Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
2
1. Instanz
SG Itzehoe (SHS)
Aktenzeichen
S 8 SB 196/03
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 2 SB 4/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 18. November 2004 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers eine Änderung eingetreten und deshalb ein höherer Grad der Behinderung (GdB) als 40 festzustellen ist.
Bei dem 1943 geborenen Kläger waren durch Bescheid vom 23. Februar 1979 folgende Gesundheitsstörungen als Behinderungen festgestellt worden:
Enucleation linkes Auge nach Unfall; Lichtüberempfindlichkeit rechtes Auge mit zeitweiligem Flimmern; Kopfschmerzen und Ermüdungserscheinungen.
Der GdB (zum damaligen Zeitpunkt "Minderung der Erwerbsfähigkeit" – MdE -) wurde mit 40 bewertet.
Ein Neufeststellungsantrag des Klägers aus dem Jahr 1982 wurde bestandskräftig abgelehnt (Bescheid vom 26. September 1983).
Am 30. April 2003 stellte der Kläger erneut einen Änderungsantrag und gab als zusätzliche Gesundheitsstörung dauernde Rückenschmerzen durch Verschleiß der Wirbelsäule an. Das beklagte Land zog einen Befundbericht des praktischen Arztes Sa aus Q (5/03) mit beigefügten Arztbriefen bei und lehnte den Antrag durch Bescheid vom 26. August 2003 ab. Eine wesentliche Änderung sei im Gesundheitszustand des Klägers nicht eingetreten. Die Behinderung des Klägers wurde neu bezeichnet mit "Augenbeschwerden" und "Wirbelsäulensyndrom, Kopf-, Arm- und Beinsymptomatik". Dabei wurde die Augenerkrankung aufgrund ärztlicher Stellungnahme intern mit einem GdB von 40, das Wirbelsäulensyndrom mit einem GdB von 10 bewertet.
Den hiergegen gerichteten, nicht näher begründeten Widerspruch des Klägers wies das beklagte Land nach ergänzender Einholung eines Befundberichts des Facharztes für Neurochirurgie Dr. Sa (10/03) durch Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2003 zurück. Nach den eingeholten Befundunterlagen lasse sich gegenüber den Vorbefunden eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers nicht feststellen. Zwar sei ein Wirbelsäulenleiden mit Behinderungswert hinzugekommen. Dieses sei mangels gravierender Funktionsausfälle jedoch noch nicht geeignet, das bisherige Behinderungsausmaß entscheidend zu verstärken. Ein höherer GdB als weiterhin 40 lasse sich unter Zugrundelegung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht, 1996, nicht begründen.
Zur Begründung seiner hiergegen am 29. Oktober 2003 bei dem Sozialgericht Itzehoe erhobenen Klage hat der Kläger im Wesentlichen ausgeführt, das beklagte Land habe das Ausmaß seiner Wirbelsäulenerkrankung nicht ausreichend gewürdigt. Ohne Tabletten und Spritzen könne er sich vor Schmerzen kaum bewegen. Seiner Auffassung nach lägen mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor, für die nach den AHP 1996 ein Einzel-GdB von 20 anzusetzen sei. Damit sei ein Gesamt-GdB von 50 gerechtfertigt. Zur Stützung seines Vorbringens hat er Befundberichte der Ärztin für Radiologie Dr. F aus H vom 13. Oktober 2003 und des Dr. Sa vom 17. Oktober 2003 eingereicht.
Der Kläger hat beantragt,
1. den Bescheid des beklagten Landes vom 26. August 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2003 zu ändern, 2. das beklagte Land zu verurteilen, seine Behinderung seit April 2003 mit einem GdB von mindestens 50 zu bewerten.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen
und sich dabei auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid bezogen.
Das Sozialgericht hat einen weiteren Befundbericht des Dr. Sa (2/04) eingeholt und im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18. November 2004 Beweis erhoben durch Anhörung des Arztes für Chirurgie M als medizinischen Sachverständigen. Dieser hat sein vorab zur Gerichtsakte gereichtes Gutachten vom 2. November 2004 erläutert.
Mit Urteil vom 18. November 2004 hat das Sozialgericht das beklagte Land verurteilt, die Behinderung des Klägers seit April 2003 mit einem GdB von 50 zu bewerten. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Entgegen der Feststellung des beklagten Landes in den angefochtenen Bescheiden sei eine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand des Klägers eingetreten mit der Folge der Erhöhung des GdB auf 50. Gegenüber dem maßgeblichen Vorbescheid vom 23. Februar 1979 sei insoweit eine wesentliche Änderung eingetreten, als zusätzlich zu den bereits anerkannten Gesundheitsstörungen ein Wirbelsäulensyndrom anzuerkennen sei. Radiologisch nachweisbar sei eine erosive Osteochondrose im Segment L 5/S 1 mit Verschmälerung der Bandscheibe, die teilweise in die Bodenplatte des 5. Lendenwirbelkörpers eingedrungen sei. Leichtere Degenerationen der Bandscheibe fänden sich auch im oberen Lendenwirbelsäulenabschnitt. Klinisch finde sich eine mäßig eingeschränkte Wirbelsäulenbeweglichkeit mit einem Fingerbodenabstand von 40 cm. Die Schober`sche Messstrecke zeige eine unzureichende Aufweitung mit 10 cm auf 12,5 cm, die Seitenneigung der Wirbelsäule sei etwas eingeschränkt. Es lasse sich ein Druck- und Verschiebeschmerz über dem Segment L 5/ S 1 auslösen, hier bestehe auch ein minimaler Stauchungsschmerz. Die paravertebrale Muskulatur im Brustwirbelsäulenbereich, insbesondere im Brustwirbelsäulen-/Lendenwirbelsäulenübergang sei mäßig verspannt, es bestehe ein ausgeprägtes subjektives Beschwerdebild, das sich ausdrucksvoll durch die von Dr. Sa mitgeteilten häufigen Arztbesuche widerspiegele. Dem Beschwerdekomplex von Seiten der Wirbelsäule sei mit einem Einzel-GdB vom 20 Rechnung zu tragen. Eine wesentliche Änderung in den bereits im Februar 1979 anerkannten Gesundheitsstörungen sei nicht festzustellen. Es sei daher nach wie vor von einem Einzel-GdB vom 40 für diesen Beschwerdekomplex auszugehen. Lägen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so werde der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1, 9. Buch Sozialgesetzbuch). Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben sei nach Auffassung der Kammer seit Antragstellung der Gesamt-GdB des Klägers mit 50 zu bewerten. Die Kammer habe dabei zugrundegelegt, dass die bei dem Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen voneinander unabhängig seien und ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens beträfen. Durch den Verlust des linken Auges sei der Kläger in seinem Sehvermögen eingeschränkt und leide unter Lichtempfindlichkeit sowie Kopfschmerzen und Ermüdungserscheinungen. Das neu hinzugekommene Wirbelsäulenleiden habe dagegen Auswirkungen auf den Bewegungsapparat und die Beweglichkeit des Klägers. Er sei somit in einem weiteren Bereich im Ablauf des täglichen Lebens betroffen. Dieser Tatsache sei dadurch Rechnung zu tragen, das der GdB, der für das im Vordergrund stehende Leiden einzuschätzen sei, erhöht werde.
Gegen das ihm am 27. Dezember 2004 zugestellte Urteil hat das beklagte Land am 13. Januar 2005 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt es im Wesentlichen vor: Der Feststellung eines Gesamt-GdB von 50 vermöge es nicht zu folgen. Bei einem Einzel-GdB von 20 (hier für das Wirbelsäulenleiden) sei es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (unter Hinweis auf Nr. 19 Abs. 4 der AHP 2004). Das müsse hier erst recht angenommen werden, da nach Auffassung des medizinischen Sachverständigen M die Bewertung des Augenleidens mit einem GdB von 40 im oberen Ermessensspielraum liege. Ein weiterer Einzel-GdB vom 20, der nach der Stellungnahme des Sachverständigen ebenfalls im oberen Ermessensspielraum liege, könne dann nicht zu einem Gesamt-GdB von 50 führen. Aus den Befundberichten und der Schilderung der Sachverständigen ergebe sich auch nicht, dass der Kläger in gleicher Weise betroffen sei wie ein Mensch, der eine Hand oder ein Bein im Unterschenkel verloren habe. Das Sozialgericht hätte die Zweifel des Sachverständigen im Hinblick auf das Augenleiden nicht übergehen dürfen, sondern hätte insofern noch weiter aufklären müssen. Der Kläger habe dem Sachverständigen nur von dem Verlust des linken Auges berichtet, jedoch nichts von den Beschwerden am rechten Auge, die allein einen GdB von 40 für das Augenleiden rechtfertigen könnten.
Das beklagte Land beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 18. November 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Der Senat hat Befund- und Behandlungsberichte des Arztes für Orthopädie Dr. Sb (3/05) und des Arztes für Allgemeinmedizin Sa (4/05) eingeholt. In der mündlichen Verhandlung am 18. November 2004 hat der Senat den Kläger u.a. auch zu seinen Beschwerden im Bereich des rechten Auges angehört. Der Kläger hat dazu u.a. erklärt, er habe hier nach wie vor zeitweiliges Flimmern und auch ständige Kopfschmerzen. Wegen dieser Beschwerden sei er regelmäßig zweimal im Jahr bei Frau Dr. Gräfin von Sc in Behandlung, die ihn kürzlich auch zu einem Neurologen überwiesen habe. Unter Augenflimmern und Lichtempfindlichkeit habe er immer gelitten, Lichtempfindlichkeit dabei mehr unter Tageslichtbedingungen als im Arbeitsleben. Der Senat hat die mündliche Verhandlung vertagt und ergänzend Befundberichte der Internisten/Kardiologen Dres. P und Kollegen, des Dr. Sa (jeweils 2/06), der Fachärztin für Augenheilkunde Dr. Gräfin von Sc , des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Fa und des Internisten Dr. W (jeweils 3/06) nebst beigefügten Arztbriefen beigezogen und in der mündlichen Verhandlung am 27. April 2006 Dr. Ha , Arzt für Augenheilkunde, zu den Funktionsstörungen auf dem augenärztlichem Fachgebiet und dem daraus resultierenden Grad der Behinderung vernommen. Wegen des Inhalts des Gutachtens wird auf die vorab übersandte schriftliche Zusammenfassung Bl. 132 bis 135 der Gerichtsakte verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten des beklagten Landes ( ). Diese Vorgänge sind auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§ 143 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung des beklagten Landes ist begründet. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts hat der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB als 40. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, 10. Buch (SGB X) ist gegenüber der bestandskräftigen Feststellung des GdB mit 40 mit Bescheid vom 23. Februar 1979 nicht eingetreten.
Eine Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers ist – nur - insoweit eingetreten, als nunmehr zusätzlich zu den bereits 1979 berücksichtigten Gesundheitsstörungen eine Funktionsstörung der Wirbelsäule besteht. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig, sondern von dem beklagten Land in den angefochtenen Bescheiden ausdrücklich festgestellt worden.
Im Übrigen ist der Gesundheitszustand des Klägers gegenüber 1979 unverändert. So ist zunächst keine Änderung des Augenleidens eingetreten, weder im Sinne der Verschlechterung noch der Verbesserung. Diese Feststellung trifft der Senat auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Dr. Ha. Danach ist der Befund im Bereich des linken Auges gleich geblieben, im Sinne des Verlustes des linken Auges mit auch weiterhin reizloser Augenhöhle. Soweit Dr. Ha bezogen auf das rechte Auge ausgehend von einer Sehschärfe von 100 % bei hier auch ansonsten altersentsprechend unauffälligen Befunden von einem Normalbefund ausgeht und deshalb den GdB auf seinem Fachgebiet mit insgesamt 30 ansetzt, d.h., worauf noch einzugehen sein wird, allein den GdB für den Verlust eines Auges berücksichtigt, kann hieraus nicht gefolgert werden, dass insoweit eine Besserung im Gesundheitszustand des Klägers eingetreten sei. Die ergänzende mündliche Erläuterung des Gutachtens hat ergeben, dass Dr. Ha die 1979 von dem Kläger angegebene Kopfschmerzsymptomatik und die Ermüdungserscheinungen augenärztlich nicht einzuordnen vermag, auch nicht im Sinne vorübergehender Anpassungsprobleme an den Verlust des linken Auges. Auch ist seinem Gutachten auf das rechte Auge bezogen keine entsprechende Beschwerdeschilderung des Klägers zu entnehmen. In der mündlichen Verhandlung im November 2005 hatte der Kläger hingegen angegeben, die 1979 berücksichtigten Beschwerden hätten fortlaufend bestanden und bestünden auch weiterhin, und die daraufhin eingeholten Befundberichte der behandelnden Ärzte bestätigen zumindest teilweise dem 1979 bezogen auf das rechte Auge berücksichtigten - worauf noch einzugehen sein wird - ohnehin diffusen Beschwerdekomplex zuzuordnende Einzelbeschwerden. So gab der Kläger bei einer Untersuchung bei dem Kardiologen Dr. Sd im Oktober 2005 eine zunehmende Sehverschlechterung im Sinne von "verschwommenem Sehen" des gesunden Auges an. In dem Bericht der Dr. von Sc werden so genannte "Mouches volantes" genannt und der Verdacht auf transient-ischämische Attacken geäußert. Letzteres wird in der Schilderung der Anamnese in dem Befundbericht des Herrn Fa aufgegriffen. Eine wesentliche Kopfschmerzsymptomatik ist den Berichten dagegen nicht zu entnehmen. Damit mag zwar die Zuordnung der 1979 neben dem Verlust des linken Auges berücksichtigten Beschwerden unklar bleiben. Eine Verbesserung der Verhältnisse bezogen auf den Beschwerdekomplex "Augenflimmern, Ermüdungserscheinungen, Kopfschmerzen" lässt sich jedoch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen. Gleiches gilt allerdings, ausgehend von den dargelegten Ergebnissen der Untersuchung bei Dr. Ha , auch für eine Verschlechterung.
Weitere Gesundheitsstörungen, die in die Bewertung des Gesamt-GdB einzubeziehen wären, sind nach der gesamten Aktenlage nicht ersichtlich bzw. nicht hinreichend belegt. Die ausweislich der beigezogenen Befundberichte durchgeführten Untersuchungen u.a. auf kardiologischem und auf neurologischem Fachgebiet - letztere im Hinblick auf die von dem Kläger angegebenen, zu transitorisch ischämischen Attacken (TIA) passenden Beschwerden - haben jeweils keine gravierenden pathologischen Befunde erbracht. Soweit der Bericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Sa aus April 2005 weitere Diagnosen beinhaltet, so u.a. bezogen auf Oktober 2003 ein Abhängigkeitssyndrom bei Alkoholgebrauch, bezogen auf Oktober 2004 depressive Persönlichkeit, Alkoholabhängigkeit sowie bezogen auf Februar 2005 anhaltende somatoforme Schmerzstörung, haben die weiteren Befundberichte hierfür keinerlei Anhaltspunkte ergeben. Dies gilt insbesondere auch für die Berichte des Neurochirurgen Dr. S und des Neurologen und Psychiaters Fa sowie des Internisten Dr. W. Letzterer erwähnt zwar im August 2005 moderat erhöhte Leberenzyme, diese hätten sich im Verlauf aber weitgehend normalisiert. Der Kläger selbst hat auch entsprechende Funktionsstörungen nicht geltend gemacht.
Die demnach gegenüber der Erstfeststellung 1979 allein im Hinblick auf das Hinzutreten einer Wirbelsäulenfunktionsstörung eingetretene Änderung der Verhältnisse ist nicht "wesentlich" im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Ob eine Änderung in den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen wesentlich ist, richtet sich nach den rechtlichen Maßstäben, nach denen die Bewertung der jeweiligen Tatsachen erfolgt, hier den rechtlichen Vorgaben für die Feststellung des (Gesamt-) GdB. Rechtsgrundlage ist insoweit § 69 Sozialgesetzbuch (SGB) Neuntes Buch (IX) - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - i.d.F. durch Gesetz vom 23. April 2004 (BGBl. I. S. 606). Diese Vorschrift hat mit ihrem In-Kraft-Treten am 1. Juli 2001 § 4 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) abgelöst. Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Nach § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Um insoweit eine bundesweit möglichst einheitliche Bewertung zu ermöglichen, hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (im Folgenden: AHP), aktuell Stand 2004, herausgegeben, in denen zahlreichen Funktionsstörungen bestimmte GdB-Werte oder ein GdB-Rahmen zugeordnet und allgemeine Grundsätze für die Bewertung des GdB aufgestellt worden sind. Es handelt sich bei den AHP um "antizipierte Sachverständigengutachten", die, wie untergesetzliche Normen, nur in beschränktem Umfang der gerichtlichen Überprüfung unterliegen. Es kann nur geprüft werden, ob sie dem Gesetz widersprechen, ob sie dem gegenwärtigen Kenntnisstand der sozialmedizinischen Wissenschaft nicht mehr entsprechen oder ob ein Sonderfall vorliegt (std. Rspr., u.a. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 11. Oktober 1994 - 9 RVs 1/93 - SozR 3 3870 § 3 SchwbG Nr. 5). Im Hinblick auf diese richterliche Kontrollmöglichkeit hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) das Fehlen einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bisher verfassungsrechtlich nicht beanstandet, allerdings ausdrücklich dargelegt, dass eine Solche zu schaffen sei (Beschl. vom 6. März 1995 1 BvR 60/95 a.a.O. Nr. 6). Zwar erscheint es sehr bedenklich, dass seit dem genannten Beschluss inzwischen mehr als 10 Jahre vergangen sind, ohne dass der Gesetzgeber die Vorgabe des BVerfG umgesetzt hat, während die AHP seitdem bereits zweimal überarbeitet wurden (AHP 1996 und 2004). An der grundsätzlichen Maßgeblichkeit der AHP als Bewertungsrahmen vermag dies jedoch nichts zu ändern, weil anderenfalls mangels eines allgemeingültigen Bewertungsgefüges eine dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) entsprechende Rechtsanwendung nicht gewährleistet wäre (vgl. auch Bürck in: Zentralblatt für Sozialversicherung, Sozialhilfe und Versorgung 1999, 129 (131)); zur grundsätzlichen Maßgeblichkeit der AHP siehe auch BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R ). Da § 69 SGB IX im Wesentlichen inhaltsidentisch mit § 4 SchwbG ist, sind die dargelegten, zu dieser Vorschrift in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätze unverändert anzuwenden. Dies bedeutet, dass die rechtlichen Maßstäbe für die Feststellung des GdB seit der bestandskräftigen Feststellung mit Bescheid vom 23. Februar 1979 gleich geblieben sind.
Bei Zugrundlegung dieser rechtlichen Vorgaben ergibt sich auch durch das Hinzutreten der weiteren Funktionsstörung keine Erhöhung des Gesamt-GdB von bisher 40. Die hinzugekommene Wirbelsäulenfunktionsstörung ist mit einem Einzel-GdB von maximal 20 unter Ausschöpfung des Ermessensspielraumes zu bewerten. Die dahingehende Einschätzung des Sachverständigen M hält der Senat für überzeugend. Die Funktionsstörung beschränkt sich auf einen Wirbelsäulenabschnitt, und nach der gesamten Aktenlage kann insoweit allenfalls von mittelgradigen funktionellen Auswirkungen entsprechend Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome (vgl. AHP 2004, S. 116), ausgegangen werden. Der Sachverständige hat dazu dargelegt, dass es sich um ein lokales Lumbalsyndrom mit eingeschränkter Beweglichkeit, Muskelverspannungen und ausgeprägtem subjektiven Beschwerdebild handele, ausgehend von einer Degeneration der Bandscheibe im Segment L4/L5. Nervenausfälle oder Nervenreizerscheinungen seien nach der Aktenlage zu keinem Zeitpunkt belegt, hätten auch in der Untersuchungssituation nicht vorgelegen. Der Sachverständige hat deutlich betont, dass bei einem lokalen Lumbalsyndrom dieses Ausprägungsgrades in der Regel ein GdB von 10-20 entsprechend einem leichten bis mittelschweren Wirbelsäulensyndrom anzunehmen sei. Gehe man von einem Einzel-GdB von 20 aus, sei dieser am "absoluten Oberrand angesiedelt". Eine Verschlechterung seit der Begutachtung durch Herrn M ist insoweit nicht erkennbar, vielmehr befand sich der Kläger offenbar lediglich Anfang 2003 in orthopädischer Behandlung, und auch bei dem Neurochirurgen Dr. S erfolgte die Behandlung offenbar nur im Jahr 2003, erneut dann erst wieder - einmalig - im März 2005.
Der hinzugekommene Einzel-GdB von 20 für das Wirbelsäulenleiden rechtfertigt in der vorliegenden Konstellation nicht die Erhöhung des Gesamt-GdB von 50. Bei der Bildung des Gesamt-GdB ist zu beachten, dass die Auswirkungen von einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen ganz unabhängig voneinander sein, einander verstärken, sich überschneiden oder sich vollständig decken können, so dass die Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung durch eine hinzutretende Gesundheitsstörung nicht verstärkt werden (vgl. AHP 2004, Nr. 19, S. 25/26). Zwar ist dem Sozialgericht darin zuzustimmen, dass im Falle zweier unabhängig nebeneinander stehender Funktionsstörungen, deren Auswirkungen sich nicht - auch nicht teilweise - kompensieren, eine Funktionsstörung, die mit einem GdB von 20 bewertet wird, bei der Bildung des Gesamt-GdB grundsätzlich im Sinne einer Erhöhung des höchsten weiteren Einzel-GdB-Wertes zu berücksichtigen ist. Allerdings kann diese Frage nicht unabhängig von dem höchsten zu Grunde zu legenden Einzel-GdB-Wert beurteilt werden, denn je höher dieser ist, desto weniger ist eine Funktionsstörung mit einem GdB von - nur - 20 geeignet, den "Gesamtleidenszustand" des Betroffenen zu verschlimmern. Unterstellt man eine einzelne Funktionsstörung mit dem bereits recht hohen Einzel-GdB von 40, so wäre fraglich, ob eine hiervon unabhängig bestehende weitere Funktionsstörung mit einem GdB von 20 geeignet ist, einen GdB von 50 zu begründen. Diese Frage ist hier jedoch deshalb in dieser Form nicht zu entscheiden, weil die Ausgangssituation eine andere ist. Zum einen ist nämlich zu berücksichtigen, dass der bisher bestandskräftig festgestellte GdB von 40 seinerseits ein Gesamt-GdB aus zwei verschiedenen Funktionsstörungen ist, nämlich zum einen eines Einzel-GdB von 30 für den Verlust des Sehvermögens auf einem Auge bedingt durch den Verlust des gesamten Auges (der Umstand, dass das Auge entfernt wurde und nicht nur das Sehvermögen auf dem linken Auge weggefallen ist, macht nach den AHP 1973, die zum Zeitpunkt der Erstfeststellung anzuwenden waren, ebenso wenig einen Unterschied wie nach den folgenden AHP, da der Verlust des Auges nur dann höher bewertet wurde und wird, wenn er mit dauernder, einer Behandlung nicht zugänglichen Eiterung der Augenhöhle verbunden ist, was bei dem Kläger zu keinem Zeitpunkt der Fall war; vgl. AHP 1973, S. 185 i.V.m. 161 u. S. 186, AHP 2004, S. 51)) sowie einem weiteren Einzel-GdB für die vom Versorgungsamt Verden bei der Erstfeststellung angenommene "Lichtüberempfindlichkeit rechtes Auge mit zeitweiligem Flimmern, Kopfschmerzen und Ermüdungserscheinungen". Der hierfür bei der Bildung des Gesamt-GdB zu Grunde gelegte Einzel-GdB ist der Verwaltungsakte nicht zu entnehmen. Da es sich bei den auf das rechte Auge bezogenen Beeinträchtigungen um ganz diffuse Beschwerden handelt, die keiner der in den AHP unter Nr. 26.4 in der jeweiligen Fassung beschriebenen Funktionsstörungen zuzuordnen sind, bei denen der vorgegebene GdB-Wert bzw. -Rahmen bereits die Gesamtstörung des Sehvermögens bezogen auf beide Augen erfasst, ist davon auszugehen, dass das Versorgungsamt für die Beeinträchtigung auf dem rechten Auge einen in der Akte nicht näher dokumentierten GdB-Wert zu Grunde gelegt und diesen zusammen mit dem Einzel-GdB von 30 für das linke Auge zu einem Gesamt-GdB von 40 zusammengezogen hat. Angesichts der dürftigen Befundlage und der eher geringfügigen Beschwerden - die Berücksichtigung von Beschwerden des rechten Auges geht zurück lediglich auf einen Befundbericht des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. D aus Januar 1979, danach klagte der Kläger "jetzt" über eine Lichtüberempfindlichkeit des rechten Auges wie bei vermehrter Beanspruchung des rechten Auges, über zeitweiliges Flimmern und danach auftretende Kopfschmerzen im hinteren Stirnbereich, ausstrahlend in den ganzen Kopf, zusätzlich rasche Ermüdungserscheinungen sowie Konzentrationsschwierigkeiten - wird man nicht davon ausgehen können, dass hier ein weiterer Einzel-GdB-Wert von 20 zu Grunde gelegt wurde, sondern der hierfür geschätzte Einzel-GdB dürfte zwischen 10 und 20 gelegen haben. Damit schöpfte der bei der Erstfeststellung festgestellte Gesamt-GdB von 40 ersichtlich den Ermessensspielraum vollständig aus, d.h. für den Fall künftiger Verschlechterungen des Gesundheitszustandes des Klägers entweder durch Verschlechterung der bereits bekannten Funktionsstörungen oder durch Hinzutreten weiterer Funktionsstörungen verblieb ein Spielraum, der vor einer Erhöhung des Gesamt-GdB zunächst ausgeschöpft werden muss, bevor sich eine Verschlechterung auswirken kann. Ausgehend davon, dass die bisher berücksichtigten Funktionsstörungen eben gerade den GdB von 40 erreichten, ohne diesen vollständig auszuschöpfen, ist das Hinzutreten einer Funktionsstörung, die - wie dargelegt -, eben gerade einen GdB von 20 bedingt, ohne diesen Wert wiederum vollständig auszuschöpfen, jedoch nicht geeignet, den bisher bestandskräftig mit 40 festgestellten GdB auf 50 zu erhöhen.
Nach alledem war der Berufung des beklagten Landes stattzugeben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers eine Änderung eingetreten und deshalb ein höherer Grad der Behinderung (GdB) als 40 festzustellen ist.
Bei dem 1943 geborenen Kläger waren durch Bescheid vom 23. Februar 1979 folgende Gesundheitsstörungen als Behinderungen festgestellt worden:
Enucleation linkes Auge nach Unfall; Lichtüberempfindlichkeit rechtes Auge mit zeitweiligem Flimmern; Kopfschmerzen und Ermüdungserscheinungen.
Der GdB (zum damaligen Zeitpunkt "Minderung der Erwerbsfähigkeit" – MdE -) wurde mit 40 bewertet.
Ein Neufeststellungsantrag des Klägers aus dem Jahr 1982 wurde bestandskräftig abgelehnt (Bescheid vom 26. September 1983).
Am 30. April 2003 stellte der Kläger erneut einen Änderungsantrag und gab als zusätzliche Gesundheitsstörung dauernde Rückenschmerzen durch Verschleiß der Wirbelsäule an. Das beklagte Land zog einen Befundbericht des praktischen Arztes Sa aus Q (5/03) mit beigefügten Arztbriefen bei und lehnte den Antrag durch Bescheid vom 26. August 2003 ab. Eine wesentliche Änderung sei im Gesundheitszustand des Klägers nicht eingetreten. Die Behinderung des Klägers wurde neu bezeichnet mit "Augenbeschwerden" und "Wirbelsäulensyndrom, Kopf-, Arm- und Beinsymptomatik". Dabei wurde die Augenerkrankung aufgrund ärztlicher Stellungnahme intern mit einem GdB von 40, das Wirbelsäulensyndrom mit einem GdB von 10 bewertet.
Den hiergegen gerichteten, nicht näher begründeten Widerspruch des Klägers wies das beklagte Land nach ergänzender Einholung eines Befundberichts des Facharztes für Neurochirurgie Dr. Sa (10/03) durch Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2003 zurück. Nach den eingeholten Befundunterlagen lasse sich gegenüber den Vorbefunden eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers nicht feststellen. Zwar sei ein Wirbelsäulenleiden mit Behinderungswert hinzugekommen. Dieses sei mangels gravierender Funktionsausfälle jedoch noch nicht geeignet, das bisherige Behinderungsausmaß entscheidend zu verstärken. Ein höherer GdB als weiterhin 40 lasse sich unter Zugrundelegung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht, 1996, nicht begründen.
Zur Begründung seiner hiergegen am 29. Oktober 2003 bei dem Sozialgericht Itzehoe erhobenen Klage hat der Kläger im Wesentlichen ausgeführt, das beklagte Land habe das Ausmaß seiner Wirbelsäulenerkrankung nicht ausreichend gewürdigt. Ohne Tabletten und Spritzen könne er sich vor Schmerzen kaum bewegen. Seiner Auffassung nach lägen mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor, für die nach den AHP 1996 ein Einzel-GdB von 20 anzusetzen sei. Damit sei ein Gesamt-GdB von 50 gerechtfertigt. Zur Stützung seines Vorbringens hat er Befundberichte der Ärztin für Radiologie Dr. F aus H vom 13. Oktober 2003 und des Dr. Sa vom 17. Oktober 2003 eingereicht.
Der Kläger hat beantragt,
1. den Bescheid des beklagten Landes vom 26. August 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2003 zu ändern, 2. das beklagte Land zu verurteilen, seine Behinderung seit April 2003 mit einem GdB von mindestens 50 zu bewerten.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen
und sich dabei auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid bezogen.
Das Sozialgericht hat einen weiteren Befundbericht des Dr. Sa (2/04) eingeholt und im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18. November 2004 Beweis erhoben durch Anhörung des Arztes für Chirurgie M als medizinischen Sachverständigen. Dieser hat sein vorab zur Gerichtsakte gereichtes Gutachten vom 2. November 2004 erläutert.
Mit Urteil vom 18. November 2004 hat das Sozialgericht das beklagte Land verurteilt, die Behinderung des Klägers seit April 2003 mit einem GdB von 50 zu bewerten. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Entgegen der Feststellung des beklagten Landes in den angefochtenen Bescheiden sei eine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand des Klägers eingetreten mit der Folge der Erhöhung des GdB auf 50. Gegenüber dem maßgeblichen Vorbescheid vom 23. Februar 1979 sei insoweit eine wesentliche Änderung eingetreten, als zusätzlich zu den bereits anerkannten Gesundheitsstörungen ein Wirbelsäulensyndrom anzuerkennen sei. Radiologisch nachweisbar sei eine erosive Osteochondrose im Segment L 5/S 1 mit Verschmälerung der Bandscheibe, die teilweise in die Bodenplatte des 5. Lendenwirbelkörpers eingedrungen sei. Leichtere Degenerationen der Bandscheibe fänden sich auch im oberen Lendenwirbelsäulenabschnitt. Klinisch finde sich eine mäßig eingeschränkte Wirbelsäulenbeweglichkeit mit einem Fingerbodenabstand von 40 cm. Die Schober`sche Messstrecke zeige eine unzureichende Aufweitung mit 10 cm auf 12,5 cm, die Seitenneigung der Wirbelsäule sei etwas eingeschränkt. Es lasse sich ein Druck- und Verschiebeschmerz über dem Segment L 5/ S 1 auslösen, hier bestehe auch ein minimaler Stauchungsschmerz. Die paravertebrale Muskulatur im Brustwirbelsäulenbereich, insbesondere im Brustwirbelsäulen-/Lendenwirbelsäulenübergang sei mäßig verspannt, es bestehe ein ausgeprägtes subjektives Beschwerdebild, das sich ausdrucksvoll durch die von Dr. Sa mitgeteilten häufigen Arztbesuche widerspiegele. Dem Beschwerdekomplex von Seiten der Wirbelsäule sei mit einem Einzel-GdB vom 20 Rechnung zu tragen. Eine wesentliche Änderung in den bereits im Februar 1979 anerkannten Gesundheitsstörungen sei nicht festzustellen. Es sei daher nach wie vor von einem Einzel-GdB vom 40 für diesen Beschwerdekomplex auszugehen. Lägen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so werde der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1, 9. Buch Sozialgesetzbuch). Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben sei nach Auffassung der Kammer seit Antragstellung der Gesamt-GdB des Klägers mit 50 zu bewerten. Die Kammer habe dabei zugrundegelegt, dass die bei dem Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen voneinander unabhängig seien und ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens beträfen. Durch den Verlust des linken Auges sei der Kläger in seinem Sehvermögen eingeschränkt und leide unter Lichtempfindlichkeit sowie Kopfschmerzen und Ermüdungserscheinungen. Das neu hinzugekommene Wirbelsäulenleiden habe dagegen Auswirkungen auf den Bewegungsapparat und die Beweglichkeit des Klägers. Er sei somit in einem weiteren Bereich im Ablauf des täglichen Lebens betroffen. Dieser Tatsache sei dadurch Rechnung zu tragen, das der GdB, der für das im Vordergrund stehende Leiden einzuschätzen sei, erhöht werde.
Gegen das ihm am 27. Dezember 2004 zugestellte Urteil hat das beklagte Land am 13. Januar 2005 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt es im Wesentlichen vor: Der Feststellung eines Gesamt-GdB von 50 vermöge es nicht zu folgen. Bei einem Einzel-GdB von 20 (hier für das Wirbelsäulenleiden) sei es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (unter Hinweis auf Nr. 19 Abs. 4 der AHP 2004). Das müsse hier erst recht angenommen werden, da nach Auffassung des medizinischen Sachverständigen M die Bewertung des Augenleidens mit einem GdB von 40 im oberen Ermessensspielraum liege. Ein weiterer Einzel-GdB vom 20, der nach der Stellungnahme des Sachverständigen ebenfalls im oberen Ermessensspielraum liege, könne dann nicht zu einem Gesamt-GdB von 50 führen. Aus den Befundberichten und der Schilderung der Sachverständigen ergebe sich auch nicht, dass der Kläger in gleicher Weise betroffen sei wie ein Mensch, der eine Hand oder ein Bein im Unterschenkel verloren habe. Das Sozialgericht hätte die Zweifel des Sachverständigen im Hinblick auf das Augenleiden nicht übergehen dürfen, sondern hätte insofern noch weiter aufklären müssen. Der Kläger habe dem Sachverständigen nur von dem Verlust des linken Auges berichtet, jedoch nichts von den Beschwerden am rechten Auge, die allein einen GdB von 40 für das Augenleiden rechtfertigen könnten.
Das beklagte Land beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 18. November 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Der Senat hat Befund- und Behandlungsberichte des Arztes für Orthopädie Dr. Sb (3/05) und des Arztes für Allgemeinmedizin Sa (4/05) eingeholt. In der mündlichen Verhandlung am 18. November 2004 hat der Senat den Kläger u.a. auch zu seinen Beschwerden im Bereich des rechten Auges angehört. Der Kläger hat dazu u.a. erklärt, er habe hier nach wie vor zeitweiliges Flimmern und auch ständige Kopfschmerzen. Wegen dieser Beschwerden sei er regelmäßig zweimal im Jahr bei Frau Dr. Gräfin von Sc in Behandlung, die ihn kürzlich auch zu einem Neurologen überwiesen habe. Unter Augenflimmern und Lichtempfindlichkeit habe er immer gelitten, Lichtempfindlichkeit dabei mehr unter Tageslichtbedingungen als im Arbeitsleben. Der Senat hat die mündliche Verhandlung vertagt und ergänzend Befundberichte der Internisten/Kardiologen Dres. P und Kollegen, des Dr. Sa (jeweils 2/06), der Fachärztin für Augenheilkunde Dr. Gräfin von Sc , des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Fa und des Internisten Dr. W (jeweils 3/06) nebst beigefügten Arztbriefen beigezogen und in der mündlichen Verhandlung am 27. April 2006 Dr. Ha , Arzt für Augenheilkunde, zu den Funktionsstörungen auf dem augenärztlichem Fachgebiet und dem daraus resultierenden Grad der Behinderung vernommen. Wegen des Inhalts des Gutachtens wird auf die vorab übersandte schriftliche Zusammenfassung Bl. 132 bis 135 der Gerichtsakte verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten des beklagten Landes ( ). Diese Vorgänge sind auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§ 143 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung des beklagten Landes ist begründet. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts hat der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB als 40. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, 10. Buch (SGB X) ist gegenüber der bestandskräftigen Feststellung des GdB mit 40 mit Bescheid vom 23. Februar 1979 nicht eingetreten.
Eine Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers ist – nur - insoweit eingetreten, als nunmehr zusätzlich zu den bereits 1979 berücksichtigten Gesundheitsstörungen eine Funktionsstörung der Wirbelsäule besteht. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig, sondern von dem beklagten Land in den angefochtenen Bescheiden ausdrücklich festgestellt worden.
Im Übrigen ist der Gesundheitszustand des Klägers gegenüber 1979 unverändert. So ist zunächst keine Änderung des Augenleidens eingetreten, weder im Sinne der Verschlechterung noch der Verbesserung. Diese Feststellung trifft der Senat auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Dr. Ha. Danach ist der Befund im Bereich des linken Auges gleich geblieben, im Sinne des Verlustes des linken Auges mit auch weiterhin reizloser Augenhöhle. Soweit Dr. Ha bezogen auf das rechte Auge ausgehend von einer Sehschärfe von 100 % bei hier auch ansonsten altersentsprechend unauffälligen Befunden von einem Normalbefund ausgeht und deshalb den GdB auf seinem Fachgebiet mit insgesamt 30 ansetzt, d.h., worauf noch einzugehen sein wird, allein den GdB für den Verlust eines Auges berücksichtigt, kann hieraus nicht gefolgert werden, dass insoweit eine Besserung im Gesundheitszustand des Klägers eingetreten sei. Die ergänzende mündliche Erläuterung des Gutachtens hat ergeben, dass Dr. Ha die 1979 von dem Kläger angegebene Kopfschmerzsymptomatik und die Ermüdungserscheinungen augenärztlich nicht einzuordnen vermag, auch nicht im Sinne vorübergehender Anpassungsprobleme an den Verlust des linken Auges. Auch ist seinem Gutachten auf das rechte Auge bezogen keine entsprechende Beschwerdeschilderung des Klägers zu entnehmen. In der mündlichen Verhandlung im November 2005 hatte der Kläger hingegen angegeben, die 1979 berücksichtigten Beschwerden hätten fortlaufend bestanden und bestünden auch weiterhin, und die daraufhin eingeholten Befundberichte der behandelnden Ärzte bestätigen zumindest teilweise dem 1979 bezogen auf das rechte Auge berücksichtigten - worauf noch einzugehen sein wird - ohnehin diffusen Beschwerdekomplex zuzuordnende Einzelbeschwerden. So gab der Kläger bei einer Untersuchung bei dem Kardiologen Dr. Sd im Oktober 2005 eine zunehmende Sehverschlechterung im Sinne von "verschwommenem Sehen" des gesunden Auges an. In dem Bericht der Dr. von Sc werden so genannte "Mouches volantes" genannt und der Verdacht auf transient-ischämische Attacken geäußert. Letzteres wird in der Schilderung der Anamnese in dem Befundbericht des Herrn Fa aufgegriffen. Eine wesentliche Kopfschmerzsymptomatik ist den Berichten dagegen nicht zu entnehmen. Damit mag zwar die Zuordnung der 1979 neben dem Verlust des linken Auges berücksichtigten Beschwerden unklar bleiben. Eine Verbesserung der Verhältnisse bezogen auf den Beschwerdekomplex "Augenflimmern, Ermüdungserscheinungen, Kopfschmerzen" lässt sich jedoch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen. Gleiches gilt allerdings, ausgehend von den dargelegten Ergebnissen der Untersuchung bei Dr. Ha , auch für eine Verschlechterung.
Weitere Gesundheitsstörungen, die in die Bewertung des Gesamt-GdB einzubeziehen wären, sind nach der gesamten Aktenlage nicht ersichtlich bzw. nicht hinreichend belegt. Die ausweislich der beigezogenen Befundberichte durchgeführten Untersuchungen u.a. auf kardiologischem und auf neurologischem Fachgebiet - letztere im Hinblick auf die von dem Kläger angegebenen, zu transitorisch ischämischen Attacken (TIA) passenden Beschwerden - haben jeweils keine gravierenden pathologischen Befunde erbracht. Soweit der Bericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Sa aus April 2005 weitere Diagnosen beinhaltet, so u.a. bezogen auf Oktober 2003 ein Abhängigkeitssyndrom bei Alkoholgebrauch, bezogen auf Oktober 2004 depressive Persönlichkeit, Alkoholabhängigkeit sowie bezogen auf Februar 2005 anhaltende somatoforme Schmerzstörung, haben die weiteren Befundberichte hierfür keinerlei Anhaltspunkte ergeben. Dies gilt insbesondere auch für die Berichte des Neurochirurgen Dr. S und des Neurologen und Psychiaters Fa sowie des Internisten Dr. W. Letzterer erwähnt zwar im August 2005 moderat erhöhte Leberenzyme, diese hätten sich im Verlauf aber weitgehend normalisiert. Der Kläger selbst hat auch entsprechende Funktionsstörungen nicht geltend gemacht.
Die demnach gegenüber der Erstfeststellung 1979 allein im Hinblick auf das Hinzutreten einer Wirbelsäulenfunktionsstörung eingetretene Änderung der Verhältnisse ist nicht "wesentlich" im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Ob eine Änderung in den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen wesentlich ist, richtet sich nach den rechtlichen Maßstäben, nach denen die Bewertung der jeweiligen Tatsachen erfolgt, hier den rechtlichen Vorgaben für die Feststellung des (Gesamt-) GdB. Rechtsgrundlage ist insoweit § 69 Sozialgesetzbuch (SGB) Neuntes Buch (IX) - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - i.d.F. durch Gesetz vom 23. April 2004 (BGBl. I. S. 606). Diese Vorschrift hat mit ihrem In-Kraft-Treten am 1. Juli 2001 § 4 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) abgelöst. Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Nach § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Um insoweit eine bundesweit möglichst einheitliche Bewertung zu ermöglichen, hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (im Folgenden: AHP), aktuell Stand 2004, herausgegeben, in denen zahlreichen Funktionsstörungen bestimmte GdB-Werte oder ein GdB-Rahmen zugeordnet und allgemeine Grundsätze für die Bewertung des GdB aufgestellt worden sind. Es handelt sich bei den AHP um "antizipierte Sachverständigengutachten", die, wie untergesetzliche Normen, nur in beschränktem Umfang der gerichtlichen Überprüfung unterliegen. Es kann nur geprüft werden, ob sie dem Gesetz widersprechen, ob sie dem gegenwärtigen Kenntnisstand der sozialmedizinischen Wissenschaft nicht mehr entsprechen oder ob ein Sonderfall vorliegt (std. Rspr., u.a. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 11. Oktober 1994 - 9 RVs 1/93 - SozR 3 3870 § 3 SchwbG Nr. 5). Im Hinblick auf diese richterliche Kontrollmöglichkeit hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) das Fehlen einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bisher verfassungsrechtlich nicht beanstandet, allerdings ausdrücklich dargelegt, dass eine Solche zu schaffen sei (Beschl. vom 6. März 1995 1 BvR 60/95 a.a.O. Nr. 6). Zwar erscheint es sehr bedenklich, dass seit dem genannten Beschluss inzwischen mehr als 10 Jahre vergangen sind, ohne dass der Gesetzgeber die Vorgabe des BVerfG umgesetzt hat, während die AHP seitdem bereits zweimal überarbeitet wurden (AHP 1996 und 2004). An der grundsätzlichen Maßgeblichkeit der AHP als Bewertungsrahmen vermag dies jedoch nichts zu ändern, weil anderenfalls mangels eines allgemeingültigen Bewertungsgefüges eine dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) entsprechende Rechtsanwendung nicht gewährleistet wäre (vgl. auch Bürck in: Zentralblatt für Sozialversicherung, Sozialhilfe und Versorgung 1999, 129 (131)); zur grundsätzlichen Maßgeblichkeit der AHP siehe auch BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R ). Da § 69 SGB IX im Wesentlichen inhaltsidentisch mit § 4 SchwbG ist, sind die dargelegten, zu dieser Vorschrift in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätze unverändert anzuwenden. Dies bedeutet, dass die rechtlichen Maßstäbe für die Feststellung des GdB seit der bestandskräftigen Feststellung mit Bescheid vom 23. Februar 1979 gleich geblieben sind.
Bei Zugrundlegung dieser rechtlichen Vorgaben ergibt sich auch durch das Hinzutreten der weiteren Funktionsstörung keine Erhöhung des Gesamt-GdB von bisher 40. Die hinzugekommene Wirbelsäulenfunktionsstörung ist mit einem Einzel-GdB von maximal 20 unter Ausschöpfung des Ermessensspielraumes zu bewerten. Die dahingehende Einschätzung des Sachverständigen M hält der Senat für überzeugend. Die Funktionsstörung beschränkt sich auf einen Wirbelsäulenabschnitt, und nach der gesamten Aktenlage kann insoweit allenfalls von mittelgradigen funktionellen Auswirkungen entsprechend Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome (vgl. AHP 2004, S. 116), ausgegangen werden. Der Sachverständige hat dazu dargelegt, dass es sich um ein lokales Lumbalsyndrom mit eingeschränkter Beweglichkeit, Muskelverspannungen und ausgeprägtem subjektiven Beschwerdebild handele, ausgehend von einer Degeneration der Bandscheibe im Segment L4/L5. Nervenausfälle oder Nervenreizerscheinungen seien nach der Aktenlage zu keinem Zeitpunkt belegt, hätten auch in der Untersuchungssituation nicht vorgelegen. Der Sachverständige hat deutlich betont, dass bei einem lokalen Lumbalsyndrom dieses Ausprägungsgrades in der Regel ein GdB von 10-20 entsprechend einem leichten bis mittelschweren Wirbelsäulensyndrom anzunehmen sei. Gehe man von einem Einzel-GdB von 20 aus, sei dieser am "absoluten Oberrand angesiedelt". Eine Verschlechterung seit der Begutachtung durch Herrn M ist insoweit nicht erkennbar, vielmehr befand sich der Kläger offenbar lediglich Anfang 2003 in orthopädischer Behandlung, und auch bei dem Neurochirurgen Dr. S erfolgte die Behandlung offenbar nur im Jahr 2003, erneut dann erst wieder - einmalig - im März 2005.
Der hinzugekommene Einzel-GdB von 20 für das Wirbelsäulenleiden rechtfertigt in der vorliegenden Konstellation nicht die Erhöhung des Gesamt-GdB von 50. Bei der Bildung des Gesamt-GdB ist zu beachten, dass die Auswirkungen von einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen ganz unabhängig voneinander sein, einander verstärken, sich überschneiden oder sich vollständig decken können, so dass die Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung durch eine hinzutretende Gesundheitsstörung nicht verstärkt werden (vgl. AHP 2004, Nr. 19, S. 25/26). Zwar ist dem Sozialgericht darin zuzustimmen, dass im Falle zweier unabhängig nebeneinander stehender Funktionsstörungen, deren Auswirkungen sich nicht - auch nicht teilweise - kompensieren, eine Funktionsstörung, die mit einem GdB von 20 bewertet wird, bei der Bildung des Gesamt-GdB grundsätzlich im Sinne einer Erhöhung des höchsten weiteren Einzel-GdB-Wertes zu berücksichtigen ist. Allerdings kann diese Frage nicht unabhängig von dem höchsten zu Grunde zu legenden Einzel-GdB-Wert beurteilt werden, denn je höher dieser ist, desto weniger ist eine Funktionsstörung mit einem GdB von - nur - 20 geeignet, den "Gesamtleidenszustand" des Betroffenen zu verschlimmern. Unterstellt man eine einzelne Funktionsstörung mit dem bereits recht hohen Einzel-GdB von 40, so wäre fraglich, ob eine hiervon unabhängig bestehende weitere Funktionsstörung mit einem GdB von 20 geeignet ist, einen GdB von 50 zu begründen. Diese Frage ist hier jedoch deshalb in dieser Form nicht zu entscheiden, weil die Ausgangssituation eine andere ist. Zum einen ist nämlich zu berücksichtigen, dass der bisher bestandskräftig festgestellte GdB von 40 seinerseits ein Gesamt-GdB aus zwei verschiedenen Funktionsstörungen ist, nämlich zum einen eines Einzel-GdB von 30 für den Verlust des Sehvermögens auf einem Auge bedingt durch den Verlust des gesamten Auges (der Umstand, dass das Auge entfernt wurde und nicht nur das Sehvermögen auf dem linken Auge weggefallen ist, macht nach den AHP 1973, die zum Zeitpunkt der Erstfeststellung anzuwenden waren, ebenso wenig einen Unterschied wie nach den folgenden AHP, da der Verlust des Auges nur dann höher bewertet wurde und wird, wenn er mit dauernder, einer Behandlung nicht zugänglichen Eiterung der Augenhöhle verbunden ist, was bei dem Kläger zu keinem Zeitpunkt der Fall war; vgl. AHP 1973, S. 185 i.V.m. 161 u. S. 186, AHP 2004, S. 51)) sowie einem weiteren Einzel-GdB für die vom Versorgungsamt Verden bei der Erstfeststellung angenommene "Lichtüberempfindlichkeit rechtes Auge mit zeitweiligem Flimmern, Kopfschmerzen und Ermüdungserscheinungen". Der hierfür bei der Bildung des Gesamt-GdB zu Grunde gelegte Einzel-GdB ist der Verwaltungsakte nicht zu entnehmen. Da es sich bei den auf das rechte Auge bezogenen Beeinträchtigungen um ganz diffuse Beschwerden handelt, die keiner der in den AHP unter Nr. 26.4 in der jeweiligen Fassung beschriebenen Funktionsstörungen zuzuordnen sind, bei denen der vorgegebene GdB-Wert bzw. -Rahmen bereits die Gesamtstörung des Sehvermögens bezogen auf beide Augen erfasst, ist davon auszugehen, dass das Versorgungsamt für die Beeinträchtigung auf dem rechten Auge einen in der Akte nicht näher dokumentierten GdB-Wert zu Grunde gelegt und diesen zusammen mit dem Einzel-GdB von 30 für das linke Auge zu einem Gesamt-GdB von 40 zusammengezogen hat. Angesichts der dürftigen Befundlage und der eher geringfügigen Beschwerden - die Berücksichtigung von Beschwerden des rechten Auges geht zurück lediglich auf einen Befundbericht des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. D aus Januar 1979, danach klagte der Kläger "jetzt" über eine Lichtüberempfindlichkeit des rechten Auges wie bei vermehrter Beanspruchung des rechten Auges, über zeitweiliges Flimmern und danach auftretende Kopfschmerzen im hinteren Stirnbereich, ausstrahlend in den ganzen Kopf, zusätzlich rasche Ermüdungserscheinungen sowie Konzentrationsschwierigkeiten - wird man nicht davon ausgehen können, dass hier ein weiterer Einzel-GdB-Wert von 20 zu Grunde gelegt wurde, sondern der hierfür geschätzte Einzel-GdB dürfte zwischen 10 und 20 gelegen haben. Damit schöpfte der bei der Erstfeststellung festgestellte Gesamt-GdB von 40 ersichtlich den Ermessensspielraum vollständig aus, d.h. für den Fall künftiger Verschlechterungen des Gesundheitszustandes des Klägers entweder durch Verschlechterung der bereits bekannten Funktionsstörungen oder durch Hinzutreten weiterer Funktionsstörungen verblieb ein Spielraum, der vor einer Erhöhung des Gesamt-GdB zunächst ausgeschöpft werden muss, bevor sich eine Verschlechterung auswirken kann. Ausgehend davon, dass die bisher berücksichtigten Funktionsstörungen eben gerade den GdB von 40 erreichten, ohne diesen vollständig auszuschöpfen, ist das Hinzutreten einer Funktionsstörung, die - wie dargelegt -, eben gerade einen GdB von 20 bedingt, ohne diesen Wert wiederum vollständig auszuschöpfen, jedoch nicht geeignet, den bisher bestandskräftig mit 40 festgestellten GdB auf 50 zu erhöhen.
Nach alledem war der Berufung des beklagten Landes stattzugeben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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