L 22 R 98/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 16 RJ 257/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 98/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 24. November 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der im 1952 geborene Kläger erlernte zunächst den Beruf des Forstfacharbeiters und studierte dann an der Ingenieurschule für Agrochemie und Pflanzenschutz, wo er im August 1973 den Abschluss als Agrochemieingenieur erwarb. Danach arbeitete er in seinem Beruf als Bereichsleiter Pflanzenschutz bis November 1990. Von September 1991 bis Juni 1993 schloss er erfolgreich eine Umschulung zum Kaufmann der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft ab und besuchte während der darauf folgenden Arbeitslosigkeit eine kaufmännische Fortbildungsmaßnahme. Seit September 1999 ist er durchgängig als Wachmann beschäftigt.

Am 04. Januar 2000 beantragte der Kläger bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit und begründet dies mit den Folgen eines Unfalls, bei dem er als Kind im zehnten Lebensjahr einen Bogenschuss ins rechte Auge erlitten hat. Er sei seit Dezember 1990 nicht mehr in der Lage, ein Kraftfahrzeug zu steuern. Er sei beim Arbeiten an Bildschirmen eingeschränkt und sehe Doppelbilder. Zurzeit sei er allerdings nicht arbeitsunfähig erkrankt. Beigefügt war ein für das Arbeitsamt Potsdam im Juli 1995 gefertigtes Gutachten des Allgemeinmediziners Dr. K, in dem die Auffassung vertreten wurde, der Kläger sei bei Linsenlosigkeit des rechten Auges nach durchdringender Augapfelverletzung, Doppelbildsehen und Übergewichtigkeit nur noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Arbeiten, diese jedoch vollschichtig, zu verrichten. Dies gelte auch für die Tätigkeit als Agraringenieur.

Die Beklagte ließ durch den Augenarzt Dr. H ein Sachverständigengutachten erstatten. Dr. H diagnostizierte in dem Gutachten vom 08. September 2000

- Aphakia operata rechts, - Myopie u. myoper Astigmatismus links, - Sehschwäche des rechten Auges.

Daraus ergebe sich ein Leistungsvermögen dahingehend, dass der Kläger nicht mehr als Agrochemieingenieur arbeiten könne. Die Verletzung des rechten Auges sei im zehnten Lebensjahr eingetreten und der Kläger sei seitdem funktionell einäugig. Dieser Zustand sei bereits bei Aufnahme der Lehre, beim Studium und während des gesamten Berufslebens vorhanden gewesen. Gewerbsmäßig könne er kein Kraftfahrzeug fahren, privat könne er jedoch einen Pkw nutzen. Aus dem fehlenden stereoskopischen Sehen ergebe sich eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit. Der Kläger könne mittelschwere Arbeiten ohne besondere Anforderungen an das Sehvermögen uneingeschränkt in allen Haltungsarten verrichten, es sollten allerdings Leiter- und Gerüstarbeiten und Arbeiten an laufenden Maschinen und unter besonderem Zeitdruck vermieden werden. Er könne als Wachmann vollschichtig eingesetzt werden.

Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. September 2000 den Rentenantrag des Klägers ab. Den Widerspruch des Klägers vom 24. Oktober 2000 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. März 2001 zurück. Der Kläger habe sich von seinem erlernten Beruf gelöst und sei damit auf das allgemeine Arbeitsfeld verweisbar. Dort jedoch könne er weiterhin vollschichtig eingesetzt werden.

Mit der am 11. April 2001 beim Sozialgericht Potsdam erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und vorgetragen, die Beklagte habe sein Leistungsvermögen falsch eingeschätzt. Er habe den Beruf des Agrochemieingenieurs aus gesundheitlichen Gründen aufgeben müssen. Die Beklagte habe es versäumt, ihm eine entsprechende Verweisungstätigkeit zu benennen. Nicht beachtet habe sie auch, dass er wegen krankhafter Veränderungen an der Wirbelsäule nicht in der Lage sei, einer geregelten Arbeitstätigkeit nachzugehen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

den Bescheid vom 26. September 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger auf seinen Antrag vom 04. Januar 2000 eine Erwerbsunfähigkeitsrente, hilfsweise ein Berufsunfähigkeitsrente zu gewähren.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger genieße zwar tatsächlich Berufsschutz als Agrochemieingenieur, er sei jedoch vom zuständigen Arbeitsamt zum Kaufmann für Grundstücks- und Wohnungswirtschaft umgeschult worden und sei mithin auf diese Tätigkeit verweisbar. Diese könne er ausüben.

Das Gericht hat zunächst Befund- und Behandlungsberichte über den Kläger eingeholt und sodann den Orthopäden Dr. K, Leitender Arzt am O P, zum Sachverständigen ernannt. In dem am 07. November 2001 erstatteten Gutachten hat der Sachverständige beim Kläger folgende Diagnosen gestellt:

1. Initiale Gonarthrose rechts, 2. Initiale Coxarthrose rechts, 3. Chronisches lumbales lokales Schmerzsyndrom bei initialer Spondylochondrose, Spondylose und Spondylarthrose des gesamten Achsorgans, 4. Zustand nach perforierender Hornhautlinsenverletzung am rechten Auge mit funktioneller "Einäugigkeit"

Beim Kläger bestünden auf orthopädischem Fachgebiet lediglich beginnende Verschleißerscheinungen des rechten Hüft- und des rechten Kniegelenks. Daneben finde sich eine nur geringgradig das altersübliche Maß überschreitende Verschleißerkrankung am Achsorgan. Die orthopädischen Erkrankungen führten zu einer Belastbarkeitseinseinschränkung bei körperlicher Arbeit. Der Kläger können nur noch leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung oder eine überwiegend sitzende Tätigkeit mit der Möglichkeit zum Haltungswechsel verrichten. Derartige Tätigkeiten jedoch seien ihm vollschichtig zumutbar. Eine Tätigkeit, die mit dem berufsmäßigen Steuern von Kraftfahrzeugen verbunden sei, könne er nicht ausüben. Er sei in der Lage, die vom Gericht beschriebenen Arbeitswege zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen. Auch ein privates Kraftfahrzeug könne er steuern.

Auf berufskundlichem Gebiet hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch die Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen K R. Dieser hat in seinem Gutachten vom 23. Oktober 2004 dargelegt, der Kläger habe sein höchstes berufliches Niveau als Agrochemieingenieur erreicht, er könne diesen Beruf jedoch nicht mehr ausüben. In dieser Tätigkeit im Pflanzenschutz sei ein Außendienst mit Kraftfahrzeugen, nämlich die Besichtigung von Anbauflächen, Teil der Berufsausübung. Dies jedoch sei dem Kläger nicht möglich. Er könne jedoch im Bereich der Agrarindustrie, nämlich im Innendienst des Obst- und Gemüse verarbeitenden Gewerbes als Sachbearbeiter eingesetzt werden. Dafür reiche sein Leistungsvermögen aus und die dort notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten seien ihm nicht fremd. Für Sehbehinderte gebe es besonders funktionstüchtige Arbeitsplatzhilfen in Form von Spezialbildschirmen, so dass auch dies zumutbar sei. Der Kläger habe fraglos die fachliche Kompetenz, um nach einer Einarbeitungszeit von weniger als drei Monaten wettbewerbsmäßig als Sachbearbeiter im Einkauf zumindest auf Facharbeiterebene arbeiten zu können. Er könne auch im Umschulungsberuf Kaufmann in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft medizinisch zumutbar arbeiten. Es gebe auf dem bundesweiten Arbeitsmarkt in diesem Beruf weit mehr als 300 Arbeitsplätze, auf denen nur im Innendienst gearbeitet werde, da die Berufsausübungsformen im Einzelnen abhängig von der Größe und Struktur des Beschäftigungsbetriebes seien. Es komme in der Praxis häufig vor, dass bei Immobilienmaklern, Wohnungsbaugesellschaften, Bauunternehmungen, Banken und Bausparkassen ein Einsatz im verwaltenden Bürobereich erfolgt. Hierzu sei der Kläger besonders geeignet, da er zusätzlich zu seiner Ausbildung zum Kaufmann in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft auch noch eine kaufmännische Fortbildung durchlaufen habe. Nach einer Einarbeitungszeit von bis zu drei Monaten könne er Kerntätigkeiten dieses Berufes übernehmen. Medizinische Einschränkungen seien nicht ersichtlich und Bildschirmarbeit falle höchstens zur Hälfte an, wobei er nochmals auf die entsprechenden funktionstüchtigen Arbeitsplatzausstattungen im Bildschirmbereich verweise.

Sodann hat das Sozialgericht mit Urteil vom 24. November 2004 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, nach den medizinischen und berufskundlichen Feststellungen sei der Kläger in der Lage, den ihm zumutbaren Umschulungsberuf eines Kaufmanns der Wohnungswirtschaft auszuüben.

Gegen dieses dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 24. Januar 2005 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 15. Februar 2005. Ihm sei der Arbeitsmarkt aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen verschlossen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 24. November 2004 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26. September 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2001 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbs-minderung ab 01. Januar 2001 zu gewähren und die höhere Rente zu leisten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Kläger ist während des Berufungsverfahrens mit Bescheid vom 29. April 2005 von der Bundesagentur für Arbeit einem schwer behinderten Menschen mit einem Grad der Behinderung von 30 v. H. gleichgestellt worden.

Der Senat hat einen Befundbericht der behandelnden Augenärztin Dr. S eingeholt, die am 10. Mai 2005 berichtet hat, sie habe den Kläger zuletzt am 11. Mai 2004 untersucht und eine gleich bleibende Situation auf ihrem Fachgebiet festgestellt. Eine Arbeitsunfähigkeit habe sie nicht festgestellt.

Sodann hat der Senat mit Beweisanordnung vom 21. Juli 2005 den Chirurgen und Sozialmediziner Dr. B zum Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens über das dem Kläger verbliebene Leistungsvermögen beauftragt. Der Sachverständige hat sein Gutachten am 01. September 2005 erstattet und in diesem folgende Diagnosen gestellt:

1. Degenerative Veränderungen und Fehlhaltung der Brust- und Lendenwirbelsäule mit nachweisbarer Neigung zu Dorsolumbalgien, ohne daraus resultierende, schwerwiegende funktionelle Beeinträchtigungen des gesamten Achsenorgans, 2. Wiederkehrende, belastungsabhängige Kniegelenksbeschwerden rechts bei beginnendem medialen Kniegelenksverschleiß. Ausschluss einer schwerwiegenden Funktionseinschränkung des rechten Kniegelenks, 3. Tieftonschwerhörigkeit bei dreimalig erlittenem Hörsturz links, 4. Zustand nach perforierender Augenverletzung rechts,

Der Kläger habe subjektiv die Vorstellung, nicht mehr erwerbstätig sein zu können. Diese Auffassung könne durch die erhobenen Befunde während der Untersuchung nicht objektiviert werden und der Kläger könne sich aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe von dieser Vorstellung lösen. Er könne leichte und mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne quantitative und qualitative Einschränkungen verrichten, wobei Arbeiten in wechselnder Körperhaltung am günstigsten seien. Wenn der Kläger längere Zeit sitze, müsse er Gelegenheit haben, sich spontan zu bewegen. Er sollte nicht ständig knien, hocken oder sich bücken und nicht auf Leitern und Gerüsten eingesetzt werden. Extreme Umwelteinflüsse seien zu vermeiden. Das Hörvermögen sei links mäßig reduziert.

Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2005 dargelegt hatte, er leide auch an Beschwerden der Augen, an einem chronischen Hautekzem, weswegen er einen Termin Anfang Januar 2006 habe, und einer Blasenschwäche sowie an wiederholt auftretenden Hörstürzen, hat der Senat weiteren medizinischen Beweis erhoben. Er hat den Chefarzt der Abteilung für Augenheilkunde der Sklinik B, Dr. N, mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt, das dieser am 18. Februar 2006 erstattet hat. Der Sachverständige legt dar, dass beim Kläger seit dem Unfall von 1962 erhebliche Sehbehinderungen vorliegen, die sich seitdem weder verbessert noch verschlechtert haben und bereits bei Antragstellung vorhanden gewesen seien. Aufgrund der Linsenlosigkeit und damit einhergehenden starken Sehbeeinträchtigungen am rechten Auge bestehe bei dem Kläger eine funktionelle Einäugigkeit, so dass keine Arbeiten ausgeübt werden könnten, die ein uneingeschränktes Sehvermögen voraussetzten. Der Kläger sollte daher keine Tätigkeiten ausüben, die Gerüstarbeiten in Höhen, auf Leitern, sowie solche, die ein Tiefensehen erforderten. Er sei auch für Arbeiten an rotierenden Maschinen nicht geeignet. Ganztägige Bildschirmarbeiten am Computer seien aufgrund der Fusionsstörungen nicht zu empfehlen, stundenweise jedoch könnten sie durchaus ausgeübt werden. In Bezug auf die Fahreignung im Straßenverkehr helfe ein intaktes Tiefensehen dem Kraftfahrer bei der Abschätzung von Entfernungen im Nahbereich um das Fahrzeug in zirka 30 bis 50 m Abstand, auf größere Entfernung jedoch sei das stereoskopische Sehen nicht mehr wirksam. Es gebe keine wissenschaftlich abgesicherten Erkenntnisse darüber, welches Unfallrisiko fehlendes Stereosehen für den Straßenverkehr mit sich bringt. Es sei jedoch davon auszugehen, dass ein Kraftfahrer mit der normalen Fähigkeit zum Tiefensehen besser in der Lage sei, Verkehrssituationen im Straßenverkehr einzuschätzen als ein Fahrer ohne diese Fähigkeiten. Daher sei die Führung eines Kraftfahrzeuges zwecks beruflicher Tätigkeit dem Kläger nicht zu empfehlen. Der Kläger könne als Bereichsleiter Pflanzenschutz, als Agrarchemieingenieur, als Sachbearbeiter, als Kaufmann und als Mitarbeiter einer Poststelle vollschichtig arbeiten. Allerdings gelte dies nur, soweit damit keine berufliche Nutzung eines Kraftfahrzeuges verbunden sei. Der Kläger sei wegefähig und es sei nicht zu erwarten, dass er wegen der augenärztlich festgestellten Gesundheitsstörungen öfter für längere Zeit arbeitsunfähig sein würde, falls er eine Tätigkeit aufnehme. Er stimme mit den Beurteilungen der Vorgutachter überein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten () sowie der Akte der Bundesagentur für Arbeit zur Stammnummer verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht erhoben, somit insgesamt zulässig.

Sie ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 26. September 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2001 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit. Ihm steht auch Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nicht zu.

Als Anspruchsgrundlage kommt auch weiterhin § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der Fassung vor dem am 01. Januar 2001 in Kraft getretenen Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (EM Reformgesetz) in Betracht. Nach § 300 Abs. 2 SGB VI sind aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuches auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird. Dies ist vorliegend der Fall, denn der maßgebende Antrag wurde bereits im Dezember 1999 gestellt.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie

1. berufsunfähig sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Berufsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Stets zumutbar ist eine Tätigkeit, für die der Versicherte durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden ist (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI).

Ausgangspunkt der Beurteilung der Berufsunfähigkeit ist der bisherige Beruf. Dies ist in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, jedenfalls dann, wenn diese zugleich die qualitativ höchste ist (Bundessozialgericht BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 53, 94, 130). Allerdings bleibt eine frühere versicherungspflichtige Beschäftigung maßgeblicher Beruf, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben wurde (vgl. BSG II, 181, 187; BSG SozR RVO § 1246 Nrn. 33, 57 und 94; BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 158).

Selbst wenn, wie die Beklagte dies annimmt, davon auszugehen ist, dass der Kläger den Beruf eines Agrochemieingenieurs nicht mehr ausüben kann, weil in der letzten derartigen Tätigkeit als Bereichsleiter Pflanzenschutz ständiger Außendienst mit Pkw erforderlich war, ist der Kläger nicht berufsunfähig, da er den Beruf des Kaufmanns der Wohnungswirtschaft, für den er mit Erfolg umgeschult worden war, noch ausüben kann.

Dies ergibt sich aus dem Ergebnis der medizinischen und der berufskundlichen Beweisaufnahme.

Auf körperlichem Gebiet haben die Sachverständigen Dr. K im sozialgerichtlichen Verfahren und Dr. B im Berufungsverfahren übereinstimmend festgestellt, dass der Kläger körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten mit der Möglichkeit zum Wechsel der Haltungsarten unter bestimmen qualitativen Einschränkungen noch vollschichtig verrichten kann. Dies ergibt sich schlüssig aus den beschriebenen leichten bis mittelgradigen Veränderungen der Wirbelsäule und wird im Übrigen dadurch bestätigt, dass der Kläger laufend als Wachmann arbeitet. Auf augenärztlichem Gebiet besteht beim Kläger seit seinem zehnten Lebensjahr eine funktionelle Einäugigkeit. Die behandelnde Augenärztin beschreibt, dass sich dieser Befund, den der Kläger in sein gesamtes Berufsleben und in seine Ausbildung mit eingebracht hat, nicht ändern werde, sich auch zuletzt nicht geändert habe. Der Kläger ist nicht laufend in augenärztlicher Behandlung.

Dies wurde aufgrund der erneuten Beweisaufnahme des Senats nochmals durch den Sachverständigen Dr. N bestätigt. Danach kann der Kläger trotz der Schädigungen auf augenärztlichem Gebiet die dargelegten Tätigkeiten ausüben, soweit sie nicht mit dem professionellen Führen von Kraftfahrzeugen verbunden sind, was überwiegend nicht der Fall ist.

Gegenüber diesen Feststellungen der medizinischen Sachverständigen können die Angaben des Klägers nicht ausschlaggebend sein. Der Senat kann seiner Entscheidung nicht die Einschätzung der Leistungsfähigkeit zugrunde legen, die von dem Versicherten vorgetragen wird, sondern maßgeblich ist derjenige, die sich aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme, also insbesondere nach dem medizinischen Gutachten, feststellen lässt.

Diese medizinischen Feststellungen zugrunde gelegt, hat der Sachverständige R dargelegt, dass der Kläger in der Lage sei, als Kaufmann der Wohnungswirtschaft wettbewerbsfähig mit einer Einarbeitungszeit von unter drei Monaten zu arbeiten und dass es über 300 derartige Arbeitsplätze in Deutschland gibt. Dass aufgrund der Lage auf dem Arbeitsmark der Kläger tatsächlich für einen solchen Arbeitsplatz nicht eingestellt wird, mag zutreffen; warum sollte er sonst als Wachmann arbeiten. Dies hat jedoch nach der Vorschrift des § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI ausdrücklich außer Betracht zu bleiben. An diese gesetzliche Regelung ist der Senat gebunden. Berufsunfähigkeit liegt somit nicht vor.

Schließlich kommt auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 SGB VI in der ab 01. Januar 2001 geltenden Fassung in Betracht.

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte dann, wenn sie nur noch unter sechs Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit nachgehen können. Bei einem Versicherten, der vollschichtig tätig sein kann, sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt.

Die Berufung muss somit erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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