L 10 AL 282/95

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 Al 102/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 282/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26. Juli 1995 hinsichtlich des Sperrzeittatbestandes (Sperrzeit vom 22.03.1994 bis 13.06.1994) und der Bescheid der Beklagten vom 29.04.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.1994 aufgehoben.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

In dem Berufungsverfahren ging es zuletzt noch um den Eintritt einer Sperrzeit.

Die im Jahre 1967 geborene Klägerin arbeitete nach dem Besuch der Schule vom 06.10.1986 bis 22.03.1987 als Bestückerin in einem befristeten Arbeitsverhältnis. Danach erhielt sie originäre Arbeitslosenhilfe (Alhi) bis Mai 1988. Vom 07.07.1988 bis 11.02.1991 arbeitete sie als Kinderpflegerin bei der Stadt N ... Arbeitslosengeld und anschließende Alhi bewilligte die Beklagte ab 12.02.1991, unterbrochen durch eine Beschäftigung als Kinderpflegerin bei der Katholischen Kirchenstiftung in der Zeit vom 01.09.1992 bis 31.12.1992. Die Kündigung durch den Arbeitgeber erklärte die Klägerin mit vielen Konfliktsituationen, weil sie es sehr schwer gehabt habe, sich in der kirchlichen Einrichtung anzupassen.

Am 16.02.1994 und am 18.03.1994 bot die Beklagte der Klägerin eine berufliche Bildungsmaßnahme an, die am 07.03.1994 bzw 21.03.1994 beginnen sollte. Es handelte sich um eine "Reintegrationsmaßnahme für Langzeitarbeitslose aus Dienstleistungsberufen (Verkauf, HoGa, Reinigung)", die bis 14.10.1994 dauern sollte. Die Klägerin nahm nicht an der Maßnahme teil. Am 24.03.1994 erklärte sie der Beklagten, die in der Maßnahme angebotenen Berufe würden sie nicht ansprechen; es seien nur Hilfsarbeiten, die man auch ohne einen Kurs bekommen könne; wenn es eine richtige Umschulung oder Weiterbildung wäre, hätte sie gerne teilgenommen. Die Klägerin zog ihr Arbeitsgesuch ab 24.03.1994 zurück und meldete sich erst am 15.09.1994 erneut arbeitslos.

Mit Bescheid vom 29.04.1994 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von zwölf Wochen für die Zeit vom 22.03.1994 bis 13.06.1994 fest. Während dieser Zeit ruhe der Anspruch auf Alhi. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin erneut geltend, bei ihrer beruflichen Ausbildung wären die in der Maßnahme gebotenen Hilfs- und Lagerarbeiten nicht zumutbar gewesen, Maßnahmen entsprechend ihrer beruflichen Fähigkeiten würde sie antreten. Der Rechtsbehelf blieb im Widerspruchsbescheid vom 29.12.1994 ohne Erfolg.

Ihre am 24.01.1995 erhobene Klage (S 13 Al 102/95) hat die Klägerin wie ihren Widerspruch begründet. Das Sozialgericht (SG) Nürnberg hat die Klage mit Urteil vom 26.07.1995 abgewiesen. Trotz ihrer abgeschlossenen Berufsausbildung als Kinderpflegerin hätte sich die Klägerin aufgrund der dreijährigen Arbeitslosigkeit auch auf andere Berufe, die eine niedrigere Qualifizierung voraussetzten, verweisen lassen müssen.

Gegen das ihr am 17.08.1995 zugestellte Urteil des SG hat die Klägerin am 30.08.1995 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie auf ihre im Klageverfahren gemachten Angaben verwiesen.

Die Beklagte hat zu Fragen des Senats hinsichtlich der Sperrzeit Stellung genommen. Beratungsgespräche iSd §§ 14, 12 Abs 4 Zumutbarkeitsanordnung seien mit der Klägerin vor dem im März 1994 erfolgten Angebot der Bildungsmaßnahme durch die Arbeitsvermittler Frau W. und Herr W. geführt worden. Aufgrund der ausführlichen Rechtsfolgenbelehrung beim Beratungsgespräch vom 18.03.1994 habe die Klägerin auch gewusst, dass eine Sperrzeit eintreten würde und ihr Leistungen für diesen Zeitraum nicht zustehen. Weil die Ablehnung des Maßnahmeantritts erst am 24.03.1994 erfolgt und deshalb die Sperrzeit erst am 25.03.1994 eingetreten sei, hat die Beklagte den geltend gemachten Anspruch auf Alhi für die Zeit bis 23.03.1994 (mit Wirkung ab 24.03.1994 hat die Klägerin ihr Arbeitsgesuch zurückgezogen) dem Grunde nach anerkannt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16.01.2001 hat der Senat die Arbeitsvermittlerin R. (geborene W.) und den Arbeitsberater W. als Zeugen zum Inhalt der im Zusammenhang mit der angebotenen Maßnahme geführten Beratungsgespräche vernommen.

Die Klägerin beantragt

Abänderung des Urteils des SG Nürnberg vom 26.07.1995 und Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 29.04.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.1994.

Die Beklagte beantragt

Zurückweisung der Berufung.

Beigezogen sind die die Klägerin betreffenden Akten der Beklagten und des SG. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf ihren Inhalt und den der Akten des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Denn die von der Beklagten mit Bescheid vom 29.04.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.1994 festgestellte Sperrzeit ist nicht eingetreten.

Zwar hat sich die Klägerin am 24.03.1994 geweigert, an einer ihr angebotenen Maßnahme teilzunehmen (§ 119 Abs 1 Satz 1 Nr 3 Arbeitsförderungsgesetz -AFG-). Die Weigerung, an einer Bildungsmaßnahme teilzunehmen, begründet aber nur dann eine Sperrzeit, wenn die Maßnahme für den Arbeitslosen zumutbar ist (§ 14 iVm § 12 Abs 4 Zumutbarkeitsanordnung vom 16.03.1982; BSG, Urteil vom 11.01.1990 - 7 RAr 46/89 - S 17; DA 1.3 der Beklagten zu § 119, 17.Erg.Lieferung). Das war nicht der Fall.

Die Beklagte hat der Klägerin eine Maßnahme mit einer niedrigeren Qualifikationsstufe im Vergleich zu dem von der Klägerin erlernten Beruf der Kinderpflegerin vorgeschlagen. Gemäß §§ 14, 12 Abs 4 Zumutbarkeitsanordnung ist die Maßnahme der niedrigeren Qualifikationsstufe erst dann zumutbar, wenn die Gründe, die die Maßnahme zumutbar machen, mit dem Arbeitslosen in einem Beratungsgespräch erörtert worden sind. Dabei ist der Arbeitslose auf die Pflicht der Bundesanstalt für Arbeit hinzuweisen, auf sein Verlangen die Bemühungen um die Vermittlung einer günstigeren Beschäftigung fortzusetzen (§ 14 Abs 3 Satz 2 AFG). Dieser in § 12 Abs 4 Satz 2 Zumutbarkeitsanordnung geforderte Hinweis ist der Klägerin nicht nachweisbar erteilt worden. Die Zeugen konnten zwar in Übereinstimmung mit den Beratungsvermerken die in § 12 Abs 4 Satz 1 Zumutbarkeitsanordnung geforderte Erörterung bestätigen, nicht jedoch den in § 12 Abs 4 Satz 2 aaO verlangten Hinweis.

Es kann dahingestellt bleiben, ob für die Zumutbarkeit auf den in § 12 Abs 4 Satz 2 Zumutbarkeitsanordnung geforderten Hinweis dann verzichtet werden kann, wenn der Arbeitslose für eine Tätigkeit mit der höheren Qualifikation nicht mehr in Betracht kommt. Denn das war bei der Klägerin im März 1994 nicht der Fall. Sie hat ausdrücklich an ihrem erlernten Beruf festgehalten. Erst im September 1994 holte die Beklagte ein psychologisches Gutachten zur objektiven Verfügbarkeit der Klägerin ein (in dem der Gutachter große Zweifel äußerte, ob die Klägerin aufgrund ihrer Persönlichkeit für solche sozialen Tätigkeiten geeignet ist).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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