L 5 KR 41/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 KR 347/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 41/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 18. November 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Befreiung von der Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner vom 01.10.2000 bis 31.12.2001.

Die 1946 geborene Klägerin war bis 30.09.2000 bei der K. AG versicherungspflichtig beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde durch Aufhebungsvertrag beendet. Wegen Arbeitsunfähigkeit ab 31.08.2000 erhielt sie von der Beklagten bis 30.09.2000 Krankengeld und wieder vom 05.10. bis 31.10.2000. Einen weitergehenden Krankengeldanspruch hat die Beklagte mit Bescheid vom 15.11.2000 wegen Beschränkung auf den nachgehenden Anspruch gemäß § 19 Abs.2 SGB V abgelehnt. Widerspruch und Klage blieben erfolglos.

Am 10.04.2000 hatte die Klägerin bei dem Versichertenältesten einen Rentenantrag wegen Erwerbsunfähigkeit gestellt. Dabei hatte sie bestätigt, das Merkblatt über die KVdR ausgehändigt erhalten zu haben. Mit Schreiben vom 16.11.2000 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie sei ab 01.10.2000 auf Grund ihrer Rentenantragstellung versicherungspflichtiges Mitglied der Krankenkasse. Vor der endgültigen Feststellung der Mitgliedschaft und einer eventuellen Beitragspflicht werde um die Ausfüllung des beiliegenden Fragebogens gebeten. Der Klägerbevollmächtigte übersandte am 29.11.2000 einen nur teilweise ausgefüllten Fragebogen. Auf die Mahnungen vom 14.12.2000 und 31.01.2001 ging am 08.03.2001 der vollständig ausgefüllte Fragebogen ein. Danach verfügt sie über kein eigenes Einkommen, während ihr Ehemann, ein pensionierter Bundesbahnbeamter, Mitglied der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten (KVB) ist. Mit Bescheid vom 23.03.2001 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin ab 01.11.2000 in der Krankenversicherung der Rentner und in der Pflegeversicherung versichert ist und ab 01.11.2000 Beiträge zu zahlen hat.

Nach der Mahnung der Beitragsrückstände ging am 10.05.2001 ein Schreiben der Klägerin ein, worin sie ihre Mitgliedschaft zum 31.12.2001 kündigte. Der Klägerbevollmächtigte teilte am 21.05.2001 mit, die Klägerin sei nur dann gewillt, Beiträge zu KVdR zu leisten, wenn ihr auch das seit ihrer Arbeitsunfähigkeit ab 02.10.2000 zustehende Krankengeld ausgezahlt werde. Mit Schreiben vom 23.05.2001 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihre Mitgliedschaft zum 31.12.2001 ende.

Im Laufe des Klageverfahrens wegen Krankengeldzahlung wiederholte der Klägerbevollmächtigte am 04.04.2002 die Bereitschaft zur weiteren Versicherung in der Krankenversicherung der Rentner. Diese sei immer von einer rückwirkenden Krankengeldzahlung abhängig gemacht worden, so dass bei endgültiger Ablehnung des Krankengeldanspruchs auch die Voraussetzung für eine Versicherung entfalle.

Die Einleitung der Zwangsvollstreckung wendete die Klägerin durch Hinterlegung der Beiträge beim Amtsgericht S. ab. Das deswegen am 21.08.2002 eingeleitete Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz endete am 28.01.2003 mit einem Vergleich, wonach sich die Beklagte bereit erklärte, den Antrag der Klägerin vom 21.08.2002 als Widerspruch gegen den Beitragsbescheid der Beklagten vom 23.03.2001 zu werten. Daraufhin nahm die Klägerin ihren Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurück. Den Widerspruch wies die Beklagte am 04.03.2003 zurück. Eine Befreiung scheitere an der verspäteten Antragstellung, da gemäß § 8 Abs.2 SGB V der Antrag innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht (01.10.2000) bei der Beklagten zu stellen war. Durch Merkblätter sei die Klägerin ausführlich unterrichtet gewesen. Zudem habe sich die Klägerin eines Rentenberaters bedient, der sie ebenfalls auf die Befreiungsmöglichkeit hätte hinweisen können.

Dagegen hat die Klägerin am 19.03.2003 Klage erhoben, die am 27.05.2003 mit der Streitsache wegen des Krankengelds verbunden worden ist. Der Klägerbevollmächtigte hat vorgetragen, die Klägerin sei von der Beklagten nicht über die Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht aufgeklärt worden, obwohl diese gewusst habe, dass die Klägerin bei ihrem Ehemann über die KVB versichert werden konnte. Die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, auf Gestaltungsmöglichkeiten rechtzeitig und umfassend hinzuweisen. Die Klägerin sei daher im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als wäre der Antrag rechtzeitig erfolgt.

In der mündlichen Verhandlung am 18.11.2004 haben sich die Beteiligten darauf verständigt, dass für den Monat Oktober 2000 keine Beiträge zu zahlen sind. In der Hauptsache hat die Klägerin beantragt, durchgehende Arbeitsunfähigkeit über den 30.09.2000 hinaus anzuerkennen und Krankengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu leisten. Hilfsweise hat sie beantragt, sie ab 01.10.2000 von der Mitgliedschaft in der KVdR zu befreien.

Das Sozialgericht Nürnberg hat die Klage mit Urteil vom 18.11.2004 abgewiesen. Ein Befreiungsantrag sei erstmals am 14.06.2002 im Laufe des Klageverfahrens wegen des Krankengeldanspruchs gestellt worden. Dieser Antrag sei verspätet. Bereits bei Rentenantragstellung habe die Klägerin die Gelegenheit gehabt, sich über die Befreiungsmöglichkeit zu informieren. Zudem sei sie im Verwaltungsverfahren bereits durch ihren Prozessbevollmächtigten vertreten gewesen.

Gegen dieses am 19.02.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03.03.2005 Berufung eingelegt. Der ursprünglich geltend gemachte Anspruch auf Krankengeldzahlung bleibe nicht weiter aufrechterhalten, die Klägerin wende sich nur dagegen, dass die Beklagte sie von der Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner nicht bereits ab 01.10.2000 befreit habe. Bereits von Anfang an habe die Klägerin der Beklagten mitgeteilt, dass sie mit ihrem Ehemann versichert sei. Die Beklagte habe der Klägerin auch mit mehrmaligen Schreiben bestätigt, dass sie im Falle der Familienversicherung kostenfrei bleibe. Die Klägerin habe also der Beklagten bereits von Anfang an mitgeteilt, dass sie die Familienversicherung bei ihrem Ehemann begehre. Demgegenüber hat die Beklagte darauf hingewiesen, der Befreiungsantrag sei erst am 14.06.2002 gestellt worden.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 18.11.2004 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 23.03.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 04.03.2003 zu verurteilen, sie ab 01.10.2000 von der Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner zu befreien.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 18.11.2004 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Nürnberg sowie der Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 18.11.2004 ist ebenso wenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 23.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.03.2003. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner.

Unstreitig war die Klägerin im strittigen Zeitraum vom 01.10.2000 bis 31.12.2001 aufgrund ihrer Rentenantragstellung Pflichtmitglied der Beklagten (§ 5 Abs.1 Nr.11 i.V.m. § 189 SGB V und § 5 Abs.8 SGB V). Von dieser Versicherungspflicht wird befreit, wer versicherungspflichtig wird durch den Antrag auf Rente (§ 8 Abs.1 Ziffer 4 SGB V). Der Antrag ist innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht bei der Krankenkasse zu stellen. Die Befreiung wirkt vom Beginn der Versicherungspflicht an, wenn seit diesem Zeitpunkt noch keine Leistungen in Anspruch genommen wurden, sonst vom Beginn des Kalendermonats an, der auf die Antragstellung folgt (§ 8 Abs.2 Satz 1 und 2 SGB V). Die Klägerin hatte ein Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht. Sie hat dieses jedoch nicht rechtzeitig geltend gemacht.

Ausdrücklich und bedingungslos hat die Klägerin mit Schreiben vom 14.06.2002 an das Sozialgericht einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gestellt. Der Zeitpunkt dieses Antrags liegt weit außerhalb der Dreimonatsfrist, die vom 01.10.2000 bis 31.12.2000 lief.

Der Klägerbevollmächtigte macht geltend, die Klägerin habe bereits mit Schreiben vom 21.10.2000 einen Befreiungsantrag gestellt. Am 21.10.2000 hat die Klägerin einen von der Beklagten übersandten Fragebogen zur Feststellung des Krankengeldanspruchs ausgefüllt. Dabei hat sie angegeben, über ihren Ehemann familienversichert zu sein. Ihr Ehemann sei als Beamter im Ruhestand Mitglied der KVB in R ... Mit dieser Erklärung hat die Klägerin jedoch kein Begehren um Befreiung von der Krankenversicherung der Rentner geltend gemacht, sondern eine Tatsachenerklärung abgegeben. Dass diese Beurteilung als Familienversicherung falsch war, wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 15.11.2000 an die Klägerin unverzüglich klargestellt. Und mit Schreiben vom 16.11.2000, 14.12.2000 und 31.01.2001 wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie aufgrund ihrer Rentenantragstellung ab 01.10.2000 versicherungspflichtiges Mitglied der Krankenkasse ist. Falls sie mit ihrer Tatsachenerklärung vom 21.10.2000 eine andere Leistung als die auf Krankengeld begehren wollte, hätte sie dies zumindest nach Erhalt der Schreiben der Beklagten klarstellen müssen. Dies ist nicht geschehen.

Tatsächlich hat die Klägerin erst mit ihrer am 10.05.2001 bei der Beklagten eingegangenen Kündigung der Mitgliedschaft zum 31.12.2001 deutlich gemacht, dass sie nicht Mitglied der Beklagten zu sein wünschte. Diese vom Gesetz so nicht vorgesehene Kündigungserklärung zum 31.12.2001 liegt jedoch außerhalb der Dreimonatsfrist des § 8 Abs.2 SGB V.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 27 Abs.1 SGB X). Während die Rechtsprechung zum früheren Recht davon ausgegangen ist, bei der Frist zur Stellung des Antrags auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner (§ 173a RVO) handle es sich um eine Ausschlussfrist, die absolut wirke (BSG, Urteil vom 14.07.1982 - 5 A RKn 15/81), geht nun die Rechtsprechung davon aus, dass auch bei Versäumung einer Frist des materiellen Sozialrechts Wiedereinsetzung grundsätzlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 25.10.1988 - 12 RK 22/87, BSGE 64, 153). Soweit sich die Klägerin aber auf die Unkenntnis von der Befreiungsmöglichkeit beruft, kann hierin kein Grund für eine im Sinne von § 27 Abs.1 SGB X unverschuldete Säumnis gesehen werden. Wie das Bundessozialgericht erst unlängst im Zusammenhang mit den Anträgen arbeitnehmerähnlicher Selbständiger auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht bekräftigt hat, kann die Unkenntnis von der Versicherungspflicht und der gleichzeitig laufenden Befreiungsfrist eine Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht rechtfertigen (BSG, Urteil vom 24.11.2005 - B 12 RA 9/03 R m.w.N.). Hinzukommt, dass die Klägerin spätestens mit Bescheid vom 23.03.2001 darüber unterrichtet war, dass sie in der Krankenversicherung der Rentner und in der Pflegeversicherung versichert war. Dennoch hat sie erst mit am 10.05.2001 eingegangenem Schreiben die Kündigung geltend gemacht. Dem Erfordernis des § 27 Abs.2 Satz 1 SGB X, den Wiedereinsetzungsantrag innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen, ist also nicht Rechnung getragen worden.

Die Einräumung einer über zwei Wochen hinausgehenden Überlegungsfrist kommt nicht in Betracht. Entsprechend höchstrichterlicher Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 11.12.2002, B 10 LV 14/01 R) ist selbst im Fall der rückwirkenden Feststellung der Versicherungspflicht eine rückwirkende Befreiung jedenfalls dann nicht möglich, wenn der Betroffene die verspätete Feststellung selbst zu vertreten hat. Die Klägerin hat den am 16.11.2000 von der Beklagten übersandten Fragebogen zur Abklärung der Beitragspflicht trotz mehrmaliger Mahnung erst am 06.03.2001 vollständig ausgefüllt an die Beklagte übersandt. Dort ist er am 08.03.2001 eingegangen. Erst nach Abschluss der Ermittlungen zum Einkommen der Klägerin konnte die Beklagte endgültig über die Versicherungs- und Beitragspflicht der Klägerin entscheiden. Dies hat sie mit Bescheid vom 23.03.2001 getan. Hätte die Klägerin früher mitgewirkt, wäre die Feststellung der Versicherungspflicht früher erfolgt und die Kündigung bzw. der Befreiungsantrag hätte noch innerhalb der Dreimonatsfrist eingereicht werden können.

Die Klägerin kann die Befreiung von der Krankenversicherung der Rentner auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erreichen. Voraussetzung hierfür wäre eine Pflichtverletzung der Beklagten. Insbesondere kann sich die Klägerin nicht auf fehlerhafte Aufklärung berufen. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass sie ihrer Aufklärungspflicht durch Aushändigung von Merkblättern seitens der Rentenversicherungsträgers genügt hat. Die Klägerin hat mit ihrer Unterschrift am 10.04.2000 bei der LVA bekundet, dass sie durch den Versichertenältesten das Merkblatt des Rentenversicherungsträgers über die Krankenversicherung der Rentner erhalten hat. Voraussetzung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist zudem, dass die Pflichtverletzung die wesentliche Ursache für die Unterlassung des Befreiungsantrags war (Seewald in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Vor §§ 38 bis 47 SGB I Rz.38). Die Klägerin war bereits im Verwaltungsverfahren durch einen Rentenberater vertreten, der wiederholt deutlich gemacht hat, die Bereitschaft zur weiteren Versicherung in der KVdR werde von einer rückwirkenden Krankengeldzahlung abhängig gemacht. Daraus kann geschlossen werden, dass dem Rentenberater das Befreiungsrecht durchaus bekannt war, er von der Ausübung dieses Rechts hingegen in der Hoffnung auf Krankengeldzahlung über den 30.09.2000 hinaus Abstand genommen hat. Die fehlende Aufklärung durch die Beklagte war daher nicht kausal für die unterlassene Antragstellung.

Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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