L 15 B 132/06 SO PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 38 SO 718/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 B 132/06 SO PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 5. Mai 2006 wird zurückgewiesen ... Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die 1964 geborene Antragstellerin bezieht neben einer Rente wegen voller Erwerbsminderung laufende Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - SGB XII -. Für sie ist seit dem 26. Februar 2003 die Rechtsanwältin Rosemarie Gick als Betreuerin für den Aufgabenkreis "Behörden- und Versicherungsangelegenheiten" bestellt. Der Betreuerausweis enthält den Hinweis, dass der Betreuer die Betroffene im Rahmen des Aufgabenkreises "gerichtlich und außergerichtlich vertritt". Ein Einwilligungsvorbehalt besteht nicht. Mit Schreiben vom 6. Januar 2006 beantragte die Antragstellerin die Übernahme der Miete für eine andere Wohnung, in die sie wegen unzumutbarer Lärmbelästigung durch Nachbarn schnellstmöglich mit ihrer Tochter umziehen wolle. Beigefügt war ein befürwortendes ärztliches Attest sowie ein Angebot für eine ab 1.Januar 2006 vermietbare 2- Zimmer-Wohnung im Bezirk Spandau. Mit Bescheid vom 23.Januar 2006 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab, weil die Antragstellerin mit angemessenem Wohnraum versorgt sei und eine sozialhilferechtliche Notwendigkeit für den gewünschten Umzug nicht anerkannt werden könne, zumal die gewünschte Wohnung teurer sei. Im Hinblick darauf, dass die Betreuerin sich als nicht zuständig für diese "Wohnungsangelegenheit" wie auch für die Vertretung der Antragstellerin vor Gericht erklärt hatte, legten die hiesigen Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 27. Januar 2006 Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid des Antragsgegners ein und beantragten mit weiterem Schriftsatz vom 12. April 2006 beim Sozialgericht Berlin die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das von der Antragstellerin bereits selbst am 15. März 2006 eingeleitete vorläufige Rechtsschutzverfahren mit dem Antrag, den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, die Miete und die Kaution für die angegebene andere Wohnung zu übernehmen.

Beide Anträge hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 5. Mai 2006 abgelehnt, da ein Anordnungsanspruch gemäß § 86 b Sozialgerichtsgesetz - SGG - i.V.m. § 920 Zivilprozessordnung - ZPO – nicht glaubhaft gemacht sei und die Rechtsverfolgung damit keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne der §§ 73 a SGG, 114 ZPO habe. In der Sache und wegen der Ablehnung von Prozesskostenhilfe hat die Antragstellerin durch ihre Prozessbevollmächtigten "sofortige Beschwerde" eingelegt.

II.

Gegen den Beschluss des Sozialgerichts ist, wie es in dessen Rechtsmittelbelehrung zutreffend angegeben ist, gemäß § 172 SGG die Beschwerde an das Landessozialgericht gegeben. Das SGG kennt den Rechtsbehelf der sofortigen Beschwerde, der in § 127 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 ZPO für Entscheidungen zur Prozesskostenhilfe genannt wird, nicht. Jedoch enthalten § 127 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 ZPO keine eigenständige Regelung über das Beschwerdeverfahren, sondern verweisen auf die §§ 567 ff ZPO. Da § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG aber lediglich die Vorschriften der ZPO über die Prozesskostenhilfe für anwendbar erklärt, richtet sich der zulässige Rechtsbehelf nach der Prozessordnung für das sozialgerichtliche Verfahren (siehe auch BSG, Beschluss vom 12. Mai 1998 - B 11 SF 1/97 R-, SozR 3-1500 § 51 Nr. 24 mit weiteren Nachweisen). Das in der Monatsfrist des § 173 SGG eingelegte Rechtsmittel der Antragstellerin ist sinngemäß als Beschwerde nach § 172 SGG anzusehen, kann aber in der Sache keinen Erfolg haben. Das Sozialgericht hat es im Ergebnis zutreffend abgelehnt, der Antragstellerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer gewählten Prozessbevollmächtigten zu gewähren. Gemäß (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. mit) § 121 Abs. 2 ZPO wird dann, wenn – wie vor dem Sozialgericht – eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben ist, dem Beteiligten auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist. Erforderlich ist eine Vertretung, wenn Umfang, Schwierigkeit oder Bedeutung der Sache Anlass zu der Befürchtung geben, dass der Hilfebedürftige nicht im Stande sein wird, seine Rechte sachgemäß wahrzunehmen und die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen (s. statt vieler etwa Zöller/Philippi, ZPO. 25. Auflage 2005, § 121 Rz. 4).

Eine Vertretung durch die von der Antragstellerin bevollmächtigten Rechtsanwälte ist im vorliegenden Rechtsstreit aber deshalb nicht erforderlich, weil die Antragstellerin die von ihr geltend gemachten Rechte ausreichend dadurch hätte wahren können, dass sie ihre Betreuerin in Anspruch nimmt. Die Prozesskostenhilfe stellt eine besondere Art der Sozialhilfe auf dem Gebiet des gerichtlichen Rechtsschutzes dar. Dem entsprechend ist ein Antragsteller wegen des für Sozialhilfe und Prozesskostenhilfe gleichermaßen geltenden Subsidiaritätsprinzips verpflichtet, die dem Justizfiskus durch Prozesskostenhilfe entstehenden Ausgaben gering zu halten (BSG, Beschluss vom 12. März 1996 – 9 RV 24/94 -, SozR 3-1500 § 73a Nr. 4 mit zahlreichen Nachweisen auch aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Nur wenn die Beiordnung nicht schon auf Grund des Subsidiaritätsprinzips ausscheidet, steht der Antragstellerin dann folglich auch das Recht zu, sich auf Kosten der Gemeinschaft der Steuerzahler eine Anwältin frei zu wählen. Dem Subsidiaritätsprinzip entspricht es, wenn sich die Antragstellerin zur Geltendmachung ihrer Ansprüche gegenüber dem Antragsgegner ihrer Betreuerin bedient (s. auch BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 1979, 7 ER 400/79 -, Buchholz 303 § 78b ZPO Nr. 1; weiteres Beispiel bei Zöller/Philippi a.a.O.). Deren formale Begründung für ihre Ablehnung, das Umzugsbegehren der Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner geltend zu machen, ist höchst bedenklich und verkennt die Sach- und Rechtslage, die das Amtsgericht Spandau in seinen Stellungnahme vom 28. Juni 2006 bestätigt hat. Die Betreuerin hat u.a. den Aufgabenkreis, die Antragstellerin bei "Behördenangelegenheiten" zu vertreten. Hierzu gehört zweifellos das Begehren der Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner, im Rahmen der von ihm laufend gewährten Leistungen der Grundsicherung Kaution und Miete für eine neue Wohnung zu übernehmen. Der Aufgabenkreis der "Vertretung vor Gerichten" musste der Betreuerin nicht gesondert übertragen werden, damit sie im vorliegenden Verfahren zu Gunsten der Antragstellerin hätte tätig werden können: Sie ist gemäß § 1902 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kraft Gesetzes zur gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der Antragstellerin im Rahmen ihres Aufgabenkreises befugt – und so ist es auch im Betreuerausweis vermerkt. Die Antragstellerin kann von ihrer Betreuerin zudem nach Maßgabe des § 1901 Abs. 3 BGB beanspruchen, dass sie für sie auf bestimmte Weise tätig wird (abgesehen davon, dass sie ohnehin nach § 1901 Abs. 1 BGB verpflichtet ist, die Angelegenheiten der Betreuten zu deren Wohl zu besorgen). Dass die Betreuerin als zugelassene Rechtsanwältin grundsätzlich in der Lage ist, die Antragstellerin auch vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit sachgerecht zu vertreten, muss nicht näher erläutert werden. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 193, 73a SGG i. V. mit § 127 Abs. 4 ZPO. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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