L 2 U 167/05

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 8 U 289/03
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 167/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Wenden sich die Spitzenverbände der Sozialversicherung mit einer das Versicherungsverhältnis betreffenden Auskunft oder Beratung nicht direkt an das einzelne Mitglied, sondern verbreiten sie die Information in einer Presseverlautbarung über die Medien, machen sie es den Betroffenen unmöglich, später zu beweisen, dass sie persönlich von dem Vorgang Kenntnis erlangt haben. Es kann nicht angehen, die Beweislast für den Kausalzusammenhang gleichwohl den Versicherten aufzubürden.
2. Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Fällen, in denen gesetzlich die Anwendung des § 44 SGB X ausgeschlossen ist.
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 09.06.2005 und der Bescheid der Beklagten vom 12.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2003 aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 29.07.1997 bis zum 16.07.1998 die Differenz zwischen einem Verletz-tengeld nach einem um 10 v.H. erhöhten Regelentgelt und dem bisher gezahlten Verletztengeld zu gewähren.
III. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Instanzen. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob das vom Kläger im Zeitraum vom 29.07.1997 bis 16.07.1998 bezogene Verletztengeld unter Berücksichtigung von Einmalzahlungen neu zu berechnen und ihm die Differenz nachzuzahlen ist.

Das einmalig gezahlte Arbeitsentgelt unterlag in der Vergangenheit zwar der Beitrags-pflicht zur Sozialversicherung, wurde bei der Bemessung von entgeltbezogenen Lohner-satzleistungen jedoch nicht berücksichtigt. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte dies mit Beschluss vom 11.01.1995 (BVerfGE 92, 53 = SozR 3-2200 § 385 Nr. 6) als ver-fassungswidrig beanstandet und dem Gesetzgeber eine Änderung aufgegeben. Da in der Folge auch gegen die durch das Gesetz zur sozialrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt (Einmalzahlungsgesetz) vom 12.12.1996 (BGBl. I Seite 1859) getroffenen Neuregelung verfassungsrechtliche Bedenken vorgebracht und die Versicher-ten von verschiedener Seite aufgefordert wurden, gegen die einschlägigen Beitrags- und Leistungsbescheide Widerspruch einzulegen, wandten sich die Sozialpartner und Spitzen-organisationen der Sozialversicherung im Juli 1998 mit einer über die Medien verbreiteten gemeinsamen Erklärung an die Öffentlichkeit. Darin wurde auf mehrere beim BVerfG an-hängige Musterverfahren Bezug genommen und in Aussicht gestellt, dass die Versiche-rungsträger die zu erwartende Entscheidung über die Beitragspflicht von Einmalzahlungen auf gleichgelagerte Sachverhalte übertragen und zu Unrecht erhobene Beiträge erstatten werden, ohne dass insoweit Anträge oder Widersprüche erforderlich seien.

Mit Beschluss vom 24.05.2000 (BVerfGE 102, 127 = SozR 3-2400 § 23a Nr. 1) hat das BVerfG auch den durch das Einmalzahlungsgesetz geschaffenen Rechtszustand für verfas-sungswidrig erklärt und dem Gesetzgeber abermals eine verfassungskonforme Neurege-lung - wahlweise auf der Beitrags- oder auf der Leistungsseite - aufgegeben. Zugleich hat es ihn verpflichtet, durch geeignete Regelungen sicherzustellen, dass rückwirkend in Leis-tungsfällen ab 01.01.1997 einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, für das Beiträge entrichtet worden waren, bei der Berechnung des Krankengeldes berücksichtigt wird, soweit über die Leistungsgewährung noch nicht bestandskräftig entschieden wurde. Der Gesetzgeber ist dem mit dem Gesetz zur Neuregelung der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt (Einmalzahlungsneuregelungsgesetz) vom 21.12.2000 (BGBl. I Seite 1971) nachgekommen. Er hat an der Beitragspflicht von Einmalzahlungen festgehalten, zugleich aber mit dem neu geschaffenen § 47 Abs. 1a Siebtes Buch Sozialge-setzbuch (SGB VII) rückwirkend für die Zeit ab 22.06.2000, dem Tag nach der Veröffent-lichung der Entscheidung des BVerfG im Bundesgesetzblatt, die Einbeziehung des einma-lig gezahlten Arbeitsentgelts in die Verletztengeldberechnung angeordnet. Einer den ver-fassungsrechtlichen Vorgaben gerecht werdenden Abwicklung der Leistungsfälle aus der Übergangszeit vom 01.01.1997 bis 21.06.2000 dient ebenfalls die Regelung des § 47 Abs. 1a SGB VII. Danach gilt die neue Regelung lediglich für Ansprüche auf Verletztengeld, sofern über die Ansprüche vor dem 22.06.2000 bereits unanfechtbar entschieden war, für Zeiten vom 22.06.2000 an bis zum Ende der Leistungsdauer. Eine Rücknahme gemäß § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ausdrücklich ausgeschlossen.

Der am 1953 geborene Kläger zog sich bei dem mit Bescheid der Beklagten vom 14.01.1999 anerkannten Arbeitsunfall vom 16.06.1997 eine Radiusfraktur rechts zu. Ar-beitsunfähigkeit bestand deshalb vom 17.06.1997 bis 07.08.1998. Für den streitgegen-ständlichen Zeitraum zahlte die AOK Sachsen im Auftrag der Beklagten Verletztengeld aus.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Schreiben vom 22.06.2000 eine Maßnahme zur beruflichen Rehabilitation, die vom 05.03.2001 bis 01.03.2002 dauerte. Während dieser Zeit bezog er ein von der Beklagten bewilligtes und von der AOK Sachsen ausgezahltes Übergangsgeld in Höhe von 47,67 DM kalendertäglich. Am 04.04.2001 bat der Kläger die Beklagte um Mitteilung, ob bei der Berechnung des Übergangsgeldes berücksichtigt sei, dass er während seiner letzten Beschäftigung Urlaubs- und Weihnachtsgeld erhalten habe. Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 11.04.2001 mit, die Bewilli-gung von Übergangsgeld werde dahingehend abgeändert, dass nunmehr Übergangsgeld in Höhe von 52,38 DM kalendertäglich bewilligt werde. Die Beklagte nahm auch für die Zeit vom 05.03.2002 bis 04.06.2002 eine Bewilligung von Übergangsgeld unter Berücksichti-gung des Einmalzahlungsneuregelungsgesetzes vor.

Am 02.05.2003 forderte der Kläger die Beklagte zur Neuberechnung des im Zeitraum vom 29.07.1997 bis 07.08.1998 bezogenen Verletztengeldes unter Berücksichtigung der Ein-malzahlungen auf.

Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 12.05.2003 ab. Gemäß § 47 Abs. 1 SGB VII erfolge eine Neuberechnung des Verletztengeldes nur, wenn über den Anspruch noch nicht endgültig entschieden worden sei. Der Kläger habe in den Jahren 1997 und 1998 Verletz-tengeld erhalten. Die Beklagte gehe davon aus, dass der Kläger per Überweisungsbeleg und/oder schriftlich von der Krankenkasse über die Gewährung von Verletztengeld unter-richtet worden sei. Die Widerspruchsfrist betrage, weil keine Rechtsbehelfsbelehrung er-folgt sei, ein Jahr. Dieser Zeitraum sei abgelaufen. Damit liege eine unanfechtbare Ent-scheidung vor. Der Widerspruch sei daher nicht fristgerecht erfolgt.

Im Widerspruchsverfahren verwies der Kläger auf die Erklärung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung vom 28.07.1998. Diese sei im vorliegenden Fall zu berücksichti-gen, weil das Verletztengeld über die Krankenkasse ausgezahlt worden sei. Den Wider-spruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2003 zurück. Bezug nehmend auf die Presseerklärung vom 28.07.1998 schließe sich die Beklagte der Auffassung des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften an. Nach dieser seien die Spitzenverbände der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung an der Erklärung nicht beteiligt gewesen, auch wenn in der Überschrift von "Spitzenorganisationen der So-zialversicherung" die Rede sei. Aus der damaligen Sicht heraus habe die Presseerklärung nicht so verstanden werden können, dass sie sich auch auf Beiträge zur gesetzlichen Un-fallversicherung beziehe, da die Versicherten keine eigenen Beiträge zu erbringen hätten. Damit entfalle auch eine Ausdehnung auf Entgeltleistungen der gesetzlichen Unfallversi-cherung. In den Beschlüssen des BVerfG, die schließlich zum Erlass des Einmalzahlungs-neuregelungsgesetzes geführt hätten, sei die gesetzliche Unfallversicherung nicht ange-sprochen. Die Begründung zu den Beschlüssen sei wegen der ausschließlich durch den Arbeitgeber finanzierten Beiträge auf die gesetzliche Unfallversicherung nicht ohne weite-res übertragbar. Der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften sehe daher keinen Grund, die Presseerklärung den Unfallversicherungsträgern zuzurechnen und als Begründung für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand anzuerkennen.

Sein Begehren hat der Kläger mit der am 20.11.2003 zum Sozialgericht Chemnitz (SG) erhobenen Klage weiter verfolgt und die Gewährung von höherem Verletztengeld für den Zeitraum vom 29.07.1997 bis 16.07.1998 beantragt.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 09.06.2005 abgewiesen. Der Kläger habe keinen An-spruch auf Neuberechnung seines Verletztengeldes, weil über seinen Leistungsanspruch bereits vor dem 22.06.2000 unanfechtbar entschieden worden sei und eine Überprüfung gemäß § 44 SGB X nach dem klaren Wortlaut des § 47 Abs. 1a SGB VII ausscheide. Dem Kläger sei auch keine Wiedereinsetzung in die versäumte Widerspruchsfrist zu gewähren. Zwar habe das BSG entschieden, die gemeinsame Erklärung der Sozialpartner und Spit-zenorganisationen der Sozialversicherung vom 28.07.1998 sei geeignet gewesen, Versi-cherte, die davon Kenntnis erhielten, von der Einlegung eines an sich beabsichtigten Wi-derspruchs abzuhalten, so dass in diesen Fällen eine Wiedereinsetzung zu gewähren sei (Urteil des BSG vom 25.03.2003, Az.: B 1 KR 36/01 R). Die Beklagte müsse sich diese Erklärung jedoch nicht zurechnen lassen. Grundlage dafür, dass die betroffenen Versicher-ten die genannte Erklärung aus ihrer Sicht der dem an ihr beteiligten Spitzenverband ange-hörenden Krankenkasse zurechnen durften, sei, dass die Krankenkasse und der im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgabenzuweisung tätige Verband für den Außenstehenden eine Funktionseinheit bilde, so dass Pressemitteilungen des Verbandes als solche der Kasse wahrgenommen würden. Dies treffe jedoch für die Beklagte nicht zu, weil die Spitzenver-bände der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung an der Presseerklärung vom 28.07.1998 nicht beteiligt gewesen seien. Zwar gehe es bei der Frage der Zurechnung we-niger um die objektive Zurechenbarkeit derartiger Äußerungen der Spitzenorganisationen, sondern vielmehr darum, ob der Versicherte die Erklärung aus seiner subjektiven Sicht dem jeweiligen Versicherungsträger zurechnen durfte. Dies ändere jedoch nichts daran, dass die Zurechnung stets auch ein objektives Element habe. Dies sei hier die Funktions-einheit zwischen Versicherungsträger und Verband. Dagegen könne eine bloße subjektive Vorstellung des Betroffenen grundsätzlich nicht dazu führen, dass einem Unfallversiche-rungsträger die Erklärung einer Spitzenorganisation zugerechnet werde, mit der er über-haupt nichts zu tun hat. Daran ändere im vorliegenden Fall auch die Tatsache nichts, dass die Auszahlung des Verletztengeldes durch die Krankenkasse erfolgt sei.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 25.07.2005 zugestellte Urteil ha-ben diese am 19.08.2005 Berufung beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegt. Das SG habe nicht berücksichtigt, dass die AOK Sachsen im Auftrag der Beklagten tätig ge-worden sei und das Verletztengeld nur durch einen mündlichen Verwaltungsakt bewilligt worden sei.

Die Einzelrichterin des Senats hat die AOK Sachsen zum Verfahren gemäß § 75 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beigeladen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 09.06.2005 und den Bescheid der Be-klagten vom 12.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für den Zeit-raum vom 29.07.1997 bis 16.07.1998 die Differenz zwischen einem Verletztengeld nach einem um 10 v.H. erhöhten Regelentgelt und dem bisher gezahlten Verletz-tengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Die Beklagte erachtet das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Der Einzelrichterin des Senats liegen die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Leis-tungsakte der Beklagten vor. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin gemäß § 155 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG - entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet. Daher waren das Urteil des SG vom 09.06.2005 und der Bescheid der Beklagten vom 12.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2003 aufzuheben. Die Beklagte war zu verurteilen, dem Kläger für den Zeitraum vom 29.07.1997 bis 16.07.1998 die Differenz zwischen einem Verletztengeld nach einem um 10 v.H. erhöhten Regelent-gelt und dem bisher gezahlten Verletztengeld zu gewähren.

I.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist lediglich, ob dem Kläger für den Zeitraum vom 29.07.1997 bis 16.07.1998 höheres Verletztengeld unter Berücksichtigung der Ein-malzahlungen zusteht. Zwar hat die Beklagte in ihren Bescheiden die Neuberechnung des Verletztengeldes für den Zeitraum vom 29.07.1997 bis 07.08.1998 abgelehnt. Mit der zum SG erhobenen Klage hat der Kläger jedoch lediglich höheres Verletztengeld für den Zeit-raum vom 29.07.1997 bis 16.07.1998 begehrt. Lediglich über diesen Zeitraum hat das SG zutreffenderweise entschieden. Folglich ist - wie sich zudem aus dem klägerischen Antrag im Berufungsverfahren ergibt - auch nur dieser Zeitraum Gegenstand des Berufungsverfah-rens.

II.

Bei dem Bescheid der Beklagten vom 12.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbeschei-des vom 10.11.2003 handelt es sich um einen so genannten Zweitbescheid, der - obgleich er die Richtigkeit der Gewährung von Verletztengeld für den streitigen Zeitraum bestätigt - den Klageweg (neu) eröffnet (BSG, Urteil vom 12.12.1991, Az.: 7 RAr 26/90, zitiert nach JURIS; BSG, Urteil vom 23.03.1999, Az.: B 2 U 8/98 R, zitiert nach JURIS).

Dem Kläger steht für den genannten Zeitraum ein Anspruch auf Verletztengeld unter Be-rücksichtigung der Einmalzahlungen zu. Gemäß § 47 Abs. 1a SGB VII ist für Ansprüche auf Verletztengeld, die vor dem 01.01.2001 entstanden sind, § 47 Abs. 1 und 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der vor dem 22.06.2000 jeweils geltenden Fassung für Zeiten nach dem 31.12.1996 mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass sich das Regelentgelt um 10 v.H., höchstens aber bis zu einem Betrag in Höhe des 360. Teils des Höchstjahresarbeitsverdienstes erhöht. Das regelmäßige Nettoentgelt ist um denselben Prozentsatz zu erhöhen. Die Regelung der Sätze 1 und 2 gilt allerdings für Ansprüche, über die vor dem 22.06.2000 bereits unanfechtbar entschieden war, nur für Zeiten vom 22.06.2000 an bis zum Ende der Leistungsdauer. Entscheidungen über die Ansprüche, die vor dem 22.06.2000 unanfechtbar geworden sind, sind nicht nach § 44 Abs. 1 SGB X zu-rückzunehmen.

Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Lohnabrechnungen hat er im Bemessungszeit-raum Einmalzahlungen erhalten. Die Beigeladene hat im Auftrag der Beklagten vor dem 22.06.2000 bereits unanfechtbar, mithin bindend im Sinne des § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG), über die dem Kläger im genannten Zeitraum zustehende Leistung entschieden. Allerdings hat sie keinen ausdrück-lichen Bescheid über die Bewilligung erlassen. Vielmehr hat die Beigeladene das Verletz-tengeld im Auftrag der Beklagten gemäß § 88 SGB X ausgezahlt und damit in anderer Weise einen Verwaltungsakt erlassen. Gemäß § 33 Abs. 2 SGB X kann ein Verwaltungs-akt schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. In anderer Weise erfolgt der Erlass eines Verwaltungsaktes beispielsweise - wie vorliegend - durch Zahlungsüberweisung (BSG, Urteil vom 25.03.2003, Az.: B 1 KR 36/01 R, zitiert nach JURIS; BSG SozR 2200 § 182 Nr. 103; BSG SozR 1300 § 50 Nr. 15; BSGE 64, 255, 259; Krasney, in: Kasseler Kommentar, Band II, Stand 3/2004, Rn. 11 zu § 33; Engelmann, in: von Wulffen, SGB X, 4. Aufl., Rn. 12 zu § 33).

Der Kläger erhielt - wie sich aus seinen Kontoauszügen ergibt - im streitigen Zeitraum Geldzahlungen für den Zeitraum seiner Arbeitsunfähigkeit von der Beigeladenen, die auf der Überweisung als "KG/UEG" (wohl Abkürzung für Krankengeld/Übergangsgeld) ge-kennzeichnet waren. Es kann dahinstehen, ob der in anderer Weise erlassene Verwaltungs-akt hinreichend bestimmt im Sinne des § 33 SGB X war, weil - selbst wenn dies nicht der Fall wäre - dies allenfalls zur Rechtswidrigkeit, nicht jedoch zur Nichtigkeit des Verwal-tungsakts führte (Krasney, a.a.O., Rn. 8 zu § 33). Unklarheiten gehen zu Lasten der Behör-de (BSG SozR 3-1200 § 42 Nr. 4; BSGE 37, 155, 160; Engelmann, a.a.O., Rn. 3 zu § 33). Der Verwaltungsakt war nicht nichtig im Sinne des § 40 SGB X. Er litt nicht an einem besonders schwerwiegenden Fehler im Sinne des § 40 Abs. 1 SGB X. Die Leistung wurde nämlich zu Lasten des zuständigen Versicherungsträgers, der Beklagten, gewährt. Bezüg-lich der Höhe haftete ihr kein schwerwiegender Fehler an. Eine Nichtigkeit ergibt sich auch nicht aus § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt nichtig, der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erken-nen lässt. Da der Verwaltungsakt weder schriftlich noch elektronisch erlassen wurde, sind die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm nicht erfüllt. Folglich hat die Beigeladene dem Kläger im Auftrag der Beklagten einen Verwaltungsakt in anderer Art und Weise über die Bewilligung von Verletztengeld erteilt. Dieser ist mit Gutschrift auf dem Konto des Klägers zugegangen (Engelmann, a.a.O., Rn. 3 ff. zu § 37).

Der Verwaltungsakt ist gemäß § 77 SGG bindend geworden, weil ein Rechtsbehelf gegen ihn nicht fristgerecht eingelegt wurde. Für die Widerspruchseinlegung galt gemäß § 66 Abs. 2 SGG eine Frist von einem Jahr seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung, weil der Verwaltungsakt nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war. Eröffnung be-deutet hierbei jede Art der bewussten und gewollten Mitteilung (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., Rn. 3 zu § 64). Mit Kenntnisnahme des Klägers von der in den Jahren 1997 und 1998 auf seinem Konto eingegangenen Leistung ist der Verwaltungsakt folglich eröffnet worden. Zum Zeitpunkt der Stellung seines Antrages vom 02.05.2003 war die Jahresfrist allerdings verstrichen.

Dem Kläger ist jedoch Wiedereinsetzung in die versäumte Widerspruchsfrist zu gewähren. Nach § 67 Abs. 1 SGG ist einem Beteiligten auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfah-rensfrist - hier die Widerspruchsfrist - einzuhalten. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist gemäß § 67 Abs. 2 Satz 1 SGG binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Innerhalb der Antragsfrist ist nach § 67 Abs. 2 Satz 3 SGG die versäumte Rechts-handlung nachzuholen.

Der Kläger war ohne Verschulden verhindert, die Widerspruchsfrist einzuhalten. Aufgrund der gemeinsamen Erklärung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung konnte er davon ausgehen, dass eine Widerspruchseinlegung gegen die Leistungsbewilligung wegen der Nichtberücksichtigung der Einmalzahlungen nicht erforderlich war. Ferner konnte er davon ausgehen, dass die Nachzahlung - falls das BVerfG die gesetzliche Regelung für verfassungswidrig ansehe - von Amts wegen erfolgt.

Nach Auffassung der Einzelrichterin des Senats müssen auch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung die gemeinsame Erklärung vom 28.07.1998 gegen sich gelten lassen. Empfänger der Erklärung durften diese auch den Trägern der gesetzlichen Unfallversiche-rung zurechnen. Zweifel hieran ergeben sich allenfalls aus der Formulierung im zweiten Absatz der Erklärung, in dem es heißt: "Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung und Gewerkschaften haben vereinbart, diese Verfahren als Musterprozesse zu führen, für den Fall, dass das Bundesverfassungsgericht die Beitragserhebung für nichtig ansieht, ha-ben die Krankenkassen als Einzugsstellen für den gesamten Sozialversicherungsbeitrag bereits erklärt, dass sie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in den Musterpro-zessen auch auf gleichgelagerte Sachverhalte anwenden werden. Dies gilt auch, wenn bis zum Abschluss der Musterstreitverfahren keine Widersprüche erhoben oder Beitragserstat-tungsanträge gestellt werden. Deshalb sind derzeit keine weiteren Anträge erforderlich." Gleichwohl sprechen die übrigen Passagen der Erklärung für eine Anwendung der Erklä-rung auch im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung, sodass nach Auffassung der Einzelrichterin des Senats die für eine Anwendung sprechenden Argumente die dagegen sprechenden überwiegen. So handelt es sich bei der Erklärung um eine "Gemeinsame Er-klärung des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft, der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände und der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung". Die gesetzliche Unfallversicherung zählt zur Sozialversicherung. Auch die Überschrift der Erklärung "Beitragsrechtliche Behandlung von Einmalzahlungen im Sozialversicherungsrecht" spricht, weil das Unfallversicherungsrecht zum Sozialversi-cherungsrecht gehört, für eine Anwendung der Erklärung im Bereich der gesetzlichen Un-fallversicherung. Zudem ergibt sich aus dem Satz "Für den Fall, dass das Bundesverfas-sungsgericht bis dahin über die Frage der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der Bei-tragspflicht noch keine Entscheidung getroffen haben sollte, werden die Sozialversiche-rungsträger die Einrede der Verjährung nicht erheben.", dass sich nicht nur die Kranken-kassen, sondern auch die übrigen Träger der Sozialversicherung im Falle der Nichteinle-gung von Widersprüchen nicht auf die Fristversäumnis berufen werden. Auch die Auffor-derung "Zur Vermeidung von Verwaltungsaufwand bitten der DGB, die DAG, die BDA und die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung, von weiteren Widersprüchen und Erstattungsanträgen abzusehen." ist als Bitte der Sozialversicherungsträger zu verstehen. Indem im letzten Absatz ausdrücklich lediglich "Rechtsstreitigkeiten gegen die Arbeitsäm-ter wegen der Nichtberücksichtigung von Einmalzahlungen bei der Berechnung von Ar-beitslosengeld und anderen Entgeltersatzleistungen" von der Erklärung ausgenommen sind, konnte ein Empfänger der Erklärung davon ausgehen, dass die Erklärung für die üb-rigen Sozialversicherungsträger Anwendung finden soll.

Im vorliegenden Fall kommt es jedoch auf die Frage, ob die Empfänger der Erklärung die-se auch den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung zurechnen durften, nicht an. Denn im konkreten Fall ging der Kläger, wie er in der mündlichen Verhandlung nochmals glaubhaft versicherte, davon aus, dass er im streitgegenständlichen Zeitraum Krankengeld von der Beigeladenen erhielt. Hiervon durfte er auch ausgehen, weil die Leistung durch die Beigeladene bewilligt wurde, die Beklagte zu keinem Zeitpunkt schriftlich gegenüber dem Kläger erklärt hatte, dass für den streitgegenständlichen Zeitraum Verletztengeld durch sie gewährt und lediglich durch die Beigeladene ausgezahlt werde. Aufgrund der Überweisun-gen, die - ausweislich der vom Kläger vorgelegten Kontoauszüge - durch die "AOK Sach-sen" erfolgten und mit "KG/UEG" (wohl: Krankengeld/Übergangsgeld) bezeichnet waren, durfte der Kläger davon ausgehen, dass es sich um Krankengeld oder Übergangsgeld von der AOK, nicht jedoch um Verletztengeld von der Beklagten handelt. Hierfür spricht auch, dass die Beigeladene ihm am 27.08.1998 einen "Auszahlschein für Krankengeld" ausstell-te, nach der die Leistungszahlung am 07.08.1998 endete. Hieran ändert eine telefonische Aussage einer Mitarbeiterin der Beklagten im Rahmen der Urlaubsgewährung des Klägers, die Verletztengeldzahlung ende mit Beginn des Urlaubs, und ein Hinweis in einem Merk-blatt, dass im Rahmen der Arbeitsbelastungserprobung versandt wurde, nichts. Die unmit-telbare Leistungsgewährung fand ihren Ausdruck in den Kontoauszügen des Klägers und dem von der Beigeladenen ausgestellten "Auszahlschein für Krankengeld". Unklarheiten und Widersprüche zwischen einzelnen Mitteilungen an den Kläger gehen zu Lasten der Beklagten. Diese hätte es in der Hand gehabt, durch eine kleine Mitteilung an den Kläger - ihm werde von der Beklagten Verletztengeld gewährt, dieses werde jedoch durch die Bei-geladene ausgezahlt - Klarheit zu schaffen.

Dass der Kläger die im streitgegenständlichen Zeitraum gewährte Leistung als Leistung der Beigeladenen verstand, kommt auch darin zum Ausdruck, dass er sich mit seinem An-trag auf Neuberechnung ausweislich seines Schreibens vom 28.04.2003 zunächst an die Beigeladene gewandt hatte.

Dass der Kläger die Presseerklärung der Spitzenorganisationen gekannt hat und gerade dadurch veranlasst worden ist, von der Anfechtung der Verletztengeldbescheide abzuse-hen, ist allerdings nicht festgestellt. Darauf kommt es indess auch nicht an; denn ein sol-cher Ursachenzusammenhang ist zu seinen Gunsten zu unterstellen (BSG, Urteil vom 25.03.2003, a.a.O.). Wenn die Sozialversicherungsträger sich mit einer das Versicherungs-verhältnis betreffenden Auskunft oder Beratung nicht direkt an das einzelne Mitglied wen-den, sondern die Information in Form einer Presseverlautbarung über die Medien verbrei-ten, macht sie es den Betroffenen praktisch unmöglich, später zu beweisen, dass sie per-sönlich von dem Vorgang Kenntnis erlangt haben. Es kann dann nicht angehen, die Be-weislast für den Kausalzusammenhang gleichwohl dem Versicherten aufzubürden (BSG, a.a.O.). Vielmehr muss bei Presseveröffentlichungen unterstellt werden, dass die Nachricht diejenigen, die es angeht, tatsächlich erreicht hat. Beruft sich der Versicherte auf die Ver-öffentlichung und einen dadurch begründeten Vertrauensschutz, kann ihm fehlende Kausa-lität nur entgegengehalten werden, wenn sich nachweisen lässt, dass der Verzicht auf eine Anfechtung der Bewilligungsbescheide in seinem konkreten Fall nicht durch die Presseer-klärung veranlasst war. Dafür gibt es bei dem Kläger keine Anhaltspunkte.

Für das Ergebnis ist es nach der Entscheidung des BSG vom 25.03.2003 (a.a.O.) ohne Be-lang, dass die umstrittene Erklärung nicht von der Beigeladenen bzw. der Beklagten, son-dern von den "Spitzenorganisationen der Sozialversicherung" stammt. Die Versicherten mussten bei verständiger Würdigung davon ausgehen, dass alle durch die Spitzenverbände repräsentierten Krankenkassen und Unfallversicherungsträger hinter der Aufforderung standen, zur Vermeidung unnötigen Verwaltungsaufwands von Anträgen oder Rechtsbe-helfen wegen der beitrags- und leistungsrechtlichen Behandlung von Einmalzahlungen abzusehen und den Ausgang der verfassungsgerichtlichen Prüfung abzuwarten. Wenn die Erklärung in der Mitgliederzeitschrift der Beigeladenen oder der Beklagten veröffentlicht worden sein sollte, kann darin von vornherein kein Zweifel bestehen. Aber auch wenn sie nur in der Tages- oder Fachpresse abgedruckt worden ist, stellt sie sich für die Betroffenen als Verlautbarung der dem Spitzenverband angehörenden Krankenkassen bzw. Unfallver-sicherungsträger dar, zumal wenn sich die einzelne Krankenkasse bzw. der einzelne Un-fallversicherungsträger nicht von der Äußerung distanziert hat. Die Krankenkasse und der im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgabenzuweisung tätige Verband bzw. die Unfallversi-cherungsträger und seine Spitzenorganisation bilden dann für den Außenstehenden eine Funktionseinheit. Pressemitteilungen der Spitzenorganisation werden als solche der einzel-nen Kasse bzw. des einzelnen Unfallversicherungsträgers wahrgenommen.

Bei Veröffentlichung der Erklärung der Spitzenorganisationen vom 28.07.1998 waren die Verwaltungsakte der Beigeladenen über die Leistungsbewilligung bezüglich des streitge-genständlichen Zeitraums noch nicht bindend im Sinne des § 77 SGG. Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Kontoauszüge erfolgte die erste Überweisung der Beigeladenen für den Zeitraum vom 29.07.1997 bis 07.08.1997 am 26.08.1997. Die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG begann folglich frühestens am 27.08.1997 und endete frühestens am 26.08.1998. Die gemeinsame Erklärung datiert vom 28.07.1998. Zum Zeitpunkt der ge-meinsamen Erklärung war die Jahresfrist folglich noch nicht abgelaufen.

Im vorliegenden Fall hat der Kläger - unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 25.03.2003, a.a.O.) - die versäumte Rechtshandlung in Übereinstimmung mit § 67 Abs. 2 Satz 3 SGG unverzüglich nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt. Die durch die Erklärung der Spitzenorganisation vom 28.07.1998 begründete Erwartung, ein Wider-spruch sei nicht nötig, die Sozialversicherungsträger würden ihr Verhalten an der Beurtei-lung des BVerfG ausrichten und ggf. von sich aus zu Unrecht gezahlte Beiträge erstatten oder zu niedrig berechnete Leistungen nachzahlen, hat bis zur Bekanntgabe des Bescheides vom 12.05.2003 bestanden, mit dem die Beklagte die Neuberechnung des Verletztengeldes abgelehnt hat (BSG, Urteil vom 25.03.2003, a.a.O.). Mit dem Widerspruch dagegen hat der Kläger sinngemäß auch die Bewilligungsbescheide aus den Jahren 1997 und 1998 nach-träglich angefochten. Die Voraussetzungen des § 67 abs. 2 SGG sind folglich erfüllt.

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheitert nicht daran, dass seit dem Ende der Rechtsbehelfsfrist mehr als ein Jahr vergangen ist. Die Ausschlussregelung des § 67 Abs. 3 SGG greift nicht ein, weil ein Wiedereinsetzungsantrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. Der Begriff der höheren Gewalt hat in den Wiedereinset-zungsvorschriften eine subjektive Komponente, weil es darum geht, dem jeweiligen kon-kreten Kläger einen wirkungsvollen Rechtsschutz zu ermöglichen. Unter höherer Gewalt wird deshalb nicht nur wie im Haftungsrecht ein von außen kommendes nicht beeinfluss-bares Ereignis (Krieg, Naturkatastrophe, Reaktorunfall, Epidemie o.ä.; vgl. BGHZ 17, 199, 201; 85, 50; 100, 185; 109, 224), sondern jedes Geschehen verstanden, dass auch durch die größtmögliche, von dem Betroffenen unter Berücksichtigung seiner Lage, Bildung und Erfahrung vernünftigerweise zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet wer-den konnte (BSGE 8, 24, 30; BSG SozR Nr. 22 zu § 67 SGG; BVerwG 105, 288, 300 m.w.N.). Unabwendbar in diesem Sinne ist die Fristversäumnis, wenn sie durch eine fal-sche oder irreführende Auskunft oder Belehrung oder sonst durch ein Rechts- oder treu-widriges Verhalten der Verwaltungsbehörde verursacht wird. Das bringt bereits das Gesetz selbst zum Ausdruck, wenn es in § 66 Abs. 2 SGG der höheren Gewalt den Fall gleich-stellt, das fälschlich eine schriftliche Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. Der darin zum Ausdruck gekommene Rechtsgedanke ist auf vergleich-bare Konstellationen zu übertragen (vgl. BSG SozR Nr. 22 zu § 67 SGG; BVerwG Buch-holz 454.71 § 24 WOGG Nr. 2 Seite 8 ff.; BVerwGE 105, 288, 300; BVerwG Buchholz 310 § 60 VWGO Nr. 106 Seite 47). Aber auch wenn die Verwaltung sich, wie hier die Spitzenverbände mit ihrer Presseerklärung, ursprünglich gesetzeskonform verhalten hat und ihrer Ankündigung erst durch eine spätere Entscheidung des Gesetzgebers die Grund-lage entzogen wird, gilt nichts anderes; denn auch dann erweist sich ihr Verhalten rück-schauend betrachtet als rechtswidrig. Nachdem die Versicherten ausdrücklich gebeten worden waren, zur Vermeidung des Verwaltungsaufwandes von weiteren Widersprüchen und Erstattungsanträgen abzusehen, konnte von ihnen nicht erwartet werden, trotzdem die nach der Erklärung unnötigen und unerwünschten Rechtsbehelfe zu ergreifen. In der Un-zumutbarkeit der rechtzeitigen Vornahme einer fristgebundenen Handlung ist aber aus ver-fassungsrechtlichen Gründen immer ein Ereignis aus dem Bereich der höheren Gewalt zu erblicken, nach dessen Wegfall die unverzügliche Nachholung der unterbliebenen Hand-lung durch die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu ermöglichen ist (BVerfGE 71, 305, 347; BSG, Urteil vom 25.03.2003, a.a.O.).

Einer Wiedereinsetzung in die versäumte Widerspruchsfrist steht auch nicht die Über-gangsregelung in § 47 Abs. 1a SGB VII entgegen. Zwar wird aus der Regelung, wonach Entscheidungen über Ansprüche auf Verletztengeld, die vor dem 22.06.2000 unanfechtbar geworden sind, nicht nach § 44 Abs. 1 SGB X zurückzunehmen sind, allerdings teilweise gefolgert, der Gesetzgeber habe Ansprüche für zurückliegende Zeiten generell ausschlie-ßen wollen. Nach einer Auffassung dürfe, wenn der Gesetzgeber eine Korrektur der bin-dend gewordenen Bescheide über § 44 Abs. 1 SGB X ausdrücklich untersagt und damit zu erkennen gegeben habe, dass es für die Vergangenheit mit der Nichtberücksichtigung der Einmalzahlungen sein Bewenden haben solle, dieses Ergebnis nicht mit dem Instrument der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unterlaufen werden (so Borchert, NZS 2200, Seite 176, 179). Dem vermag die Einzelrichterin des Senats gestützt auf die Entscheidung des BSG vom 25.03.2003 (a.a.O.) nicht zu folgen. Mit der Regelung in § 47 Abs. 1a SGB VII ist der Gesetzgeber in Anbetracht der schlechten Finanzsituation der Unfallversiche-rungsträger und der bei einer rückwirkenden Anwendung der neuen Berechnungsvorschrif-ten drohenden hohen Nachzahlungen von der Grundregel des § 44 abs. 1 SGB X abgewi-chen, dass bei Ansprüchen auf Sozialleistungen der materiellen Gerechtigkeit auch für die Vergangenheit Vorrang vor der Rechtsbeständigkeit behördlicher und gerichtlicher Ent-scheidungen und damit vor der Rechtssicherheit gebührt. Unabhängig von der Berechti-gung der gegen die konkrete Regelung vorgebrachten verfassungsrechtlichen Einwände ist jedenfalls die grundsätzliche Entscheidung darüber, wie die beiden widerstreitenden Ele-mente des Rechtsstaatsprinzips zum Ausgleich gebracht werden sollen, nicht durch die Verfassung vorgegeben, sondern dem (einfachen) Gesetzgeber überlassen. Dieser ist von Verfassung wegen nicht gehindert, den in § 44 Abs. 1 SGB X normierten Anspruch einzu-schränken oder ganz zu streichen. Bei der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen gegen die Versäumung einer Rechtsbehelfsfrist Wiedereinsetzung in denn vorigen Stand gewährt werden soll, ist das - wie das BSG bereits in seiner Entscheidung vom 25.03.2003 (a.a.O.) entschieden hat - anders. Der Anspruch des Bürgers auf Gewährung eines effekti-ven Rechtsschutzes hat Verfassungsrang. Er verbietet es dem Gesetzgeber und den Gerich-ten, den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BVerfGE 69, 381, 385; BVerfG, NJW 1999, Seite 3701). Insbesondere darf dem Rechtssuchenden die Nichtein-haltung von Verfahrensfristen nicht entgegengehalten werden, wenn er die Fristversäumnis auch bei Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt nicht vermeiden konnte. Das gilt erst recht in Fällen höherer Gewalt oder bei anderen unabwendbaren Ereignissen (vgl. noch-mals BVerfGE, 71, 305, 347). Mag der Gesetzgeber somit auch berechtigt gewesen sein, ein Wideraufgreifen der in der Übergangszeit vom 01.01.1997 bis zum 21.06.2000 bestandskräftig abgeschlossenen Krankengeld- bzw. Verletztengeldfälle auszuschließen, so gilt dies für die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in gleicher Weise. Versicherte, die wegen der Erklärung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherungen vom 28.07.1998 ihre Leis-tungsbescheide zunächst nicht angefochten, dies aber nach Wegfall des Hindernisses nach-geholt haben, konnte und kann dieser Weg aus rechtsstaatlichen Gründen nicht verschlos-sen werden (BSG, Urteil vom 25.03.2003, a.a.O.).

Nach alledem waren das Urteil des SG und die Bescheide der Beklagten aufzuheben.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Re-vision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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