Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 AL 58/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 AL 68/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 15.08.2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld (Alg).
Der nach Lohnsteuerklasse IV veranlagte kinderlose Kläger war zuletzt als Normungsingenieur bis zum 30.11.2003 abhängig beschäftigt. In der Zeit vom 01.12.2002 bis zum 30.11.2003 erzielte er ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von insgesamt 54.097,00 EUR. Ausgehend von einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 1.040,33 EUR, dem allgemeinen Leistungssatz und der Leistungsgruppe A, zahlte ihm die Beklagte auf seinen Antrag hin Alg ab dem 01.12.2003 in Höhe von 45,69 EUR täglich. Ab dem 01.01.2005 berechnete sie das Alg des Klägers in Anwendung der zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen Vorschriften der §§ 131, 133, 134, 434j Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I, S. 2848) neu: Sie legte ein tägliches Bemessungsentgelt von 148,62 EUR zu Grunde (1.040,33 EUR geteilt durch 7) und zog hiervon Lohnsteuer in Höhe von 38,66 EUR gemäß der Lohnsteuertabelle für das Jahr 2004, die Sozialversicherungspauschale in Höhe von 31,21 EUR und den Solidaritätszuschlag in Höhe von 2,12 EUR ab. Von dem verbleibenden Leistungsentgelt (76,63 EUR) ermittelte sie einen täglichen Auszahlungsbetrag des Alg nach dem allgemeinen Leistungssatz von 60 v.H. in Höhe von 45,98 EUR bzw. - aufgrund der Zahlung von Alg für 30 Tage je Kalendermonat - monatlich 1.379,40 EUR (Bescheid vom 02.01.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2005).
Mit der hiergegen zum Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhobenen Klage hat der Kläger eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art 14 Abs. 1 und Art 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gerügt. Die Beklagte habe zu Unrecht die Lohnsteuertabelle für das Jahr 2004 statt der für ihn günstigeren Tabelle für das Jahr 2005 angewandt. Mit der Lohnersatzfunktion des Alg sei es unvereinbar, Alg-Empfänger hinsichtlich der zu entrichtenden Lohnsteuer schlechter zu stellen als Arbeitnehmer.
Das SG hat die auf Zahlung des Alg unter Zugrundelegung der Lohnsteuertabelle für das Jahr 2005 gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 15.08.2005). Zur Begründung hat es ausgeführt: Die zum 01.01.2005 in Kraft getretenen Berechnungsregeln, die die Beklagte zutreffend angewandt habe, beinhalteten eine zulässige Inhaltsbestimmung des eigentumsgeschützten Anspruchs auf Alg. Die Gesetzesänderung sei durch hinreichend gewichtige öffentliche Interessen, insbesondere den Gesichtspunkt der Entlastung der Verwaltung gerechtfertigt. Zwischen den in Arbeit stehenden Arbeitnehmern und den Beziehern von Alg bestünden zudem Unterschiede von solchem Gewicht, dass eine Ungleichbehandlung in steuerrechtlicher Hinsicht gerechtfertigt sei.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und ergänzend vorträgt, die Beklagte habe das Bemessungsentgelt falsch berechnet. Nach § 339 Satz 2 SGB III sei das jährliche Bemessungsentgelt durch 360 zu teilen und nicht durch 365 bzw. 366. Überdies habe er in Ermangelung einer Übergangsvorschrift auch in den Kalendermonaten mit 31 Tagen Anspruch auf Alg für 31 und nicht nur für 30 Tage.
Der Kläger beantragt nunmehr,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 15.08.2005 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 02.01.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2005 zu verurteilen, ihm höheres Arbeitslosengeld ab dem 01.01.2005 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil des SG und trägt zum weitergehenden Berufungsvorbringen des Klägers vor: § 339 Satz 2 SGB III sei nur auf die Vorschriften zur Ermittlung der Anwartschaftszeit (§ 123 SGB III) und der Anspruchsdauer (§ 127 SGB III) und im Übrigen nur dort anwendbar, wo der Gesetzgeber ausdrücklich von Monaten bzw. Wochen spreche. Durch die vom Gesetzgeber in § 130 Abs. 1 Satz 2 SGB III gewählte Jahresregelung werde deutlich, dass die vereinfachte Monatsregelung des § 339 SGB III für die Ermittlung des Bemessungsrahmens gerade keine Anwendung finden solle. Außerdem sei § 339 SGB III im Zusammenhang mit § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB III zu sehen. Nach § 128 SGB III gelte ein Anspruch (nur) für 30 Tage als erfüllt, auch wenn für einen vollen Kalendermonat zu zahlen sei (§ 134 Satz 2 SGB III). Die dadurch begründete automatische Verlängerung des Gesamtzeitraums wirke sich für den Kläger zumindest dann positiv aus, wenn er den gesamten gewährten Bezugszeitraum in Anspruch nehme. Insoweit könne von finanziellen Einbußen also nicht gesprochen werden.
Die den Kläger betreffende Leistungsakte der Beklagten ist beigezogen worden. Die Beteiligten haben sich schriftsätzlich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 2, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Senat kann über das gesamte Vorbringen des Klägers entscheiden. Es handelt sich um einen Höhenstreit, bei dem ungeachtet der Fassung des Klageantrags über einzelne Berechnungselemente nicht entschieden werden darf (BSG, Urteil v. 18.09.1999, B 7 AL 22/98 R, SozR 3-4100 § 138 Nr. 13; Urteil v. 27.05.2003, B 7 AL 6/02 R, SozR 4-4300 § 194 Nr. 1; jeweils m.w.N.). Dementsprechend ist die Rechtmäßigkeit der Alg-Zahlungen der Beklagten unter Überprüfung aller maßgeblichen Berechnungsfaktoren zu beurteilen. Das schließt die vom Kläger im Berufungsrechtsstreit zusätzlich vorgetragenen Beanstandungen ein.
In der Sache erweist sich der angefochtene Bescheid indessen als rechtmäßig. Die Beklagte hat bei der Berechnung des dem Kläger zustehenden Alg die gesetzlichen Vorschriften richtig angewandt (1.), und die dieser Berechnung zu Grunde liegenden Vorschriften sind nicht verfassungswidrig (2.).
1.
Die Beklagte ist in dem angefochtenen Bescheid zu Recht davon ausgegangen, dass das Alg des Klägers beträgt ab 01.01.2005 45,98 EUR täglich bzw. 1.379,40 EUR monatlich beträgt.
Nach § 129 Nr. 2 SGB III beläuft sich das Alg des Klägers auf 60 % des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Es wird für Kalendertage berechnet und geleistet. Ist es für einen vollen Kalendermonat zu zahlen, ist dieser mit 30 Tagen anzusetzen (§ 134 SGB III). Diese Vorschriften gelten seit dem 01.01.2005 und finden, soweit keine Übergangsvorschriften bestehen, auf den Anspruch des Klägers seitdem Anwendung. Nach Maßgabe der genannten Bestimmungen hat die Beklagte das dem Kläger zustehende Alg richtig berechnet.
Die Beklagte ist zutreffend von dem wöchentlichen Bemessungsentgelt (vgl. § 132 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung [a.F.]) ausgegangen, das sie dem Anspruch des Klägers ab dem 01.12.2003 zu Grunde gelegt hat, und hat dieses lediglich im Wege der Division durch 7 auf den nunmehr nach § 131 Abs. 1 SGB III maßgeblichen Kalendertag "heruntergebrochen" (vgl. § 339 Satz 1 SGB III). Die Befugnis hierzu ergibt sich aus § 434j Abs. 5 SGB III. Danach ist das Bemessungsentgelt ab 01.01.2005 nur insoweit neu festzusetzen, als dies auf Grund eines nach dem 31.12.2004 eingetretenen Sachverhaltes erforderlich ist. Ein solcher Sachverhalt besteht hier nicht. Die Annahme des Klägers, das Bemessungsentgelt habe vollständig, d.h. unter Außerachtlassung des bislang maßgeblichen wöchentliches Arbeitsentgelts, neu festgesetzt werden müssen, indem sein im Bemessungszeitraum erzieltes Jahresbrutto nunmehr durch 360 geteilt werden müsse, ist schon aus diesem Grund unzutreffend.
Ebenso wenig ist im Hinblick darauf der Auffassung des SG Dresden (Urteil v. 23.08.2005, S 21 AL 281/05) zu folgen, wonach das dem Bemessungsentgelt zu Grunde liegende Jahresbruttogehalt unmittelbar durch die Zahl der Kalendertage statt über den von der Beklagten gewählten Umweg (Zahl der Wochen, Zahl der Tage pro Woche) geteilt werden müsse. Allerdings bedarf es für den vorliegenden Fall keiner abschließenden Entscheidung dieser Frage, weil das rechnerische Ergebnis anders als beim SG Dresden zu beurteilenden Sachverhalt dasselbe ist.
Die Beklagte hat das auf den Kalendertag entfallende Alg auch der Höhe nach richtig berechnet. Sie hat insbesondere die Vorschriften des § 133 Abs. 1 i.V.m. § 434j Abs. 5a SGB III zutreffend angewandt. Der Kläger erhebt hinsichtlich der Berechnung im Übrigen auch keine Einwände, sondern rügt insoweit nur die Verfassungsmäßigkeit der angewandten Vorschriften (dazu unter 2.).
Schließlich hat die Beklagte auch zutreffend das Alg in vollen Kalendermonaten nur für 30 Tage gezahlt (§ 134 Satz 2 SGB III).
Die Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch steht der rückwirkenden Anpassung des Alg auf den 01.01.2005 nicht entgegen, nachdem der Kläger bis zum 31.12.2004 eine niedrigeren Alg-Anspruch pro Kalendertag hatte als durch den angefochtenen Bescheid festgesetzt. Dabei kann es allein auf die Höhe des Anspruchs pro Kalendertag ankommen, weil der Bescheid dem Kläger vor Ablauf des Monats Januar bekannt gegeben worden ist und damit zu einem Zeitpunkt, bevor sich die Zahlungsweise des § 134 Satz 2 SGB III erstmals auswirkte. Im Hinblick darauf bedarf es im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob die Vorschrift des § 434j Abs. 5a SGB III die rückwirkende Anwendung der ab dem 01.01.2005 geltenden Vorschriften auch dann erlaubt, wenn diese zu einem niedrigen kalendertäglichen Zahlbetrag führen (bejahend: SG Duisburg, Urteil v. 24.01.2006, S 12 (32) AL 45/05, sozialgerichtsbarkeit.de).
2.
Der Senat braucht den Rechtsstreit nicht auszusetzen und die Frage der Vereinbarkeit der angewandten Vorschriften dem BVerfG vorzulegen (Art 100 Abs. 1 GG). Denn die auf die Berechnung des Alg-Anspruchs des Klägers ab dem 01.01.2005 anzuwendenden Vorschriften sind nicht verfassungswidrig (im Ergebnis wie hier: SG Duisburg, Urteil v. 24.01.2006, S 12 (32) AL 45/05; SG Düsseldorf, Urteil v. 04.11.2005, S 7 AL 63/05; SG Düsseldorf, Urteil v. 05.08.2005, S 7 AL 132/05; SG Aachen, Urteile v. 15.09.2005, S 9 AL 52/05 bzw. S 9 AL 44/05; SG Dresden, Urteil v. 23.08.2005, S 21 AL 281/05; jeweils sozialgerichtsbarkeit.de).
Die Berechnung des Alg aufgrund der Lohnsteuertabelle 2004 gemäß § 133 Abs. 1 i.V.m. § 434j Abs. 5a SGB III verletzt nicht das Grundrecht des Klägers aus Art 14 Abs. 1 GG.
Zwar fällt der Anspruch auf Alg jedenfalls dann in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie, wenn - wie hier - alle gesetzlichen Voraussetzungen für dessen Bezug vorliegen. Die konkrete Reichweite des Schutzes ergibt sich jedoch aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums durch den Gesetzgeber. Dieser hat bei der Regelung von Leistungen der Arbeitslosenversicherung einen weiten Gestaltungsspielraum, soweit er die rechtsstaatlichen Grundsätze beachtet und sich nicht von fremden Erwägungen leiten lässt (BVerfG, Beschluss v. 23.03.1994, 1 BvL 8/85, SozR 3-4100 § 111 Nr. 6 m.w.N.; BSG, Urteil v. 08.02.1996, 11 RAr 63/95, SozR 3-4100 § 111 Nr. 12).
Die auf diese Weise gesetzten Grenzen für eine Regelung des Anspruchs auf Alg werden durch den pauschalierten Lohnsteuerabzug und das grundsätzliche Abstellen auf die Lohnsteuertabelle des Jahres, in dem der Anspruch entsteht, nicht überschritten. Da das Alg kein steuerpflichtiges Einkommen ist und von ihm auch keine Sozialabgaben abzuziehen sind, ist es sachgerecht, für seine Bemessung grundsätzlich an den Nettolohn anzuknüpfen, den der Arbeitnehmer vor Eintritt der Arbeitslosigkeit zuletzt bezogen hat. Dabei kann sich der Gesetzgeber aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität für eine Pauschalierung entscheiden, die eine zügige Feststellung der Leistungshöhe ermöglicht (BVerfG, Beschl. v. 23.03.1994, 1 BvL 8/85, SozR 3-4100, § 111 Nr. 6; BVerfG, Beschl. v. 08.03.1993, 1 BvL 21/80, BVerfGE 63, 255, 262; BSG, Urteil v. 26.11.2002, B 7 AL 36/01 R). Es ist deshalb grundsätzlich zulässig, die Lohnabzüge für die Berechnung des Nettolohns nicht individuell zu ermitteln, sondern den individuellen Bruttolohn durch pauschaliert berechnete Abzüge zu vermindern. Die vom Kläger beanstandete Regelung des § 133 Abs. 1 SGB III trägt diesen Vorgaben Rechnung. Sie knüpft hinsichtlich der Berechnung des Alg grundsätzlich an das Jahr an, in dem der Anspruch auf Alg entstanden ist, d.h. der Versicherte regelmäßig zuletzt Arbeitslohn bezogen hat. Mit der pauschalierten Beschränkung auf die Lohnsteuer nach der Lohnsteuertabelle zuzüglich des Solidaritätszuschlags hat der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum gleichfalls nicht überschritten.
Ebenso durfte der Gesetzgeber davon absehen, den Anspruch auf Alg jährlich zu dynamisieren. Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien hat er eine Neuregelung der Bemessungsbestimmungen für erforderlich gehalten, weil das Verfahren bei Alg-Bewilligung aufgrund der bislang bestehenden komplexen Bestimmungen Kapazitäten gebunden habe, die im Gesamtrahmen der Umgestaltung der Beklagten zu einem modernen Dienstleister am Arbeitsmarkt für die Beratung und Betreuung der Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie die berufliche Wiedereingliederung Arbeitsloser dringend benötigt würden. Das Ziel der Reformbestrebungen hat deshalb darin bestanden, das Verfahren deutlich und nachhaltig zu vereinfachen (BT-Drs. 15/1515, S. 85). Der Gesetzgeber hat daher mit der Neuregelung öffentliche Interessen von hohem Rang verfolgt, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, auf eine jährliche Dynamisierung des Alg zu verzichten. Das gilt umso mehr, als der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von Verfassungs wegen nicht gezwungen ist, dem Versicherten die Aufrechterhaltung seines Lebensstandards voll zu ermöglichen (BVerfG, SozR 3-4100, § 111 Nr. 6 m.w.N.). Er durfte daher berücksichtigen, dass Alg als Lohnersatzleistung ohnehin nur für einen überschaubaren Zeitraum gewährt wird und daher ein inflationsbedingter Wertverfall allenfalls eingeschränkt zu befürchten ist. Dementsprechend ist bei anderen befristet gewährten Lohnersatzleistungen wie dem Krankengeld eine Dynamisierung gesetzlich gleichfalls nicht vorgesehen.
Auch die Umstellung der Zahlungsweise auf jeweils 30 Kalendertage je Monat in § 134 Satz 2 SGB III hält sich im Rahmen der vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckten Befugnis zur Pauschalierung des Anspruchs im Interesse einer Verwaltungsvereinfachung. Sie führt nicht zu einer Verkürzung des Gesamtanspruchs, sondern lediglich in Monaten mit 31 Tagen zu einer Verringerung des monatlichen Zahlbetrages um 3,2 % bei gleichzeitiger Verlängerung des Anspruchszeitraums. Dieser (nur zeitabschnittsweise) vergleichsweise geringe Verlust ist angesichts der mit der vereinfachten Berechnung verbundenen Vorteile von den Versicherten hinzunehmen. Das gilt umso mehr, als eine entsprechende Zahlungsweise auch bei anderen Lohnersatzleistungen, wie z.B. dem Krankengeld, üblich ist (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch).
§ 133 Abs. 1 SGB III verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs. 1 GG. Dieses Grundrecht verpflichtet den Gesetzgeber, wesentlich gleiche Sachverhalte gleich und wesentlich ungleiche Sachverhalte ungleich zu behandeln. Dabei liegt es grundsätzlich in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselben Rechtsfolgen knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich behandelt ansehen will. Freilich muss er die Auswahl sachgerecht treffen. Typisierungen und Pauschalierungen können dabei insbesondere zur Regelung von Massenerscheinungen zulässig sein, wenn sie durch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und Prakti-kabilität gerechtfertigt sind (BSG, Urteil v. 27.06.1996, 11 RAr 77/95, SozR 3-4100 § 111 Nr. 14 m.w.N.).
§ 133 Abs. 1 SGB III stellt sicher, dass das Alg aller Versicherten, deren Anspruch in demselben Kalenderjahr besteht, nach derselben Lohnsteuertabelle berechnet wird. Für Versicherte wie den Kläger wird das Alg im Zuge der Übergangsregelung des § 434j Abs. 5a SGB III einheitlich nach der Lohnsteuertabelle 2004 ermittelt. Hierin liegt eine sachgerechte möglichst zeitnahe Anknüpfung der Berechnung an den Zeitraum, in dem der Leistungsanspruch entstanden ist. Im Hinblick darauf stellt es keine sachwidrige Ungleichbehandlung dar, dass das im Jahr 2005 beginnende Alg eines Versicherten, der zuletzt ebenso viel verdient hat wie der Kläger, höher als dessen Alg ist.
Ohne Erfolg beanstandet der Kläger weiter, er werde schlechter gestellt als Arbeitnehmer, denen die im Jahr 2005 geringeren Lohnsteuern anders als ihm zugute kämen. Der Kläger übersieht insoweit, dass die grundsätzliche Anbindung des Alg an das Lohnsteuersystem nicht so zu verstehen ist, dass der Gesetzgeber bei der Gewährung sozialer Leistungen uneingeschränkt die Regelungen des Steuerrechts übernehmen wollte oder müsste (BVerfGE 63, 255, 262; BSG, SozR 3-4100 § 111 Nr. 14). Infolgedessen besteht auch keine Verpflichtung, die Bezieher sozialer Entgeltersatzleistungen und beschäftigte Arbeitnehmer hinsichtlich des anwendbaren Lohnsteuerrechts vollständig gleich zu behandeln. Vielmehr berechtigt der Charakter des Alg als einer steuerfreien pauschalierten Sozialleistung den Gesetzgeber, im Interesse der Vereinfachung der Leistungsberechnung für den gesamten Bezug des Alg steuerrechtlich auf dasselbe Basisjahr abzuheben.
Schließlich verstoßen die Vorschriften der §§ 133, 134, 434j Abs. 5a SGB III nicht gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot, weil sie ein Wirksamwerden des Änderungsbescheides ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des Bescheiderlasses mit Wirkung ab dem 01.01.2005 anordnen. Eine echte Rückwirkung liegt hierin nicht, weil nicht durch Gesetz nachträglich ändernd in einen bereits abgeschlossenen, der Vergangenheit angehörenden Tatbestand eingegriffen wird und Rechtsfolgen nicht für einen vor Verkündung des Gesetzes liegenden Zeitraum eintreten sollen (vgl. zu diesen Kriterien BSG, Urteil v. 09.05.1996, 7 RAr 66/95, SozR 3-4100 § 111 Nr. 13 m.w.N.). Das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt ist vor dem 01.01.2005 verkündet worden. Zudem hat die Beklagte durch Erlass des Änderungsbescheides am 02.01.2005 eine zeitnahe Umsetzung der Neuregelung gewährleistet, sodass Vertrauen des Klägers in die Fortdauer der bisherigen Praxis nicht entstehen konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfragen nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld (Alg).
Der nach Lohnsteuerklasse IV veranlagte kinderlose Kläger war zuletzt als Normungsingenieur bis zum 30.11.2003 abhängig beschäftigt. In der Zeit vom 01.12.2002 bis zum 30.11.2003 erzielte er ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von insgesamt 54.097,00 EUR. Ausgehend von einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 1.040,33 EUR, dem allgemeinen Leistungssatz und der Leistungsgruppe A, zahlte ihm die Beklagte auf seinen Antrag hin Alg ab dem 01.12.2003 in Höhe von 45,69 EUR täglich. Ab dem 01.01.2005 berechnete sie das Alg des Klägers in Anwendung der zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen Vorschriften der §§ 131, 133, 134, 434j Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I, S. 2848) neu: Sie legte ein tägliches Bemessungsentgelt von 148,62 EUR zu Grunde (1.040,33 EUR geteilt durch 7) und zog hiervon Lohnsteuer in Höhe von 38,66 EUR gemäß der Lohnsteuertabelle für das Jahr 2004, die Sozialversicherungspauschale in Höhe von 31,21 EUR und den Solidaritätszuschlag in Höhe von 2,12 EUR ab. Von dem verbleibenden Leistungsentgelt (76,63 EUR) ermittelte sie einen täglichen Auszahlungsbetrag des Alg nach dem allgemeinen Leistungssatz von 60 v.H. in Höhe von 45,98 EUR bzw. - aufgrund der Zahlung von Alg für 30 Tage je Kalendermonat - monatlich 1.379,40 EUR (Bescheid vom 02.01.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2005).
Mit der hiergegen zum Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhobenen Klage hat der Kläger eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art 14 Abs. 1 und Art 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gerügt. Die Beklagte habe zu Unrecht die Lohnsteuertabelle für das Jahr 2004 statt der für ihn günstigeren Tabelle für das Jahr 2005 angewandt. Mit der Lohnersatzfunktion des Alg sei es unvereinbar, Alg-Empfänger hinsichtlich der zu entrichtenden Lohnsteuer schlechter zu stellen als Arbeitnehmer.
Das SG hat die auf Zahlung des Alg unter Zugrundelegung der Lohnsteuertabelle für das Jahr 2005 gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 15.08.2005). Zur Begründung hat es ausgeführt: Die zum 01.01.2005 in Kraft getretenen Berechnungsregeln, die die Beklagte zutreffend angewandt habe, beinhalteten eine zulässige Inhaltsbestimmung des eigentumsgeschützten Anspruchs auf Alg. Die Gesetzesänderung sei durch hinreichend gewichtige öffentliche Interessen, insbesondere den Gesichtspunkt der Entlastung der Verwaltung gerechtfertigt. Zwischen den in Arbeit stehenden Arbeitnehmern und den Beziehern von Alg bestünden zudem Unterschiede von solchem Gewicht, dass eine Ungleichbehandlung in steuerrechtlicher Hinsicht gerechtfertigt sei.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und ergänzend vorträgt, die Beklagte habe das Bemessungsentgelt falsch berechnet. Nach § 339 Satz 2 SGB III sei das jährliche Bemessungsentgelt durch 360 zu teilen und nicht durch 365 bzw. 366. Überdies habe er in Ermangelung einer Übergangsvorschrift auch in den Kalendermonaten mit 31 Tagen Anspruch auf Alg für 31 und nicht nur für 30 Tage.
Der Kläger beantragt nunmehr,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 15.08.2005 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 02.01.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2005 zu verurteilen, ihm höheres Arbeitslosengeld ab dem 01.01.2005 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil des SG und trägt zum weitergehenden Berufungsvorbringen des Klägers vor: § 339 Satz 2 SGB III sei nur auf die Vorschriften zur Ermittlung der Anwartschaftszeit (§ 123 SGB III) und der Anspruchsdauer (§ 127 SGB III) und im Übrigen nur dort anwendbar, wo der Gesetzgeber ausdrücklich von Monaten bzw. Wochen spreche. Durch die vom Gesetzgeber in § 130 Abs. 1 Satz 2 SGB III gewählte Jahresregelung werde deutlich, dass die vereinfachte Monatsregelung des § 339 SGB III für die Ermittlung des Bemessungsrahmens gerade keine Anwendung finden solle. Außerdem sei § 339 SGB III im Zusammenhang mit § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB III zu sehen. Nach § 128 SGB III gelte ein Anspruch (nur) für 30 Tage als erfüllt, auch wenn für einen vollen Kalendermonat zu zahlen sei (§ 134 Satz 2 SGB III). Die dadurch begründete automatische Verlängerung des Gesamtzeitraums wirke sich für den Kläger zumindest dann positiv aus, wenn er den gesamten gewährten Bezugszeitraum in Anspruch nehme. Insoweit könne von finanziellen Einbußen also nicht gesprochen werden.
Die den Kläger betreffende Leistungsakte der Beklagten ist beigezogen worden. Die Beteiligten haben sich schriftsätzlich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 2, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Senat kann über das gesamte Vorbringen des Klägers entscheiden. Es handelt sich um einen Höhenstreit, bei dem ungeachtet der Fassung des Klageantrags über einzelne Berechnungselemente nicht entschieden werden darf (BSG, Urteil v. 18.09.1999, B 7 AL 22/98 R, SozR 3-4100 § 138 Nr. 13; Urteil v. 27.05.2003, B 7 AL 6/02 R, SozR 4-4300 § 194 Nr. 1; jeweils m.w.N.). Dementsprechend ist die Rechtmäßigkeit der Alg-Zahlungen der Beklagten unter Überprüfung aller maßgeblichen Berechnungsfaktoren zu beurteilen. Das schließt die vom Kläger im Berufungsrechtsstreit zusätzlich vorgetragenen Beanstandungen ein.
In der Sache erweist sich der angefochtene Bescheid indessen als rechtmäßig. Die Beklagte hat bei der Berechnung des dem Kläger zustehenden Alg die gesetzlichen Vorschriften richtig angewandt (1.), und die dieser Berechnung zu Grunde liegenden Vorschriften sind nicht verfassungswidrig (2.).
1.
Die Beklagte ist in dem angefochtenen Bescheid zu Recht davon ausgegangen, dass das Alg des Klägers beträgt ab 01.01.2005 45,98 EUR täglich bzw. 1.379,40 EUR monatlich beträgt.
Nach § 129 Nr. 2 SGB III beläuft sich das Alg des Klägers auf 60 % des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Es wird für Kalendertage berechnet und geleistet. Ist es für einen vollen Kalendermonat zu zahlen, ist dieser mit 30 Tagen anzusetzen (§ 134 SGB III). Diese Vorschriften gelten seit dem 01.01.2005 und finden, soweit keine Übergangsvorschriften bestehen, auf den Anspruch des Klägers seitdem Anwendung. Nach Maßgabe der genannten Bestimmungen hat die Beklagte das dem Kläger zustehende Alg richtig berechnet.
Die Beklagte ist zutreffend von dem wöchentlichen Bemessungsentgelt (vgl. § 132 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung [a.F.]) ausgegangen, das sie dem Anspruch des Klägers ab dem 01.12.2003 zu Grunde gelegt hat, und hat dieses lediglich im Wege der Division durch 7 auf den nunmehr nach § 131 Abs. 1 SGB III maßgeblichen Kalendertag "heruntergebrochen" (vgl. § 339 Satz 1 SGB III). Die Befugnis hierzu ergibt sich aus § 434j Abs. 5 SGB III. Danach ist das Bemessungsentgelt ab 01.01.2005 nur insoweit neu festzusetzen, als dies auf Grund eines nach dem 31.12.2004 eingetretenen Sachverhaltes erforderlich ist. Ein solcher Sachverhalt besteht hier nicht. Die Annahme des Klägers, das Bemessungsentgelt habe vollständig, d.h. unter Außerachtlassung des bislang maßgeblichen wöchentliches Arbeitsentgelts, neu festgesetzt werden müssen, indem sein im Bemessungszeitraum erzieltes Jahresbrutto nunmehr durch 360 geteilt werden müsse, ist schon aus diesem Grund unzutreffend.
Ebenso wenig ist im Hinblick darauf der Auffassung des SG Dresden (Urteil v. 23.08.2005, S 21 AL 281/05) zu folgen, wonach das dem Bemessungsentgelt zu Grunde liegende Jahresbruttogehalt unmittelbar durch die Zahl der Kalendertage statt über den von der Beklagten gewählten Umweg (Zahl der Wochen, Zahl der Tage pro Woche) geteilt werden müsse. Allerdings bedarf es für den vorliegenden Fall keiner abschließenden Entscheidung dieser Frage, weil das rechnerische Ergebnis anders als beim SG Dresden zu beurteilenden Sachverhalt dasselbe ist.
Die Beklagte hat das auf den Kalendertag entfallende Alg auch der Höhe nach richtig berechnet. Sie hat insbesondere die Vorschriften des § 133 Abs. 1 i.V.m. § 434j Abs. 5a SGB III zutreffend angewandt. Der Kläger erhebt hinsichtlich der Berechnung im Übrigen auch keine Einwände, sondern rügt insoweit nur die Verfassungsmäßigkeit der angewandten Vorschriften (dazu unter 2.).
Schließlich hat die Beklagte auch zutreffend das Alg in vollen Kalendermonaten nur für 30 Tage gezahlt (§ 134 Satz 2 SGB III).
Die Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch steht der rückwirkenden Anpassung des Alg auf den 01.01.2005 nicht entgegen, nachdem der Kläger bis zum 31.12.2004 eine niedrigeren Alg-Anspruch pro Kalendertag hatte als durch den angefochtenen Bescheid festgesetzt. Dabei kann es allein auf die Höhe des Anspruchs pro Kalendertag ankommen, weil der Bescheid dem Kläger vor Ablauf des Monats Januar bekannt gegeben worden ist und damit zu einem Zeitpunkt, bevor sich die Zahlungsweise des § 134 Satz 2 SGB III erstmals auswirkte. Im Hinblick darauf bedarf es im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob die Vorschrift des § 434j Abs. 5a SGB III die rückwirkende Anwendung der ab dem 01.01.2005 geltenden Vorschriften auch dann erlaubt, wenn diese zu einem niedrigen kalendertäglichen Zahlbetrag führen (bejahend: SG Duisburg, Urteil v. 24.01.2006, S 12 (32) AL 45/05, sozialgerichtsbarkeit.de).
2.
Der Senat braucht den Rechtsstreit nicht auszusetzen und die Frage der Vereinbarkeit der angewandten Vorschriften dem BVerfG vorzulegen (Art 100 Abs. 1 GG). Denn die auf die Berechnung des Alg-Anspruchs des Klägers ab dem 01.01.2005 anzuwendenden Vorschriften sind nicht verfassungswidrig (im Ergebnis wie hier: SG Duisburg, Urteil v. 24.01.2006, S 12 (32) AL 45/05; SG Düsseldorf, Urteil v. 04.11.2005, S 7 AL 63/05; SG Düsseldorf, Urteil v. 05.08.2005, S 7 AL 132/05; SG Aachen, Urteile v. 15.09.2005, S 9 AL 52/05 bzw. S 9 AL 44/05; SG Dresden, Urteil v. 23.08.2005, S 21 AL 281/05; jeweils sozialgerichtsbarkeit.de).
Die Berechnung des Alg aufgrund der Lohnsteuertabelle 2004 gemäß § 133 Abs. 1 i.V.m. § 434j Abs. 5a SGB III verletzt nicht das Grundrecht des Klägers aus Art 14 Abs. 1 GG.
Zwar fällt der Anspruch auf Alg jedenfalls dann in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie, wenn - wie hier - alle gesetzlichen Voraussetzungen für dessen Bezug vorliegen. Die konkrete Reichweite des Schutzes ergibt sich jedoch aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums durch den Gesetzgeber. Dieser hat bei der Regelung von Leistungen der Arbeitslosenversicherung einen weiten Gestaltungsspielraum, soweit er die rechtsstaatlichen Grundsätze beachtet und sich nicht von fremden Erwägungen leiten lässt (BVerfG, Beschluss v. 23.03.1994, 1 BvL 8/85, SozR 3-4100 § 111 Nr. 6 m.w.N.; BSG, Urteil v. 08.02.1996, 11 RAr 63/95, SozR 3-4100 § 111 Nr. 12).
Die auf diese Weise gesetzten Grenzen für eine Regelung des Anspruchs auf Alg werden durch den pauschalierten Lohnsteuerabzug und das grundsätzliche Abstellen auf die Lohnsteuertabelle des Jahres, in dem der Anspruch entsteht, nicht überschritten. Da das Alg kein steuerpflichtiges Einkommen ist und von ihm auch keine Sozialabgaben abzuziehen sind, ist es sachgerecht, für seine Bemessung grundsätzlich an den Nettolohn anzuknüpfen, den der Arbeitnehmer vor Eintritt der Arbeitslosigkeit zuletzt bezogen hat. Dabei kann sich der Gesetzgeber aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität für eine Pauschalierung entscheiden, die eine zügige Feststellung der Leistungshöhe ermöglicht (BVerfG, Beschl. v. 23.03.1994, 1 BvL 8/85, SozR 3-4100, § 111 Nr. 6; BVerfG, Beschl. v. 08.03.1993, 1 BvL 21/80, BVerfGE 63, 255, 262; BSG, Urteil v. 26.11.2002, B 7 AL 36/01 R). Es ist deshalb grundsätzlich zulässig, die Lohnabzüge für die Berechnung des Nettolohns nicht individuell zu ermitteln, sondern den individuellen Bruttolohn durch pauschaliert berechnete Abzüge zu vermindern. Die vom Kläger beanstandete Regelung des § 133 Abs. 1 SGB III trägt diesen Vorgaben Rechnung. Sie knüpft hinsichtlich der Berechnung des Alg grundsätzlich an das Jahr an, in dem der Anspruch auf Alg entstanden ist, d.h. der Versicherte regelmäßig zuletzt Arbeitslohn bezogen hat. Mit der pauschalierten Beschränkung auf die Lohnsteuer nach der Lohnsteuertabelle zuzüglich des Solidaritätszuschlags hat der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum gleichfalls nicht überschritten.
Ebenso durfte der Gesetzgeber davon absehen, den Anspruch auf Alg jährlich zu dynamisieren. Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien hat er eine Neuregelung der Bemessungsbestimmungen für erforderlich gehalten, weil das Verfahren bei Alg-Bewilligung aufgrund der bislang bestehenden komplexen Bestimmungen Kapazitäten gebunden habe, die im Gesamtrahmen der Umgestaltung der Beklagten zu einem modernen Dienstleister am Arbeitsmarkt für die Beratung und Betreuung der Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie die berufliche Wiedereingliederung Arbeitsloser dringend benötigt würden. Das Ziel der Reformbestrebungen hat deshalb darin bestanden, das Verfahren deutlich und nachhaltig zu vereinfachen (BT-Drs. 15/1515, S. 85). Der Gesetzgeber hat daher mit der Neuregelung öffentliche Interessen von hohem Rang verfolgt, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, auf eine jährliche Dynamisierung des Alg zu verzichten. Das gilt umso mehr, als der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von Verfassungs wegen nicht gezwungen ist, dem Versicherten die Aufrechterhaltung seines Lebensstandards voll zu ermöglichen (BVerfG, SozR 3-4100, § 111 Nr. 6 m.w.N.). Er durfte daher berücksichtigen, dass Alg als Lohnersatzleistung ohnehin nur für einen überschaubaren Zeitraum gewährt wird und daher ein inflationsbedingter Wertverfall allenfalls eingeschränkt zu befürchten ist. Dementsprechend ist bei anderen befristet gewährten Lohnersatzleistungen wie dem Krankengeld eine Dynamisierung gesetzlich gleichfalls nicht vorgesehen.
Auch die Umstellung der Zahlungsweise auf jeweils 30 Kalendertage je Monat in § 134 Satz 2 SGB III hält sich im Rahmen der vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckten Befugnis zur Pauschalierung des Anspruchs im Interesse einer Verwaltungsvereinfachung. Sie führt nicht zu einer Verkürzung des Gesamtanspruchs, sondern lediglich in Monaten mit 31 Tagen zu einer Verringerung des monatlichen Zahlbetrages um 3,2 % bei gleichzeitiger Verlängerung des Anspruchszeitraums. Dieser (nur zeitabschnittsweise) vergleichsweise geringe Verlust ist angesichts der mit der vereinfachten Berechnung verbundenen Vorteile von den Versicherten hinzunehmen. Das gilt umso mehr, als eine entsprechende Zahlungsweise auch bei anderen Lohnersatzleistungen, wie z.B. dem Krankengeld, üblich ist (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch).
§ 133 Abs. 1 SGB III verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs. 1 GG. Dieses Grundrecht verpflichtet den Gesetzgeber, wesentlich gleiche Sachverhalte gleich und wesentlich ungleiche Sachverhalte ungleich zu behandeln. Dabei liegt es grundsätzlich in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselben Rechtsfolgen knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich behandelt ansehen will. Freilich muss er die Auswahl sachgerecht treffen. Typisierungen und Pauschalierungen können dabei insbesondere zur Regelung von Massenerscheinungen zulässig sein, wenn sie durch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und Prakti-kabilität gerechtfertigt sind (BSG, Urteil v. 27.06.1996, 11 RAr 77/95, SozR 3-4100 § 111 Nr. 14 m.w.N.).
§ 133 Abs. 1 SGB III stellt sicher, dass das Alg aller Versicherten, deren Anspruch in demselben Kalenderjahr besteht, nach derselben Lohnsteuertabelle berechnet wird. Für Versicherte wie den Kläger wird das Alg im Zuge der Übergangsregelung des § 434j Abs. 5a SGB III einheitlich nach der Lohnsteuertabelle 2004 ermittelt. Hierin liegt eine sachgerechte möglichst zeitnahe Anknüpfung der Berechnung an den Zeitraum, in dem der Leistungsanspruch entstanden ist. Im Hinblick darauf stellt es keine sachwidrige Ungleichbehandlung dar, dass das im Jahr 2005 beginnende Alg eines Versicherten, der zuletzt ebenso viel verdient hat wie der Kläger, höher als dessen Alg ist.
Ohne Erfolg beanstandet der Kläger weiter, er werde schlechter gestellt als Arbeitnehmer, denen die im Jahr 2005 geringeren Lohnsteuern anders als ihm zugute kämen. Der Kläger übersieht insoweit, dass die grundsätzliche Anbindung des Alg an das Lohnsteuersystem nicht so zu verstehen ist, dass der Gesetzgeber bei der Gewährung sozialer Leistungen uneingeschränkt die Regelungen des Steuerrechts übernehmen wollte oder müsste (BVerfGE 63, 255, 262; BSG, SozR 3-4100 § 111 Nr. 14). Infolgedessen besteht auch keine Verpflichtung, die Bezieher sozialer Entgeltersatzleistungen und beschäftigte Arbeitnehmer hinsichtlich des anwendbaren Lohnsteuerrechts vollständig gleich zu behandeln. Vielmehr berechtigt der Charakter des Alg als einer steuerfreien pauschalierten Sozialleistung den Gesetzgeber, im Interesse der Vereinfachung der Leistungsberechnung für den gesamten Bezug des Alg steuerrechtlich auf dasselbe Basisjahr abzuheben.
Schließlich verstoßen die Vorschriften der §§ 133, 134, 434j Abs. 5a SGB III nicht gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot, weil sie ein Wirksamwerden des Änderungsbescheides ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des Bescheiderlasses mit Wirkung ab dem 01.01.2005 anordnen. Eine echte Rückwirkung liegt hierin nicht, weil nicht durch Gesetz nachträglich ändernd in einen bereits abgeschlossenen, der Vergangenheit angehörenden Tatbestand eingegriffen wird und Rechtsfolgen nicht für einen vor Verkündung des Gesetzes liegenden Zeitraum eintreten sollen (vgl. zu diesen Kriterien BSG, Urteil v. 09.05.1996, 7 RAr 66/95, SozR 3-4100 § 111 Nr. 13 m.w.N.). Das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt ist vor dem 01.01.2005 verkündet worden. Zudem hat die Beklagte durch Erlass des Änderungsbescheides am 02.01.2005 eine zeitnahe Umsetzung der Neuregelung gewährleistet, sodass Vertrauen des Klägers in die Fortdauer der bisherigen Praxis nicht entstehen konnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfragen nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
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