklagte müsse ein derartiges Vorgehen der Gemeinde ihrerseits initiieren.
Das BSG-Urteil a.a.O. lässt sich für die Rechtsauffassung der Beklagten nicht heranziehen. Die Gesetzeslage, d.h. auch die Möglichkeiten der Behörden und Gerichte, die Eintragung auf einer Lohnsteuerkarte zu ändern (Verwaltungszwang, Ausstellung einer Ersatzlohnsteuerkarte bei angeblichem Verlust des Originals) waren seinerzeit dieselben wie heute. Man muss davon ausgehen, dass dem BSG die Gesetzeslage insoweit geläufig war und dass es diese Möglichkeiten als ausreichend angesehen hat, um die Beklagte hierauf zu verweisen und ihr damit den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung abzuschneiden.
Die diese Rechtsprechung leitenden Gesichtspunkte bringt das BSG im nachmaligen Urteil vom 21.04.1993 (SozR 3-4100 § 111 Nr.3) zum Ausdruck. Welche Steuerklasse der Leistungsberechnung zugrunde zu legen sei, regle § 113 Abs.1 AFG grundsätzlich: Maßgebend sei danach die zu Beginn des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden sei, in die Steuerkarte des Arbeitslosen eingetragene Steuerklasse. Spätere Änderungen der Eintragung würden von dem Zeitpunkt an berücksichtigt, zu dem die Änderungen eingetreten seien. Damit sei klar gestellt, dass die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte für die Beklagte in der Regel verbindlich seien. Die Feststellung von Leistungen bei Arbeitslosigkeit werde von Überlegungen über die "richtige" Steuerklasse entlastet. Grenzen der Maßgeblichkeit der Eintragung in die Steuerkarte setze § 113 Abs.2 AFG für Eheleute, um Manipulationen zu Lasten der Solidargemeinschaft entgegenzutreten.
Das bedeutet: Aus dem Regel-Ausnahmeverhältnis von § 113 Abs.1 und Abs.2 AFG ist zu schließen, dass der Gesetzgeber aus Gründen der Praktikabilität und der Rechtssicherheit der Eintragung der Lohnsteuerklasse in der Lohnsteuerkarte grundsätzlich Tatbestandswirkung zumisst und nur für die Fälle der möglichen Wahl der Steuerklassenkombination unter zusammen lebenden Ehegatten bzgl. der möglichen Kombinationen 4/4, 3/5, 5/3 hiervon eine Ausnahme macht, um den sich dabei eröffnenden Manipulationsmöglichkeiten entgegenzutreten.
Die Bewilligung des Arbeitslosengeldes ab 19.10.1995 ist demnach nur in Höhe der Differenz zwischen dem Alg-Leistungssatz nach Maßgabe der Leistungsgruppe C entsprechend der Lohnsteuerklasse 3 und dem Alg-Leistungssatz nach Maßgabe der Leistungsgruppe B entsprechend der eingetragenen Lohnsteuerklasse 2 zu Unrecht erfolgt.
Insoweit durfte das Arbeitsamt die Bewilligung allerdings aufheben und die überzahlte Leistung zurückfordern und war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauen in die Bestandskraft der Bewilligung berufen, da die Bewilligung auf Angaben beruht, die er zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig bzw. unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs.2 Satz 3 Nr.2 SGB X).
Maßgeblich für die fehlerhafte bzw. überhöhte Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 19.10.1995 durch den Bewilligungsbescheid vom 15.11.1995 und die nachfolgenden Bescheide waren die Angaben des Klägers anläßlich des Wiederbewilligungsantrages nach der Kur vom 08.08.1995 bis 17.10.1995.
Der Antragsvordruck wurde dem Kläger anläßlich der Arbeitslosmeldung am 19.10.1995 ausgehändigt. Am 23.10.1995 wurde der Antragsvordruck dem Kläger nochmals mitgegeben, vermutlich, so die Zeugin J. , seinerzeit Antragsannehmerin, um die Kurbestätigung nachzureichen. Am 30.10.1995 kam es dann zur endgültigen Abgabe, wobei die Antragsannehmerin den Antrag mit grünem Stift vervollständigte und der Kläger ausdrücklich unterschriftlich bestätigte, dass die ergänzend anläßlich der endgültigen Antragsannahme gemachten Angaben zuträfen.
Unter Nr.6 wird ausdrücklich verneint, dass bzgl. der Fragen unter Nr.8 Änderungen gegenüber den Zeiten des Vorbezugs eingetreten seien, zu den unter Nr.8 gestellten Fragen nach der eingetragenen Steuerklasse und eventuellen Änderungen für das Kalenderjahr der Antragstellung sowie das darauf folgende Kalenderjahr findet sich keine Eintragung. Infolgedessen musste der Bearbeiter des Antrags annehmen, dass auf der Lohnsteuerkarte des Klägers für 1995 und auch ab 1996 wie bei den Zeiten des Vorbezugs weiterhin die Lohnsteuerklasse 3 eingetragen sei, was dann zur Bewilligung von Arbeitslosengeld nach Maßgabe der Leistungsgruppe C geführt hat. Dies traf aber nicht zu. Vielmehr war aufgrund des Getrenntlebens der Ehegatten die Lohnsteuerklasse des Klägers bereits ab 01.06.1995 von 3 auf 2 abgeändert worden und war auf der Lohnsteuerkarte für das Jahr 1996 nach ursprünglicher Ausstellung auf Lohnsteuerklasse 1 am 23.10.1995 wiederum die Lohnsteuerklasse 2 eingetragen worden. Dies war dem Kläger zum Zeitpunkt der endgültigen Abgabe des Antragsvordrucks am 30.10.1995 bekannt.
Dass der Kläger die verlangten Angaben nicht gemacht hat, ist ihm zumindest als grobe Fahrlässigkeit anzurechnen. Er konnte ohne Weiteres erkennen, dass es für eine korrekte Ermittlung seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld zwingend notwendig war, genaue und vollständige Angaben bzgl. der eingetragenen Lohnsteuerklassen unter Nr.8 zu machen. Der Kläger hat sowohl anläßlich des Antrags vom 07.02.1995 wie auch vom 19.10.1995 unterschriftlich bestätigt, das Merkblatt für Arbeitslose zu haben, es finden sich auch in den elektronisch gespeicherten Vermittlungsunterlagen (Bewa) unter dem 07.02.1995 und 19.10.1995 ausdrückliche Vermerke der Vermittler, wonach dem Kläger die üblichen Unterlagen ausgehändigt worden seien. Sowohl aus dem Merkblatt wie auch aus den Hinweisen auf der Rückseite der 1995/1996 gebräuchlichen Bewilligungsbescheide war für den Kläger ohne Weiteres zu erkennen, dass es einen Zusammenhang zwischen der eingetragenen Lohnsteuerklasse und der für die Höhe des Arbeitslosengeldes maßgeblichen Leistungsgruppe gibt.
Der Kläger bringt zu seiner Entlastung im Wesentlichen vor, er habe gegenüber verschiedenen Mitarbeitern des Arbeitsamtes die Tatsache seines Getrenntlebens erwähnt, außerdem sei seine Lohnsteuerkarte 1996 beim Arbeitsamt verloren gegangen.
Bei der Erwähnung der Zeugin K. ist dem Kläger offenbar ein Versehen bzw. eine zeitliche Verschiebung unterlaufen. Die Zeugin K. , seinerzeit Büro-Sachbearbeiterin in der Leistungsabteilung, war mit dem Kläger nach ihren Angaben zum ersten Mal bei der Bearbeitung des Antrags auf Anschluss-Arbeitslosenhilfe vom 12.11.1996 befasst. Wegen der unklaren steuerlichen Angaben im Antrag habe sie dann am 14.11.1996 bei der Gemeinde fernmündlich wegen der Steuerklassen nachgefragt. Diese Angaben entsprechen auch den Akten.
Die Zeugin J. , seinerzeit Antragsannehmerin, die dem Kläger am 23.10.1995 den Antragsvordruck nochmals mitgegeben und den Antrag am 30.10.1995 endgültig zusammen mit dem Kläger ausgefüllt hat, konnte sich an Einzelheiten der Vorsprachen des Klägers nicht erinnern. Indirekt ist ihrer Aussage eher zu entnehmen, dass der Kläger ihr gegenüber sein Getrenntleben nicht erwähnt hat. Anderenfalls, so die Zeugin J. , hätte sie diesen Umstand auf dem Antragsvordruck vermerkt.
Demgegenüber hat der Kläger anläßlich der Vorsprache bei seiner Arbeitsvermittlerin, der Zeugin G. , seinerzeit H. , bei der Arbeitslosmeldung vom 19.10.1995 sein Getrenntleben erwähnt. In der Bewa heißt es:"War wegen psychosomatischer Beschwerden (lebt in Trennung) u.a. auf Kur, Bescheinigung für VHS ausgestellt - macht dort derzeit EDV-Kurs. Förderung über Arbeitsamt nicht möglich". Unter dem 30.01.1996 hat die Zeugin vermerkt:"Hat immer noch private Probleme. Soll auf seine Eigenbewerbungen bei den größeren Firmen nachhaken".
Die Zeugin hat hierzu ausgeführt: Sie sehe bei derartigen Bemerkungen eines Arbeitslosen keinen Anlass, sei es wegen eines Steuerklassenwechsels nachzufragen oder aber auch der Leistungsabteilung einen Hinweis zwecks entsprechender Nachfrage von dort zu geben. Häufig komme es ja auch vor, dass Trennung und Zusammenleben miteinander abwechselten, so dass, wenn jemand von Trennung spreche, dies nicht unbedingt eine endgültige Trennung sein müsse. Auf die Lohnsteuerklasse sei das Gespräch zwischen ihr und dem Kläger sowohl nach den Aufzeichnungen in den Vermittlungsunterlagen wie auch nach ihrer persönlichen Erinnerung niemals gekommen. Im Übrigen verlasse sie sich als Vermittlerin grundsätzlich darauf, dass die Arbeitslosen, soweit sie Leistungen beantragen, über ihre Mitteilungspflichten im Zusammenhang mit dem Leistungsbezug ausreichend durch das Merkblatt belehrt seien.
Der Senat ist der Auffassung, dass der Kläger, soweit er gegenüber dem einen oder anderen Mitarbeiter des Arbeitsamtes Angaben über sein Getrenntleben gemacht hat, wenn dies nicht in ausdrücklichem Zusammenhang mit der für die Höhe der Leistung maßgeblichen Lohnsteuerklasse stand, sich nicht darauf verlassen konnte, dass er seiner Mitteilungspflicht genügt habe. Dies war für den Kläger schon ohne Weiteres daraus zu erkennen, dass im Antragsvordruck unter Nr.8 sowie auch im Merkblatt für Arbeitslose bzw. in den Hinweisen auf der Rückseite der Bewilligungsbescheide stets nach der eingetragenen Lohnsteuerklasse gefragt wird bzw. auf deren Erheblichkeit für die Höhe der Leistung hingewiesen wird, nicht aber von Getrenntleben oder nicht Getrenntleben die Rede ist.
Gleiches gilt im Zusammenhang mit dem Umstand, dass die Rechtsanwälte des Klägers im Januar und Februar 1996 dem Jugendamt M. und den Gegenanwälten Bewilligungsbescheide des Arbeitsamts bzw. Bescheinigungen über den Leistungsbezug übersandt haben, auch wenn sie diese nicht vom Kläger erhalten, sondern möglicherweise vom Arbeitsamt angefordert haben. Auch dies konnte nicht dazu führen, dass der Kläger sich darauf verlassen konnte, dass der zuständigen Stelle im Arbeitsamt die Eintragung auf seiner Lohnsteuerkarte 1996 bekannt war bzw. dass es ausdrücklicher Angaben seinerseits hierüber nicht bedurfte.
Einen Nachweis für seine Behauptung, er habe dem Arbeitsamt seine Lohnsteuerkarte 1996 vorgelegt, und diese sei dort verlorengegangen, konnte der Kläger nicht erbringen. Seine Angaben hierzu sind auch nicht spezifisch genug, um Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen zu geben. Sicher ist hingegen, dass der Kläger seine Lohnsteuerkarte 1996 mit der eingetragenen Lohnsteuerklasse 2 hatte, als er den Antrag am 30.10.1995 endgültig abgab, ohne aber die entsprechenden Angaben zu machen.
Im Übrigen ist der Senat der Auffassung, dass in der Person des Klägers auch der vertrauensschutzvernichtende Tatbestand des § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.3 SGB X vorliegt. Aufgrund der deutlichen Hinweise im Merkblatt für Arbeitslose und auch in den gebräuchlichen Bewilligungsbescheiden musste der Kläger erkennen, dass die auf seiner Lohnsteuerkarte eingetragene Lohnsteuerklasse ein maßgeblicher Faktor für die Höhe seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld war. Auch musste ihm ohne Weiteres klar sein, dass gerade der Wechsel von Steuerklasse 3 auf Steuerklasse 2 im Falle eines Getrenntlebens von Ehegatten einen erheblichen Nettounterschied im Einkommen und damit auch in der ausgezahlten Lohnersatzleistung bedeutet. Wenn der Kläger die entsprechenden Hinweise nicht gelesen hat, kann ihn dies nicht entlasten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Anlass, die Revision nach § 160 Abs.2 Nr.1 oder Nr.2 SGG zuzulassen, bestand nicht. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und das Urteil weicht nicht ab von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts und beruht auf dieser Abweichung.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im 1. und 2. Rechtszug zu einem Drittel.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld und die Erstattung von Leistungen.
Der 1951 geborene Kläger war seit 1982 mit der W. H. verheiratet, mit der er drei gemeinsame Kinder hat. 1993 musste er seine Tätigkeit als Maschinist in einem Kieswerk aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen aufgeben. Er nahm anschließend auf Kosten der LVA Schwaben an einem Reha-Vorbereitungslehrgang und an einem beruflichen Praktikum für Erwachsene teil und bezog Übergangsgeld. Am 07.02.1995 meldete er sich ab 25.03.1995 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.
Auf seiner Lohnsteuerkarte 1995, die er anläßlich seines Antrags vorlegte, war zu diesem Zeitpunkt die Lohnsteuerklasse 3, auf der Lohnsteuerkarte seiner Ehefrau die Lohnsteuerklasse 5 eingetragen.
Mit Bescheid vom 07.04.1995 bewilligte das Arbeitsamt dem Kläger ab 25.03.1995 Arbeitslosengeld in Höhe von wöchentlich 386,40 DM unter Zugrundelegung der der Lohnsteuerklasse 3 entsprechenden Leistungsgruppe C/1.
Ab 08.08.1995 hob das Arbeitsamt die Bewilligung des Arbeitslosengeldes auf. Der Kläger unterzog sich vom 08.08.1995 bis 17.10.1995 einer Kur und bezog Übergangsgeld.
Am 26.05.1995 hatte die Verwaltungsgemeinschaft M. die Lohnsteuerkarten 1995 der Eheleute H., die nunmehr getrennt lebten, mit Wirkung ab 01.06.1995 geändert, die Lohnsteuerklasse des Klägers auf 2, die der Ehefrau auf 1. Am 26.09.1995 stellte die Verwaltungsgemeinschaft dem Kläger die Lohnsteuerkarte 1996 aus und zwar zunächst auf Lohnsteuerklasse 1. Am 23.10.1995 wurde die auf der Lohnsteuerklasse 1996 für den Kläger eingetragene Lohnsteuerklasse in Steuerklasse 2 abgeändert.
Am 19.10.1995 meldete sich der Kläger im Anschluss an die Kur erneut arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.
Die Zeugin G. , seinerzeit H. , bei der er als zuständiger Vermittlerin vorsprach, vermerkte unter dem 19.10.1995: "War wegen psychosomatischer Beschwerden (lebt in Trennung) u.a. auf Kur, Bescheinigung für VHS ausgestellt- macht dort derzeit EDV-Kurs. Förderung über Arbeitsamt nicht möglich".
Am 23.10.1995 reichte der Kläger den ihm ausgehändigten Antragsvordruck bei der Zeugin J. , seinerzeit Antragsannehmerin, ein. Diese gab ihm den Antragsvordruck zur weiteren Ergänzung nochmals zurück. Am 30.10.1995 gab der Kläger den Antrag endgültig ab.
Der Antragsvordruck weist in Nr.6 darauf hin, dass die Fragen in den nachfolgenden Feldern Nr.7 bis Nr.14 bereits in früheren Anträgen beantwortet worden seien; eine erneute Beantwortung sei daher nur dann erforderlich, wenn sich seit dem letzten Bezug von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Arbeitslosenbeihilfe in den Verhältnissen des Arbeitslosen etwas geändert habe, was Auswirkungen auf den Leistungsanspruch haben könne. Habe sich zu einem der genannten Felder etwas geändert, so möge der Arbeitslose alle Fragen in dem betreffenden Feld beantworten, habe sich zu einem Feld nichts geändert, so möge er dies durch Ankreuzen des entsprechenden Kästchens für die Nr.7 bis 14 zum Ausdruck bringen.
Angekreuzt als Nicht-Änderungsfall ist mit dem grünen Stift der Antragsannehmerin u.a. das Kästchen Nr.8. In dem Feld Nr.8 wird u.a. nach einer Änderung der Steuerklasse im Laufe des Jahres gegenüber der zu Beginn des Jahres geltenden Steuerklasse gefragt, des Weiteren nach der für das folgende Jahr geltenden Lohnsteuerklasse für den Fall, dass die Lohnsteuerkarte für das folgende Jahr bereits vorliegt. In beiden Feldern findet sich keine Eintragung.
Der Antrag ist vom Kläger eigenhändig unterschrieben.
Mit Bescheid vom 15.11.1995 bewilligte das Arbeitsamt dem Kläger ab 19.10.1995 Arbeitslosengeld wiederum in Höhe von wöchentlich 386,40 DM unter Zugrundelegung der der Lohnsteuerklasse 3 entsprechenden Leistungsgruppe C/1. Mit Bescheid vom 04.01.1996 hob das Arbeitsamt das Arbeitslosengeld nach Maßgabe der Leistungsverordnung 1996 ab 01.01.1996 weiterhin unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe C/1 auf 420,60 DM wöchentlich an, mit Dynamisierungsbescheid vom 14.03.1996 weiterhin unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe C/1 ab 01.03.1996 auf 427,80 DM.
Am 02.12.1996 war der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld erschöpft. Am 13.11.1996 reichte er den von ihm ausgefüllten Antrag auf Anschluss-Arbeitslosenhilfe ein. Darin war angegeben, dass zu Jahresbeginn die Lohnsteuerklasse 1 auf der Lohnsteuerkarte eingetragen gewesen sei sowie auch, dass die Lohnsteuerklasse ab 01.01.1996 auf 2 geändert worden sei.
Auf Nachfrage teilte die Einwohnermeldestelle der Verwaltungsgemeinschaft M. der Zeugin K. , seinerzeit Sachbearbeiterin in der Leistungsabteilung, am 14.11.1996 telefonisch mit:"Für den Kläger sei für 1996 die Lohnsteuerklasse 2, für 1997 die Lohnsteuerklasse 1 eingetragen worden. Er sei aufgefordert worden, die Eintragung auf der Lohnsteuerkarte für 1996 auf Lohnsteuerklasse 1 ändern zu lassen, da die Kinder seit September 1995 bei der Mutter lebten.
Das Arbeitsamt hatte zu diesem Zeitpunkt das Arbeitslosengeld bis zum 06.11.1996 überwiesen. Mit Bescheid vom 19.11.1996 setzte das Arbeitsamt das Arbeitslosengeld für den Restzeitraum vom 07.11.1996 bis 02.12.1996 unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe A/1 auf wöchentlich 350,40 DM herab, mit Bescheid vom 04.12.1996 bewilligte es dem Kläger ab 03.12.1996 Anschluss-Arbeitslosenhilfe in Höhe von 272,40 DM wöchentlich unter Zugrundelegung weiterhin der Leistungsgruppe A/1.
Nach Aufforderung zur Stellungnahme, auf die der Kläger nicht reagierte, hob das Arbeitsamt die Bewilligung des Arbeitslosengeldes vom 01.01.1996 bis 06.11.1996 in Höhe von 3.420,90 DM auf und ordnete die Erstattung des überzahlten Betrages an. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld hätten für den Zeitraum vom 01.01.1996 bis 06.11.1996 in Höhe von insgesamt 3.420,90 DM nicht vorgelegen. Der Kläger habe zu Unrecht Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung der der Lohnsteuerklasse 3 entsprechend Leistungsgruppe C bezogen. Zugestanden hätten ihm jedoch lediglich Leistungen unter Zugrundelegung der der Lohnsteuerklasse 1 entsprechenden Leistungsgruppe A, nachdem er seit 1995 von seiner Ehefrau getrennt lebe und die Kinder sich nicht mehr in seinem Haushalt befänden. Vertrauensschutz könne der Kläger nicht beanspruchen, da er die Überzahlung durch seine unrichtigen bzw. unvollständigen Angaben herbeigeführt habe.
Der Kläger erhob Widerspruch: Er sei nicht schuld an der Überzahlung. Dem Arbeitsamt sei bekannt gewesen, dass er von seiner Ehefrau getrennt lebe. Er habe dies mehrfach gesagt, z.B. seiner Arbeitsvermittlerin H. sowie dem Reha-Berater D ... Außerdem hätten seine Rechtsanwälte der von ihm getrennt lebenden Ehefrau und dem Jugendamt M. im Zuge der Durchführung des Unterhaltsvorschussgesetzes Bescheinigungen über die ihm vom Arbeitsamt gewährten Leistungen zugesandt. Die Gründe für die Anforderung dieser Bescheinigungen seien dem Arbeitsamt genannt worden. Schließlich habe auch die Sachbearbeiterin K. wegen seiner Lohnsteuerklasse in der Verwaltungsgemeinschaft M. nachgefragt.
Die Zeugin G. , seinerzeit H. , äußerte sich in einem Aktenvermerk vom 12.02.1997 zur Vorsprache des Klägers anläßlich seiner Arbeitslosmeldung vom 19.10.1995. Es treffe zu, dass der Kläger erwähnt habe, dass er getrennt lebe; sie habe in diesem Zusammenhang aber keine Veranlassung gesehen, dies der Leistungsabteilung zu melden. In dem Gespräch sei es auch nicht um leistungsrechtliche Fragen, vielmehr nur um den Gemütszustand des Klägers und vermittlerische Dinge gegangen.
Laut Aktenvermerk über ein Telefonat vom 26.02.1997 teilte die Verwaltungsgemeinschaft M. mit: Die Verwaltungsgemeinschaft habe den Kläger im Dezember 1995 aufgefordert, die Lohnsteuerklasse für 1996 von 2 auf 1 zu ändern, da die Kinder bei der Mutter lebten. Dem sei der Kläger aber nicht gefolgt. Nach Auskunft der Finanzverwaltung sei eine diesbezügliche Änderung nicht möglich.
Das Arbeitsamt wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.1997 als unbegründet zurück. Es bleibe dabei, dass die Bewilligung des Arbeitslosengeldes in der Zeit vom 01.01.1996 bis 06.11.1996 in Höhe der Differenz zwischen dem Arbeitslosengeld nach Leistungsgruppe C, -wie vom Kläger bezogen -, und der Leistungsgruppe A aufgehoben werde. Zwar sei auf der Lohnsteuerkarte des Klägers für 1996 die Steuerklasse 2 eingetragen gewesen. Nach den tatsächlichen Verhältnissen habe ihm jedoch nur die einem getrennt lebenden Ehegatten ohne Kinder-Haushaltsfreibetrag zustehende Lohnsteuerklasse 1 und damit die Leistungsgruppe A zugestanden. Dies sei auch für die Höhe des ihm zustehenden Arbeitslosengeldes maßgeblich.
Vertrauensschutz könne der Kläger nicht in Anspruch nehmen. Es sei ihm ohne Weiteres möglich gewesen, die bei ihm eingetragene Steuerklasse anzugeben. Über seine Verpflichtung hierüber sei er durch die Hinweise im "Merkblatt für Arbeitslose" belehrt worden. Die Angabe seines Getrenntlebens im Vermittlungsgespräch vom 19.10.1995 könne den Kläger nicht entlasten. Er habe dabei nicht zum Ausdruck gebracht, dass dies leistungsrechtlich relevant sein könne.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben.
Er habe verschiedenen Mitarbeitern des Arbeitsamts mehrfach seine Situation dargelegt. Auch aus Anschreiben des Jugendamts und der Rechtsanwälte hätte das Arbeitsamt die Tatsache seines Getrenntlebens folgern können.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 30.06.1999 als unbegründet abgewiesen. Es hat sich den Ausführungen der Beklagten angeschlossen.
Der Kläger hat im Berufungsverfahren ergänzend vorgetragen:
Ein Merkblatt für Arbeitslose habe er entgegen seiner unterschriftlichen Bestätigung nie erhalten.
Als er am 19.10.1995 nach Rückkehr von der Kur bei der Zeugin H. vorgesprochen habe, habe er nicht gewusst, dass die Gemeinde beabsichtige, ihm bereits in den nächsten Tagen die von Lohnsteuerklasse 1 auf Lohnsteuerklasse 2 geänderte Lohnsteuerkarte zuzuschicken. Er habe diese dann beim Arbeitsamt abgegeben. Als ihn die Gemeinde aufgefordert habe, die Eintragung in der Lohnsteuerkarte 1996 auf Lohnsteuerklasse 1 abändern zu lassen, sei er Anfang 1996 zum Arbeitsamt gegangen, seiner Erinnerung nach zu Frau K. , wo aber seine Lohnsteuerkarte nicht auffindbar gewesen sei. Die Sachbearbeiterin habe deswegen mit der Gemeinde telefoniert. Er habe der Gemeinde gesagt, dass er keine neue Lohnsteuerkarte brauche, da er derzeit arbeitslos sei.
Der Kläger hat noch Schreiben seiner Anwälte an ihn, an das Kreisjugendamt sowie an die Gegenanwältin der Ehefrau vom Januar und Februar 1996 eingereicht, mit denen die Rechtsanwälte die Einkommensverhältnisse des Klägers belegen, nämlich den Bewilligungsbescheid vom 07.04.1995 über das Arbeitslosengeld ab 25.03.1995, eine Entgeltbescheinigung über den Bezug von Arbeitslosengeld vom 25.03.1995 bis 07.08.1995 sowie den Bescheid vom 15.11.1995 über die Bewilligung des Arbeitslosengeldes ab 19.10.1995.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 30.06. 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22.01. 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.1997 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass Arbeitslosengeld im streitigen Zeitraum zu Unrecht nicht nur in Höhe der Differenz zwischen Leistungsgruppe C und - entsprechend der in der Lohnsteuerkarte des Klägers eingetragenen Lohnsteuerklasse 2 - Leistungsgruppe B, sondern darüber hinaus in Höhe des weitergehenden Differenzbetrages zu der der eigentlich zutreffenden Lohnsteuerklasse 1 entsprechenden Leistunggruppe A geleistet worden sei. Anderenfalls könne der Leistungsempfänger, der sich einer materiell-rechtlich gebotenen Änderung der eingetragenen Lohnsteuerklasse entziehe, indem er seine Lohnsteuerkarte nicht zurückgebe, einen überhöhten Leistungsbezug herbeiführen.
Vertrauensschutz könne der Kläger keinen beanspruchen. Der Kläger habe seine Lohnsteuerkarte 1996 niemals beim Arbeitsamt abgegeben. Die Eintragung der Lohnsteuerklasse 2 auf der Lohnsteuerkarte des Klägers für 1996 sei dem Arbeitsamt erstmals anläßlich des Antrags auf Anschluss-Arbeitslosenhilfe vom 13.11.1996 bekannt geworden. Zweifelsfrei habe der Kläger bei der endgültigen Abgabe seines Antrags auf Arbeitslosengeld ab 19.10.1995 am 30.10.1995 unzutreffende Angaben gemacht. Er habe im Antragsvordruck unter Nr.6 verneint bzw. die entsprechende Ankreuzung durch die Antragsannehmerin unterschriftlich bestätigt, dass u.a. bezüglich der unter Nr.8 gestellten Fragen gegenüber vormaligen Leistungszeiträumen keine Änderung eingetreten sei. Unter Nr.8 werde aber u.a. nach der Lohnsteuerkarte bzw. der eingetragenen Lohnsteuerklasse für das dem Antrag folgende Kalenderjahr gefragt, falls der Arbeitslose seine Lohnsteuerkarte für das Folgejahr bereits erhalten habe. Dies sei aber am 30.10.1995 der Fall gewesen.
Der Senat hat die Gerichtsakten erster Instanz sowie die Leistungsakten des Klägers und seiner Ehefrau beigezogen. Die Beklagte hat dem Senat Muster der 1995/96 gebräuchlichen Bewilligungsbescheide, Änderungsbescheide und Dynamisierungsbescheide überlassen. Das Kreisjugendamt M. hat dem Senat die Akten über seine Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für die Kinder des Klägers übersandt und ergänzend mit Schreiben vom 27.09.2001 mitgeteilt, dass das in den Akten befindliche Schreiben vom 05.12.1996, worin das Arbeitsamt über die Gewährung von Unterhalt nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für die Kinder des Klägers unterrichtet wird, die erste Kontaktaufnahme mit dem Arbeitsamt gewesen sei. Über die Steuerklasse des Klägers habe sich das Jugendamt gegenüber dem Arbeitsamt nicht geäußert. Die Verwaltungsgemeinschaft M. hat dem Senat die Urlisten über die Eintragungen auf den Steuerkarten des Klägers und seiner Ehefrau für 1995 und 1996 überlassen. Der Senat hat im nicht öffentlichen Erörterungstermin vom 10.07.2001 die Mitarbeiterinnen des Arbeitsamts Memmingen G. (vormals H.), J. und K. als Zeuginnen zu den Vorsprachen des Klägers einvernommen. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10.07.2001 verwiesen, im Übrigen zur Ergänzung des Tatbestandes im Einzelnen auf den Inhalt der gesamten Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere statthafte und form- wie fristgerecht eingelegte Berufung ist zum Teil begründet.
Die Beklagte durfte die Bewilligung des Arbeitslosengeldes für den streitigen Zeitraum vom 01.01.1996 bis 06.11.1996 lediglich in Höhe der Differenz zwischen dem sich unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe C ergebenden Leistungssatz und dem sich unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe B ergebenden Leistungssatz aufheben und Arbeitslosengeld nur in dieser Höhe zurückfordern. Soweit die Beklagte darüber hinaus die Bewilligung des Arbeitslosengeldes in Höhe der Differenz zwischen dem Alg- Leistungssatz nach Leistungsgruppe B und dem Alg-Leistungssatz nach Leistungsgruppe A aufgehoben und eine sich daraus errechnende weitere Überzahlung zurückgefordert hat, waren die angefochtenen Bescheide aufzuheben. Das Urteil des SG war insoweit abzuändern.
Maßgebliche Rechtsgrundlage ist § 45 SGB X in Verbindung mit den noch anzuwendenden Bestimmungen des AFG. Danach waren der Bewilligungsbescheid vom 15.11.1995, der Änderungsbescheid vom 04.01.1996 und der Dynamisierungsbescheid vom 14.03.1996 nicht in dem von der Beklagten geltend gemachten Umfang unrichtig.
Bei der Umrechnung der nach § 112 AFG ermittelten Bemessungsgrundlage - dem Arbeitsentgelt - in das dem Arbeitslosen auszuzahlende Arbeitslosengeld pauschaliert die jährlich erneuerte Leistungsverordnung nach § 111 Abs.2 AFG die gewöhnlich bei Arbeitnehmern anfallenden Abzüge. Dabei bildet das Gesetz in § 111 Abs.2 Satz 2 Nr.1 AFG Leistungsgruppen von A bis E je nachdem, welche Lohnsteuerklasse auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen "eingetragen ist".
Hierzu bestimmt § 113 Abs.1 AFG:"Soweit die Höhe des Arbeitslosengeldes von der auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragenen Lohnsteuerklasse abhängt, ist die Lohnsteuerklasse maßgebend, die zu Beginn des Kalenderjahres eingetragen war, in dem der Anspruch entstanden ist. Spätere Änderungen der eingetragenen Lohnsteuerklasse werden mit Wirkung des Tages berücksichtigt, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderung vorlagen".
Zwar ist die Lohnsteuerkarte 1996 offenbar nicht mehr auffindbar. Nach dem dem Senat überlassenen Urlisteneintrag der Verwaltungsgemeinschaft M. war jedoch auf der Lohnsteuerkarte 1996 des Klägers nach der letztmaligen Änderung am 23.10.1995 zweifelsfrei die Lohnsteuerklasse 2 eingetragen und wurde nicht geändert.
Damit hat der Kläger für den streitigen Zeitraum zu Unrecht Arbeitslosengeld in Höhe der Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten Arbeitslosengeld nach Maßgabe der Leistungsgruppe C (entsprechend Lohnsteuerklasse 3) und dem Arbeitslosengeld nach Maßgabe der Leistungsgruppe B (entsprechend Lohnsteuerklasse 2, s. § 111 Abs.2 Satz 2 Nr.1 Buchstabe b AFG) bezogen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass der Kläger darüber hinaus Arbeitslosengeld auch in Höhe der weitergehenden Differenz zwischen dem Alg-Leistungssatz nach Maßgabe der der Lohnsteuerklasse 2 entsprechenden Leistungsgruppe B und der der Lohnsteuerklasse 1 entsprechenden Leistungsgruppe A zu Unrecht bezogen hat. Dies deswegen, da die Kinder des Klägers und seiner Ehefrau seit September 1995 bei der Ehefrau lebten, weswegen dem Kläger der Haushaltsfreibetrag nach § 32 Abs.7 Einkommensteuergesetz und damit auch die eingetragene Lohnsteuerklasse 2 nicht zustand, vielmehr die ungünstigere Steuerklasse 1 einzutragen gewesen wäre.
Die Auffassung der Beklagten findet im Gesetz und in der höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Stütze.
Grundlegend ist insoweit das Urteil des BSG vom 12.07.1989 (SozR 4100 § 113 Nr.9). In dem dort zugrunde liegenden Fall war der Arbeitslose mit einer Spanierin verheiratet, die mit den gemeinsamen Kindern seit mehreren Jahren in Spanien lebte. Gleichwohl war bei dem Arbeitslosen fortlaufend weiterhin die nur bei zusammen lebenden Ehegatten in Betracht kommende Steuerklasse 3 eingetragen. Das BSG hat die Beklagte im Urteil vom 12.07.1989 aaO verurteilt, dem dortigen Kläger Arbeitslosenhilfe entsprechend der eingetragenen Lohnsteuerklasse 3, also nach der Leistungsgruppe C, zu leisten. Ob die Eintragung zutreffend gewesen sei, sei unerheblich. Dem von der Beklagten seinerzeit vorgetragenen Einwand der unzulässigen Rechtsausübung hat das BSG entgegengehalten, dass die Änderung einer fehlerhaften Eintragung in der Lohnsteuerkarte nicht allein vom Verhalten des Arbeitslosen abhänge. Vielmehr könnten die Gemeinde und ggf. die Finanzgerichte den Sachverhalt von Amts wegen ermitteln und die zutreffende Steuerklasse bestimmen, was auch noch nach Ablauf des maßgeblichen Kalenderjahres möglich sei. Die Beklagte müsse ein derartiges Vorgehen der Gemeinde ihrerseits initiieren.
Das BSG-Urteil a.a.O. lässt sich für die Rechtsauffassung der Beklagten nicht heranziehen. Die Gesetzeslage, d.h. auch die Möglichkeiten der Behörden und Gerichte, die Eintragung auf einer Lohnsteuerkarte zu ändern (Verwaltungszwang, Ausstellung einer Ersatzlohnsteuerkarte bei angeblichem Verlust des Originals) waren seinerzeit dieselben wie heute. Man muss davon ausgehen, dass dem BSG die Gesetzeslage insoweit geläufig war und dass es diese Möglichkeiten als ausreichend angesehen hat, um die Beklagte hierauf zu verweisen und ihr damit den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung abzuschneiden.
Die diese Rechtsprechung leitenden Gesichtspunkte bringt das BSG im nachmaligen Urteil vom 21.04.1993 (SozR 3-4100 § 111 Nr.3) zum Ausdruck. Welche Steuerklasse der Leistungsberechnung zugrunde zu legen sei, regle § 113 Abs.1 AFG grundsätzlich: Maßgebend sei danach die zu Beginn des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden sei, in die Steuerkarte des Arbeitslosen eingetragene Steuerklasse. Spätere Änderungen der Eintragung würden von dem Zeitpunkt an berücksichtigt, zu dem die Änderungen eingetreten seien. Damit sei klar gestellt, dass die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte für die Beklagte in der Regel verbindlich seien. Die Feststellung von Leistungen bei Arbeitslosigkeit werde von Überlegungen über die "richtige" Steuerklasse entlastet. Grenzen der Maßgeblichkeit der Eintragung in die Steuerkarte setze § 113 Abs.2 AFG für Eheleute, um Manipulationen zu Lasten der Solidargemeinschaft entgegenzutreten.
Das bedeutet: Aus dem Regel-Ausnahmeverhältnis von § 113 Abs.1 und Abs.2 AFG ist zu schließen, dass der Gesetzgeber aus Gründen der Praktikabilität und der Rechtssicherheit der Eintragung der Lohnsteuerklasse in der Lohnsteuerkarte grundsätzlich Tatbestandswirkung zumisst und nur für die Fälle der möglichen Wahl der Steuerklassenkombination unter zusammen lebenden Ehegatten bzgl. der möglichen Kombinationen 4/4, 3/5, 5/3 hiervon eine Ausnahme macht, um den sich dabei eröffnenden Manipulationsmöglichkeiten entgegenzutreten.
Die Bewilligung des Arbeitslosengeldes ab 19.10.1995 ist demnach nur in Höhe der Differenz zwischen dem Alg-Leistungssatz nach Maßgabe der Leistungsgruppe C entsprechend der Lohnsteuerklasse 3 und dem Alg-Leistungssatz nach Maßgabe der Leistungsgruppe B entsprechend der eingetragenen Lohnsteuerklasse 2 zu Unrecht erfolgt.
Insoweit durfte das Arbeitsamt die Bewilligung allerdings aufheben und die überzahlte Leistung zurückfordern und war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauen in die Bestandskraft der Bewilligung berufen, da die Bewilligung auf Angaben beruht, die er zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig bzw. unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs.2 Satz 3 Nr.2 SGB X).
Maßgeblich für die fehlerhafte bzw. überhöhte Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 19.10.1995 durch den Bewilligungsbescheid vom 15.11.1995 und die nachfolgenden Bescheide waren die Angaben des Klägers anläßlich des Wiederbewilligungsantrages nach der Kur vom 08.08.1995 bis 17.10.1995.
Der Antragsvordruck wurde dem Kläger anläßlich der Arbeitslosmeldung am 19.10.1995 ausgehändigt. Am 23.10.1995 wurde der Antragsvordruck dem Kläger nochmals mitgegeben, vermutlich, so die Zeugin J. , seinerzeit Antragsannehmerin, um die Kurbestätigung nachzureichen. Am 30.10.1995 kam es dann zur endgültigen Abgabe, wobei die Antragsannehmerin den Antrag mit grünem Stift vervollständigte und der Kläger ausdrücklich unterschriftlich bestätigte, dass die ergänzend anläßlich der endgültigen Antragsannahme gemachten Angaben zuträfen.
Unter Nr.6 wird ausdrücklich verneint, dass bzgl. der Fragen unter Nr.8 Änderungen gegenüber den Zeiten des Vorbezugs eingetreten seien, zu den unter Nr.8 gestellten Fragen nach der eingetragenen Steuerklasse und eventuellen Änderungen für das Kalenderjahr der Antragstellung sowie das darauf folgende Kalenderjahr findet sich keine Eintragung. Infolgedessen musste der Bearbeiter des Antrags annehmen, dass auf der Lohnsteuerkarte des Klägers für 1995 und auch ab 1996 wie bei den Zeiten des Vorbezugs weiterhin die Lohnsteuerklasse 3 eingetragen sei, was dann zur Bewilligung von Arbeitslosengeld nach Maßgabe der Leistungsgruppe C geführt hat. Dies traf aber nicht zu. Vielmehr war aufgrund des Getrenntlebens der Ehegatten die Lohnsteuerklasse des Klägers bereits ab 01.06.1995 von 3 auf 2 abgeändert worden und war auf der Lohnsteuerkarte für das Jahr 1996 nach ursprünglicher Ausstellung auf Lohnsteuerklasse 1 am 23.10.1995 wiederum die Lohnsteuerklasse 2 eingetragen worden. Dies war dem Kläger zum Zeitpunkt der endgültigen Abgabe des Antragsvordrucks am 30.10.1995 bekannt.
Dass der Kläger die verlangten Angaben nicht gemacht hat, ist ihm zumindest als grobe Fahrlässigkeit anzurechnen. Er konnte ohne Weiteres erkennen, dass es für eine korrekte Ermittlung seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld zwingend notwendig war, genaue und vollständige Angaben bzgl. der eingetragenen Lohnsteuerklassen unter Nr.8 zu machen. Der Kläger hat sowohl anläßlich des Antrags vom 07.02.1995 wie auch vom 19.10.1995 unterschriftlich bestätigt, das Merkblatt für Arbeitslose zu haben, es finden sich auch in den elektronisch gespeicherten Vermittlungsunterlagen (Bewa) unter dem 07.02.1995 und 19.10.1995 ausdrückliche Vermerke der Vermittler, wonach dem Kläger die üblichen Unterlagen ausgehändigt worden seien. Sowohl aus dem Merkblatt wie auch aus den Hinweisen auf der Rückseite der 1995/1996 gebräuchlichen Bewilligungsbescheide war für den Kläger ohne Weiteres zu erkennen, dass es einen Zusammenhang zwischen der eingetragenen Lohnsteuerklasse und der für die Höhe des Arbeitslosengeldes maßgeblichen Leistungsgruppe gibt.
Der Kläger bringt zu seiner Entlastung im Wesentlichen vor, er habe gegenüber verschiedenen Mitarbeitern des Arbeitsamtes die Tatsache seines Getrenntlebens erwähnt, außerdem sei seine Lohnsteuerkarte 1996 beim Arbeitsamt verloren gegangen.
Bei der Erwähnung der Zeugin K. ist dem Kläger offenbar ein Versehen bzw. eine zeitliche Verschiebung unterlaufen. Die Zeugin K. , seinerzeit Büro-Sachbearbeiterin in der Leistungsabteilung, war mit dem Kläger nach ihren Angaben zum ersten Mal bei der Bearbeitung des Antrags auf Anschluss-Arbeitslosenhilfe vom 12.11.1996 befasst. Wegen der unklaren steuerlichen Angaben im Antrag habe sie dann am 14.11.1996 bei der Gemeinde fernmündlich wegen der Steuerklassen nachgefragt. Diese Angaben entsprechen auch den Akten.
Die Zeugin J. , seinerzeit Antragsannehmerin, die dem Kläger am 23.10.1995 den Antragsvordruck nochmals mitgegeben und den Antrag am 30.10.1995 endgültig zusammen mit dem Kläger ausgefüllt hat, konnte sich an Einzelheiten der Vorsprachen des Klägers nicht erinnern. Indirekt ist ihrer Aussage eher zu entnehmen, dass der Kläger ihr gegenüber sein Getrenntleben nicht erwähnt hat. Anderenfalls, so die Zeugin J. , hätte sie diesen Umstand auf dem Antragsvordruck vermerkt.
Demgegenüber hat der Kläger anläßlich der Vorsprache bei seiner Arbeitsvermittlerin, der Zeugin G. , seinerzeit H. , bei der Arbeitslosmeldung vom 19.10.1995 sein Getrenntleben erwähnt. In der Bewa heißt es:"War wegen psychosomatischer Beschwerden (lebt in Trennung) u.a. auf Kur, Bescheinigung für VHS ausgestellt - macht dort derzeit EDV-Kurs. Förderung über Arbeitsamt nicht möglich". Unter dem 30.01.1996 hat die Zeugin vermerkt:"Hat immer noch private Probleme. Soll auf seine Eigenbewerbungen bei den größeren Firmen nachhaken".
Die Zeugin hat hierzu ausgeführt: Sie sehe bei derartigen Bemerkungen eines Arbeitslosen keinen Anlass, sei es wegen eines Steuerklassenwechsels nachzufragen oder aber auch der Leistungsabteilung einen Hinweis zwecks entsprechender Nachfrage von dort zu geben. Häufig komme es ja auch vor, dass Trennung und Zusammenleben miteinander abwechselten, so dass, wenn jemand von Trennung spreche, dies nicht unbedingt eine endgültige Trennung sein müsse. Auf die Lohnsteuerklasse sei das Gespräch zwischen ihr und dem Kläger sowohl nach den Aufzeichnungen in den Vermittlungsunterlagen wie auch nach ihrer persönlichen Erinnerung niemals gekommen. Im Übrigen verlasse sie sich als Vermittlerin grundsätzlich darauf, dass die Arbeitslosen, soweit sie Leistungen beantragen, über ihre Mitteilungspflichten im Zusammenhang mit dem Leistungsbezug ausreichend durch das Merkblatt belehrt seien.
Der Senat ist der Auffassung, dass der Kläger, soweit er gegenüber dem einen oder anderen Mitarbeiter des Arbeitsamtes Angaben über sein Getrenntleben gemacht hat, wenn dies nicht in ausdrücklichem Zusammenhang mit der für die Höhe der Leistung maßgeblichen Lohnsteuerklasse stand, sich nicht darauf verlassen konnte, dass er seiner Mitteilungspflicht genügt habe. Dies war für den Kläger schon ohne Weiteres daraus zu erkennen, dass im Antragsvordruck unter Nr.8 sowie auch im Merkblatt für Arbeitslose bzw. in den Hinweisen auf der Rückseite der Bewilligungsbescheide stets nach der eingetragenen Lohnsteuerklasse gefragt wird bzw. auf deren Erheblichkeit für die Höhe der Leistung hingewiesen wird, nicht aber von Getrenntleben oder nicht Getrenntleben die Rede ist.
Gleiches gilt im Zusammenhang mit dem Umstand, dass die Rechtsanwälte des Klägers im Januar und Februar 1996 dem Jugendamt M. und den Gegenanwälten Bewilligungsbescheide des Arbeitsamts bzw. Bescheinigungen über den Leistungsbezug übersandt haben, auch wenn sie diese nicht vom Kläger erhalten, sondern möglicherweise vom Arbeitsamt angefordert haben. Auch dies konnte nicht dazu führen, dass der Kläger sich darauf verlassen konnte, dass der zuständigen Stelle im Arbeitsamt die Eintragung auf seiner Lohnsteuerkarte 1996 bekannt war bzw. dass es ausdrücklicher Angaben seinerseits hierüber nicht bedurfte.
Einen Nachweis für seine Behauptung, er habe dem Arbeitsamt seine Lohnsteuerkarte 1996 vorgelegt, und diese sei dort verlorengegangen, konnte der Kläger nicht erbringen. Seine Angaben hierzu sind auch nicht spezifisch genug, um Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen zu geben. Sicher ist hingegen, dass der Kläger seine Lohnsteuerkarte 1996 mit der eingetragenen Lohnsteuerklasse 2 hatte, als er den Antrag am 30.10.1995 endgültig abgab, ohne aber die entsprechenden Angaben zu machen.
Im Übrigen ist der Senat der Auffassung, dass in der Person des Klägers auch der vertrauensschutzvernichtende Tatbestand des § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.3 SGB X vorliegt. Aufgrund der deutlichen Hinweise im Merkblatt für Arbeitslose und auch in den gebräuchlichen Bewilligungsbescheiden musste der Kläger erkennen, dass die auf seiner Lohnsteuerkarte eingetragene Lohnsteuerklasse ein maßgeblicher Faktor für die Höhe seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld war. Auch musste ihm ohne Weiteres klar sein, dass gerade der Wechsel von Steuerklasse 3 auf Steuerklasse 2 im Falle eines Getrenntlebens von Ehegatten einen erheblichen Nettounterschied im Einkommen und damit auch in der ausgezahlten Lohnersatzleistung bedeutet. Wenn der Kläger die entsprechenden Hinweise nicht gelesen hat, kann ihn dies nicht entlasten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Anlass, die Revision nach § 160 Abs.2 Nr.1 oder Nr.2 SGG zuzulassen, bestand nicht. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und das Urteil weicht nicht ab von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts und beruht auf dieser Abweichung.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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