Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 41 U 445/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 62/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.07.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin gegen die Beklagte aufgrund eines Arbeitsunfalles einen Anspruch auf Verletztenrente über den 31.05.1998 hinaus hat.
Die 1963 geborene Klägerin geriet am 22.05.1996 auf dem Weg zur Arbeitsstätte ohne ihre Mitwirkung in eine tätliche Auseinandersetzung, bei der sie versehentlich einen Schlag gegen das rechte äußere Sprunggelenk erlitt. Dr.B. diagnostizierte eine Kontusion des Fersen- und Wadenbeins sowie eine Distorsion des Peroneus. Am 09.12.1996 wurde die Klägerin wegen einer Peronealsehnenluxation und eines Tarsaltunnel-Syndroms operiert. Am 11.07.2001 erfolgte die Materialentfernung mit einer Neurom-Revision.
Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte Befundberichte des Dr.M. vom 03.09.1996 und 23.10.1996, des Dr.M. vom 02.06.1996, des Dr.K. vom 19.09.1996, des Dr.M. vom 08.11.1996, 16.04.1997, 13.11.1997 und 21.01.1999, des Prof.Dr.S. vom 27.02.1997 sowie des Prof.Dr.W. zum operativen Eingriff am 09.12.1996 bei und holte Gutachten des Neurologen Dr.J. vom 09.07.1997 und des Chirurgen Dr.P. vom 16.05.1997/August 1997 ein. Mit Bescheid vom 22.09.1997 anerkannte die Beklagte als Folgen des Unfalls eine Bewegungseinschränkung im Fußgelenk, eine Muskelminderung am rechten Bein, Gefühlsstörungen im Bereich der Fußaußenseite, eine leichte Knochenkalksalzminderung und Schwellneigung im Bereich des Fußgelenkes bei noch liegendem Material und gewährte nach Ablauf der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit bis 30.06.1997 als vorläufige Leistung Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H. und im Anschluss daran nach einer MdE von 20 v.H. Im Widerspruchsverfahren entzog die Beklagte nach Einholung der chirurgischen Stellungnahme des Dr.G. vom 23.04.1998 die Verletztenrente durch Bescheid vom 07.05.1998 mit Ablauf des 31.05.1998, veranlasste aber weitere Begutachtungen auf neurologischem und chirurgischem Fachgebiet durch Dr.D. und Dr.G. (Gutachten vom 08.02.1999 und 17.02.1999). Dr.G. führte zusammenfassend aus, als Unfallfolgen bestünden noch eine geringfügige Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenks bei freier Beweglichkeit im unteren Sprunggelenk, eine geringfügige Gangbildstörung, reizlose Narben über dem Innen- und Außenknöchel rechts, das noch liegende Material sowie die von Dr.D. festgestellten Unfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet, nämlich eine diskrete Restschädigung des Nervus tibialis im Bereich des Tarsaltunnels mit diskreten elektroneurographischen und elektromyographischen Veränderungen, eine leichtergradige Sensibilitätsminderung im Versorgungsgebiet des Nerven am Fuß (medialer Fußrücken und Fußsohle), eine inkomplette Läsion des Nervus suralis mit sensiblen Defiziten an der Fußaußenkante und wahrscheinlich auch intermittierender, in der Intensität fluktuierender Schmerzsymptomatik an der Fußaußenkante und an der Außenseite des Unterschenkels. Die MdE wurde bis 30.06.1997 mit 30 v.H. und ab 01.07.1997 mit 20 v.H. bewertet. Ab dem Mai 1998 bewerteten die Gutachter die Unfallfolgen auf chirurgischen und neurologischem Gebiet mit einer MdE von jeweils 10 v.H. Die Gesamt-MdE schätzte Dr.G. mit 15 v.H. ein, wobei er von einer deutlichen Überschneidung der Unfallfolgen auf chirurgischem und neurologischem Gebiet ausging. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.05.1990 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und beantragt, ihr wegen der Folgen des Unfalls vom 22.05.1996 eine Teilrente in Höhe von 20 v.H. der Vollrente über den 31.05.1998 hinaus zu gewähren. Prof. Dr.W. , bei dem sie in Behandlung stehe, halte die Gutachten für unzureichend. Die Schädigung des Nervus tibialis sowie des Nervus suralis seien nicht hinreichend geklärt. Die Klägerin legte Berichte des Dr.M. vom 08.02.2001 sowie des Prof.Dr.W. zur Operation vom 11.07.2001 vor.
Das SG holte das Gutachten des Chirurgen Dr.L. vom 27.08.2001 und auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG Gutachten des Neurologen Prof.Dr.K. vom 14.03.2003/18.09.2003 und der Chirurgin Dr.K. vom 14.08.2003/17.03.2004 ein. Die Beklagte legte die Stellungnahme des Dr.G. vom 10.10.2001 vor.
Dr.L. führte aus, bis 30.06.1997 sei die MdE mit 30 v.H., bis 30.04.1998 mit 20 v.H. und ab 01.05.1998 mit 10 v.H. einzuschätzen. Am Unfalltag sei es zu einer minderschweren Weichteilprellung unterhalb der kernspintomographischen Nachweisgrenze und anschließend zu einer schmerzbedingten Fehlbelastung des Fußes gekommen, worauf sich ein chronischer Reizzustand der Fußwurzelgelenke und der Peronealsehnen bei anlagebedingter Subluxation entwickelt habe. Diese sei operativ beseitigt worden. Aus chirurgischer Sicht sei nach erfolgter Beseitigung der Peronealsehnen-Subluxation bei jeglichem Fehlen fibröser Gelenkkapselveränderungen am oberen und unterem Sprunggelenk oder radiologisch nachweisbarer knöcherner Sekundärveränderungen nach Abklingen des noch operationsbedingten Reizzustandes davon auszugehen, dass messbare Unfallfolgen nicht mehr verblieben seien. Prof.Dr.K. schätzte die unfallbedingte MdE auf neurologischem Gebiet bis zum 30.06.1997 auf 20 v.H. und danach auf 10 v.H. ein. Durch den Unfall seien auf neurologischem Gebiet die nachfolgende Schwellung sowie eventuell die Behandlungsmaßnahmen in Form von Gipsschiene und Operation, Schädigungen des Nervus tibialis am Tarsaltunnel und des Nervus suralis sowie des Nervus peronaeus superficialis und profundus im distalen Unterschenkelbereich mit sensomotorischen Ausfällen und erheblicher Schmerzsymptomatik verursacht worden. Dr.K. wies darauf hin, die MdE auf chirurgischem und neurologischem Fachgebiet betrage jeweils 10 v.H. und die Gesamt-MdE 15 v.H. Bei dem Unfall sei es zu einer leichten Distorsion des rechten Sprunggelenks mit geringem Erguss im oberen Sprunggelenk und zu einer vorübergehenden Symptomatik einer anlagebedingten Sub- luxation der Peronealsehnen gekommen. Die vorübergehende Verschlimmerung der anlagebedingten Subluxation der Peronealsehnen sei durch die operative Verbesserung der Führung der Peronealsehnen weitgehend behoben worden.
Mit Urteil vom 20.07.2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Bei der maßgeblichen Gesamtschau könne unter Berücksichtigung der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Grundsätze eine höhere MdE als 15 v.H. nicht angesetzt werden.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt und ausgeführt, unter Berücksichtigung der Komplikationen sei die MdE allein auf neurologischem Gebiet mit mindestens 15 v.H. anzusetzen. Eine Überschneidung in den Fachbereichen Neurologie und Chirurgie sei nicht ersichtlich.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 20.07.2004 und des Bescheids vom 07.05.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.05.1999 zu verurteilen, ihr Verletztenrente über den 31.05.1998 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten und des SG, der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Urteil des SG vom 20.07.2004 ist nicht zu beanstanden, weil die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Verletztenrente über den 31.05.1998 hinaus hat.
Der Unfall hat sich vor dem 01.01.1997 ereignet, so dass die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) anzuwenden sind (§ 212 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII -). Anspruch auf eine Verletztenrente haben danach Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Arbeitsunfalls über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus um wenigstens ein Fünftel gemindert ist (§§ 580 Abs.1, § 581 Abs.1 Nr.2 RVO). Bei der Beurteilung der MdE haben die ärztlichen Sachverständigen die von dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungswerte zu beachten. Diese Richtwerte bilden die Basis für einen Vorschlag, den die medizinischen Sachverständigen zur Höhe der MdE unterbreiten. Diese abstrakte Bewertung der MdE soll gewähr- leisten, dass gleiche Unfallfolgen in gleichgelagerten Fällen auch gleich bewertet werden (BSGE 43, 54).
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte und nach dem Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren ist bei der Klägerin eine rentenberechtigende MdE über den 31.05.1998 nicht ausreichend zu begründen. Der Senat stützt sich hierbei insbesondere auf die im erstinstanzli- chen Verfahren eingeholten Gutachten des Dr.L. , des Prof. Dr.K. und der Dr.K. , die im Wesentlichen das Ermittlungsergebnis der Beklagten bestätigten.
Die Klägerin erlitt am Unfalltag eine Kontusions- und Distorsionsverletzung des rechten Fußes und der Außenseite des rechten Unterschenkels, die aufgrund einer nachfolgenden Fehlbelastung zu einem chronischen Reizzustand der Fußwurzelgelenke und der Peronealsehnen führte. Die am 01.06.1996 und am 07.08.1996 durchgeführten Kernspintomographieaufnahmen ergaben einen unauffälligen Befund. Aus dem Behandlungsverlauf ergibt sich im Wesentlichen eine Beeinträchtigung auf neurologischem Gebiet. Nachdem der behandelnde Neurologe Dr.M. ein Tarsaltunnel-Syndrom und eine Läsion des Nervus suralis diagnostiziert hatte, wurde bei der Klägerin eine Tarsaltunnel-Operation und gleichzeitig eine Fesselungsoperation der Peronealsehne am Außenknöchel durchgeführt. Dr.M. beschrieb aufgrund der Untersuchung am 15.04.1997 eine deutliche Befundbesserung mit auch elektrophysiologisch nachweisbarer Erholung des Nervus tibialis. Am 13.11.1997 stellte Dr.M. eine Schädigung des Nervus peroneaus fest.
Dr.L. weist in seinem chirurischen Gutachten darauf hin, die Muskulatur von Ober- und Unterschenkeln sei seitengleich ausgeprägt und die Umfangmessungen hätten im Rahmen der Messgenauigkeit praktisch identische Werte für das rechte und linke Bein ergeben. Lediglich die Fessel- und Knöchelregion sei rechtsseitig geringfügig verdickt. Die Fußsohlenbeschwielung sei mittelkräftig und rechts nur geringfügig schwächer entwcckelt als links. Die Stabilitätsprüfung des oberen Sprunggelenks zeigte sich unauffällig. Beim passiven Durchbewegen des Sprunggelenks bestand kein fühlbares Gelenkreiben. Bei der Prüfung des aktiven Bewegungsumfanges ergab sich am oberen Sprunggelenk eine Bewegungseinschränkung von nur etwa einem Drittel der Norm, am rechten unteren Sprunggelenk konnte der Gutachter eine nur hälftige Bewegungseinschränkung feststellen. Dr.L. bewertete aufgrund dieser und den aus der Aktenlage sich ergebenden Befunden die von den Vorgutachtern getroffenen Einschätzungen als wohlwollend. Die Untersuchung durch Dr.K. bestätigte die von Dr.L. erhobenen Befunde. Die Sprunggelenksbänder zeigten sich klinisch fest. Auch sie konnte keine Umfangsdifferenzen am proximalen Unterschenkel und an Mittel- und Vorfuß feststellen, wobei sie betonte, dass dies für eine gleichseitige Belastung der Beine spreche. Ein Zeichen für die gleichseitige Belastung sei auch der Rückgang der Knochenentkalkung. Die Umfangsvermehrung rechts im Bereich der Knöchelregion um 0,5 cm habe keine gravierende Bedeutung. Im Übrigen zeigte sich die Beweglichkeit des oberen und unteren Sprunggelenks rechts nur endgradig minimal eingeschränkt, nämlich um 5°. Dr.K. weist dementsprechend darauf hin, dass die noch bestehenden Beschwerden der Klägerin auf die Schäden auf neurologischem Gebiet zurückzuführen seien. Sie schlägt aber auch auf chirurgischem Fachgebiet eine MdE von 10 v.H. vor.
Prof.Dr.K. schätzte wegen einer diskreten Restschädigung des Nervus tibialis im Tarsaltunnel, einer inkompletten Schädigung des Nervus suralis rechts und wegen eines flukturierenden Schmerzsyndroms an der rechten Fußaußenkante und der Außenkannte des Unterschenkels die MdE ab 01.07.1997 zutreffend mit nicht höher als 10 v.H. ein, denn er konnte lediglich geringe neurologischen Defizite und keine motorischen Ausfälle feststellen. Bei der Untersuchung zeigten sich die Leitgeschwindigkeiten des Nervus suralis und des Nervus tibialis im unteren Normbereich. Der Nervus peroneus superficialis wies eine gegenüber links nur leichte verzögerte Leitgeschwindigkeit auf. Eine leichte Schädigung, so der Gutachter, erscheine deshalb möglich. Ein vollständiger Ausfall dieses Nerven führt zu einer MdE von 15 v.H. (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage S.321). Die von Prof.Dr.K. angesetzte MdE, die er wegen fortdauernder sensibler Störungen und der Schmerzsymptomatik für gerechtfertigt ansah, ist somit jedenfalls nicht zu niedrig angesetzt.
Übereinstimmend kommen sämtliche Sachverständige zu dem Ergebnis, dass über den 31.05.1998 hinaus auf neurologischem und chirurgischem Fachgebiet jeweils eine MdE von nicht über 10 v.H. zu begründen ist. Eine Addition der von chirurgischer und neurologischer Seite angegebenen MdE-Werte von jeweils 10 v.H. kann hier nicht vorgenommen werden, sodass eine rentenberechtigende MdE ausscheidet. Einzelne MdE-Ansätze dürfen nicht schematisch zusammengerechnet werden. Entscheidend ist eine integrierende Gesamtschau der Auswirkungen aller Funktionseinschränkungen auf die Erwerbsfähigkeit. Überlagernde oder überschneidende Funktionseinschränkungen bemessen die Gesamt-MdE geringer als die Summe der einzelnen MdE-Werte (Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O., S.158).
Auch ein Vergleich der Bewertung der hier vorliegenden mit in der unfallversicherungsrechtlichen Standardliteratur genannten Funktionseinschränkungen im Bereich des Fußes rechtfertigt keine rentenberechtigende MdE von 20 v.H. Danach wird für die völlige Versteifung des oberen und unteren Sprunggelenks eine MdE von 20 v.H. vergeben (KassKomm-Ricke § 56 Rdnr.77; Mehrhoff/ Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung 11. Auflage S.170). Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O. S.746) sehen für die Versteifung des oberen Sprunggelenks im Winkel von 90 bis 110° zum Unterschenkel eine MdE von 20 v.H. vor. Rompe/Erlenkämper (Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 4. Auflage S.562) bewerten die völlige Versteifung des oberen Sprunggelenks mit einer MdE von 20 v.H. Eine dementsprechend vergleichbare Funktionsstörung kann bei der Klägerin nicht festgestellt werden.
Auch ist eine Erhöhung der MdE aufgrund von Schmerzen schon deshalb nicht angezeigt, weil Prof.Dr.K. die MdE von 10 v.H. gerade auch wegen der Schmerzsymptomatik für gegeben erachtete. Im Übrigen beinhalten die genannten Erfahrungswerte regelmäßig die üblicherweise vorhandenen Schmerzen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 313). Eine außergewöhnliche Schmerzsymptomatik ist den objektiven Befunden nicht zu entnehmen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.07.2004 war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin gegen die Beklagte aufgrund eines Arbeitsunfalles einen Anspruch auf Verletztenrente über den 31.05.1998 hinaus hat.
Die 1963 geborene Klägerin geriet am 22.05.1996 auf dem Weg zur Arbeitsstätte ohne ihre Mitwirkung in eine tätliche Auseinandersetzung, bei der sie versehentlich einen Schlag gegen das rechte äußere Sprunggelenk erlitt. Dr.B. diagnostizierte eine Kontusion des Fersen- und Wadenbeins sowie eine Distorsion des Peroneus. Am 09.12.1996 wurde die Klägerin wegen einer Peronealsehnenluxation und eines Tarsaltunnel-Syndroms operiert. Am 11.07.2001 erfolgte die Materialentfernung mit einer Neurom-Revision.
Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte Befundberichte des Dr.M. vom 03.09.1996 und 23.10.1996, des Dr.M. vom 02.06.1996, des Dr.K. vom 19.09.1996, des Dr.M. vom 08.11.1996, 16.04.1997, 13.11.1997 und 21.01.1999, des Prof.Dr.S. vom 27.02.1997 sowie des Prof.Dr.W. zum operativen Eingriff am 09.12.1996 bei und holte Gutachten des Neurologen Dr.J. vom 09.07.1997 und des Chirurgen Dr.P. vom 16.05.1997/August 1997 ein. Mit Bescheid vom 22.09.1997 anerkannte die Beklagte als Folgen des Unfalls eine Bewegungseinschränkung im Fußgelenk, eine Muskelminderung am rechten Bein, Gefühlsstörungen im Bereich der Fußaußenseite, eine leichte Knochenkalksalzminderung und Schwellneigung im Bereich des Fußgelenkes bei noch liegendem Material und gewährte nach Ablauf der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit bis 30.06.1997 als vorläufige Leistung Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H. und im Anschluss daran nach einer MdE von 20 v.H. Im Widerspruchsverfahren entzog die Beklagte nach Einholung der chirurgischen Stellungnahme des Dr.G. vom 23.04.1998 die Verletztenrente durch Bescheid vom 07.05.1998 mit Ablauf des 31.05.1998, veranlasste aber weitere Begutachtungen auf neurologischem und chirurgischem Fachgebiet durch Dr.D. und Dr.G. (Gutachten vom 08.02.1999 und 17.02.1999). Dr.G. führte zusammenfassend aus, als Unfallfolgen bestünden noch eine geringfügige Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenks bei freier Beweglichkeit im unteren Sprunggelenk, eine geringfügige Gangbildstörung, reizlose Narben über dem Innen- und Außenknöchel rechts, das noch liegende Material sowie die von Dr.D. festgestellten Unfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet, nämlich eine diskrete Restschädigung des Nervus tibialis im Bereich des Tarsaltunnels mit diskreten elektroneurographischen und elektromyographischen Veränderungen, eine leichtergradige Sensibilitätsminderung im Versorgungsgebiet des Nerven am Fuß (medialer Fußrücken und Fußsohle), eine inkomplette Läsion des Nervus suralis mit sensiblen Defiziten an der Fußaußenkante und wahrscheinlich auch intermittierender, in der Intensität fluktuierender Schmerzsymptomatik an der Fußaußenkante und an der Außenseite des Unterschenkels. Die MdE wurde bis 30.06.1997 mit 30 v.H. und ab 01.07.1997 mit 20 v.H. bewertet. Ab dem Mai 1998 bewerteten die Gutachter die Unfallfolgen auf chirurgischen und neurologischem Gebiet mit einer MdE von jeweils 10 v.H. Die Gesamt-MdE schätzte Dr.G. mit 15 v.H. ein, wobei er von einer deutlichen Überschneidung der Unfallfolgen auf chirurgischem und neurologischem Gebiet ausging. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.05.1990 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und beantragt, ihr wegen der Folgen des Unfalls vom 22.05.1996 eine Teilrente in Höhe von 20 v.H. der Vollrente über den 31.05.1998 hinaus zu gewähren. Prof. Dr.W. , bei dem sie in Behandlung stehe, halte die Gutachten für unzureichend. Die Schädigung des Nervus tibialis sowie des Nervus suralis seien nicht hinreichend geklärt. Die Klägerin legte Berichte des Dr.M. vom 08.02.2001 sowie des Prof.Dr.W. zur Operation vom 11.07.2001 vor.
Das SG holte das Gutachten des Chirurgen Dr.L. vom 27.08.2001 und auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG Gutachten des Neurologen Prof.Dr.K. vom 14.03.2003/18.09.2003 und der Chirurgin Dr.K. vom 14.08.2003/17.03.2004 ein. Die Beklagte legte die Stellungnahme des Dr.G. vom 10.10.2001 vor.
Dr.L. führte aus, bis 30.06.1997 sei die MdE mit 30 v.H., bis 30.04.1998 mit 20 v.H. und ab 01.05.1998 mit 10 v.H. einzuschätzen. Am Unfalltag sei es zu einer minderschweren Weichteilprellung unterhalb der kernspintomographischen Nachweisgrenze und anschließend zu einer schmerzbedingten Fehlbelastung des Fußes gekommen, worauf sich ein chronischer Reizzustand der Fußwurzelgelenke und der Peronealsehnen bei anlagebedingter Subluxation entwickelt habe. Diese sei operativ beseitigt worden. Aus chirurgischer Sicht sei nach erfolgter Beseitigung der Peronealsehnen-Subluxation bei jeglichem Fehlen fibröser Gelenkkapselveränderungen am oberen und unterem Sprunggelenk oder radiologisch nachweisbarer knöcherner Sekundärveränderungen nach Abklingen des noch operationsbedingten Reizzustandes davon auszugehen, dass messbare Unfallfolgen nicht mehr verblieben seien. Prof.Dr.K. schätzte die unfallbedingte MdE auf neurologischem Gebiet bis zum 30.06.1997 auf 20 v.H. und danach auf 10 v.H. ein. Durch den Unfall seien auf neurologischem Gebiet die nachfolgende Schwellung sowie eventuell die Behandlungsmaßnahmen in Form von Gipsschiene und Operation, Schädigungen des Nervus tibialis am Tarsaltunnel und des Nervus suralis sowie des Nervus peronaeus superficialis und profundus im distalen Unterschenkelbereich mit sensomotorischen Ausfällen und erheblicher Schmerzsymptomatik verursacht worden. Dr.K. wies darauf hin, die MdE auf chirurgischem und neurologischem Fachgebiet betrage jeweils 10 v.H. und die Gesamt-MdE 15 v.H. Bei dem Unfall sei es zu einer leichten Distorsion des rechten Sprunggelenks mit geringem Erguss im oberen Sprunggelenk und zu einer vorübergehenden Symptomatik einer anlagebedingten Sub- luxation der Peronealsehnen gekommen. Die vorübergehende Verschlimmerung der anlagebedingten Subluxation der Peronealsehnen sei durch die operative Verbesserung der Führung der Peronealsehnen weitgehend behoben worden.
Mit Urteil vom 20.07.2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Bei der maßgeblichen Gesamtschau könne unter Berücksichtigung der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Grundsätze eine höhere MdE als 15 v.H. nicht angesetzt werden.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt und ausgeführt, unter Berücksichtigung der Komplikationen sei die MdE allein auf neurologischem Gebiet mit mindestens 15 v.H. anzusetzen. Eine Überschneidung in den Fachbereichen Neurologie und Chirurgie sei nicht ersichtlich.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 20.07.2004 und des Bescheids vom 07.05.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.05.1999 zu verurteilen, ihr Verletztenrente über den 31.05.1998 hinaus zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten und des SG, der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Urteil des SG vom 20.07.2004 ist nicht zu beanstanden, weil die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Verletztenrente über den 31.05.1998 hinaus hat.
Der Unfall hat sich vor dem 01.01.1997 ereignet, so dass die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) anzuwenden sind (§ 212 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII -). Anspruch auf eine Verletztenrente haben danach Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Arbeitsunfalls über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus um wenigstens ein Fünftel gemindert ist (§§ 580 Abs.1, § 581 Abs.1 Nr.2 RVO). Bei der Beurteilung der MdE haben die ärztlichen Sachverständigen die von dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungswerte zu beachten. Diese Richtwerte bilden die Basis für einen Vorschlag, den die medizinischen Sachverständigen zur Höhe der MdE unterbreiten. Diese abstrakte Bewertung der MdE soll gewähr- leisten, dass gleiche Unfallfolgen in gleichgelagerten Fällen auch gleich bewertet werden (BSGE 43, 54).
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte und nach dem Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren ist bei der Klägerin eine rentenberechtigende MdE über den 31.05.1998 nicht ausreichend zu begründen. Der Senat stützt sich hierbei insbesondere auf die im erstinstanzli- chen Verfahren eingeholten Gutachten des Dr.L. , des Prof. Dr.K. und der Dr.K. , die im Wesentlichen das Ermittlungsergebnis der Beklagten bestätigten.
Die Klägerin erlitt am Unfalltag eine Kontusions- und Distorsionsverletzung des rechten Fußes und der Außenseite des rechten Unterschenkels, die aufgrund einer nachfolgenden Fehlbelastung zu einem chronischen Reizzustand der Fußwurzelgelenke und der Peronealsehnen führte. Die am 01.06.1996 und am 07.08.1996 durchgeführten Kernspintomographieaufnahmen ergaben einen unauffälligen Befund. Aus dem Behandlungsverlauf ergibt sich im Wesentlichen eine Beeinträchtigung auf neurologischem Gebiet. Nachdem der behandelnde Neurologe Dr.M. ein Tarsaltunnel-Syndrom und eine Läsion des Nervus suralis diagnostiziert hatte, wurde bei der Klägerin eine Tarsaltunnel-Operation und gleichzeitig eine Fesselungsoperation der Peronealsehne am Außenknöchel durchgeführt. Dr.M. beschrieb aufgrund der Untersuchung am 15.04.1997 eine deutliche Befundbesserung mit auch elektrophysiologisch nachweisbarer Erholung des Nervus tibialis. Am 13.11.1997 stellte Dr.M. eine Schädigung des Nervus peroneaus fest.
Dr.L. weist in seinem chirurischen Gutachten darauf hin, die Muskulatur von Ober- und Unterschenkeln sei seitengleich ausgeprägt und die Umfangmessungen hätten im Rahmen der Messgenauigkeit praktisch identische Werte für das rechte und linke Bein ergeben. Lediglich die Fessel- und Knöchelregion sei rechtsseitig geringfügig verdickt. Die Fußsohlenbeschwielung sei mittelkräftig und rechts nur geringfügig schwächer entwcckelt als links. Die Stabilitätsprüfung des oberen Sprunggelenks zeigte sich unauffällig. Beim passiven Durchbewegen des Sprunggelenks bestand kein fühlbares Gelenkreiben. Bei der Prüfung des aktiven Bewegungsumfanges ergab sich am oberen Sprunggelenk eine Bewegungseinschränkung von nur etwa einem Drittel der Norm, am rechten unteren Sprunggelenk konnte der Gutachter eine nur hälftige Bewegungseinschränkung feststellen. Dr.L. bewertete aufgrund dieser und den aus der Aktenlage sich ergebenden Befunden die von den Vorgutachtern getroffenen Einschätzungen als wohlwollend. Die Untersuchung durch Dr.K. bestätigte die von Dr.L. erhobenen Befunde. Die Sprunggelenksbänder zeigten sich klinisch fest. Auch sie konnte keine Umfangsdifferenzen am proximalen Unterschenkel und an Mittel- und Vorfuß feststellen, wobei sie betonte, dass dies für eine gleichseitige Belastung der Beine spreche. Ein Zeichen für die gleichseitige Belastung sei auch der Rückgang der Knochenentkalkung. Die Umfangsvermehrung rechts im Bereich der Knöchelregion um 0,5 cm habe keine gravierende Bedeutung. Im Übrigen zeigte sich die Beweglichkeit des oberen und unteren Sprunggelenks rechts nur endgradig minimal eingeschränkt, nämlich um 5°. Dr.K. weist dementsprechend darauf hin, dass die noch bestehenden Beschwerden der Klägerin auf die Schäden auf neurologischem Gebiet zurückzuführen seien. Sie schlägt aber auch auf chirurgischem Fachgebiet eine MdE von 10 v.H. vor.
Prof.Dr.K. schätzte wegen einer diskreten Restschädigung des Nervus tibialis im Tarsaltunnel, einer inkompletten Schädigung des Nervus suralis rechts und wegen eines flukturierenden Schmerzsyndroms an der rechten Fußaußenkante und der Außenkannte des Unterschenkels die MdE ab 01.07.1997 zutreffend mit nicht höher als 10 v.H. ein, denn er konnte lediglich geringe neurologischen Defizite und keine motorischen Ausfälle feststellen. Bei der Untersuchung zeigten sich die Leitgeschwindigkeiten des Nervus suralis und des Nervus tibialis im unteren Normbereich. Der Nervus peroneus superficialis wies eine gegenüber links nur leichte verzögerte Leitgeschwindigkeit auf. Eine leichte Schädigung, so der Gutachter, erscheine deshalb möglich. Ein vollständiger Ausfall dieses Nerven führt zu einer MdE von 15 v.H. (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage S.321). Die von Prof.Dr.K. angesetzte MdE, die er wegen fortdauernder sensibler Störungen und der Schmerzsymptomatik für gerechtfertigt ansah, ist somit jedenfalls nicht zu niedrig angesetzt.
Übereinstimmend kommen sämtliche Sachverständige zu dem Ergebnis, dass über den 31.05.1998 hinaus auf neurologischem und chirurgischem Fachgebiet jeweils eine MdE von nicht über 10 v.H. zu begründen ist. Eine Addition der von chirurgischer und neurologischer Seite angegebenen MdE-Werte von jeweils 10 v.H. kann hier nicht vorgenommen werden, sodass eine rentenberechtigende MdE ausscheidet. Einzelne MdE-Ansätze dürfen nicht schematisch zusammengerechnet werden. Entscheidend ist eine integrierende Gesamtschau der Auswirkungen aller Funktionseinschränkungen auf die Erwerbsfähigkeit. Überlagernde oder überschneidende Funktionseinschränkungen bemessen die Gesamt-MdE geringer als die Summe der einzelnen MdE-Werte (Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O., S.158).
Auch ein Vergleich der Bewertung der hier vorliegenden mit in der unfallversicherungsrechtlichen Standardliteratur genannten Funktionseinschränkungen im Bereich des Fußes rechtfertigt keine rentenberechtigende MdE von 20 v.H. Danach wird für die völlige Versteifung des oberen und unteren Sprunggelenks eine MdE von 20 v.H. vergeben (KassKomm-Ricke § 56 Rdnr.77; Mehrhoff/ Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung 11. Auflage S.170). Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O. S.746) sehen für die Versteifung des oberen Sprunggelenks im Winkel von 90 bis 110° zum Unterschenkel eine MdE von 20 v.H. vor. Rompe/Erlenkämper (Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 4. Auflage S.562) bewerten die völlige Versteifung des oberen Sprunggelenks mit einer MdE von 20 v.H. Eine dementsprechend vergleichbare Funktionsstörung kann bei der Klägerin nicht festgestellt werden.
Auch ist eine Erhöhung der MdE aufgrund von Schmerzen schon deshalb nicht angezeigt, weil Prof.Dr.K. die MdE von 10 v.H. gerade auch wegen der Schmerzsymptomatik für gegeben erachtete. Im Übrigen beinhalten die genannten Erfahrungswerte regelmäßig die üblicherweise vorhandenen Schmerzen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 313). Eine außergewöhnliche Schmerzsymptomatik ist den objektiven Befunden nicht zu entnehmen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.07.2004 war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
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