Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SB 3511/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 5350/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 26. Oktober 2004 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtzügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Feststellung des Nachteilsausgleichs "Erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" (G).
Die 1953 geborene Klägerin beantragte beim Versorgungsamt Heidelberg (VA) am 7. November 2002 die Feststellung ihrer Schwerbehinderteneigenschaft. Das VA zog über die Fachärztin für Innere Medizin Dr. S.-B. und über die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) das Attest der Fachärztin für Frauenheilkunde Dipl. med. G. vom 21. Juni 1994 (Diagnose: primäre Sterilität), die Arztbriefe des Diakonissenkrankenhauses M. vom 12. Juni 1998 (Diagnose: Hypermastie und Ptosis, Mamma-Tumor links), des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. vom 11. Oktober 2001 (Diagnosen: leichtes Cervicalsyndrom, reaktive Depression) und vom 22. April 2002 (Diagnosen: Osteochondrosen C4 / C7 bei engem cervicalen Spinalkanal, Bandscheibenprolaps C4 / C5, chronisches Wurzelreizsyndrom C5 [C6] rechts, Ausschluss einer cervicalen Myelopathie, längere depressive Reaktion [Anpassungsstörung])), des Facharztes für Arbeitsmedizin, Umweltmedizin und Sportmedizin Dr. S. vom 4. Dezember 2001 (Diagnose: Halswirbelsäulen[HWS]-Syndrom mit pseudoradikulärer Ausstrahlung), der Ärztin für Radiologie Dr. D. vom 6. Dezember 2001 (Beurteilung: Osteochondrose der HWS, oberen und unteren Brustwirbelsäule [BWS], Osteochondrose der Lendenwirbelsäule [LWS] mit reaktiver Spondylose, am stärksten bei L5 / S1) und vom 27. März 2002 (Beurteilung: Osteochondrosen bei HWK 4/5, HWK 5/6 und HWK 6/7 mit kräftigen Retrospondylophyten, Discusprolaps bei HWK 4/5 mit auch Verlegung des rechten Forameneingangs, Verdacht auf eine beginnende cervicale Myelomalazie), der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg vom 28. Dezember 2001 (Diagnose: Osteochondrose L5 / S1 mit Spondylarthrose L5 / S1 und pseudoradikulärer Symptomatik rechts), den ärztlichen Entlassungsbericht der Klinik B. R. über die vom 5. Februar bis zum 5. März 2002 durchlaufene stationäre Rehabilitationsmaßnahme (Diagnosen: chronisches Halswirbelsäulen-Syndrom bei dorsaler Spondylose C5 / C6, Streckfehlstellung, LWS-Syndrom bei Wirbelsäulen[WS]-Schädigung L5, Spondylose L3 bis 5, psychovegetative Erschöpfung mit depressiver Verstimmung, Diabetes mellitus Typ II, Adipositas Grad I), das sozialmedizinische Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg vom 25. März 2002 (Diagnosen: WS-Syndrom mit Beeinträchtigung der WS-Beweglichkeit sowie der Feinmotorik der rechten Hand, depressive Verstimmung mit Verdacht auf beginnende Somatisierungsstörung), den Befundbericht von Dr. S.-B. vom 24. April 2002 (Diagnosen: Osteochondrose, chronisches Wurzelreizsyndrom, WS-Syndrom, Bandscheibenschaden der HWS, Discusprolaps, depressive Entwicklung, Postmenopause-Syndrom) und die Arztbriefe des Universitätsklinikums M. vom 29. Juli und 5. August 2002 über die vom 15. bis zum 29. Juli 2002 durchgeführte stationäre Behandlung (Diagnosen: cervicale Spinalstenose in Höhe HWK 4 bis HWK 7 mit konsekutiver cervicaler Myelopathie auf dem Boden osteodegenerativer Veränderungen, Nukleus-Pulposus-Prolaps in Höhe HWK 4/5 rechts, kompletter Linksschenkelblock, KHK, Schwindelsymptomatik, arterielle Hypertonie) bei. Unter Auswertung dieser Unterlagen brachte Dr. S. in der versorgungsärztlichen (vä) Stellungnahme vom 13. Dezember 2002 eine Funktionsbehinderung der WS, degenerative Veränderungen der WS, einen operierten Bandscheibenschaden, eine Spinalkanalstenose, ein Schulter-Arm-Syndrom (Teil-GdB 30), eine seelische Störung (Teil-GdB 20) und einen Diabetes mellitus (Teil-GdB 10) in Ansatz, bewertete den Gesamt-GdB mit 40 und verneinte das Vorliegen von Nachteilsausgleichen. Hierauf gestützt stellte das VA mit Bescheid vom 19. Dezember 2002 einen GdB von 40 seit dem 7. November 2002 fest und teilte mit, gesundheitliche Merkmale als Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen könnten, da die Schwerbehinderteneigenschaft nicht vorliege, nicht festgestellt werden.
Hiergegen erhob die Klägerin am 19. Januar 2003 Widerspruch. Vorgelegt wurden die Bescheinigung einer kirgisischen gynäkologischen Beratungsstelle vom 11. Februar 1999 über die am 5. April 1983 und 27. April 1984 durchgeführten Eileiterentfernungen, das Attest des Facharztes für Orthopädie und Rheumatologie Dr. T. vom 28. November 1997 (Diagnosen: fixierter Rundrücken mit ausgeprägter muskulärer Reizsymptomatik, chronische Periarthritis beider Schultergelenke) und der Arztbrief des Arztes für Radiologie Dr. F. vom 21. Mai 2002 (Beurteilung: Verdacht auf großes flächiges, wohl colliquiertes Hämatom im subkutanen Fettgewebe, Osteochondrosis intervertebralis, hochgradige Spinalkanalstenosierung im Segment LWK 4/5 bei breitbogiger kräftiger Bandscheibenprotrusion und Hypertrophie sowohl der Facettengelenke als auch der Ligamenta flava, kräftige median betonte Protrusion LWK 5 / SWK 1 DD subligamentärer Prolaps) und der Arztbrief des Universitätsklinikums Mannheim vom 20. März 2003 über die vom 10. bis zum 20. März 2003 durchgeführte stationäre Behandlung (Diagnosen: Claudicatio spinalis bei lumbaler Spinalkanalstenose in Höhe LWK 4/5, Zustand nach ventraler Diskektomie in Höhe HWK 4/5, HWK 5/6 und HWK 6/7 mit Beckenkamm-Interponaten und ventraler Plattenosteosynthese von HWK 4 bis 7, Verdacht auf hochgradiges Schlafapnoe-Syndrom, Verdacht auf pharyngo-laryngealen Reflux) und vom 13. August 2003 (Diagnosen: leichtgradiges, obstruktives Schlafapnoe-Syndrom, bekannte Spinalkanalenge, bekannter Diabetes mellitus, bekannte arterielle Hypertonie, Zustand nach HWS-Operation mit ventraler Diskektomie sowie ventraler Plattenosteosynthese, Adipositas) vor. Das VA holte den Befundschein des Arztes für Neurochirurgie Dr. M. vom 23. April 2003 ein, in welchem dieser ausführte, bei der Klägerin bestünden trotz operativer Behandlung weiterhin deutliche Schmerzen und Beschwerden sowohl ausgehend von der HWS als auch von der LWS. Wegen der bestehenden Beschädigungen im Bereich der WS liege bei der Klägerin eine irreversible Beeinträchtigung ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit vor. Dr. Weddigen brachte in der vä Stellungnahme vom 11. September 2003 zusätzlich ein Schlafapnoe-Syndrom (Teil-GdB 20) in Ansatz, bewertete den Gesamt-GdB mit 50 und verneinte das Vorliegen von Nachteilsausgleichen. Hierauf gestützt, stellte das VA mit Teilabhilfebescheid vom 24. September 2003 einen GdB von 50 seit dem 3. Juli 2003 fest. Die Klägerin hielt ihren Widerspruch aufrecht und beantragte am 23. Oktober 2003 die Feststellung des Nachteilsausgleichs G. Sie legte den ärztlichen Entlassungsbericht der Fachklinik B. L. vom 19. August 2003 über die vom 15. Juli bis zum 5. August 2003 durchlaufene stationäre Maßnahme vor (Diagnosen: Zustand nach bilateraler, erweiterter interlaminärer Fensterung mit Foraminotomie bei lumbaler Spinalkanalstenose L 4/5. Zustand nach ventraler Diskektomie C4 / C7 mit ventraler Plattenosteosynthese, Adipositas, kompletter Linksschenkelblock). Nachdem Dr. Weddigen in der vä Stellungnahme vom 3. November 2003 weiterhin den Gesamt-GdB mit 50 bewertet und Nachteilsausgleiche verneint hatte, wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2003 zurück. Zugleich lehnte er die Feststellung des Nachteilsausgleichs G ab.
Hiergegen erhob die Klägerin am 3. Dezember 2003 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG). Sie trug vor, ihr stehe aufgrund ihrer anerkannten Leiden der Nachteilsausgleich G zu. Ihr werde unvorhergesehen schwindelig und sie habe auch wegen ihrer schwachen WS keinen Halt auf der Straße. Das SG holte zunächst die sachverständigen Zeugenauskünfte von Dr. S.-B. vom 20. Januar 2004 sowie von Dr. M. vom 21. Januar 2004 und 11. Februar 2004 ein. Dr. S.-B. führte aus, die Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr sei beeinträchtigt, da aufgrund des Bandscheibenvorfalles die Drehbewegung der HWS deutlich eingeschränkt sei; normales Gehen auf unebener Straße sei schwierig und bedürfe erhöhter Aufmerksamkeit. Über die Orientierungsfähigkeit sei ihr nichts bekannt. Es träten keine Krampfanfälle auf. Autofahren sei der Klägerin nicht möglich. Dr. M. führte aus, das Gehvermögen der Klägerin sei beeinträchtigt. Sie könne nur langsam gehen und bei Wegstrecken von 500 bis 1000 m komme es zur Claudicatio intermittens. Daher sei sie nicht in der Lage, längere Strecken zu Fuß zurückzulegen. Die Beeinträchtigung sei eine Folge der Beschädigungen der WS und irreversibel. Zur Wahrnehmung seitlicher Vorgänge müsse sie den ganzen Körper drehen, wodurch die Reaktionsfähigkeit verzögert sei. Wegen plötzlichen Schwindelanfällen bestehe erhöhte Unfallgefahr auch im Straßenverkehr. Beim Gehen, besonders beim schnellen Gehen, verstärke sich die Schmerzsymptomatik, bis die Klägerin wegen starker Schmerzen nicht mehr in der Lage sei, weiterzugehen. Bei der Claudicatio intermittens gingen die Beschwerden von der LWS aus. Sie äußerten sich in Schmerzen, die in ein bzw. beide Bein/e ausstrahlten und sich unter Belastung so weit steigerten, bis sie so unerträglich geworden seien, dass an Claudicatio intermittens leidende Patienten nicht mehr in der Lage seien, weiterzugehen. Der objektiv vorliegende LWS-Schaden der Klägerin könne zu Claudicatio intermittens führen. MedDirin K. führte in der vom Beklagten vorgelegten vä Stellungnahme vom 13. Mai 2004 hierzu aus, die Klägerin leide unter keiner Behinderung, die die Anerkennung des Nachteilsausgleichs G nach sich ziehen könne.
Das SG erhob weiter Beweis durch Einholung des fachorthopädischen Gutachtens von Dr. S.-F. vom 22. Juni 2004. Der Sachverständige beschrieb einen Zustand nach ventraler Diskektomie C 3 bis C 6 mit ventraler Plattenosteosynthese C 3 bis C 6 bei cervicaler Spinalkanalstenose mit Störung des cervicalen Rückenmarkes und Gangunsicherheit sowie deutlicher Funktionseinschränkung der HWS-Beweglichkeit. Degenerative Aufbrauchserscheinungen der unteren LWS mit mittelgradiger Spondylose, Spondylarthrose und Osteochondrose mit Enge der Neuroforamen L 5 / S 1 mit Claudicatio-intermittens-Symptomatik bei Zustand nach bilateraler Erweiterung der Foramina L 4/5 bei Spinalkanalstenose L 4/5, ein Schulter-Arm-Syndrom bei Supraspinatussehnendegeneration rechts (Teil-GdB 30), eine beginnende Pangonarthrose bei Genua valga mit zusätzlicher Knochenzyste von dreimal 2 cm Größe im Bereich des linken FibulaK.chens mit zusätzlicher kartilaginärer Exostose supracondylär linker Femur mit chronischem Schmerzsyndrom (Teil-GdB 10). Dr. S.-F. vertrat die Ansicht, aufgrund der vorhandenen cervicalen Myelopathie liege eine erhebliche Gangunsicherheit mit rezidivierenden Schwindelattacken vor. Die Klägerin sei bereits mehrfach gestürzt. Zusätzlich biete die Klägerin das klassische Bild einer Claudicatio intermittens. Sie müsse daher nach wenigen 100 m stehen bleiben; durch die Gehpausen verringere sich beim Gehen der Druck, sodass eine Besserung der Beschwerden auftrete, die ein Weitergehen möglich machten. Die zusätzlich vorhandene Pangonarthrose beider Kniegelenke mit zusätzlichen knöchernen Veränderungen im Bereich des linken Kniegelenkes komplettierten die Gehbeschwerden, sodass eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vorliege und daher der Nachteilsausgleich G zu gewähren sei. Nach ihren eigenen Angaben sei die Klägerin nur noch in der Lage, maximal 500 m am Stück zu laufen, ehe sie eine längere Pause einlegen müsse. In der Untersuchungssituation mit einer Gesamtstrecke von wenigen 100 m habe sich eine deutliche Erschöpfung und Zunahme der Schmerzsymptomatik bei der Klägerin gezeigt. Das Gangbild sei ausgeprägt gestört mit einer erheblichen Gangunsicherheit und deutlich vorhandener Fallneigung. So müsse sich die Klägerin glaubhaft mehrfach abstützen, um nicht zu stürzen. Die Klägerin sei nicht mehr in der Lage, Wegstrecken im Ortsverkehr bis zu 2 km ohne erhebliche Schwierigkeiten oder ohne Gefahren für sich zurückzulegen. Der Nachteilsausgleich G sei zu gewähren. Hierzu wandte Dr. Wolf in der vom Beklagten vorgelegten vä Stellungnahme vom 16. September 2004 ein, es ergäben sich keine ausreichenden objektiven Gesichtspunkte für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs G, zumal auch allein vonseiten der LWS und/oder der unteren Gliedmaßen ein GdB von wenigstens 50 nicht vorliege. Die im Gutachten angegebene Einschränkung der Gehstrecke auf 500 m sei somit eine subjektive Angabe und nicht als objektiviert anzusehen, sodass sie im Interesse einer Gleichbehandlung aller Antragsteller nicht der Beurteilung zugrunde gelegt werden könne.
Mit Gerichtsbescheid vom 26. Oktober 2004 änderte das SG den Bescheid vom 24. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2003 ab und stellte fest, dass die Klägerin in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sei. Es stützte sich auf das Gutachten von Dr. S.-F. und führte aus, im Einzelfall könne der Nachteilsausgleich G gewährt werden, wenn sich die maßgeblichen Behinderungen besonders ungünstig auf die Gehfähigkeit auswirkten und dadurch die ortsübliche Wegstrecke in Frage zu stellen sei. Durch die Untersuchungsergebnisse und Beobachtungen des Sachverständigen sei objektiviert, dass die Klägerin in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sei.
Gegen den Gerichtsbescheid des SG hat der Beklagte am 25. November 2004 Berufung eingelegt. Er hat die vä Stellungnahme von Dr. R. vom 12. November 2004 vorgelegt, in welcher ausgeführt worden ist, dass im ärztlichen Entlassungsbericht über das stationäre Rehabilitationsverfahren vom 15. Juli bis zum 5. August 2003 auf tägliche Spaziergänge von bis zu 2-3 Stunden hingewiesen worden sei. Das Gangbild während des stationären Heilverfahrens werde als zwar langsam, aber flüssig und ohne Anomalien beschrieben. Hinweise für eine Claudicatio intermittens hätten nicht bestanden. Geklagt worden sei über allenfalls gelegentliche Schwindelanfälle. Dr. R. hat auch darauf hingewiesen, dass fraglich sei, ob nach der im Juli 2002 erfolgten operativen Behandlung noch von einer cervicalen Myelopathie und nach dem im März 2003 erneut vorgenommenen operativen Eingriff von einer lumbalen Spinalkanalstenose und einer Claudicatio intermittens auszugehen sei.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 26. Oktober 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des internistischen Fachgutachtens von Dr. R. vom 18. Juli 2005. Der Sachverständige hat ausgeführt, bei der Klägerin seien weder im Bereich der Arteria-Carotis-Durchblutung noch im Bereich der arteriellen peripheren Durchblutung irgendwelche hämodynamisch relevanten Veränderungen nachweisbar. Sowohl in den zentraleren Gefäßabschnitten als auch peripher ließen sich normale Flusskurven nachweisen. Die Druckverhältnisse seien im Rahmen eines allgemein erhöhten systemischen Drucks an der unteren Extremität ohne Hinweis auf eine Verschlusserkrankung. Somit bestünden auf angiologischem Gebiet keine Behinderungen, die sich auf die Gehfähigkeit der Klägerin auswirkten. Im Übrigen seien beobachtete und unbeobachtete Gehstrecken erheblich diskrepant.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte entscheiden, ohne dem Antrag der Klägerin auf Terminsverlegung zu entsprechen. Diesen Antrag hat die Klägerin in ihrem Schreiben vom 11. Mai 2006 damit begründet, sie könne in der mündlichen Verhandlung wegen Krankheit nicht erscheinen. Auf telefonische Rückfrage hat die Mutter der Klägerin jedoch am 19. Mai 2006 erklärt, die Klägerin befinde sich im Urlaub in Russland. Bei dem Telefonat vom 24. Mai 2006 haben die Mutter und eine Schwester der Klägerin angegeben, die Klägerin befinde sich nicht in Russland, sondern sei vor zwei Tagen nach Ludwigshafen gereist. Unter diesen Umständen ist weder glaubhaft gemacht, dass die Klägerin krankheitshalber noch dass sie wegen einer langfristig geplanten oder einer aus zwingendem aktuellem Anlass angetretenen Urlaubreise nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen kann.
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist begründet. Zu Unrecht hat das SG den Bescheid vom 19. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2003 abgeändert und den Nachteilsausgleich G festgestellt.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung des Nachteilsausgleichs G.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen sind seit dem 1. Juli 2001 die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (Artikel 63, 68 SGB IX vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1046).
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden ebenfalls die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den GdB sowie weitere gesundheitliche Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden.
Nach § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist gemäß § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder in Folge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Bei der Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vorliegt, orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den AP niedergelegt sind (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 7. November 2001 – B 9 SB 1/01 R - VersorgVerw 2002, 26). Die AP besitzen zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhen. Sie sind vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, und haben deshalb normähnliche Auswirkungen. Sie sind daher im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285, 286; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 91, 205; BSG, Urteil vom 29. August 1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). In den AP ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Sie ermöglichen somit eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Feststellung von Nachteilsausgleichen. Die AP stellen dabei ein einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge dar (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22).
Als Wegstrecken, welche im Ortsverkehr - ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall - üblicherweise noch zurückgelegt werden, gelten solche von maximal 2 km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten (BSG, Urteil vom 10. Dezember 1987 - 9a RVs 11/87 - SozR 3870 § 60 SchwbG Nr. 2). Nach den AP kann eine derartige Einschränkung des Gehvermögens angenommen werden, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB um wenigstens 50 bedingen (AP, 30 Abs. 3 Satz 1, S. 137). Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei einem GdB von unter 50 auch gegeben sein, wenn sich diese Behinderungen an den unteren Gliedmaßen auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z. B bei einer Versteifung des Hüft-, Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung oder arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40 (AP, 30 Abs. 3 Satz 2, S. 138).
Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 (AP, 30 Abs. 3 Satz 3, S. 138 i. V. m. AP 26.9 S. 71) und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades (AP, 30 Abs. 3 Satz 3, S. 138 i. V. m. AP 26.8 S. 68) anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z. B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen (AP, 30 Abs. 3 Satz 4, S. 138 i. V. m. AP 26.8 S. 89).
Die AP beschreiben Regelfälle, bei denen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G als erfüllt anzusehen sind, und die bei dort nicht erwähnten Behinderungen als Vergleichsmaßstab dienen können. Entscheidend ist danach im vorliegenden Fall, ob allein die bei der Klägerin festgestellten körperlichen Regelwidrigkeiten mit den von ihnen ausgehenden Funktionsbeeinträchtigungen die Bewegungsfähigkeit ebensoweit herabsetzen, wie in den in den AP (beispielhaft) genannten Fällen. Erst dann ist nach dem Erfahrungswissen ärztlicher Sachverständiger, das sich in den AP niedergeschlagen hat, anzunehmen, dass der/die Behinderte die Strecke von 2 km nicht mehr innerhalb von 30 Minuten zurücklegen kann (BSG, Urteil vom 27. August 1998 - B 9 SB 13/97 R - VersorgVerw 1999, 47 m. w. N.).
Bei der Klägerin liegen keine sich auf die Gehfähigkeit auswirkenden Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der LWS vor, die für sich einen GdB um wenigstens 50 bedingen. Insoweit verweist der Senat auf die von Dr. S.-F. in seinem Gutachten vom 22. Juni 2004 vorgenommene Bewertung des GdB mit 30 für den Zustand nach ventraler Diskektomie C3 bis C6 mit ventraler Plattenosteosynthese C3 bis C6 bei cervicaler Spinalkanalstenose mit Störung des cervicalen Rückenmarks und Gangunsicherheit sowie deutlicher Funktionseinschränkung der HWS-Beweglichkeit, die degenerativen Aufbrauchserscheinungen der unteren LWS mit mittelgradiger Spondylose, Spondylarthrose und Osteochondrose mit Enge der Neuroforamen L5 / S1 mit Claudicatio-Intermittens-Symptomatik bei Zustand nach bilateraler Erweiterung der Foramina L 4/5 bei Spinalkanalstenose L 4/5 und das Schulter-Arm-Syndrom bei Supraspinatussehnendegeneration rechts sowie den GdB mit 10 für die beginnende Pangonarthrose bei Genua valga mit zusätzlicher Knochenzyste von dreimal 2 cm Größe im Bereich des linken FibulaK.chens mit zusätzlicher kartilaginärer Exostose suprakondulär linker Femur mit chronischem Schmerzsyndrom. Hieraus ergibt sich ein GdB für die unteren Gliedmaßen und/oder der LWS - unter Berücksichtigung der HWS - von 30.
Nach Überzeugung des Senats liegen auch keine Behinderungen vor, die sich an den unteren Gliedmaßen auf die Gehfähigkeit besonders auswirken. Die in den AP genannten Beispielsfälle einer Versteifung des Hüft-, Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung oder arterielle Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40 sind vorliegend nicht gegeben. Dabei folgt der Senat nicht der Einschätzung von Dr. S.-F., der in seinem Gutachten vom 22. Juni 2004 die Anerkennung des Nachteilsausgleichs G mit der Begründung vorschlug, aufgrund der vorhandenen cervicalen Myelopathie (Schädigung des Halsrückenmarks) liege eine erhebliche Gangunsicherheit mit rezidivierenden Schwindelattacken vor und zusätzlich biete die Klägerin das klassische Bild einer Claudicatio-intermittens-Symptomatik. Denn nach Ansicht des Senats liegt eine derartige Erkrankung bei der Klägerin gar nicht vor. Bei der Claudicatio intermittens handelt es sich um das Auftreten heftiger Wadenschmerzen nach dem Gehen einer bestimmten Wegstrecke, die zum Stehenbleiben zwingen und wegen der in Ruhe noch ausreichenden Durchblutung der Muskulatur nach einigen Minuten verschwinden. Ursache hierfür sind arterielle Verschlusskrankheiten der Beine (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 258. Auflage, S. 286). Die Klägerin leidet jedoch nicht an einer arteriellen Verschlusskrankheit, was Dr. R. in seinem internistischen Gutachten vom 18. Juli 2005 überzeugend dargelegt hat.
Für die Gehfähigkeit relevante Herzschäden oder Atembehinderungen oder andere innere Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit liegen ebenfalls nicht vor. Auch insoweit verweist der Senat auf das internistische Gutachten von Dr. R. vom 18. Juli 2005.
Da auch weder eine Anfallssymptomatik, noch Störungen der Orientierungsfähigkeit, Hilflosigkeit oder Gehörlosigkeit vorliegen, sind die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G nicht gegeben.
Im Übrigen ist der Senat auch nicht davon überzeugt, dass die Klägerin tatsächlich nicht in der Lage ist, 2 km innerhalb von 30 Minuten zurückzulegen. So hat Dr. R. in seinem Gutachten ausgeführt, dass "beobachtete und unbeobachtete Gehstrecke doch erheblich diskrepant" seien. In diesem Zusammenhang verweist der Senat auf die Ausführungen im ärztlichen Entlassungsbericht der Klinik B. R. über die vom 5. Februar bis zum 5. März 2002 durchlaufene stationäre Rehabilitationsmaßnahme, wo es im "Orthopädischen Befund" heißt, dass Gang und Stand mit Konfektionsschuhen unauffällig und die Beweglichkeit der unteren Extremitäten nicht eingeschränkt sei. Unter der Schilderung des "Positiven Leistungsbildes" wurde eine nicht-eingeschränkte Wegefähigkeit angenommen. Im ärztlichen Entlassungsbericht der Fachklinik B. L. vom 19. August 2003 über die vom 15. Juli bis zum 5. August 2003 durchlaufene stationäre Maßnahme wurde unter der "Allgemeinen Anamnese" ausgeführt, die Klägerin gehe 2 bis 3 Stunden täglich, und unter "Aktuelle Beschwerden" wird nur ein gelegentlich auftretender Schwindel angegeben. Demgegenüber gab die Klägerin als schmerzfreie Wegstrecke nur ca. 500 Meter an. Im "Orthopädischen Befund" wiederum wird das Gangbild zwar als langsam, aber sonst als flüssig und ohne Ganganomalien beschrieben.
Da nach alldem das SG den Nachteilsausgleich G zu Unrecht festgestellt hat, war der Berufung des Beklagten stattzugeben.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtzügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Feststellung des Nachteilsausgleichs "Erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" (G).
Die 1953 geborene Klägerin beantragte beim Versorgungsamt Heidelberg (VA) am 7. November 2002 die Feststellung ihrer Schwerbehinderteneigenschaft. Das VA zog über die Fachärztin für Innere Medizin Dr. S.-B. und über die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) das Attest der Fachärztin für Frauenheilkunde Dipl. med. G. vom 21. Juni 1994 (Diagnose: primäre Sterilität), die Arztbriefe des Diakonissenkrankenhauses M. vom 12. Juni 1998 (Diagnose: Hypermastie und Ptosis, Mamma-Tumor links), des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. vom 11. Oktober 2001 (Diagnosen: leichtes Cervicalsyndrom, reaktive Depression) und vom 22. April 2002 (Diagnosen: Osteochondrosen C4 / C7 bei engem cervicalen Spinalkanal, Bandscheibenprolaps C4 / C5, chronisches Wurzelreizsyndrom C5 [C6] rechts, Ausschluss einer cervicalen Myelopathie, längere depressive Reaktion [Anpassungsstörung])), des Facharztes für Arbeitsmedizin, Umweltmedizin und Sportmedizin Dr. S. vom 4. Dezember 2001 (Diagnose: Halswirbelsäulen[HWS]-Syndrom mit pseudoradikulärer Ausstrahlung), der Ärztin für Radiologie Dr. D. vom 6. Dezember 2001 (Beurteilung: Osteochondrose der HWS, oberen und unteren Brustwirbelsäule [BWS], Osteochondrose der Lendenwirbelsäule [LWS] mit reaktiver Spondylose, am stärksten bei L5 / S1) und vom 27. März 2002 (Beurteilung: Osteochondrosen bei HWK 4/5, HWK 5/6 und HWK 6/7 mit kräftigen Retrospondylophyten, Discusprolaps bei HWK 4/5 mit auch Verlegung des rechten Forameneingangs, Verdacht auf eine beginnende cervicale Myelomalazie), der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg vom 28. Dezember 2001 (Diagnose: Osteochondrose L5 / S1 mit Spondylarthrose L5 / S1 und pseudoradikulärer Symptomatik rechts), den ärztlichen Entlassungsbericht der Klinik B. R. über die vom 5. Februar bis zum 5. März 2002 durchlaufene stationäre Rehabilitationsmaßnahme (Diagnosen: chronisches Halswirbelsäulen-Syndrom bei dorsaler Spondylose C5 / C6, Streckfehlstellung, LWS-Syndrom bei Wirbelsäulen[WS]-Schädigung L5, Spondylose L3 bis 5, psychovegetative Erschöpfung mit depressiver Verstimmung, Diabetes mellitus Typ II, Adipositas Grad I), das sozialmedizinische Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg vom 25. März 2002 (Diagnosen: WS-Syndrom mit Beeinträchtigung der WS-Beweglichkeit sowie der Feinmotorik der rechten Hand, depressive Verstimmung mit Verdacht auf beginnende Somatisierungsstörung), den Befundbericht von Dr. S.-B. vom 24. April 2002 (Diagnosen: Osteochondrose, chronisches Wurzelreizsyndrom, WS-Syndrom, Bandscheibenschaden der HWS, Discusprolaps, depressive Entwicklung, Postmenopause-Syndrom) und die Arztbriefe des Universitätsklinikums M. vom 29. Juli und 5. August 2002 über die vom 15. bis zum 29. Juli 2002 durchgeführte stationäre Behandlung (Diagnosen: cervicale Spinalstenose in Höhe HWK 4 bis HWK 7 mit konsekutiver cervicaler Myelopathie auf dem Boden osteodegenerativer Veränderungen, Nukleus-Pulposus-Prolaps in Höhe HWK 4/5 rechts, kompletter Linksschenkelblock, KHK, Schwindelsymptomatik, arterielle Hypertonie) bei. Unter Auswertung dieser Unterlagen brachte Dr. S. in der versorgungsärztlichen (vä) Stellungnahme vom 13. Dezember 2002 eine Funktionsbehinderung der WS, degenerative Veränderungen der WS, einen operierten Bandscheibenschaden, eine Spinalkanalstenose, ein Schulter-Arm-Syndrom (Teil-GdB 30), eine seelische Störung (Teil-GdB 20) und einen Diabetes mellitus (Teil-GdB 10) in Ansatz, bewertete den Gesamt-GdB mit 40 und verneinte das Vorliegen von Nachteilsausgleichen. Hierauf gestützt stellte das VA mit Bescheid vom 19. Dezember 2002 einen GdB von 40 seit dem 7. November 2002 fest und teilte mit, gesundheitliche Merkmale als Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen könnten, da die Schwerbehinderteneigenschaft nicht vorliege, nicht festgestellt werden.
Hiergegen erhob die Klägerin am 19. Januar 2003 Widerspruch. Vorgelegt wurden die Bescheinigung einer kirgisischen gynäkologischen Beratungsstelle vom 11. Februar 1999 über die am 5. April 1983 und 27. April 1984 durchgeführten Eileiterentfernungen, das Attest des Facharztes für Orthopädie und Rheumatologie Dr. T. vom 28. November 1997 (Diagnosen: fixierter Rundrücken mit ausgeprägter muskulärer Reizsymptomatik, chronische Periarthritis beider Schultergelenke) und der Arztbrief des Arztes für Radiologie Dr. F. vom 21. Mai 2002 (Beurteilung: Verdacht auf großes flächiges, wohl colliquiertes Hämatom im subkutanen Fettgewebe, Osteochondrosis intervertebralis, hochgradige Spinalkanalstenosierung im Segment LWK 4/5 bei breitbogiger kräftiger Bandscheibenprotrusion und Hypertrophie sowohl der Facettengelenke als auch der Ligamenta flava, kräftige median betonte Protrusion LWK 5 / SWK 1 DD subligamentärer Prolaps) und der Arztbrief des Universitätsklinikums Mannheim vom 20. März 2003 über die vom 10. bis zum 20. März 2003 durchgeführte stationäre Behandlung (Diagnosen: Claudicatio spinalis bei lumbaler Spinalkanalstenose in Höhe LWK 4/5, Zustand nach ventraler Diskektomie in Höhe HWK 4/5, HWK 5/6 und HWK 6/7 mit Beckenkamm-Interponaten und ventraler Plattenosteosynthese von HWK 4 bis 7, Verdacht auf hochgradiges Schlafapnoe-Syndrom, Verdacht auf pharyngo-laryngealen Reflux) und vom 13. August 2003 (Diagnosen: leichtgradiges, obstruktives Schlafapnoe-Syndrom, bekannte Spinalkanalenge, bekannter Diabetes mellitus, bekannte arterielle Hypertonie, Zustand nach HWS-Operation mit ventraler Diskektomie sowie ventraler Plattenosteosynthese, Adipositas) vor. Das VA holte den Befundschein des Arztes für Neurochirurgie Dr. M. vom 23. April 2003 ein, in welchem dieser ausführte, bei der Klägerin bestünden trotz operativer Behandlung weiterhin deutliche Schmerzen und Beschwerden sowohl ausgehend von der HWS als auch von der LWS. Wegen der bestehenden Beschädigungen im Bereich der WS liege bei der Klägerin eine irreversible Beeinträchtigung ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit vor. Dr. Weddigen brachte in der vä Stellungnahme vom 11. September 2003 zusätzlich ein Schlafapnoe-Syndrom (Teil-GdB 20) in Ansatz, bewertete den Gesamt-GdB mit 50 und verneinte das Vorliegen von Nachteilsausgleichen. Hierauf gestützt, stellte das VA mit Teilabhilfebescheid vom 24. September 2003 einen GdB von 50 seit dem 3. Juli 2003 fest. Die Klägerin hielt ihren Widerspruch aufrecht und beantragte am 23. Oktober 2003 die Feststellung des Nachteilsausgleichs G. Sie legte den ärztlichen Entlassungsbericht der Fachklinik B. L. vom 19. August 2003 über die vom 15. Juli bis zum 5. August 2003 durchlaufene stationäre Maßnahme vor (Diagnosen: Zustand nach bilateraler, erweiterter interlaminärer Fensterung mit Foraminotomie bei lumbaler Spinalkanalstenose L 4/5. Zustand nach ventraler Diskektomie C4 / C7 mit ventraler Plattenosteosynthese, Adipositas, kompletter Linksschenkelblock). Nachdem Dr. Weddigen in der vä Stellungnahme vom 3. November 2003 weiterhin den Gesamt-GdB mit 50 bewertet und Nachteilsausgleiche verneint hatte, wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2003 zurück. Zugleich lehnte er die Feststellung des Nachteilsausgleichs G ab.
Hiergegen erhob die Klägerin am 3. Dezember 2003 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG). Sie trug vor, ihr stehe aufgrund ihrer anerkannten Leiden der Nachteilsausgleich G zu. Ihr werde unvorhergesehen schwindelig und sie habe auch wegen ihrer schwachen WS keinen Halt auf der Straße. Das SG holte zunächst die sachverständigen Zeugenauskünfte von Dr. S.-B. vom 20. Januar 2004 sowie von Dr. M. vom 21. Januar 2004 und 11. Februar 2004 ein. Dr. S.-B. führte aus, die Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr sei beeinträchtigt, da aufgrund des Bandscheibenvorfalles die Drehbewegung der HWS deutlich eingeschränkt sei; normales Gehen auf unebener Straße sei schwierig und bedürfe erhöhter Aufmerksamkeit. Über die Orientierungsfähigkeit sei ihr nichts bekannt. Es träten keine Krampfanfälle auf. Autofahren sei der Klägerin nicht möglich. Dr. M. führte aus, das Gehvermögen der Klägerin sei beeinträchtigt. Sie könne nur langsam gehen und bei Wegstrecken von 500 bis 1000 m komme es zur Claudicatio intermittens. Daher sei sie nicht in der Lage, längere Strecken zu Fuß zurückzulegen. Die Beeinträchtigung sei eine Folge der Beschädigungen der WS und irreversibel. Zur Wahrnehmung seitlicher Vorgänge müsse sie den ganzen Körper drehen, wodurch die Reaktionsfähigkeit verzögert sei. Wegen plötzlichen Schwindelanfällen bestehe erhöhte Unfallgefahr auch im Straßenverkehr. Beim Gehen, besonders beim schnellen Gehen, verstärke sich die Schmerzsymptomatik, bis die Klägerin wegen starker Schmerzen nicht mehr in der Lage sei, weiterzugehen. Bei der Claudicatio intermittens gingen die Beschwerden von der LWS aus. Sie äußerten sich in Schmerzen, die in ein bzw. beide Bein/e ausstrahlten und sich unter Belastung so weit steigerten, bis sie so unerträglich geworden seien, dass an Claudicatio intermittens leidende Patienten nicht mehr in der Lage seien, weiterzugehen. Der objektiv vorliegende LWS-Schaden der Klägerin könne zu Claudicatio intermittens führen. MedDirin K. führte in der vom Beklagten vorgelegten vä Stellungnahme vom 13. Mai 2004 hierzu aus, die Klägerin leide unter keiner Behinderung, die die Anerkennung des Nachteilsausgleichs G nach sich ziehen könne.
Das SG erhob weiter Beweis durch Einholung des fachorthopädischen Gutachtens von Dr. S.-F. vom 22. Juni 2004. Der Sachverständige beschrieb einen Zustand nach ventraler Diskektomie C 3 bis C 6 mit ventraler Plattenosteosynthese C 3 bis C 6 bei cervicaler Spinalkanalstenose mit Störung des cervicalen Rückenmarkes und Gangunsicherheit sowie deutlicher Funktionseinschränkung der HWS-Beweglichkeit. Degenerative Aufbrauchserscheinungen der unteren LWS mit mittelgradiger Spondylose, Spondylarthrose und Osteochondrose mit Enge der Neuroforamen L 5 / S 1 mit Claudicatio-intermittens-Symptomatik bei Zustand nach bilateraler Erweiterung der Foramina L 4/5 bei Spinalkanalstenose L 4/5, ein Schulter-Arm-Syndrom bei Supraspinatussehnendegeneration rechts (Teil-GdB 30), eine beginnende Pangonarthrose bei Genua valga mit zusätzlicher Knochenzyste von dreimal 2 cm Größe im Bereich des linken FibulaK.chens mit zusätzlicher kartilaginärer Exostose supracondylär linker Femur mit chronischem Schmerzsyndrom (Teil-GdB 10). Dr. S.-F. vertrat die Ansicht, aufgrund der vorhandenen cervicalen Myelopathie liege eine erhebliche Gangunsicherheit mit rezidivierenden Schwindelattacken vor. Die Klägerin sei bereits mehrfach gestürzt. Zusätzlich biete die Klägerin das klassische Bild einer Claudicatio intermittens. Sie müsse daher nach wenigen 100 m stehen bleiben; durch die Gehpausen verringere sich beim Gehen der Druck, sodass eine Besserung der Beschwerden auftrete, die ein Weitergehen möglich machten. Die zusätzlich vorhandene Pangonarthrose beider Kniegelenke mit zusätzlichen knöchernen Veränderungen im Bereich des linken Kniegelenkes komplettierten die Gehbeschwerden, sodass eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vorliege und daher der Nachteilsausgleich G zu gewähren sei. Nach ihren eigenen Angaben sei die Klägerin nur noch in der Lage, maximal 500 m am Stück zu laufen, ehe sie eine längere Pause einlegen müsse. In der Untersuchungssituation mit einer Gesamtstrecke von wenigen 100 m habe sich eine deutliche Erschöpfung und Zunahme der Schmerzsymptomatik bei der Klägerin gezeigt. Das Gangbild sei ausgeprägt gestört mit einer erheblichen Gangunsicherheit und deutlich vorhandener Fallneigung. So müsse sich die Klägerin glaubhaft mehrfach abstützen, um nicht zu stürzen. Die Klägerin sei nicht mehr in der Lage, Wegstrecken im Ortsverkehr bis zu 2 km ohne erhebliche Schwierigkeiten oder ohne Gefahren für sich zurückzulegen. Der Nachteilsausgleich G sei zu gewähren. Hierzu wandte Dr. Wolf in der vom Beklagten vorgelegten vä Stellungnahme vom 16. September 2004 ein, es ergäben sich keine ausreichenden objektiven Gesichtspunkte für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs G, zumal auch allein vonseiten der LWS und/oder der unteren Gliedmaßen ein GdB von wenigstens 50 nicht vorliege. Die im Gutachten angegebene Einschränkung der Gehstrecke auf 500 m sei somit eine subjektive Angabe und nicht als objektiviert anzusehen, sodass sie im Interesse einer Gleichbehandlung aller Antragsteller nicht der Beurteilung zugrunde gelegt werden könne.
Mit Gerichtsbescheid vom 26. Oktober 2004 änderte das SG den Bescheid vom 24. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2003 ab und stellte fest, dass die Klägerin in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sei. Es stützte sich auf das Gutachten von Dr. S.-F. und führte aus, im Einzelfall könne der Nachteilsausgleich G gewährt werden, wenn sich die maßgeblichen Behinderungen besonders ungünstig auf die Gehfähigkeit auswirkten und dadurch die ortsübliche Wegstrecke in Frage zu stellen sei. Durch die Untersuchungsergebnisse und Beobachtungen des Sachverständigen sei objektiviert, dass die Klägerin in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sei.
Gegen den Gerichtsbescheid des SG hat der Beklagte am 25. November 2004 Berufung eingelegt. Er hat die vä Stellungnahme von Dr. R. vom 12. November 2004 vorgelegt, in welcher ausgeführt worden ist, dass im ärztlichen Entlassungsbericht über das stationäre Rehabilitationsverfahren vom 15. Juli bis zum 5. August 2003 auf tägliche Spaziergänge von bis zu 2-3 Stunden hingewiesen worden sei. Das Gangbild während des stationären Heilverfahrens werde als zwar langsam, aber flüssig und ohne Anomalien beschrieben. Hinweise für eine Claudicatio intermittens hätten nicht bestanden. Geklagt worden sei über allenfalls gelegentliche Schwindelanfälle. Dr. R. hat auch darauf hingewiesen, dass fraglich sei, ob nach der im Juli 2002 erfolgten operativen Behandlung noch von einer cervicalen Myelopathie und nach dem im März 2003 erneut vorgenommenen operativen Eingriff von einer lumbalen Spinalkanalstenose und einer Claudicatio intermittens auszugehen sei.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 26. Oktober 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des internistischen Fachgutachtens von Dr. R. vom 18. Juli 2005. Der Sachverständige hat ausgeführt, bei der Klägerin seien weder im Bereich der Arteria-Carotis-Durchblutung noch im Bereich der arteriellen peripheren Durchblutung irgendwelche hämodynamisch relevanten Veränderungen nachweisbar. Sowohl in den zentraleren Gefäßabschnitten als auch peripher ließen sich normale Flusskurven nachweisen. Die Druckverhältnisse seien im Rahmen eines allgemein erhöhten systemischen Drucks an der unteren Extremität ohne Hinweis auf eine Verschlusserkrankung. Somit bestünden auf angiologischem Gebiet keine Behinderungen, die sich auf die Gehfähigkeit der Klägerin auswirkten. Im Übrigen seien beobachtete und unbeobachtete Gehstrecken erheblich diskrepant.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte entscheiden, ohne dem Antrag der Klägerin auf Terminsverlegung zu entsprechen. Diesen Antrag hat die Klägerin in ihrem Schreiben vom 11. Mai 2006 damit begründet, sie könne in der mündlichen Verhandlung wegen Krankheit nicht erscheinen. Auf telefonische Rückfrage hat die Mutter der Klägerin jedoch am 19. Mai 2006 erklärt, die Klägerin befinde sich im Urlaub in Russland. Bei dem Telefonat vom 24. Mai 2006 haben die Mutter und eine Schwester der Klägerin angegeben, die Klägerin befinde sich nicht in Russland, sondern sei vor zwei Tagen nach Ludwigshafen gereist. Unter diesen Umständen ist weder glaubhaft gemacht, dass die Klägerin krankheitshalber noch dass sie wegen einer langfristig geplanten oder einer aus zwingendem aktuellem Anlass angetretenen Urlaubreise nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen kann.
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist begründet. Zu Unrecht hat das SG den Bescheid vom 19. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2003 abgeändert und den Nachteilsausgleich G festgestellt.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung des Nachteilsausgleichs G.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen sind seit dem 1. Juli 2001 die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (Artikel 63, 68 SGB IX vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1046).
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden ebenfalls die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den GdB sowie weitere gesundheitliche Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden.
Nach § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist gemäß § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder in Folge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Bei der Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vorliegt, orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den AP niedergelegt sind (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 7. November 2001 – B 9 SB 1/01 R - VersorgVerw 2002, 26). Die AP besitzen zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhen. Sie sind vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, und haben deshalb normähnliche Auswirkungen. Sie sind daher im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285, 286; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 91, 205; BSG, Urteil vom 29. August 1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). In den AP ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Sie ermöglichen somit eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Feststellung von Nachteilsausgleichen. Die AP stellen dabei ein einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge dar (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22).
Als Wegstrecken, welche im Ortsverkehr - ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall - üblicherweise noch zurückgelegt werden, gelten solche von maximal 2 km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten (BSG, Urteil vom 10. Dezember 1987 - 9a RVs 11/87 - SozR 3870 § 60 SchwbG Nr. 2). Nach den AP kann eine derartige Einschränkung des Gehvermögens angenommen werden, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB um wenigstens 50 bedingen (AP, 30 Abs. 3 Satz 1, S. 137). Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei einem GdB von unter 50 auch gegeben sein, wenn sich diese Behinderungen an den unteren Gliedmaßen auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z. B bei einer Versteifung des Hüft-, Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung oder arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40 (AP, 30 Abs. 3 Satz 2, S. 138).
Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 (AP, 30 Abs. 3 Satz 3, S. 138 i. V. m. AP 26.9 S. 71) und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades (AP, 30 Abs. 3 Satz 3, S. 138 i. V. m. AP 26.8 S. 68) anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z. B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen (AP, 30 Abs. 3 Satz 4, S. 138 i. V. m. AP 26.8 S. 89).
Die AP beschreiben Regelfälle, bei denen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G als erfüllt anzusehen sind, und die bei dort nicht erwähnten Behinderungen als Vergleichsmaßstab dienen können. Entscheidend ist danach im vorliegenden Fall, ob allein die bei der Klägerin festgestellten körperlichen Regelwidrigkeiten mit den von ihnen ausgehenden Funktionsbeeinträchtigungen die Bewegungsfähigkeit ebensoweit herabsetzen, wie in den in den AP (beispielhaft) genannten Fällen. Erst dann ist nach dem Erfahrungswissen ärztlicher Sachverständiger, das sich in den AP niedergeschlagen hat, anzunehmen, dass der/die Behinderte die Strecke von 2 km nicht mehr innerhalb von 30 Minuten zurücklegen kann (BSG, Urteil vom 27. August 1998 - B 9 SB 13/97 R - VersorgVerw 1999, 47 m. w. N.).
Bei der Klägerin liegen keine sich auf die Gehfähigkeit auswirkenden Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der LWS vor, die für sich einen GdB um wenigstens 50 bedingen. Insoweit verweist der Senat auf die von Dr. S.-F. in seinem Gutachten vom 22. Juni 2004 vorgenommene Bewertung des GdB mit 30 für den Zustand nach ventraler Diskektomie C3 bis C6 mit ventraler Plattenosteosynthese C3 bis C6 bei cervicaler Spinalkanalstenose mit Störung des cervicalen Rückenmarks und Gangunsicherheit sowie deutlicher Funktionseinschränkung der HWS-Beweglichkeit, die degenerativen Aufbrauchserscheinungen der unteren LWS mit mittelgradiger Spondylose, Spondylarthrose und Osteochondrose mit Enge der Neuroforamen L5 / S1 mit Claudicatio-Intermittens-Symptomatik bei Zustand nach bilateraler Erweiterung der Foramina L 4/5 bei Spinalkanalstenose L 4/5 und das Schulter-Arm-Syndrom bei Supraspinatussehnendegeneration rechts sowie den GdB mit 10 für die beginnende Pangonarthrose bei Genua valga mit zusätzlicher Knochenzyste von dreimal 2 cm Größe im Bereich des linken FibulaK.chens mit zusätzlicher kartilaginärer Exostose suprakondulär linker Femur mit chronischem Schmerzsyndrom. Hieraus ergibt sich ein GdB für die unteren Gliedmaßen und/oder der LWS - unter Berücksichtigung der HWS - von 30.
Nach Überzeugung des Senats liegen auch keine Behinderungen vor, die sich an den unteren Gliedmaßen auf die Gehfähigkeit besonders auswirken. Die in den AP genannten Beispielsfälle einer Versteifung des Hüft-, Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung oder arterielle Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40 sind vorliegend nicht gegeben. Dabei folgt der Senat nicht der Einschätzung von Dr. S.-F., der in seinem Gutachten vom 22. Juni 2004 die Anerkennung des Nachteilsausgleichs G mit der Begründung vorschlug, aufgrund der vorhandenen cervicalen Myelopathie (Schädigung des Halsrückenmarks) liege eine erhebliche Gangunsicherheit mit rezidivierenden Schwindelattacken vor und zusätzlich biete die Klägerin das klassische Bild einer Claudicatio-intermittens-Symptomatik. Denn nach Ansicht des Senats liegt eine derartige Erkrankung bei der Klägerin gar nicht vor. Bei der Claudicatio intermittens handelt es sich um das Auftreten heftiger Wadenschmerzen nach dem Gehen einer bestimmten Wegstrecke, die zum Stehenbleiben zwingen und wegen der in Ruhe noch ausreichenden Durchblutung der Muskulatur nach einigen Minuten verschwinden. Ursache hierfür sind arterielle Verschlusskrankheiten der Beine (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 258. Auflage, S. 286). Die Klägerin leidet jedoch nicht an einer arteriellen Verschlusskrankheit, was Dr. R. in seinem internistischen Gutachten vom 18. Juli 2005 überzeugend dargelegt hat.
Für die Gehfähigkeit relevante Herzschäden oder Atembehinderungen oder andere innere Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit liegen ebenfalls nicht vor. Auch insoweit verweist der Senat auf das internistische Gutachten von Dr. R. vom 18. Juli 2005.
Da auch weder eine Anfallssymptomatik, noch Störungen der Orientierungsfähigkeit, Hilflosigkeit oder Gehörlosigkeit vorliegen, sind die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G nicht gegeben.
Im Übrigen ist der Senat auch nicht davon überzeugt, dass die Klägerin tatsächlich nicht in der Lage ist, 2 km innerhalb von 30 Minuten zurückzulegen. So hat Dr. R. in seinem Gutachten ausgeführt, dass "beobachtete und unbeobachtete Gehstrecke doch erheblich diskrepant" seien. In diesem Zusammenhang verweist der Senat auf die Ausführungen im ärztlichen Entlassungsbericht der Klinik B. R. über die vom 5. Februar bis zum 5. März 2002 durchlaufene stationäre Rehabilitationsmaßnahme, wo es im "Orthopädischen Befund" heißt, dass Gang und Stand mit Konfektionsschuhen unauffällig und die Beweglichkeit der unteren Extremitäten nicht eingeschränkt sei. Unter der Schilderung des "Positiven Leistungsbildes" wurde eine nicht-eingeschränkte Wegefähigkeit angenommen. Im ärztlichen Entlassungsbericht der Fachklinik B. L. vom 19. August 2003 über die vom 15. Juli bis zum 5. August 2003 durchlaufene stationäre Maßnahme wurde unter der "Allgemeinen Anamnese" ausgeführt, die Klägerin gehe 2 bis 3 Stunden täglich, und unter "Aktuelle Beschwerden" wird nur ein gelegentlich auftretender Schwindel angegeben. Demgegenüber gab die Klägerin als schmerzfreie Wegstrecke nur ca. 500 Meter an. Im "Orthopädischen Befund" wiederum wird das Gangbild zwar als langsam, aber sonst als flüssig und ohne Ganganomalien beschrieben.
Da nach alldem das SG den Nachteilsausgleich G zu Unrecht festgestellt hat, war der Berufung des Beklagten stattzugeben.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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