L 8 AL 24/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 40 AL 1595/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 24/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 24. November 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch auf Konkursausfallgeld (Kaug) für die Monate Januar und Februar 1997 streitig.

Die 1949 geborene W. war vom 01.10.1982 bis 30.06.1997 bei der Firma B. (B. Bauträger GmbH) tätig. Mit Beschluss des Amtsgerichts Weilheim, Konkursgericht, vom 01.04. 1997 wurde über das Vermögen dieser Firma das Konkursverfahren eröffnet. Am 09.04.1997 beantragte W. Kaug. Laut Verdienstbescheinigung hat sie das monatliche Gehalt von 3.275,00 DM für die Monate Januar bis März 1997 nicht mehr erhalten. Am 26.02. 1997 hatte sie mit der Klägerin eine Vereinbarung geschlossen, wonach sie den für die Monate Januar und Februar 1997 zustehenden Nettolohn von jeweils 2.650,29 DM zum Kaufpreis in dieser Höhe an diese verkauft und mit diesem Forderungsverkauf der mit dem Beschluss über die Eröffnung oder Nichteröffnung fällig werdende Anspruch auf Kaug auf die Klägerin übergeht.

Gesellschafter der B. GmbH, die mit noteriellem Vertrag vom 30.08.1982 erichtet worden war, waren W. und ihr Ehemann. W. übernahm von dem ursprünglichen Stammkapital von 50.000,00 DM als Anteil 20.000,00 DM; später wurde das Stammkapital auf 100.000,00 DM erhöht, wobei der Ehemann die zusätzlichen 50.000,00 DM übernahm. W. gab an, für das gesamte Personal- wesen und für die Buchhaltung in Zusammenarbeit mit dem Steuerberater zuständig gewesen zu sein.

Gegenstand des Unternehmens war laut Satzung vom 30.08.1982 der An- und Verkauf sowie die Vermittlung von Immobilien aller Art, Bauträger- und Baubetreuungstätigkeit sowie die Übernahme von Hausverwaltungen. Geschäftsführer war der Ehemann. Nach § 12 Abs.4 der Satzung wurden Beschlüsse mit einfacher Stimmenmehr- Stimme gewährten.

Die Gesellschafter hatten gemeinsam der B. GmbH Darlehen gewährt, und zwar am 19.11.1993 über 350.000,00 DM, am 30.03. 1993 über 235.000,00 DM, am 25.04.1996 über 73.000,00 DM, am 28.11.1996 über 81.500,00 DM und am 10.01.1997 über 83.702,00 DM.

Die Beklagte lehnte die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) mit Bescheid vom 19.06.1997 mit der Begründung ab, W. sei nicht Arbeitenehmerin gewesen und habe keine Anwartschaft erworben. Nach Erlass des ablehnenden Widerspruchsbescheides vom 14.08.1997 erhob W. zum Sozialgericht München (SG) Klage (Az.: S 35 Al 1403/97) und erklärte in der Verhandlung am 07.05.1999, das Darlehnen über 350.000,00 DM habe aus dem Verkauf von Immobilien gestammt, die im Grundbuch auf ihren Ehemann eingetragen gewesen seien, ebenso das Darlehnen über 73.000,00 DM. Die übrigen Darlehnen seien durch Bankkredit finanziert und durch eine Grundschuld auf dem zunächst im gemeinsamen Miteigentum stehenden Wohngrundstück abgesichert worden; dieses Wohnhaus sei am 25.07.1995 auf sie zum Alleineigentum übertragen worden.

Das SG hat mit Urteil vom 07.05.1999 die Klage abgewiesen. W. sei nicht Arbeitnehmerin gewesen. Aufgrund der kreditfinanzierten Darlehen sei sie am Unternehmensrisiko entscheidend mitbeteiligt gewesen.

Den Antrag auf Kaug lehnte die Beklagte gegenüber W. mit Bescheid vom 30.07.1997 mit der Begründung ab, sie habe ab dem Zeitpunkt der Gewährung des Darlehens nicht mehr dem Kreis der gewerbsmäßigen Arbeitnehmer angehört. Der Klägerin teilte sie mit Schreiben vom 30.07.1997 mit, dem Antrag von W. habe nicht entsprochen werden können, weshalb es nicht möglich sei, die von der Klägerin geltend gemachte Forderung zu begleichen. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 18.09.1997 als unbegründet zurück.

Mit ihrer zum SG erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, W. sei über einen Anstellungsvertrag eingestellt worden und als kaufmännische Angestellte tatsächlich und nicht nur förmlich in einem Ehegattenbeschäftigungsverhältnis tätig gewesen. Die bloße Darlehensgewährung könne allenfalls die Position einer stillen Gesellschafterin begründen. Weisungsgebundenheit und Unternehmerrisiko würden sich nicht gegenseitig ausschließen. Nach der Rechtsprechung des BSG sei die Möglichkeit der Einflussnahme auf Entscheidungen der Gesellschafter ein wesentliches Kriterium zur Abgrenzung zwischen abhängiger und selbständiger Beschäftigung. Eine Besonderheit aufgrund des Kapitalengagements könne sich nur daraus ergeben, dass dieses die Möglichkeit maßgeblicher Einflussnahme eröffnet hätte. Dies sei aber nicht der Fall gewesen. W. habe weiterhin ihre Tätigkeit als technische Angestellte verrichtet und nicht etwa eine Führungsposition erworben oder gar die Geschäftsführung übernommen. Die Beteiligung von 20 % habe ihr nicht einmal eine Sperrminorität verschafft.

Mit Urteil vom 24.11.2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Arbeitsvertrag vom 20.09.1982 enthalte die für ein Arbeitsverhältnis typischen Bestimmungen. Die Beteiligung mit 40 % des Stammkapitals habe keine Sperrminorität verschafft. Von entscheidender Bedeutung sei aber, dass das Verhältnis von W. zur B. GmbH nicht durch den für ein Arbeitnehmer-Arbeitgeberverhältnis typischen Interessengegensatz gekennzeichnet gewesen sei, sondern dadurch, dass sie das Unternehmerrisiko maßgeblich mitgetragen habe. Sie sei nicht nur durch die Kapitaleinlage von 20.000,00 DM beteiligt gewesen, sondern habe darüber hinaus gemeinsam mit ihrem Ehemann Darlehen vergeben, deren Höhe in keinem wirtschaftlichen Verhältnis zum Interesse am Erhalt des Arbeitsplatzes gestanden hätte.

Mit ihrer Berufung weist die Klägerin darauf hin, dass W. nur zu 20 % an der GmbH beteiligt gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des BSG lasse ein Unternehmerrisiko die Arbeitnehmereigenschaft nur entfallen, wenn dem erhöhten Risiko auch größere und des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft gegenüber stünden. Eine Darlehensgewährung an sich könne keine Unternehmer- oder unternehmerähnliche Stellung begründen, denn andernfalls wäre jeder Kreditgeber als Mitunternehmer zu qualifizieren. Vorliegend sei mit der Darlehensgewährung keine Erhöhung der unternehmerspezifischen Freiheiten oder Einflussmöglichkeiten einher gegangen. W. hätte alleine das gewährte Darlehen nicht kündigen und folglich damit auch nicht drohen können. Mit dem Eintritt der Krise der Gemeinschuldnerin hätten sich zudem die Gesellschafterdarlehen in Eigenkapital umgewandelt, ohne dass sich dadurch das Stimmrecht in der Gesellschaft und damit ihre Einflussmöglichkeit erhöht hätte.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 24.11.2000 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30.07.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.1997 zu verurteilen, Konkursausfallgeld für die von der Klägerin erworbenen Lohnansprüche der Frau D. W. für die Monate Januar 1997 und Februar 1997 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 24.11.2000 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Gewährung eines Darlehens durch den Arbeitnehmer an den Betrieb des Arbeitgebers stelle für sich allein betrachtet keinen Grund dar, die Arbeitnehmereigenschaft zu verneinen; wenn aber, wie vorliegend, eine Darlehnensgewährung von 823.202,00 DM hälftig von W. als Miteigentümerin dem Betrieb gewährt werde, so überwiege unternehmerisches Risiko die üblichen Interessen, die sie als Arbeitnehmerin gegenüber dem Betrieb habe, bei weitem.

Der Senat hat am 15.02.2002 die Eheleute W. als Zeugen vernommen. Bezüglich ihrer Aussagen wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 141, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, da die Klägerin durch den Forderungskauf keinen Anspruch auf Kaug erworben hat.

Es kann dahinstehen, ob einem Anspruch der Klägerin § 141k Abs.2a des Arbeitsförderungsgesetz (AFG), eingefügt durch das Gesetz vom 14.12.1987 (BGBl.I, S.2602), entgegen steht, wonach eine Übertragung von Ansprüchen auf Kaug zur Vorfinanzierung nur mit Einschränkungen zulässig ist; jedenfalls hat ein Gläubiger des Gemeinschuldners, der dessen Arbeitnehmern das Kaug vorfinanziert, nach § 141k Abs.2a AFG keinen Anspruch, auch wenn er nachweisen könnte, die Vorfinanzierung sei nicht rechtsmissbräuchlich erfolgt (vgl. BSG SozR 3-4100 § 141k Nr.3). Falls die Klägerin Gläubigerin der B. GmbH war, würde ein Anspruch bereits daran scheitern.

Die Klägerin hat aber auch schon deshalb keinen Anspruch auf Kaug erworben, weil W. die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch nicht erfüllte und deshalb einen solchen nicht abtre- AFG für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses nur Arbeitnehmer, die noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. W. war nicht Arbeitnehmerin der B. GmbH.

Arbeitnehmer in diesem Sinne ist, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Dies bedeutet Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers und Unterordnung unter dessen Weisungsrecht, insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung. Auch wenn dieses Weisungsrecht, vor allem bei Diensten höherer Art, erheblich eingeschränkt sein kann, darf es nicht vollständig entfallen. Demgegenüber wird die selbständige Tätigkeit durch das Unternehmerrisiko und durch das Recht sowie die Möglichkeit gekennzeichnet, über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei zu verfügen. In Zweifelsfällen kommt es darauf an, welche Merkmale überwiegen. Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Vordergrund steht, die jedoch zurücktritt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse davon entscheidend abweichen (BSG SozR 3-4100 § 168 Nr.16).

Nach diesen Grundsätzen bestimmt sich auch, ob die Tätigkeit eines Gesellschafters für die Gesellschaft eine abhängige, beitragspflichtige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit ist. Wesentliches Merkmal ist hierbei der Umfang der Kapitalbeteiligung des Gesellschafters und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Entscheidungen der Gesellschaft. Letzlich kann nicht Arbeitnehmer der Gesellschaft sein, wer Kraft seiner Gesellschaftrechte die für das Arbeitnehmerverhältnis typischen Folgen der Abhängigkeit von einem Arbeitgeber vermeiden kann, insbesondere aufgrund der Höhe seiner Kapitalbeteiligung (BSG a.a.O.).

Die Tatsache der Kapitalbeteiligung steht hier allein der Arbeitnehmereigenschaft nicht entgegen, da W. mit ihrer Beteiligung von 20 % keinen wesentlichen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft ausüben konnte, da sie nicht über die Sperrminorität verfügte. Jedoch stehen, wie das SG zutreffend festgestellt hat, die Darlehensgewährungen der Annahme einer Arbeitnehmereigenschaft entgegen.

Zwar ist der Klägerin darin zu folgen, dass nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 2200 § 1227 Nr.17, SozR 3-4100 § 4 Nr.1) ein unternehmerisches Risiko nur dann einen Hinweis auf das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit enthält, wenn diesem Risiko größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüber stehen. Im vorliegenden Fall ist jedoch wesentlich, dass W. durch die Darlehensgewährungen, die über Kredite finanziert wurden, das Weiterbestehen der GmbH überhaupt ermöglich hat. Jedensfalls hat W. als Zeugin ausgesagt, dass für ihre Zustimmung zu den Darlehnsgewährungen die Angaben des Steuerberaters maßgebend gewesen waren, wonach diese Darlehensgewährung für den Geschäftbetrieb erforderlich war. Sie habe der Darlehensgewährung trotz Bedenken zugestimmt, weil es mit der Firma weitergehen sollte.

Aufgrund dieser Situation war die Gesellschaft von W. abhängig. Soweit die Darlehen durch Bankkredite finanziert wurden, war ihre Mitwirkung aufgrund der Tatsache, dass diese Kredite durch Grundschulden auf dem zunächst im Miteigentum und ab 25.07.1995 in ihrem Alleineigentum stehenden Wohnhaus abgesichert werden mussten, entscheidend. Deshalb kann dahinstehen, ob das durch sie das mit der Kreditgewährung übernommene Unternehmerrisiko Einfluss auf ihre Abhängigkeit bzw. Selbständigkeit bei der Erfüllung ihrer in der Gesellschaft verrichteten Tätigkeiten hatte. Denn gerade aufgrund der Tatsache, dass mehrere Darlehen gewährt werden mussten, kann nicht angenommen werden, dass sich diese wirtschaftliche Abhängigkeit der GmbH auf ihre Stellung Geschäftsentscheidungen wesentlichen Einfluss genommen hat, was sie als Zeugin verneint hat, kommt es nicht an, da entscheidend die ihr theoretisch zustehende Einflussmöglichkeit ist, nicht jedoch, ob sie diese in der Praxis auch ausschöpft (vgl. BSG SozR 3-41000 § 168 Nr.5). Da W. mit ihrer Zustimmung zur Darlehensgewährung über das Weiterbestehen der Gesellschaft entschied, hatte sie naturgemäß auch die Möglichkeit, diese Entscheidung von der Bedingung einer Einflussnahme auf künftige Entscheidungen in der Gesellschaft abhängig zu machen. Letztlich ist der für ein Arbeitgeber-/Arbeitnehmerverhältnis typische Interessengegensatz aufgehoben, wenn der Arbeitnehmer über das Weiterbestehen seines "Arbeitgebers" und damit auch über das Weiterbestehen des Arbeitsverhältnisses entscheidet.

Somit war die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 24.11.2000 zurückzuweisen. Die Entscheidung konnte gemäß § 124 Abs.2 SGG ohne mündliche Verhandlung ergehen, da die Beteiligten dem zugestimmt haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 166 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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