Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 KR 38/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 279/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 10. November 2004 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beigeladene gegen die Beklagte einen Anspruch auf Behandlung von Legastheniefolgen hat und der Kläger daraus einen Erstattungsanspruch herleiten kann.
Die 1993 geborene Beigeladene beendete das Schuljahr 2002/03 erfolgreich mit den Zeugnisnoten zwischen befriedigend und sehr gut. Ferner heißt es in der Kopfnote: "J. war eine durchwegs froh und heiter gestimmte Schülerin, die ein lobenswertes Betragen an den Tag legte. Sie beteiligte sich größtenteils aufmerksam am Unterricht und arbeitete fleißig und gewissenhaft. Leistungen im Lesen und Rechtschreiben wurden aufgrund einer festgestellten Legasthenie nicht bewertet ..." Um diese Schwächen zu therapieren - ein schulinterner Förderkurs war erfolglos geblieben -, beantragten die Eltern beim Kläger entsprechende Eingliederungshilfe. Der Kinder- und Jugendpsychiater Dr.med.S. diagnostizierte aufgrund einer Untersuchung am 02.10.2003 emotionale Störungen des Kindes- und Jugendalters, durchschnittliche Intelligenz, Legasthenie. Diese hatte er schon am 19.09.2002 gegenüber dem Schulpsychologischen Dienst festgestellt.
Unter Hinweis auf die Vorrangigkeit der Leistungspflicht der Krankenkasse lehnte der Kläger mit Bescheid vom 06.11.2003 die beantragte Eingliederungshilfe vorläufig ab und forderte die Beigeladene auf, sich bei ihrer Krankenkasse um die Förderung zu bemühen.
Diese zu bezahlen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.11. 2003 unter Bezug auf die entsprechenden Richtlinien ab. Daraufhin bewilligte der Kläger im Bescheid vom 01.12.2003 die Übernahme der Therapiekosten für zunächst 30 Sitzungen zu 43,46 EUR Honorar pro Stunde und erhob als Prozessstandschafter im eigenen Namen ab 01.12.2003 Widerspruch gegen die Ablehnung der Beklagten. Verknüpft war der Rechtsbehelf mit der Geltendmachung eines Erstattungsanspruches.
In dem an den Kläger adressierten, zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 10.02.2004 hielt die Beklagte an ihrer Auffassung fest, dass aufgrund der Heilmittelrichtlinien, an deren rechtlichen Maßgeblichkeit nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht zu zweifeln sei, eine Versorgung zur Bekämpfung der Legasthenie nicht infrage komme. In dem Zwischenzeugnis 2003, 2004 wird die Beigeladene als freundliche und zugängliche Schülerin geschildert, die mit Freude am schulischen Leben teilnimmt bzw. wird ihre freundliche und höfliche Art beschrieben, durch die sie auch von Mitschülern akzeptiert werde. Noch im Dezember 2003 nahm J. die Therapie am Lehrinstitut für Orthographie und Schreibtechnik/LOS in R. auf und setzte sie bis in den Herbst 2004 fort.
Inzwischen hatte der Kläger am 16.02.2004 beim Sozialgericht Regensburg Klage auf Verpflichtung der Beklagten erhoben, ihm die Legastheniebehandlungskosten zu erstatten und sich dabei auf das Gutachten Dr.S. vom 02.10.2003 bezogen. Der Bescheid gegenüber der Versicherten (Beigeladene) wurde in der Klageschrift nicht erwähnt. Auf Nachfrage führte der Gemeinsame Bundesausschuss dem Sozialgericht gegenüber mit Schreiben vom 20.08.2004 aus, dass für die Legasthenie (= Lese- und Rechtschreibschwäche = LRS) keine Therapie nach den Heilmittelrichtlinien verordnungsfähig ist und derzeit auch keine Überlegungen angestellt würden, dies zu ändern.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 10.11.2004 die lediglich auf Erstattung der angefallenen, nur grob bezifferten Kosten gerichtete Klage abgewiesen. Dazu hat es ausgeführt, dass es dahingestellt bleiben könne, ob die von Dr.S. angenommene drohende psychische Behinderung als Krankheitszustand gewertet werden könne, die durchgeführten Maßnahmen jedenfalls zählten nicht zu den von der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringenden Leistungen. Das ergebe sich einmal aus den Heil- und Hilfsmittelrichtlinien und zum anderen, weil es sich um Maßnahmen der Jugendhilfe handele, die nicht mittels des neuen Rehabilitationsrechts in die Zuständigkeit der Krankenversicherung verlagert werden dürften.
Hiergegen hat der Kläger die vom Sozialgericht zugelassene Berufung am 22.12.2004 eingelegt und verlangt weiterhin die Erstattung der "angefallenen Kosten der Legastheniebehandlung". Der Anspruch ergebe sich aus § 11 Abs.1 Nr.4 des SGB V, denn die Beigeladene leide an Angstzuständen, eine bleibende seelische Beeinträchtigung sei zu erwarten. Wenn die HMR logopädische Behandlungen zu Lasten der Krankenkassen zuließen, solche aber für die der Legasthenie ausschlössen, seien sie insoweit rechtswidrig. Mit dieser Einschränkung habe der Gemeinsame Bundesausschuss seine Überwachungsfunktion überschritten und eine Krankheit aus der ärztlichen Versorgung herausgenommen. Bei der LRS handele es sich nämlich um eine Krankheit, die "ärztlicher Behandlung" bedürfe. Die entgegenstehende Feststellung des BSG von 1979 (vom 10. und 25.07. - SozR 2200 § 182 Nrn.47 und 48) sei nicht nur vielfach kritisiert, sondern durch neueste medizinische Erkenntnisse überholt. Die LRS beruhe auf einer genetischen Anlage, bestimmte Hirnareale seien beeinträchtigt. Aber auch wenn man das Vorliegen einer Krankheit verneine, bleibe doch die weiter zu fassende Behinderung, die zu bekämpfen Aufgabe der von der Beklagten zu erbringenden Reha sei. Diese stehe behinderten Menschen zu, die nicht krank im Sinne des Gesetzes seien.
Es läge zwar keine vertragsärztliche Verordnung für die durchgeführte Reha vor. Diese sei eine medizinische gewesen, denn bei Kindern werde von ihr auch der Bereich einer adäquaten Schulbildung und des unbeeinträchtigten Einstiegs in das Berufsleben umfasst.
Die Klägervertreter beantragen, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 10.11.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger EUR 1.265,50 für die LRS-Behandlung der Beigeladenen zu erstatten.
Der Vertreter der Beklagten beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur weiteren Darstellung des Tatbestandes auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsakten des Klägers und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die vom Sozialgericht ausdrücklich zugelassen worden ist, ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).
Es handelt sich hier um einen Erstattungsstreit im Rahmen der §§ 102 ff. SGB X. Zwar kann der Träger der Jugendhilfe nach § 97 SGB VIII in Prozessstandschaft für einen Jugendlichen die Feststellung von Sozialleistungen selbst betreiben. Das ist hier aber nur zu Beginn des Verwaltungsverfahrens geschehen. Davon ist der Käger später abgerückt Die Klage ist - entgegen der Darstellung im Berufungsschriftsatz vom 16.11.200 - von Beginn an auf Erstattung gerichtet gewesen, ohne dass vorher der Bescheid vom 24.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2004 angefochten worden ist. Die Rechtskraft dieses Bescheides hindert aber nicht die Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs des vorleistenden, nicht zuständigen Trägers.
Es fehlt aber an der Unzuständigkeit des Klägers, er hat eine ihm obliegende Maßnahme der Jugendhilfe erbracht, nicht aber Behandlungskosten vorgestreckt, für die die Beklagte aufzukommen hat. Daher ist die Berufung unbegründet.
Der Erstattungsanspruch nach § 104 Abs.1 SGB X oder aber auch nach § 14 SGB IX hat zur Voraussetzung, dass die Beigeladene einen Sachleistungsanspruch aus dem SGB V gegenüber der Beklagten auf die Erbringung der Sprach-Leseförderung im LOS gehabt hätte. Dafür fehlt es an einer tragfähigen Anspruchsgrundlage. Als familienversicherte Tochter eines Mitglieds der Beklagten richtete sich im Jahr 2004 der Umfang ihrer Leistungsansprüche gegen die Beklagte nach dem Leistungskatalog, wie er in § 11 bzw. §§ 27 ff. SGB V aufgelistet ist. Um daraus Leistungsansprüche herzuleiten, war Voraussetzung das Bestehen einer Krankheit oder Behinderung. Der Fall, dass eine derartige Beeinträchtigung lediglich droht, kann hier ausgeschlossen werden, denn die LRS war bereits im Jahr 2003 bekannt.
Mit den beiden Urteilen vom 10.07. und 25.10.1979 a.a.O. hat das BSG seinerzeit den Krankheitscharakter der LRS verneint. Dies wird von der Klägerin kritisiert unter Bezug auf die Kategorisierung der Weltgesundheitsbehörde. In einem Interview des Kinder- und Jugendpsychiaters an der Universitätsklinik M. , G. S. in der Süddeutschen Zeitung vom 14.02.2006 erklärte dieser, dass LRS kein Versagen der Eltern und auch kein Versagen der Kinder sei, sondern eine neurologische Störung. Man habe beobachtet, dass Legastheniker eine Veränderung auf dem Chromosom Nr.6 haben, welches dafür verantwortlich sei, dass in der pränatalen Phase weniger neuronale Netzwerke geknüpft werden, was aber das Erscheinungsbild nicht vollständig erkläre. Zwar sei LRS nicht heilbar, es gebe aber gute Förderungsprogramme und gute Therapiezentren. Der Landesverband Legasthenie Saarland e.V. beschreibt LRS im Internet unter www.lvls.de/faq.html als eine Schwäche beim Erlernen von Lesen, Schreiben und Rechtschreiben, die weder auf eine allgemeine Beeinträchtigung der geistigen Entwicklung noch auf unzulänglichen Unterricht zurückzuführen sei. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Urteil vom 28.09.1995 NVwZ-RR 96 S.446 die LRS dem Bereich geistiger Leistungsstörung zugeordnet bei sonst normaler Intelligenz und regelrechtem neurologischen Befund.
Dass diese Störung bei der Beigeladenen im Jahre 2003 vorlag, ist unbestritten und von Dr.S. am 02.10. bzw.bereits schon am 19.09.2002 festgestellt worden. Er hatte daneben auch eine drohende seelische Behinderung beschrieben und die Beigeladene damit dem Personenkreis des § 35a SGB VIII zugeordnet. Diese Beobachtung steht allerdings in auffälligem Gegensatz zu dem Inhalt der verschiedenen Schulzeugnisse aus dieser Zeit, die als Ergebnis einer Langzeitbeobachtung erheblich glaubhafter sind. Auch war die Beigeladene nicht in entsprechender nervenärztlicher Behandlung. Nachdem aber der Kläger auf dieses (angebliche?) Krankheitsbild mit der Berufung nur noch am Rande eingegangen ist und die im Streit stehende Erstattungsleistung nicht als Kosten einer psychiatrischen Behandlung anzusehen sind, braucht darauf nicht näher eingegangen zu werden.
Streitgegenstand sind allein die durch die Bekämpfung der LRS entstandenen Kosten. Die dagegen bei der Beigeladenen in Ansatz gebrachte Therapie bestand aus lese- und rechtschreiborientierten Förderungsmaßnahmen durch entsprechende ausgebildete pädagogische Lehrkräfte. Diese sind als zielgerichtete und sinnvolle Maßnahmen von niemandem in Zweifel gezogen worden, hatten jedoch keinerlei Bezug zu einer ärztlich gebotenen oder überwachten Tätigkeit. Krankheit im Sinne der GKV ist aber nach der allgemein gültigen Definition ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht. Dabei kann die zweite Alternative hier unbeachtet bleiben (vgl. BSG vom 19.10.2004 B 1 KR 9/04 R, abgedruckt in SGb 04, 748 Kurzwiedergabe oder vom 10.05.2005 Breithaupt 06, 89).
Ist dagegen ärztliche Behandlung nicht erforderlich, sind die für die LRS bei der Beigeladenen vorhandenen Anomalien nicht als Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung zu werten. Dies mag den Gemeinsamen Ausschuss bewogen haben, in seinen Heil- und Hilfsmittelrichtlinien die gegen die LRS gerichtete Therapie auszuschließen (vgl. Nr.15 der Anlage). An der grundsätzlichen Verbindlichkeit dieser auf der Grundlage der §§ 92, 135 SGB V aufgestellten Richtlinien hat der Senat stets keinen Zweifel gelassen, sie sind allerdings dann bedeutungslos, wenn sie mit ihren Regelungsanordnungen ihre Ermächtigungsgrundlage verlassen und sie Vorgaben aufstellen, die jenseits davon liegen (vgl. dazu BSG vom 03.04.2001 - ICSI Urteil SozR 2200 § 27a Nr.3). Eine solche Kompetenzüberschreitung wird klägerseits vorgetragen. Sie liegt aber deswegen nicht vor, weil zwar bei der Beigeladenen eine Behinderung im Sinne von § 11 Abs.2 Satz 1 SGB V in der seit 01.07.2001 geltenden Fassung anzunehmen ist, aber unabhängig von den HMR die Beklagte die deswegen erforderliche Therapie ihren Versicherten nicht schuldet. Das ließe sich bereits aus § 21 Abs.1 Nr.2 SGB I folgern, der den Leistungsanspruch gegenüber der Krankenkasse auf die Behandlung einer Krankheit beschränkt ohne daneben die Behinderung gesondert zu benennen. Die krankenversicherungsrechtliche Wertung der LRS als eine Behinderung im Sinne von § 11 Abs.2 Satz 1 SGB V ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Die Fähigkeit, lesen und schreiben zu können, ist dem Menschen nicht angeboren. Sie wird ihm im Laufe seines Lebens beigebracht und zwar in unserem Bildungssystem grundsätzlich durch die staatlichen Schulbehörden (vgl. Art.7 Grundgesetz und die einzelnen Schulgesetze der Länder). Um diese Fähigkeit zu erlernen, ist ein gewisses Maß an Intelligenz erforderlich, also das Vorhandensein bestimmter Hirnareale, wie das von der Klägerseite mit den gleichen schlichten Ausdrücken beschrieben ist, wie sie auch dem nichtmedizinischen Senat zur Verfügung stehen. Bestehen insoweit Defizite, sei es im seelischen Bereich oder mehr im körperlichen, die wiederum ursächlich sind, besagte Fähigkeiten zu erlernen, folgt daraus eine Behinderung dergestalt, dass die Teilhabe am Leben unserer Gesellschaft, die Lesen und Schreiben als selbstverständliche Kommunikationsform erfordert, stark beeinträchtigt ist. Die zur Beseitigung dieser Beeinträchtigung erforderlichen und geeigneten Maßnahmen wurden vom Kläger eingeleitet und durch ein darauf gerichtetes Institut durchgeführt, welches keine medizinische Ausrichtung besitzt, sondern mit pädagogischen und psychologischen Mitteln versucht, die Lese- und Schreibfähigkeit zu wecken und zu fördern. Es ist ein Aufwand vonnöten, der von der eigentlich dazu im Normalfall zuständigen Schuleinrichtung nicht mehr bewältigt werden kann, verliert aber nicht seinen Charakter als eine der Schulerziehung dienende Maßnahme.
Dies hat sich auch nicht nach Einführung des SGB IX geändert. Dieses Gesetz soll in der Nachfolge des Reha-Angleichungsgesetzes die jeweils in den Einzelgebieten bestimmten Rehabilitationsmaßnahmen bei der Bekämpfung von Behinderung koordinieren und zusammenfassen, ohne allerdings das Spektrum der jeweiligen Leistungsgesetze zu verändern. Die Beklagte unterliegt gemäß dessen §§ 5 und 6 ebenso wie der Kläger als Träger der Jugendfürsorge den Bestimmungen dieses Gesetzbuches mit dem Namen "Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen". Beide haben Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu erbringen, der Kläger darüber hinaus auch Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Die medizinischen Leistungen nach diesem Gesetz umfassen gemäß dessen § 26 Abs.3 Satz 1 auch pädagogische Hilfen, zu denen die Therapie bei der LOS zu rechnen ist. Zwar ist die bei der LRS ausgeübte Förderung nicht in den Nrn.1 bis 7 der Vorschrift zu finden, doch ist sie deswegen nicht ausgeschlossen. Vielmehr sind die dort genannten Maßnahmen lediglich hervorgehoben, wie sich aus dem vorangestellten Wort "insbesondere" ergibt. § 26 SGB IX ist jedoch vor dem Hintergrund des § 7 SGB IX zu sehen. Dort heißt es in Satz 2: "Die Zuständigkeit und die Voraussetzung für die Leistung zur Teilhabe richten sich nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen". Damit hatte der Kläger sein Augenmerk auf das für ihn geltende Jugendfürsorgegesetz zu richten, die Beklagte auf das SGB V. Für jeden Träger gilt vorrangig das für ihn geltende Spezialgesetz vor den allgemeinen Regeln des SGB IX. D.h. der Leistungsumfang des für die Beklagte gültigen SGB V wird durch die Normen des SGB IX nicht erweitert (vgl. auch BSG vom 26.03.2003 - BSGE 91, 60, 63). Nur wenn in den §§ 27 ff. SGB V der Krankenkasse auch vorgeschrieben würde, derartige nichtärztlich abgestimmte Behindertenversorgung zu erbringen, wäre diese unter Beachtung des § 26 SGB IX zu leisten. Es fehlt aber im Recht der GKV eine dem § 35a SGB VIII entsprechende Vorschrift. Allenfalls § 43a SGB V schreibt gewisse nichtärztliche, heilpädagogische Leistungen vor, jedoch nur im Rahmen der Prävention zum frühestmöglichen Erkennen und Behandeln der drohenden Krankheit. In diesem speziellen Sektor ist aber die die vorliegende, bereits vorhandene LRS bekämpfende Therapie nicht angesiedelt.
Da somit es nicht in den Aufgabenbereich der Beklagten fällt, Leistungen zur Behandlung der LRS bei der Beigeladenen bereit- zustellen, besteht auch keine Rangfolge zwischen Kläger und Beklagter. Der Kläger hat wie bereits in der Vergangenheit gegenüber der Beklagten keinen Erstattungsanspruch.
Der Kläger hat der obsiegenden Beklagten und der Beigeladenen deren Kosten zu erstatten sowie die Kosten des Rechtsstreits zu tragen gemäß § 197a SGG.
Im Hinblick auf die Reichweite des § 26 SGB IX in Zusammenhang mit § 21 Abs.1 Nr.2 Abs.2 SGB I, § 11 Abs.2 Satz 1 SGB V lässt der Senat die Revision zu.
II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beigeladene gegen die Beklagte einen Anspruch auf Behandlung von Legastheniefolgen hat und der Kläger daraus einen Erstattungsanspruch herleiten kann.
Die 1993 geborene Beigeladene beendete das Schuljahr 2002/03 erfolgreich mit den Zeugnisnoten zwischen befriedigend und sehr gut. Ferner heißt es in der Kopfnote: "J. war eine durchwegs froh und heiter gestimmte Schülerin, die ein lobenswertes Betragen an den Tag legte. Sie beteiligte sich größtenteils aufmerksam am Unterricht und arbeitete fleißig und gewissenhaft. Leistungen im Lesen und Rechtschreiben wurden aufgrund einer festgestellten Legasthenie nicht bewertet ..." Um diese Schwächen zu therapieren - ein schulinterner Förderkurs war erfolglos geblieben -, beantragten die Eltern beim Kläger entsprechende Eingliederungshilfe. Der Kinder- und Jugendpsychiater Dr.med.S. diagnostizierte aufgrund einer Untersuchung am 02.10.2003 emotionale Störungen des Kindes- und Jugendalters, durchschnittliche Intelligenz, Legasthenie. Diese hatte er schon am 19.09.2002 gegenüber dem Schulpsychologischen Dienst festgestellt.
Unter Hinweis auf die Vorrangigkeit der Leistungspflicht der Krankenkasse lehnte der Kläger mit Bescheid vom 06.11.2003 die beantragte Eingliederungshilfe vorläufig ab und forderte die Beigeladene auf, sich bei ihrer Krankenkasse um die Förderung zu bemühen.
Diese zu bezahlen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.11. 2003 unter Bezug auf die entsprechenden Richtlinien ab. Daraufhin bewilligte der Kläger im Bescheid vom 01.12.2003 die Übernahme der Therapiekosten für zunächst 30 Sitzungen zu 43,46 EUR Honorar pro Stunde und erhob als Prozessstandschafter im eigenen Namen ab 01.12.2003 Widerspruch gegen die Ablehnung der Beklagten. Verknüpft war der Rechtsbehelf mit der Geltendmachung eines Erstattungsanspruches.
In dem an den Kläger adressierten, zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 10.02.2004 hielt die Beklagte an ihrer Auffassung fest, dass aufgrund der Heilmittelrichtlinien, an deren rechtlichen Maßgeblichkeit nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht zu zweifeln sei, eine Versorgung zur Bekämpfung der Legasthenie nicht infrage komme. In dem Zwischenzeugnis 2003, 2004 wird die Beigeladene als freundliche und zugängliche Schülerin geschildert, die mit Freude am schulischen Leben teilnimmt bzw. wird ihre freundliche und höfliche Art beschrieben, durch die sie auch von Mitschülern akzeptiert werde. Noch im Dezember 2003 nahm J. die Therapie am Lehrinstitut für Orthographie und Schreibtechnik/LOS in R. auf und setzte sie bis in den Herbst 2004 fort.
Inzwischen hatte der Kläger am 16.02.2004 beim Sozialgericht Regensburg Klage auf Verpflichtung der Beklagten erhoben, ihm die Legastheniebehandlungskosten zu erstatten und sich dabei auf das Gutachten Dr.S. vom 02.10.2003 bezogen. Der Bescheid gegenüber der Versicherten (Beigeladene) wurde in der Klageschrift nicht erwähnt. Auf Nachfrage führte der Gemeinsame Bundesausschuss dem Sozialgericht gegenüber mit Schreiben vom 20.08.2004 aus, dass für die Legasthenie (= Lese- und Rechtschreibschwäche = LRS) keine Therapie nach den Heilmittelrichtlinien verordnungsfähig ist und derzeit auch keine Überlegungen angestellt würden, dies zu ändern.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 10.11.2004 die lediglich auf Erstattung der angefallenen, nur grob bezifferten Kosten gerichtete Klage abgewiesen. Dazu hat es ausgeführt, dass es dahingestellt bleiben könne, ob die von Dr.S. angenommene drohende psychische Behinderung als Krankheitszustand gewertet werden könne, die durchgeführten Maßnahmen jedenfalls zählten nicht zu den von der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringenden Leistungen. Das ergebe sich einmal aus den Heil- und Hilfsmittelrichtlinien und zum anderen, weil es sich um Maßnahmen der Jugendhilfe handele, die nicht mittels des neuen Rehabilitationsrechts in die Zuständigkeit der Krankenversicherung verlagert werden dürften.
Hiergegen hat der Kläger die vom Sozialgericht zugelassene Berufung am 22.12.2004 eingelegt und verlangt weiterhin die Erstattung der "angefallenen Kosten der Legastheniebehandlung". Der Anspruch ergebe sich aus § 11 Abs.1 Nr.4 des SGB V, denn die Beigeladene leide an Angstzuständen, eine bleibende seelische Beeinträchtigung sei zu erwarten. Wenn die HMR logopädische Behandlungen zu Lasten der Krankenkassen zuließen, solche aber für die der Legasthenie ausschlössen, seien sie insoweit rechtswidrig. Mit dieser Einschränkung habe der Gemeinsame Bundesausschuss seine Überwachungsfunktion überschritten und eine Krankheit aus der ärztlichen Versorgung herausgenommen. Bei der LRS handele es sich nämlich um eine Krankheit, die "ärztlicher Behandlung" bedürfe. Die entgegenstehende Feststellung des BSG von 1979 (vom 10. und 25.07. - SozR 2200 § 182 Nrn.47 und 48) sei nicht nur vielfach kritisiert, sondern durch neueste medizinische Erkenntnisse überholt. Die LRS beruhe auf einer genetischen Anlage, bestimmte Hirnareale seien beeinträchtigt. Aber auch wenn man das Vorliegen einer Krankheit verneine, bleibe doch die weiter zu fassende Behinderung, die zu bekämpfen Aufgabe der von der Beklagten zu erbringenden Reha sei. Diese stehe behinderten Menschen zu, die nicht krank im Sinne des Gesetzes seien.
Es läge zwar keine vertragsärztliche Verordnung für die durchgeführte Reha vor. Diese sei eine medizinische gewesen, denn bei Kindern werde von ihr auch der Bereich einer adäquaten Schulbildung und des unbeeinträchtigten Einstiegs in das Berufsleben umfasst.
Die Klägervertreter beantragen, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 10.11.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger EUR 1.265,50 für die LRS-Behandlung der Beigeladenen zu erstatten.
Der Vertreter der Beklagten beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur weiteren Darstellung des Tatbestandes auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsakten des Klägers und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die vom Sozialgericht ausdrücklich zugelassen worden ist, ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).
Es handelt sich hier um einen Erstattungsstreit im Rahmen der §§ 102 ff. SGB X. Zwar kann der Träger der Jugendhilfe nach § 97 SGB VIII in Prozessstandschaft für einen Jugendlichen die Feststellung von Sozialleistungen selbst betreiben. Das ist hier aber nur zu Beginn des Verwaltungsverfahrens geschehen. Davon ist der Käger später abgerückt Die Klage ist - entgegen der Darstellung im Berufungsschriftsatz vom 16.11.200 - von Beginn an auf Erstattung gerichtet gewesen, ohne dass vorher der Bescheid vom 24.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2004 angefochten worden ist. Die Rechtskraft dieses Bescheides hindert aber nicht die Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs des vorleistenden, nicht zuständigen Trägers.
Es fehlt aber an der Unzuständigkeit des Klägers, er hat eine ihm obliegende Maßnahme der Jugendhilfe erbracht, nicht aber Behandlungskosten vorgestreckt, für die die Beklagte aufzukommen hat. Daher ist die Berufung unbegründet.
Der Erstattungsanspruch nach § 104 Abs.1 SGB X oder aber auch nach § 14 SGB IX hat zur Voraussetzung, dass die Beigeladene einen Sachleistungsanspruch aus dem SGB V gegenüber der Beklagten auf die Erbringung der Sprach-Leseförderung im LOS gehabt hätte. Dafür fehlt es an einer tragfähigen Anspruchsgrundlage. Als familienversicherte Tochter eines Mitglieds der Beklagten richtete sich im Jahr 2004 der Umfang ihrer Leistungsansprüche gegen die Beklagte nach dem Leistungskatalog, wie er in § 11 bzw. §§ 27 ff. SGB V aufgelistet ist. Um daraus Leistungsansprüche herzuleiten, war Voraussetzung das Bestehen einer Krankheit oder Behinderung. Der Fall, dass eine derartige Beeinträchtigung lediglich droht, kann hier ausgeschlossen werden, denn die LRS war bereits im Jahr 2003 bekannt.
Mit den beiden Urteilen vom 10.07. und 25.10.1979 a.a.O. hat das BSG seinerzeit den Krankheitscharakter der LRS verneint. Dies wird von der Klägerin kritisiert unter Bezug auf die Kategorisierung der Weltgesundheitsbehörde. In einem Interview des Kinder- und Jugendpsychiaters an der Universitätsklinik M. , G. S. in der Süddeutschen Zeitung vom 14.02.2006 erklärte dieser, dass LRS kein Versagen der Eltern und auch kein Versagen der Kinder sei, sondern eine neurologische Störung. Man habe beobachtet, dass Legastheniker eine Veränderung auf dem Chromosom Nr.6 haben, welches dafür verantwortlich sei, dass in der pränatalen Phase weniger neuronale Netzwerke geknüpft werden, was aber das Erscheinungsbild nicht vollständig erkläre. Zwar sei LRS nicht heilbar, es gebe aber gute Förderungsprogramme und gute Therapiezentren. Der Landesverband Legasthenie Saarland e.V. beschreibt LRS im Internet unter www.lvls.de/faq.html als eine Schwäche beim Erlernen von Lesen, Schreiben und Rechtschreiben, die weder auf eine allgemeine Beeinträchtigung der geistigen Entwicklung noch auf unzulänglichen Unterricht zurückzuführen sei. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Urteil vom 28.09.1995 NVwZ-RR 96 S.446 die LRS dem Bereich geistiger Leistungsstörung zugeordnet bei sonst normaler Intelligenz und regelrechtem neurologischen Befund.
Dass diese Störung bei der Beigeladenen im Jahre 2003 vorlag, ist unbestritten und von Dr.S. am 02.10. bzw.bereits schon am 19.09.2002 festgestellt worden. Er hatte daneben auch eine drohende seelische Behinderung beschrieben und die Beigeladene damit dem Personenkreis des § 35a SGB VIII zugeordnet. Diese Beobachtung steht allerdings in auffälligem Gegensatz zu dem Inhalt der verschiedenen Schulzeugnisse aus dieser Zeit, die als Ergebnis einer Langzeitbeobachtung erheblich glaubhafter sind. Auch war die Beigeladene nicht in entsprechender nervenärztlicher Behandlung. Nachdem aber der Kläger auf dieses (angebliche?) Krankheitsbild mit der Berufung nur noch am Rande eingegangen ist und die im Streit stehende Erstattungsleistung nicht als Kosten einer psychiatrischen Behandlung anzusehen sind, braucht darauf nicht näher eingegangen zu werden.
Streitgegenstand sind allein die durch die Bekämpfung der LRS entstandenen Kosten. Die dagegen bei der Beigeladenen in Ansatz gebrachte Therapie bestand aus lese- und rechtschreiborientierten Förderungsmaßnahmen durch entsprechende ausgebildete pädagogische Lehrkräfte. Diese sind als zielgerichtete und sinnvolle Maßnahmen von niemandem in Zweifel gezogen worden, hatten jedoch keinerlei Bezug zu einer ärztlich gebotenen oder überwachten Tätigkeit. Krankheit im Sinne der GKV ist aber nach der allgemein gültigen Definition ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht. Dabei kann die zweite Alternative hier unbeachtet bleiben (vgl. BSG vom 19.10.2004 B 1 KR 9/04 R, abgedruckt in SGb 04, 748 Kurzwiedergabe oder vom 10.05.2005 Breithaupt 06, 89).
Ist dagegen ärztliche Behandlung nicht erforderlich, sind die für die LRS bei der Beigeladenen vorhandenen Anomalien nicht als Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung zu werten. Dies mag den Gemeinsamen Ausschuss bewogen haben, in seinen Heil- und Hilfsmittelrichtlinien die gegen die LRS gerichtete Therapie auszuschließen (vgl. Nr.15 der Anlage). An der grundsätzlichen Verbindlichkeit dieser auf der Grundlage der §§ 92, 135 SGB V aufgestellten Richtlinien hat der Senat stets keinen Zweifel gelassen, sie sind allerdings dann bedeutungslos, wenn sie mit ihren Regelungsanordnungen ihre Ermächtigungsgrundlage verlassen und sie Vorgaben aufstellen, die jenseits davon liegen (vgl. dazu BSG vom 03.04.2001 - ICSI Urteil SozR 2200 § 27a Nr.3). Eine solche Kompetenzüberschreitung wird klägerseits vorgetragen. Sie liegt aber deswegen nicht vor, weil zwar bei der Beigeladenen eine Behinderung im Sinne von § 11 Abs.2 Satz 1 SGB V in der seit 01.07.2001 geltenden Fassung anzunehmen ist, aber unabhängig von den HMR die Beklagte die deswegen erforderliche Therapie ihren Versicherten nicht schuldet. Das ließe sich bereits aus § 21 Abs.1 Nr.2 SGB I folgern, der den Leistungsanspruch gegenüber der Krankenkasse auf die Behandlung einer Krankheit beschränkt ohne daneben die Behinderung gesondert zu benennen. Die krankenversicherungsrechtliche Wertung der LRS als eine Behinderung im Sinne von § 11 Abs.2 Satz 1 SGB V ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Die Fähigkeit, lesen und schreiben zu können, ist dem Menschen nicht angeboren. Sie wird ihm im Laufe seines Lebens beigebracht und zwar in unserem Bildungssystem grundsätzlich durch die staatlichen Schulbehörden (vgl. Art.7 Grundgesetz und die einzelnen Schulgesetze der Länder). Um diese Fähigkeit zu erlernen, ist ein gewisses Maß an Intelligenz erforderlich, also das Vorhandensein bestimmter Hirnareale, wie das von der Klägerseite mit den gleichen schlichten Ausdrücken beschrieben ist, wie sie auch dem nichtmedizinischen Senat zur Verfügung stehen. Bestehen insoweit Defizite, sei es im seelischen Bereich oder mehr im körperlichen, die wiederum ursächlich sind, besagte Fähigkeiten zu erlernen, folgt daraus eine Behinderung dergestalt, dass die Teilhabe am Leben unserer Gesellschaft, die Lesen und Schreiben als selbstverständliche Kommunikationsform erfordert, stark beeinträchtigt ist. Die zur Beseitigung dieser Beeinträchtigung erforderlichen und geeigneten Maßnahmen wurden vom Kläger eingeleitet und durch ein darauf gerichtetes Institut durchgeführt, welches keine medizinische Ausrichtung besitzt, sondern mit pädagogischen und psychologischen Mitteln versucht, die Lese- und Schreibfähigkeit zu wecken und zu fördern. Es ist ein Aufwand vonnöten, der von der eigentlich dazu im Normalfall zuständigen Schuleinrichtung nicht mehr bewältigt werden kann, verliert aber nicht seinen Charakter als eine der Schulerziehung dienende Maßnahme.
Dies hat sich auch nicht nach Einführung des SGB IX geändert. Dieses Gesetz soll in der Nachfolge des Reha-Angleichungsgesetzes die jeweils in den Einzelgebieten bestimmten Rehabilitationsmaßnahmen bei der Bekämpfung von Behinderung koordinieren und zusammenfassen, ohne allerdings das Spektrum der jeweiligen Leistungsgesetze zu verändern. Die Beklagte unterliegt gemäß dessen §§ 5 und 6 ebenso wie der Kläger als Träger der Jugendfürsorge den Bestimmungen dieses Gesetzbuches mit dem Namen "Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen". Beide haben Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu erbringen, der Kläger darüber hinaus auch Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Die medizinischen Leistungen nach diesem Gesetz umfassen gemäß dessen § 26 Abs.3 Satz 1 auch pädagogische Hilfen, zu denen die Therapie bei der LOS zu rechnen ist. Zwar ist die bei der LRS ausgeübte Förderung nicht in den Nrn.1 bis 7 der Vorschrift zu finden, doch ist sie deswegen nicht ausgeschlossen. Vielmehr sind die dort genannten Maßnahmen lediglich hervorgehoben, wie sich aus dem vorangestellten Wort "insbesondere" ergibt. § 26 SGB IX ist jedoch vor dem Hintergrund des § 7 SGB IX zu sehen. Dort heißt es in Satz 2: "Die Zuständigkeit und die Voraussetzung für die Leistung zur Teilhabe richten sich nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen". Damit hatte der Kläger sein Augenmerk auf das für ihn geltende Jugendfürsorgegesetz zu richten, die Beklagte auf das SGB V. Für jeden Träger gilt vorrangig das für ihn geltende Spezialgesetz vor den allgemeinen Regeln des SGB IX. D.h. der Leistungsumfang des für die Beklagte gültigen SGB V wird durch die Normen des SGB IX nicht erweitert (vgl. auch BSG vom 26.03.2003 - BSGE 91, 60, 63). Nur wenn in den §§ 27 ff. SGB V der Krankenkasse auch vorgeschrieben würde, derartige nichtärztlich abgestimmte Behindertenversorgung zu erbringen, wäre diese unter Beachtung des § 26 SGB IX zu leisten. Es fehlt aber im Recht der GKV eine dem § 35a SGB VIII entsprechende Vorschrift. Allenfalls § 43a SGB V schreibt gewisse nichtärztliche, heilpädagogische Leistungen vor, jedoch nur im Rahmen der Prävention zum frühestmöglichen Erkennen und Behandeln der drohenden Krankheit. In diesem speziellen Sektor ist aber die die vorliegende, bereits vorhandene LRS bekämpfende Therapie nicht angesiedelt.
Da somit es nicht in den Aufgabenbereich der Beklagten fällt, Leistungen zur Behandlung der LRS bei der Beigeladenen bereit- zustellen, besteht auch keine Rangfolge zwischen Kläger und Beklagter. Der Kläger hat wie bereits in der Vergangenheit gegenüber der Beklagten keinen Erstattungsanspruch.
Der Kläger hat der obsiegenden Beklagten und der Beigeladenen deren Kosten zu erstatten sowie die Kosten des Rechtsstreits zu tragen gemäß § 197a SGG.
Im Hinblick auf die Reichweite des § 26 SGB IX in Zusammenhang mit § 21 Abs.1 Nr.2 Abs.2 SGB I, § 11 Abs.2 Satz 1 SGB V lässt der Senat die Revision zu.
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