Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 7 U 106/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 U 65/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 25. Februar 2003 und der Bescheid vom 02. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2000 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine Rente nach einer MdE um 30 v. H. ab 27. Oktober 2005 zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten höhere Verletztenrente als der bisher gezahlten.
Die 1958 geborene Klägerin, von Beruf Facharbeiterin für Rinderproduktion, zuletzt beschäftigt als Melkerin, verletzte sich in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit am 16. September 1998 das rechte Auge, als ihr Spritzer eines Desinfektionsmittels ins rechte Auge gerieten.
Die Klägerin befand sich danach in durchgangsärztlicher und zweimaliger stationärer Behandlung, auch wegen auftretender Komplikationen (erhöhte Augendruckwerte rechts, fast aufgehobene Vorderkammer des rechten Auges). Im Juni 1999 wurde die Linse des rechten Auges operativ entfernt und eine Kunstlinse implantiert.
Am 08. November 1999 erstellte der behandelnde Augenarzt der Klägerin Dipl. Med. R ein Erstes Rentengutachten für die Beklagte. Als wesentliche Unfallfolgen gab er eine "Hornhauttrübung zurzeit, möglich N. opticus Schaden durch Glaukom" an. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte er mit 50 v. H. ein.
Die Beklagte ließ ein weiteres Rentengutachten vom Augenarzt Dr. K erstellen. Er bewertete die Verletzungsfolgen nach seiner ambulanten Untersuchung der Klägerin vom 20. Dezember 1999 mit schriftlichem Gutachten vom selben Tage mit einer MdE um 25 v. H. wegen einer einseitigen Erblindung.
Nach einer von der Klägerin auf Kosten der Beklagten durchgeführten Maßnahme zur Berufsfindung und Arbeitserprobung vom 13. bis 24. März 2000 gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 02. Mai 2000 eine Verletztenrente nach einer MdE um 25 v. H. und erkannte als Folge des Arbeitsunfalls eine Erblindung des rechten Auges an.
Hiergegen erhob die Klägerin am 30. Mai 2000 Widerspruch: Die MdE sei mit 30 v. H. einzuschätzen.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2000 zurück.
Mit Eingangsstempel vom 04. August 2000 gelangte ein augenärztliches Gutachten von Prof. Dr. H/Dr. B, Augenklinik des Klinikums B F, B, vom 01. Juni 2000 zu den Akten der Beklagten. Prof. Dr. H/Dr. B stellten darin nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 05. April 2000 als Unfallfolgen eine Bindehautreizung (rotes Auge), Hornhauttrübung mit Gefäßeinwachsung, Sekundärglaukom (erhöhter Augendruck), Zustand nach Linsenentfernung mit Kunstlinsenimplantation, Verwachsung von Regenbogenhaut und Hornhaut sowie Verlust des Stereosehens, Verlust des Farbsehens rechts mit einer MdE um 30 v. H. fest.
Die Klägerin hat am 18. August 2000 beim Sozialgericht Cottbus Klage erhoben. Zur Begründung ihrer Klage hat sie sich zunächst auf das Ergebnis des augenärztlichen Gutachtens von Prof. Dr. H/Dr. B vom 01. Juni 2000 bezogen sowie nach Erstattung des vom Sozialgericht eingeholten Gutachtens auf dessen Ergebnis.
Das Sozialgericht hat dem schriftsätzlichen Vorbringen der Klägerin als Antrag entnommen,
unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 02. Mai 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2000 die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin ab 25. März 2000 eine Teilrente nach einer MdE von 30 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich zur Begründung ihres Antrages auf eine von ihr vorgelegte schriftliche augenärztliche Stellungnahme von Dr. K vom 15. Oktober 2001 berufen, wonach bei der Klägerin zwar ein erhöhter Augeninnendruck bestünde, dieser aber fälschlich zu hoch gemessen worden sei und es deshalb nicht nachvollziehbar sei, inwieweit Kopfschmerzen durch die Augeninnendruckveränderung bedingt sein sollten; die kosmetische Entstellung sei nicht so groß, dass sie eine Erhöhung der MdE von 25 auf 30 v. H. rechtfertigen würde.
Auf Anforderung des Sozialgerichts hat das A P ärztliche Unterlagen der Klägerin aus seinen Verwaltungsakten übersandt, u. a. ein nach ambulanter Untersuchung der Klägerin erstattetes arbeitsamtsärztliches Gutachten der Fachärztin für Innere Medizin Dr. S vom 29. August 2000.
Nach Einholung eines Befundberichtes des Augenarztes Dipl. Med. R vom 01. Dezember 2000 hat auf Anordnung des Sozialgerichts Prof. Dr. V, Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde der Charité, B, nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 08. August 2001 ein schriftliches Sachverständigengutachten erstattet. In seinen schriftlichen Ausführungen vom 14. September 2001 hat der Sachverständige als Verletzungsfolgen eine "praktische" Erblindung des rechten Auges durch Hornhauttrübungen und Sekundärglaukom festgestellt. Der Funktionsausfall des rechten Auges sei zeitlich verzögert durch den erhöhten Augeninnendruck verursacht. Vorschäden und konstitutionelle Faktoren hätten bei der Erblindung des rechten Auges keine Rolle gespielt. Die MdE betrage 30 v. H.; dabei würden die gelegentlichen Kopfschmerzen durch den erhöhten Augendruck des rechten Auges und die kosmetische Beeinträchtigung durch die weißliche Hornhauttrübung berücksichtigt.
Durch Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 25. Februar 2003 ist die Klage abgewiesen worden. In den Entscheidungsgründen ihres Urteils hat sich die Kammer im Wesentlichen den von der Beklagten durch Vorlage der augenärztlichen Stellungnahme von Dr. K vorgetragenen "Bedenken" angeschlossen. Zu den eine höhere MdE befürwortenden Gutachten wurde ausgeführt, dass ärztliche Schätzungen der MdE zwar bedeutsame, vielfach unentbehrliche Anhaltspunkte seien, die Festsetzung der MdE aber dem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung beziehungsweise dem Sozialgericht obliege. Insbesondere vermöge auch die von den Gutachtern beschriebene kosmetische Beeinträchtigung durch weißliche Hornhauttrübung nach Auffassung des Gerichts keine Erhöhung des MdE-Wertes um 5 v. H. zu rechtfertigen. Darüber hinaus sei dem Gericht bei der Entscheidung über eine MdE Feststellung eine Abweichung von der Bewertung durch den Unfallversicherungsträger von 5 v. H. verwehrt, so dass es nicht zur Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE in Höhe von 30 v. H. verurteilen könne, wenn die Beklagte die MdE im angegriffenen Bescheid mit 25 v. H. festgesetzt habe. Dass die Beklagte dabei von unzutreffenden oder unvollständigen Befunden ausgegangen sei, ihre Bewertung der MdE auf unsachlichen Erwägungen beruhe oder ihre Einschätzung der MdE gefestigten allgemeinen Erfahrungswerten widerspreche, was zur Zulässigkeit einer Abweichung von 5 v. H. führen würde, sei nicht zu erkennen.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 13. August 2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12. September 2003 Berufung beim Landessozialgericht für das Land Brandenburg eingelegt.
Das Landessozialgericht hat von Prof. Dr. V schriftliche Stellungnahmen eingeholt. Am 19. Februar 2004 hat er zunächst ausgeführt, dass die Schätzung der MdE im Ersten Rentengutachten Dipl. Med. R vom 06. Oktober 1999 mit 50 v. H. wahrscheinlich auf die damals noch bestehenden Reizungen des rechten Auges zurückzuführen sei. Dr. K habe in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15. Oktober 2001 eine rein formale Bewertung nach Gramberg-Danielsen vorgenommen, in dem der Verlust eines Auges infolge Unfalls mit 25 % bewertet werde. Dr. K habe einen normalen Druckwert des rechten Auges von Dr. K in seinem Untersuchungsbefund protokolliert. Zwar könne nicht gesagt werden, dass die Druckmessung durch Herrn Dr. K fehlerhaft gewesen sei; der erhöhte Druckwert sei aber für die "Kollegen der Augenklinik des B F" offensichtlich der Grund gewesen, den üblichen gutachterlichen Spielraum bei Vorliegen weiterer, über die normale Erblindung des Auges hinausgehender Beschwerden mit 5 v. H. über der Normeinschätzung zu bewerten. Dem sei er gefolgt. Für einen Nachgutachter sei immer entscheidend, ob ein Besserungsnachweis gegenüber einer früheren Einschätzung erbracht worden sei. Dies sei nicht der Fall, da die Klägerin unverändert einen komplizierten grünen Star mit entsprechenden Beschwerden habe.
Die Beklagte übersandte eine schriftliche Stellungnahme von Dr. K vom 22. März 2004. Prof. Dr. V nahm nach erneuter Durchsicht der Akten Stellung am 11. Mai 2004.
Auf Anforderung des Landessozialgerichts hat Dipl. Med. R einen weiteren Befundbericht unter dem 02. August 2004 erstattet.
Auf weitere gerichtliche Nachfrage ergänzte Prof. Dr. V unter dem 15. Juni 2005 seine bisherigen Ausführungen schriftlich dahingehend, dass zwar in der Unfallbewertung die Erblindung auf 25 % festgelegt worden sei; ein Spielraum bis 35 % bei weiteren Beeinträchtigungen durch Schmerzen oder kosmetische Entstellungen sei aber üblich. Die Diskrepanz in der Bewertung des Augeninnendrucks der Klägerin könne durchaus durch Schwankungen des Drucks beim so genannten Sekundärglaukom erklärt werden. Zweifel an Schmerzen durch erhöhten Augendruck seien nicht angebracht, auch wenn diese nicht objektivierbar seien. Weitere augenärztliche Begutachtungen seien nicht sinnvoll.
In der mündlichen Verhandlung des Senats vom 27. Oktober 2005 hat die Klägerin erklärt, dass sie seit dem Jahre 2001 vollschichtig in einem Bäckerladen in Schichtarbeit beschäftigt sei.
Die Bevollmächtigte der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung Hornhauttrübungen des rechten Auges und ein Sekundärglaukom als weitere Folgen des Arbeitsunfalls vom 16. September 1998 anerkannt.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat nach Annahme dieses abgegebenen Teil-anerkenntnisses beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 25. Februar 2003 und den Bescheid der Beklagten vom 02. Mai 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2000 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr, der Klägerin ab 25. März 2000 Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mehr als 25 v. H. zu gewähren.
Die Bevollmächtigte der Beklagten hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigte die angefochtenen Entscheidungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten (Az.: ) sowie auf die Originalkrankenkarteien der Augenärzte Dr. S, Dipl. Med. R, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, soweit ihr danach auch ab dem 27. Oktober 2005 eine Rente nach einer MdE um 30 v. H. nicht zustünde.
Die Berufung war zurückzuweisen, soweit die Klägerin eine höhere Verletztenrente bereits für die Zeit ab 25. März 2000 beansprucht.
Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 30 v. H. ab dem 27. Oktober 2005. Die Beklagte hat mit dem in der mündlichen Verhandlung des Senates abgegebenen und von der Klägerin angenommenen Anerkenntnis lediglich weitere Unfallfolgen festgestellt, ohne eine höhere Verletztenrente zu gewähren.
Nach § 56 Abs. 2 SGB VII richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Es kommt stets auf die gesamten Umstände des Einzelfalls an.
Dem geltend gemachten Anspruch auf höhere Verletztenrente steht dabei entgegen der Ansicht des Sozialgerichts nicht schon entgegen, dass bei der Zahlung einer Rente nach einer MdE von 30 v. H. lediglich eine Abweichung von der Schätzung der Beklagten um 5 v. H. vorliegt. Zwar hält das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung Abweichungen um 5 v. H. in der Schätzung der MdE durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit gegenüber den Unfallversicherungsträgern nicht für zulässig, weil eine genauere Differenzierung des medizinischen Befundes und der abschließenden Schätzung innerhalb der Einschätzungen eigenen Schwankungsbreite liege (siehe u. a. BSGE 32, 241, 245; 37, 177, 181; 41, 99, 101). Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass im Verwaltungsverfahren die Schätzungsgrundlagen richtig ermittelt worden sind, alle für die Schätzungen wesentlichen Umstände hinreichend gewürdigt sind und die Schätzung selbst nicht auf falschen oder unsachlichen Erwägungen beruht. Ist eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, dann ist auch eine nur um 5 v. H. von der Schätzung der Versicherungsträger abweichende Bewertung der MdE durch das Gericht zulässig. Das Gleiche gilt, wenn der Versicherungsträger einen allgemeinen Erfahrungssatz für die Bewertung bestimmter Verletzungsfolgen nicht beachtet hat oder der Bewertung der MdE erkennbar falsche oder unsachliche Erwägungen zugrunde liegen. Von diesen Rechtsgrundsätzen ist nicht nur bei einer Neufeststellung der Dauerrente wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse, sondern auch dann auszugehen, wenn wie im vorliegenden Fall die erste Feststellung der Dauerrente hier der Höhe nach streitig ist (vgl. nur BSGE 43, 53, 54 f.; 41, 99, 100 f.).
Die Beklagte hat im vorliegenden Fall der Klägerin bei ihrer Schätzung der MdE jedenfalls nicht alle wesentlichen Umstände hinreichend berücksichtigt. Sie hat die von ihr als Unfallfolge anerkannte Hornhauttrübung des rechten Auges der Klägerin bei der Beurteilung der MdE nicht hinreichend gewürdigt.
Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Bei der Beurteilung der MdE sind aber auch die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie von dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend sind, aber Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden und einem ständigen Wandel unterliegen (vgl. BSG SozR 2200 § 581 Nrn. 23 und 27). Bei einer Vielzahl von Unfallfolgen haben sich im Laufe der Zeit für die Schätzung der MdE Erfahrungswerte herausgebildet. Sie sind in Form von Rententabellen oder Empfehlungen zusammengefasst und dienen als Anhaltspunkte für die MdE-Einschätzung im Einzelfall (siehe Zusammenstellung z.B. im Kasseler Kommentar – Ricke, § 56 Rdnrn. 40 ff). Die in den Tabellen und Empfehlungen enthaltenen Richtwerte bilden die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet, und gewährleisten, dass alle Betroffenen bei der medizinischen Begutachtung nach einheitlichen Kriterien beurteilt werden. Insoweit bilden sie ein geeignetes Hilfsmittel zur Einschätzung der MdE.
Für die Beurteilung der MdE bei Augenverletzungen liegen allgemeine Erfahrungssätze vor, die von der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft, dem Berufsverband der Augenärzte Deutschlands, und dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften herausgegeben werden (HV BG Rundschreiben VB Nr. 29/94; vgl. zur Anwendbarkeit bei der MdE- Bewertung BSG, Urteil vom 27. Mai 1986, 2 RU 20/85).
Nach diesen Grundsätzen ist die MdE regelmäßig bei unkomplizierter einseitiger Erblindung und uneingeschränktem Sehverlust des zweiten Auges mit 25 v. H. zu bewerten. Bei Komplikationen durch äußerlich in Erscheinung tretende Veränderungen, wie Beweglichkeitseinschränkung, Ptose, entstellende Narben, chronische Reizzustände oder Notwendigkeit, ein Kunstauge zu tragen, beträgt die MdE 30 v. H., sofern hierdurch zumindest wahrscheinliche Beeinträchtigungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorliegen. Erhöhte Blendempfindlichkeit, Verlust des räumlichen Sehens, aphakiebedingte Gesichtsfeldeinschränkungen und Ähnliches sind bereits in der Sehschärfentabelle insoweit bei der MdE für die einseitige Erblindung enthalten und daher nicht gesondert zu bewerten (siehe Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, Tabelle Seite 382,383). Es gilt der Stand vom 20. April 1994 (vgl. Brackmann/Burchhardt, Handbuch der Sozialversicherung - Gesetzliche Unfallversicherung, § 56 SGB VII, Rdnr. 78).
Nach diesen Maßstäben kommt es für die Beurteilung der MdE für die Unfallfolgen bei der Klägerin bei der als Unfallfolge anerkannten einseitigen Erblindung und dem uneingeschränktem Sehvermögen des zweiten Auges für eine Bewertung oberhalb einer MdE von 25 v. H. ebenso auf Komplikationen an, die durch das nunmehr anerkannte Sekundärglaukom auftreten können, wie auf Entstellungen oder chronische Reizzustände.
Die Würdigung aller Tatsachen nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens - § 128 Abs. 1 SGG - rechtfertigt nach Überzeugung des Senats eine MdE um 30 v. H. ab dem Tage seiner mündlichen Verhandlung. Entscheidend hierfür ist die Bewertung der Wirkung der anerkannten Hornhauttrübungen des rechten Auges der Klägerin, nicht hingegen die Berücksichtigung des Sekundärglaukoms des rechten Auges und angeschuldigter dadurch verursachter zusätzlicher Kopfschmerzen.
Der Senat geht dabei – unter Berücksichtigung der Sehschärfentabelle 1981 (abgedruckt bei Schönberger/Mehrtens/Valentin, Seite 382) - von einer MdE um 25 v. H. für das fast völlig aufgehobene Sehvermögen der Klägerin auf dem rechten Auge bei uneingeschränktem Sehvermögen auf dem linken Auge aus. Auch nach Ansicht aller im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren tätig gewordenen Sachverständigen ergibt sich aus den Sehschärfen des rechten und linken Auges der Klägerin allein allenfalls eine MdE um 25 v. H.
Entscheidend für die Bewertung der Folgen des Arbeitsunfalls vom 16. September 1998 mit einer MdE von 30 v. H. ist für den Senat die Wirkung der Hornhauttrübungen des rechten Auges der Klägerin. Sie sind nach der vom Senat in der mündlichen Verhandlung durchgeführten Augenscheinseinnahme entstellend, denn sie weichen erkennbar von der Norm der gesellschaftlichen ästhetischen Vorstellungen ab. Die Entstellung ist auch erheblich, sie vermindert wahrscheinlich die Arbeitsmöglichkeiten der Klägerin auf dem Gesamtgebiet des allgemeinen Erwerbslebens, sie vermindert die "Arbeitsangebotsfähigkeit" der Klägerin. Die weißliche Trübung des rechten Auges der Klägerin weicht von dem physiologischen Normalzustand eines Auges aus der Sicht eines nicht medizinisch vorgebildeten und tätigen, normal -empfindenden und -reagierenden erwachsenen Außenstehenden, wie sie die Mitglieder des Senates, auf deren Überzeugungsbildung aus eigener Anschauung es ankommt, darstellen, so weit ab, dass sie zu einem Gefühl des Erschreckens führt. Die Abweichung von der Norm der ästhetischen Vorstellungen ist doch so stark, dass der Senat auch davon ausgeht, dass die Kontaktaufnahme Dritter mit der Klägerin, auf die es z. B. bei "Kontaktberufen" im Dienstleistungssektor ankommt, eher vermieden wird.
Der Senat orientiert sich bei seiner Einschätzung, dass die entstellend wirkenden Hornhauttrübungen des rechten Auges der Klägerin eine MdE um 30 v. H. rechtfertigt, auch daran, dass bereits "kosmetisch nur wenig störende Entstellungen" nach den bei Schönberger/Mehrtens/Valentin (S. 342) abgedruckten "Erfahrungswerten" mit einer MdE um 10 v. H. bewertet werden. Um so eher muss die erhebliche Entstellung des rechten Auges der Klägerin als Komplikation zu dem mit einer MdE von 25 v. H. bewerteten einseitigen Verlust der Sehkraft der Klägerin zu einer Erhöhung der MdE auf 30 v. H. führen. Im Übrigen hat auch der Sachverständige Prof. Dr. V als Mitursache für seine Beurteilung der Unfallfolgen der Klägerin am rechten Auge mit 30 v. H. die kosmetische Beeinträchtigung angegeben, ohne sich allerdings zu deren Schwere konkret weiter zu äußern.
Als Zeitpunkt der Gewährung einer erhöhten Verletztenrente kam für den Senat erst der Tag der Augenscheineinnahme in Betracht, da erst zu diesem Zeitpunkt die notwendige Feststellung der Entstellung und ihres Ausmaßes durch den Senat getroffen werden konnte. Auch wenn in den Behandlungsunterlagen von Dr. S in einem Befundbericht an die DEBEKA, Allgemeine Versicherung AG vom 22. Juni 2000 bereits die Rede von einer "zunehmenden Hornhaut-Trübung " ist, lässt sich daraus ein Nachweis für die Schwere der Komplikation, wie sie durch den Senat erst später durch Augenscheineinnahme am 27. Oktober 2005 festgestellt werden konnte, nicht erbringen. Das Sozialgericht Cottbus hat hierzu keine Feststellungen treffen können, weil die Klägerin in der der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung nicht anwesend war. Die Klägerin selbst hat vorgetragen, die sichtbaren Veränderungen hätten sich erst "in den letzten Jahren" – insbesondere ab der Begutachtung durch Dr. K im Jahr 1999 – fortlaufend verändert, sodass auch dessen Beurteilung dazu keine sichere Grundlage für Feststellungen zu einer entstellenden Wirkung der Hornhauttrübungen bietet ...
Das Sekundärglaukom des rechten Auges und dadurch verursachte zusätzliche Kopfschmerzen, im Sinne von fast täglich auftretendem stechendem Schmerz, wie die Klägerin ihn geltend macht, vermögen nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens eine höhere Bewertung der MdE und auch einen früheren Rentenbezugszeitpunkt als den vom Senat festgestellten nicht zu begründen.
Es lässt sich bereits kein zumindest wahrscheinlicher Eintritt einer Beeinträchtigung der Klägerin durch diese Schmerzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, feststellen. Die Klägerin wäre dort durch sie wahrscheinlich nicht zusätzlich beeinträchtigt. Sie schildert Art und Ausmaß ihrer Kopfschmerzen eher im Sinne von Glaukomanfällen "insbesondere" (Schriftsatz der Klägerin vom 26. Oktober 2005) bei körperlicher Anstrengung. Anamnestisch werden die Kopfschmerzen in den vorhandenen medizinischen Gutachten im Wesentlichen nur vom behandelnden Augenarzt Dipl. Med. R erwähnt – so als "intermittierende Kopfschmerzen" bei sekundärem Glaukom (vgl. dessen Erstes Rentengutachten vom 08. November 1999; nicht mehr beschrieben in seinen Befundberichten vom 01. Dezember 2000 und 02. August 2004). Entsprechend ist die Klägerin, wie sie erst in der mündlichen Verhandlung am 27. Oktober 2005 vorgetragen hat, bereits seit dem Jahre 2001 vollschichtig und in Schichtarbeit in einem Bäckerladen tätig, ohne qualitativ in ihrer Tätigkeit beeinträchtigt zu sein; von zusätzlichen Pausen oder anderem, mit Rücksicht auf ihre Verletzungen des rechten Auges notwendigen Einschränkungen bei ihrer Arbeit ist keine Rede.
Soweit der Sachverständige Prof. Dr. V in seinem Gutachten vom 14. September 2001 zu einer Bewertung der MdE mit 30 v. H. auch unter Berücksichtigung von gelegentlichen Kopfschmerzen gekommen ist, hat er dies nur zusammen mit einer kosmetischer Beeinträchtigung durch die weißliche Hornhauttrübung als Mitursache begründet; er hat auf Nachfrage im Berufungsverfahren (fachärztliche schriftliche Stellungnahme vom 19. Februar 2004, Seite 2) dann aber erklärt, dass der erhöhte Augeninnendruckwert für die Gutachter Prof. Dr. H/Dr. B im Verwaltungsverfahren ("die Kollegen der Augenklinik des B F") der Grund gewesen sei, den "üblichen gutachterlichen Spielraum" bei Vorliegen weiterer, über die normale Erblindung des Auges hinausgehender Beschwerden mit 5 % über der Normeinschätzung zu bewerten; Drucksteigerungen könnten beim Patienten quälende Kopfschmerzen verursachen, die man durchaus gutachterlich in diesem Sinne berücksichtigen könne. Für einen Nachgutachter (damit meint Prof. Dr. V sich selbst) sei immer entscheidend, ob ein Besserungsnachweis gegenüber einer früheren Einschätzung zu erbringen sei. Dieses sei nicht der Fall, da die Patientin (d. h. die Klägerin) unverändert ein Sekundärglaukom (komplizierter grüner Star) rechts mit entsprechenden Beschwerden habe. Diese Begründung einer MdE um 30 v. H. ist jedenfalls nicht überzeugend für den Senat. Abgesehen davon, dass es für die eigene Beurteilung eines Sachverständigen nicht darauf ankommen kann, ob bereits Kollegen vor ihm eine entsprechende Diagnose gestellt haben oder nicht, und es hier bei der Erstfeststellung einer Dauerrente darüber hinaus auch nicht darauf ankommt, einen Besserungsnachweis zu führen, hat Prof. Dr. V trotz umfassender Stellungnahme nicht mitgeteilt, welche Funktionen, die für die Erwerbsfähigkeit Bedeutung haben, durch die Kopfschmerzen der Klägerin beeinträchtigt werden und in welchem Maße. Darüber hinaus hat er ebenfalls nicht ausgeführt, welche für das Erwerbsleben typischen und gängigen Anforderungen (z. B. Konzentrationsvermögen) bei der Klägerin durch die unfallverursachten Kopfschmerzen beschränkt sein sollen, soweit sie nicht bereits durch die Erblindung des rechten Auges selbst erfasst werden.
Aus dem weiteren Inhalt der dem Senat vorliegenden Akten lässt sich eine zusätzliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Klägerin durch Kopfschmerzen jedenfalls nicht feststellen. So lassen sich auch im Ergebnisbericht zur Berufsfindung und Arbeitserprobung des Berufsförderungswerkes B vom 06. April 2000 aus Anlass der Maßnahme zur Berufsfindung und Arbeitserprobung vom 13. bis 24. März 2000 im Berufsförderungswerk B Einschränkungen der Klägerin aufgrund von Kopfschmerzen nicht finden.
Die Klägerin hat Kopfschmerzen, die sie von der Ausübung bestimmter Tätigkeiten ausschließen könnten, weder bei den von ihr mit der Diplom-Psychologin S oder dem Arzt Dr. K geführten Gesprächen im Berufsförderungswerk erwähnt, noch geben die im Berufsförderungswerk über die Dauer von einer Woche durchgeführten Untersuchungen Hinweise auf kopfschmerzbedingte Leistungseinschränkungen der Klägerin. Die Klägerin hat "im Erstgespräch" mit der Diplom-Psychologin S angegeben, dass sie sich besonders für eine Ausbildung zur Politesse, Floristin oder im Rettungsdienst interessieren würde. Deutlich ablehnend hat sie sich nur gegenüber bürobezogenen bzw. Berufen im kaufmännischen Berufsfeld geäußert, da sie sich hier ihrer dann auch in der psychologischen Eignungsuntersuchung beziehungsweise in der praktischen Arbeitserprobung festgestellten Leistungsschwäche bewusst gewesen ist (Seite 3 des Erprobungsberichtes). Deutliche Einschränkungen ergaben sich auf medizinischem Gebiet aufgrund des nicht vorhandenen räumlichen Sehens der Klägerin vor allem bei Tätigkeiten am PC und bei einer Lötübung im Rahmen der praktischen Erprobung (Seite 3 des Erprobungsberichtes). In der sozialmedizinischen Beurteilung vom 14. März 2000 ist festgehalten, dass die Klägerin bei voll funktionstüchtigem einäugigem Sehvermögen einsatzfähig für normale Sehaufgaben, auch für gelegentliches Bildschirmsehen, gegebenenfalls auch ausbildungsmäßig, in Betracht käme; lediglich erhöhte Anforderungen an das Sehvermögen wie auch ein eigentlicher Bildschirmarbeitsplatz wurden ausgeschlossen. Von Einschränkungen durch Kopfschmerzen der Klägerin ist auch in der sozialmedizinischen Beurteilung keine Rede. Zur Begründung dafür, dass die Klägerin nach der sozialmedizinischen Beurteilung vom Berufsförderungswerk B für Arbeiten unter erhöhtem Zeitdruck, im Akkord oder anderweitig erhöhter Stressbelastung "nicht sehr geeignet" erschien, wird auf ihre "Persönlichkeit" abgestellt, nicht auf Einschränkungen gesundheitlicher Art. Im Ergebnis der psychologischen Eignungsuntersuchung, die im Berufsförderungswerk B durchgeführt worden ist, heißt es zum "Leistungsbild" der Klägerin (Seite 4 des Erprobungsberichtes) u. a., dass sie die gegebenen Testanweisungen ohne größere Schwierigkeiten verstanden und befolgt habe und die Aufgaben insgesamt "konzentriert" und "mit angemessenem Zeitaufwand" bearbeitet habe; auch hier ist von Beeinträchtigungen durch Kopfschmerzen nicht die Rede, obwohl Aufgaben zur numerischen Intelligenz, sprachlichem Denkvermögen und Umgang mit figural bildhaftem Material zu bearbeiten waren, die bei Vorhandensein von Kopfschmerzen zur Überzeugung des Senats nicht wie beschrieben, "konzentriert" und "mit angemessenem Zeitaufwand" zu bewältigen gewesen wären.
Auch das auf ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 29. August 2000 beruhende arbeitsamtsärztliche Gutachten der Fachärztin für Innere Medizin Dr. S vom 29. August 2000 lässt nicht erkennen, dass die Klägerin wegen Kopfschmerzen in ihrem Restleistungsvermögen eingeschränkt gewesen ist. Dr. S hat die Klägerin für in der Lage gehalten, vollschichtig in Tages-, Früh- und Spätschicht ohne Nachtschicht leichte und mittelschwere körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung auszuüben, wobei Tätigkeiten mit schwerem Heben und Tragen ebenso vermieden werden sollten wie Arbeiten mit Absturzrisiken und Verletzungsgefahren. Auch Tätigkeiten mit hoher Staub-, Rauch-, Gas- und Dampfexposition seien auszuschließen. Anforderungen an das räumliche und das beidäugige Sehen seien nicht zu stellen. Die ihr von der Klägerin geschilderten Kopfschmerzen haben nach Einschätzung von Dr. S somit keinen weiteren einschränkenden Einfluss auf die der Klägerin zumutbaren Belastungen gehabt.
Darüber hinaus sind die angegebenen Kopfschmerzen nicht zweifelsfrei feststellbar. Sie sind weder objektiviert noch ärztlich dokumentiert, obgleich eine umfassende Dokumentation über ärztliche Konsultationen mit den beigezogenen Krankenkarteien behandelnder Ärzte dem Senat vorliegt.
Soweit sowohl der behandelnde Augenarzt der Klägerin Dipl. Med. R als auch die Fachärztin für Innere Medizin Dr. S (arbeitsamtsärztliches Gutachten vom 29. August 2000) als auch der für die sozialmedizinische Beurteilung der Klägerin anlässlich ihrer Arbeitserprobung im Berufsförderungswerk verantwortliche Arzt Dr. K (sozialmedizinische Beurteilung vom 14. März 2000) Tätigkeiten der Klägerin mit Staub-, Rauch-, Gas- und Dampfexposition zur Vermeidung eines Risikos bei nur einem voll funktionstüchtigen Auge ausschließen, rechtfertigt dies nicht eine höhere MdE Einschätzung zu einem früheren Zeitpunkt. Denn der Ausschluss dieser Tätigkeiten bedeutet nicht, dass die körperlichen oder geistigen Kräfte der Klägerin durch die Unfallfolgen weiter eingeschränkt sind. Das Verbot dient der Vorbeugung vor weiteren Unfällen, stellt insoweit also keine weitere medizinisch bedeutsame Komplikation dar, die bei der Bemessung der MdE zu beachten wäre (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 1994, 2 RU 13/93, HV BG Info 1994, 1214 bis 1217). Darüber hinaus lassen sich solche Expositionen durch Tragen einer Schutzbrille vermeiden.
Die Kostenentscheidung entspricht dem Ausgang des Verfahrens (§ 193 Abs. 1 S. 1 SGG). Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da hierfür die Voraussetzungen nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten höhere Verletztenrente als der bisher gezahlten.
Die 1958 geborene Klägerin, von Beruf Facharbeiterin für Rinderproduktion, zuletzt beschäftigt als Melkerin, verletzte sich in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit am 16. September 1998 das rechte Auge, als ihr Spritzer eines Desinfektionsmittels ins rechte Auge gerieten.
Die Klägerin befand sich danach in durchgangsärztlicher und zweimaliger stationärer Behandlung, auch wegen auftretender Komplikationen (erhöhte Augendruckwerte rechts, fast aufgehobene Vorderkammer des rechten Auges). Im Juni 1999 wurde die Linse des rechten Auges operativ entfernt und eine Kunstlinse implantiert.
Am 08. November 1999 erstellte der behandelnde Augenarzt der Klägerin Dipl. Med. R ein Erstes Rentengutachten für die Beklagte. Als wesentliche Unfallfolgen gab er eine "Hornhauttrübung zurzeit, möglich N. opticus Schaden durch Glaukom" an. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte er mit 50 v. H. ein.
Die Beklagte ließ ein weiteres Rentengutachten vom Augenarzt Dr. K erstellen. Er bewertete die Verletzungsfolgen nach seiner ambulanten Untersuchung der Klägerin vom 20. Dezember 1999 mit schriftlichem Gutachten vom selben Tage mit einer MdE um 25 v. H. wegen einer einseitigen Erblindung.
Nach einer von der Klägerin auf Kosten der Beklagten durchgeführten Maßnahme zur Berufsfindung und Arbeitserprobung vom 13. bis 24. März 2000 gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 02. Mai 2000 eine Verletztenrente nach einer MdE um 25 v. H. und erkannte als Folge des Arbeitsunfalls eine Erblindung des rechten Auges an.
Hiergegen erhob die Klägerin am 30. Mai 2000 Widerspruch: Die MdE sei mit 30 v. H. einzuschätzen.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2000 zurück.
Mit Eingangsstempel vom 04. August 2000 gelangte ein augenärztliches Gutachten von Prof. Dr. H/Dr. B, Augenklinik des Klinikums B F, B, vom 01. Juni 2000 zu den Akten der Beklagten. Prof. Dr. H/Dr. B stellten darin nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 05. April 2000 als Unfallfolgen eine Bindehautreizung (rotes Auge), Hornhauttrübung mit Gefäßeinwachsung, Sekundärglaukom (erhöhter Augendruck), Zustand nach Linsenentfernung mit Kunstlinsenimplantation, Verwachsung von Regenbogenhaut und Hornhaut sowie Verlust des Stereosehens, Verlust des Farbsehens rechts mit einer MdE um 30 v. H. fest.
Die Klägerin hat am 18. August 2000 beim Sozialgericht Cottbus Klage erhoben. Zur Begründung ihrer Klage hat sie sich zunächst auf das Ergebnis des augenärztlichen Gutachtens von Prof. Dr. H/Dr. B vom 01. Juni 2000 bezogen sowie nach Erstattung des vom Sozialgericht eingeholten Gutachtens auf dessen Ergebnis.
Das Sozialgericht hat dem schriftsätzlichen Vorbringen der Klägerin als Antrag entnommen,
unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 02. Mai 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2000 die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin ab 25. März 2000 eine Teilrente nach einer MdE von 30 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich zur Begründung ihres Antrages auf eine von ihr vorgelegte schriftliche augenärztliche Stellungnahme von Dr. K vom 15. Oktober 2001 berufen, wonach bei der Klägerin zwar ein erhöhter Augeninnendruck bestünde, dieser aber fälschlich zu hoch gemessen worden sei und es deshalb nicht nachvollziehbar sei, inwieweit Kopfschmerzen durch die Augeninnendruckveränderung bedingt sein sollten; die kosmetische Entstellung sei nicht so groß, dass sie eine Erhöhung der MdE von 25 auf 30 v. H. rechtfertigen würde.
Auf Anforderung des Sozialgerichts hat das A P ärztliche Unterlagen der Klägerin aus seinen Verwaltungsakten übersandt, u. a. ein nach ambulanter Untersuchung der Klägerin erstattetes arbeitsamtsärztliches Gutachten der Fachärztin für Innere Medizin Dr. S vom 29. August 2000.
Nach Einholung eines Befundberichtes des Augenarztes Dipl. Med. R vom 01. Dezember 2000 hat auf Anordnung des Sozialgerichts Prof. Dr. V, Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde der Charité, B, nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 08. August 2001 ein schriftliches Sachverständigengutachten erstattet. In seinen schriftlichen Ausführungen vom 14. September 2001 hat der Sachverständige als Verletzungsfolgen eine "praktische" Erblindung des rechten Auges durch Hornhauttrübungen und Sekundärglaukom festgestellt. Der Funktionsausfall des rechten Auges sei zeitlich verzögert durch den erhöhten Augeninnendruck verursacht. Vorschäden und konstitutionelle Faktoren hätten bei der Erblindung des rechten Auges keine Rolle gespielt. Die MdE betrage 30 v. H.; dabei würden die gelegentlichen Kopfschmerzen durch den erhöhten Augendruck des rechten Auges und die kosmetische Beeinträchtigung durch die weißliche Hornhauttrübung berücksichtigt.
Durch Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 25. Februar 2003 ist die Klage abgewiesen worden. In den Entscheidungsgründen ihres Urteils hat sich die Kammer im Wesentlichen den von der Beklagten durch Vorlage der augenärztlichen Stellungnahme von Dr. K vorgetragenen "Bedenken" angeschlossen. Zu den eine höhere MdE befürwortenden Gutachten wurde ausgeführt, dass ärztliche Schätzungen der MdE zwar bedeutsame, vielfach unentbehrliche Anhaltspunkte seien, die Festsetzung der MdE aber dem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung beziehungsweise dem Sozialgericht obliege. Insbesondere vermöge auch die von den Gutachtern beschriebene kosmetische Beeinträchtigung durch weißliche Hornhauttrübung nach Auffassung des Gerichts keine Erhöhung des MdE-Wertes um 5 v. H. zu rechtfertigen. Darüber hinaus sei dem Gericht bei der Entscheidung über eine MdE Feststellung eine Abweichung von der Bewertung durch den Unfallversicherungsträger von 5 v. H. verwehrt, so dass es nicht zur Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE in Höhe von 30 v. H. verurteilen könne, wenn die Beklagte die MdE im angegriffenen Bescheid mit 25 v. H. festgesetzt habe. Dass die Beklagte dabei von unzutreffenden oder unvollständigen Befunden ausgegangen sei, ihre Bewertung der MdE auf unsachlichen Erwägungen beruhe oder ihre Einschätzung der MdE gefestigten allgemeinen Erfahrungswerten widerspreche, was zur Zulässigkeit einer Abweichung von 5 v. H. führen würde, sei nicht zu erkennen.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 13. August 2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12. September 2003 Berufung beim Landessozialgericht für das Land Brandenburg eingelegt.
Das Landessozialgericht hat von Prof. Dr. V schriftliche Stellungnahmen eingeholt. Am 19. Februar 2004 hat er zunächst ausgeführt, dass die Schätzung der MdE im Ersten Rentengutachten Dipl. Med. R vom 06. Oktober 1999 mit 50 v. H. wahrscheinlich auf die damals noch bestehenden Reizungen des rechten Auges zurückzuführen sei. Dr. K habe in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15. Oktober 2001 eine rein formale Bewertung nach Gramberg-Danielsen vorgenommen, in dem der Verlust eines Auges infolge Unfalls mit 25 % bewertet werde. Dr. K habe einen normalen Druckwert des rechten Auges von Dr. K in seinem Untersuchungsbefund protokolliert. Zwar könne nicht gesagt werden, dass die Druckmessung durch Herrn Dr. K fehlerhaft gewesen sei; der erhöhte Druckwert sei aber für die "Kollegen der Augenklinik des B F" offensichtlich der Grund gewesen, den üblichen gutachterlichen Spielraum bei Vorliegen weiterer, über die normale Erblindung des Auges hinausgehender Beschwerden mit 5 v. H. über der Normeinschätzung zu bewerten. Dem sei er gefolgt. Für einen Nachgutachter sei immer entscheidend, ob ein Besserungsnachweis gegenüber einer früheren Einschätzung erbracht worden sei. Dies sei nicht der Fall, da die Klägerin unverändert einen komplizierten grünen Star mit entsprechenden Beschwerden habe.
Die Beklagte übersandte eine schriftliche Stellungnahme von Dr. K vom 22. März 2004. Prof. Dr. V nahm nach erneuter Durchsicht der Akten Stellung am 11. Mai 2004.
Auf Anforderung des Landessozialgerichts hat Dipl. Med. R einen weiteren Befundbericht unter dem 02. August 2004 erstattet.
Auf weitere gerichtliche Nachfrage ergänzte Prof. Dr. V unter dem 15. Juni 2005 seine bisherigen Ausführungen schriftlich dahingehend, dass zwar in der Unfallbewertung die Erblindung auf 25 % festgelegt worden sei; ein Spielraum bis 35 % bei weiteren Beeinträchtigungen durch Schmerzen oder kosmetische Entstellungen sei aber üblich. Die Diskrepanz in der Bewertung des Augeninnendrucks der Klägerin könne durchaus durch Schwankungen des Drucks beim so genannten Sekundärglaukom erklärt werden. Zweifel an Schmerzen durch erhöhten Augendruck seien nicht angebracht, auch wenn diese nicht objektivierbar seien. Weitere augenärztliche Begutachtungen seien nicht sinnvoll.
In der mündlichen Verhandlung des Senats vom 27. Oktober 2005 hat die Klägerin erklärt, dass sie seit dem Jahre 2001 vollschichtig in einem Bäckerladen in Schichtarbeit beschäftigt sei.
Die Bevollmächtigte der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung Hornhauttrübungen des rechten Auges und ein Sekundärglaukom als weitere Folgen des Arbeitsunfalls vom 16. September 1998 anerkannt.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat nach Annahme dieses abgegebenen Teil-anerkenntnisses beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 25. Februar 2003 und den Bescheid der Beklagten vom 02. Mai 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2000 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr, der Klägerin ab 25. März 2000 Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mehr als 25 v. H. zu gewähren.
Die Bevollmächtigte der Beklagten hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigte die angefochtenen Entscheidungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten (Az.: ) sowie auf die Originalkrankenkarteien der Augenärzte Dr. S, Dipl. Med. R, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, soweit ihr danach auch ab dem 27. Oktober 2005 eine Rente nach einer MdE um 30 v. H. nicht zustünde.
Die Berufung war zurückzuweisen, soweit die Klägerin eine höhere Verletztenrente bereits für die Zeit ab 25. März 2000 beansprucht.
Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 30 v. H. ab dem 27. Oktober 2005. Die Beklagte hat mit dem in der mündlichen Verhandlung des Senates abgegebenen und von der Klägerin angenommenen Anerkenntnis lediglich weitere Unfallfolgen festgestellt, ohne eine höhere Verletztenrente zu gewähren.
Nach § 56 Abs. 2 SGB VII richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Es kommt stets auf die gesamten Umstände des Einzelfalls an.
Dem geltend gemachten Anspruch auf höhere Verletztenrente steht dabei entgegen der Ansicht des Sozialgerichts nicht schon entgegen, dass bei der Zahlung einer Rente nach einer MdE von 30 v. H. lediglich eine Abweichung von der Schätzung der Beklagten um 5 v. H. vorliegt. Zwar hält das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung Abweichungen um 5 v. H. in der Schätzung der MdE durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit gegenüber den Unfallversicherungsträgern nicht für zulässig, weil eine genauere Differenzierung des medizinischen Befundes und der abschließenden Schätzung innerhalb der Einschätzungen eigenen Schwankungsbreite liege (siehe u. a. BSGE 32, 241, 245; 37, 177, 181; 41, 99, 101). Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass im Verwaltungsverfahren die Schätzungsgrundlagen richtig ermittelt worden sind, alle für die Schätzungen wesentlichen Umstände hinreichend gewürdigt sind und die Schätzung selbst nicht auf falschen oder unsachlichen Erwägungen beruht. Ist eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, dann ist auch eine nur um 5 v. H. von der Schätzung der Versicherungsträger abweichende Bewertung der MdE durch das Gericht zulässig. Das Gleiche gilt, wenn der Versicherungsträger einen allgemeinen Erfahrungssatz für die Bewertung bestimmter Verletzungsfolgen nicht beachtet hat oder der Bewertung der MdE erkennbar falsche oder unsachliche Erwägungen zugrunde liegen. Von diesen Rechtsgrundsätzen ist nicht nur bei einer Neufeststellung der Dauerrente wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse, sondern auch dann auszugehen, wenn wie im vorliegenden Fall die erste Feststellung der Dauerrente hier der Höhe nach streitig ist (vgl. nur BSGE 43, 53, 54 f.; 41, 99, 100 f.).
Die Beklagte hat im vorliegenden Fall der Klägerin bei ihrer Schätzung der MdE jedenfalls nicht alle wesentlichen Umstände hinreichend berücksichtigt. Sie hat die von ihr als Unfallfolge anerkannte Hornhauttrübung des rechten Auges der Klägerin bei der Beurteilung der MdE nicht hinreichend gewürdigt.
Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Bei der Beurteilung der MdE sind aber auch die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie von dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend sind, aber Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden und einem ständigen Wandel unterliegen (vgl. BSG SozR 2200 § 581 Nrn. 23 und 27). Bei einer Vielzahl von Unfallfolgen haben sich im Laufe der Zeit für die Schätzung der MdE Erfahrungswerte herausgebildet. Sie sind in Form von Rententabellen oder Empfehlungen zusammengefasst und dienen als Anhaltspunkte für die MdE-Einschätzung im Einzelfall (siehe Zusammenstellung z.B. im Kasseler Kommentar – Ricke, § 56 Rdnrn. 40 ff). Die in den Tabellen und Empfehlungen enthaltenen Richtwerte bilden die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet, und gewährleisten, dass alle Betroffenen bei der medizinischen Begutachtung nach einheitlichen Kriterien beurteilt werden. Insoweit bilden sie ein geeignetes Hilfsmittel zur Einschätzung der MdE.
Für die Beurteilung der MdE bei Augenverletzungen liegen allgemeine Erfahrungssätze vor, die von der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft, dem Berufsverband der Augenärzte Deutschlands, und dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften herausgegeben werden (HV BG Rundschreiben VB Nr. 29/94; vgl. zur Anwendbarkeit bei der MdE- Bewertung BSG, Urteil vom 27. Mai 1986, 2 RU 20/85).
Nach diesen Grundsätzen ist die MdE regelmäßig bei unkomplizierter einseitiger Erblindung und uneingeschränktem Sehverlust des zweiten Auges mit 25 v. H. zu bewerten. Bei Komplikationen durch äußerlich in Erscheinung tretende Veränderungen, wie Beweglichkeitseinschränkung, Ptose, entstellende Narben, chronische Reizzustände oder Notwendigkeit, ein Kunstauge zu tragen, beträgt die MdE 30 v. H., sofern hierdurch zumindest wahrscheinliche Beeinträchtigungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorliegen. Erhöhte Blendempfindlichkeit, Verlust des räumlichen Sehens, aphakiebedingte Gesichtsfeldeinschränkungen und Ähnliches sind bereits in der Sehschärfentabelle insoweit bei der MdE für die einseitige Erblindung enthalten und daher nicht gesondert zu bewerten (siehe Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, Tabelle Seite 382,383). Es gilt der Stand vom 20. April 1994 (vgl. Brackmann/Burchhardt, Handbuch der Sozialversicherung - Gesetzliche Unfallversicherung, § 56 SGB VII, Rdnr. 78).
Nach diesen Maßstäben kommt es für die Beurteilung der MdE für die Unfallfolgen bei der Klägerin bei der als Unfallfolge anerkannten einseitigen Erblindung und dem uneingeschränktem Sehvermögen des zweiten Auges für eine Bewertung oberhalb einer MdE von 25 v. H. ebenso auf Komplikationen an, die durch das nunmehr anerkannte Sekundärglaukom auftreten können, wie auf Entstellungen oder chronische Reizzustände.
Die Würdigung aller Tatsachen nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens - § 128 Abs. 1 SGG - rechtfertigt nach Überzeugung des Senats eine MdE um 30 v. H. ab dem Tage seiner mündlichen Verhandlung. Entscheidend hierfür ist die Bewertung der Wirkung der anerkannten Hornhauttrübungen des rechten Auges der Klägerin, nicht hingegen die Berücksichtigung des Sekundärglaukoms des rechten Auges und angeschuldigter dadurch verursachter zusätzlicher Kopfschmerzen.
Der Senat geht dabei – unter Berücksichtigung der Sehschärfentabelle 1981 (abgedruckt bei Schönberger/Mehrtens/Valentin, Seite 382) - von einer MdE um 25 v. H. für das fast völlig aufgehobene Sehvermögen der Klägerin auf dem rechten Auge bei uneingeschränktem Sehvermögen auf dem linken Auge aus. Auch nach Ansicht aller im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren tätig gewordenen Sachverständigen ergibt sich aus den Sehschärfen des rechten und linken Auges der Klägerin allein allenfalls eine MdE um 25 v. H.
Entscheidend für die Bewertung der Folgen des Arbeitsunfalls vom 16. September 1998 mit einer MdE von 30 v. H. ist für den Senat die Wirkung der Hornhauttrübungen des rechten Auges der Klägerin. Sie sind nach der vom Senat in der mündlichen Verhandlung durchgeführten Augenscheinseinnahme entstellend, denn sie weichen erkennbar von der Norm der gesellschaftlichen ästhetischen Vorstellungen ab. Die Entstellung ist auch erheblich, sie vermindert wahrscheinlich die Arbeitsmöglichkeiten der Klägerin auf dem Gesamtgebiet des allgemeinen Erwerbslebens, sie vermindert die "Arbeitsangebotsfähigkeit" der Klägerin. Die weißliche Trübung des rechten Auges der Klägerin weicht von dem physiologischen Normalzustand eines Auges aus der Sicht eines nicht medizinisch vorgebildeten und tätigen, normal -empfindenden und -reagierenden erwachsenen Außenstehenden, wie sie die Mitglieder des Senates, auf deren Überzeugungsbildung aus eigener Anschauung es ankommt, darstellen, so weit ab, dass sie zu einem Gefühl des Erschreckens führt. Die Abweichung von der Norm der ästhetischen Vorstellungen ist doch so stark, dass der Senat auch davon ausgeht, dass die Kontaktaufnahme Dritter mit der Klägerin, auf die es z. B. bei "Kontaktberufen" im Dienstleistungssektor ankommt, eher vermieden wird.
Der Senat orientiert sich bei seiner Einschätzung, dass die entstellend wirkenden Hornhauttrübungen des rechten Auges der Klägerin eine MdE um 30 v. H. rechtfertigt, auch daran, dass bereits "kosmetisch nur wenig störende Entstellungen" nach den bei Schönberger/Mehrtens/Valentin (S. 342) abgedruckten "Erfahrungswerten" mit einer MdE um 10 v. H. bewertet werden. Um so eher muss die erhebliche Entstellung des rechten Auges der Klägerin als Komplikation zu dem mit einer MdE von 25 v. H. bewerteten einseitigen Verlust der Sehkraft der Klägerin zu einer Erhöhung der MdE auf 30 v. H. führen. Im Übrigen hat auch der Sachverständige Prof. Dr. V als Mitursache für seine Beurteilung der Unfallfolgen der Klägerin am rechten Auge mit 30 v. H. die kosmetische Beeinträchtigung angegeben, ohne sich allerdings zu deren Schwere konkret weiter zu äußern.
Als Zeitpunkt der Gewährung einer erhöhten Verletztenrente kam für den Senat erst der Tag der Augenscheineinnahme in Betracht, da erst zu diesem Zeitpunkt die notwendige Feststellung der Entstellung und ihres Ausmaßes durch den Senat getroffen werden konnte. Auch wenn in den Behandlungsunterlagen von Dr. S in einem Befundbericht an die DEBEKA, Allgemeine Versicherung AG vom 22. Juni 2000 bereits die Rede von einer "zunehmenden Hornhaut-Trübung " ist, lässt sich daraus ein Nachweis für die Schwere der Komplikation, wie sie durch den Senat erst später durch Augenscheineinnahme am 27. Oktober 2005 festgestellt werden konnte, nicht erbringen. Das Sozialgericht Cottbus hat hierzu keine Feststellungen treffen können, weil die Klägerin in der der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung nicht anwesend war. Die Klägerin selbst hat vorgetragen, die sichtbaren Veränderungen hätten sich erst "in den letzten Jahren" – insbesondere ab der Begutachtung durch Dr. K im Jahr 1999 – fortlaufend verändert, sodass auch dessen Beurteilung dazu keine sichere Grundlage für Feststellungen zu einer entstellenden Wirkung der Hornhauttrübungen bietet ...
Das Sekundärglaukom des rechten Auges und dadurch verursachte zusätzliche Kopfschmerzen, im Sinne von fast täglich auftretendem stechendem Schmerz, wie die Klägerin ihn geltend macht, vermögen nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens eine höhere Bewertung der MdE und auch einen früheren Rentenbezugszeitpunkt als den vom Senat festgestellten nicht zu begründen.
Es lässt sich bereits kein zumindest wahrscheinlicher Eintritt einer Beeinträchtigung der Klägerin durch diese Schmerzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, feststellen. Die Klägerin wäre dort durch sie wahrscheinlich nicht zusätzlich beeinträchtigt. Sie schildert Art und Ausmaß ihrer Kopfschmerzen eher im Sinne von Glaukomanfällen "insbesondere" (Schriftsatz der Klägerin vom 26. Oktober 2005) bei körperlicher Anstrengung. Anamnestisch werden die Kopfschmerzen in den vorhandenen medizinischen Gutachten im Wesentlichen nur vom behandelnden Augenarzt Dipl. Med. R erwähnt – so als "intermittierende Kopfschmerzen" bei sekundärem Glaukom (vgl. dessen Erstes Rentengutachten vom 08. November 1999; nicht mehr beschrieben in seinen Befundberichten vom 01. Dezember 2000 und 02. August 2004). Entsprechend ist die Klägerin, wie sie erst in der mündlichen Verhandlung am 27. Oktober 2005 vorgetragen hat, bereits seit dem Jahre 2001 vollschichtig und in Schichtarbeit in einem Bäckerladen tätig, ohne qualitativ in ihrer Tätigkeit beeinträchtigt zu sein; von zusätzlichen Pausen oder anderem, mit Rücksicht auf ihre Verletzungen des rechten Auges notwendigen Einschränkungen bei ihrer Arbeit ist keine Rede.
Soweit der Sachverständige Prof. Dr. V in seinem Gutachten vom 14. September 2001 zu einer Bewertung der MdE mit 30 v. H. auch unter Berücksichtigung von gelegentlichen Kopfschmerzen gekommen ist, hat er dies nur zusammen mit einer kosmetischer Beeinträchtigung durch die weißliche Hornhauttrübung als Mitursache begründet; er hat auf Nachfrage im Berufungsverfahren (fachärztliche schriftliche Stellungnahme vom 19. Februar 2004, Seite 2) dann aber erklärt, dass der erhöhte Augeninnendruckwert für die Gutachter Prof. Dr. H/Dr. B im Verwaltungsverfahren ("die Kollegen der Augenklinik des B F") der Grund gewesen sei, den "üblichen gutachterlichen Spielraum" bei Vorliegen weiterer, über die normale Erblindung des Auges hinausgehender Beschwerden mit 5 % über der Normeinschätzung zu bewerten; Drucksteigerungen könnten beim Patienten quälende Kopfschmerzen verursachen, die man durchaus gutachterlich in diesem Sinne berücksichtigen könne. Für einen Nachgutachter (damit meint Prof. Dr. V sich selbst) sei immer entscheidend, ob ein Besserungsnachweis gegenüber einer früheren Einschätzung zu erbringen sei. Dieses sei nicht der Fall, da die Patientin (d. h. die Klägerin) unverändert ein Sekundärglaukom (komplizierter grüner Star) rechts mit entsprechenden Beschwerden habe. Diese Begründung einer MdE um 30 v. H. ist jedenfalls nicht überzeugend für den Senat. Abgesehen davon, dass es für die eigene Beurteilung eines Sachverständigen nicht darauf ankommen kann, ob bereits Kollegen vor ihm eine entsprechende Diagnose gestellt haben oder nicht, und es hier bei der Erstfeststellung einer Dauerrente darüber hinaus auch nicht darauf ankommt, einen Besserungsnachweis zu führen, hat Prof. Dr. V trotz umfassender Stellungnahme nicht mitgeteilt, welche Funktionen, die für die Erwerbsfähigkeit Bedeutung haben, durch die Kopfschmerzen der Klägerin beeinträchtigt werden und in welchem Maße. Darüber hinaus hat er ebenfalls nicht ausgeführt, welche für das Erwerbsleben typischen und gängigen Anforderungen (z. B. Konzentrationsvermögen) bei der Klägerin durch die unfallverursachten Kopfschmerzen beschränkt sein sollen, soweit sie nicht bereits durch die Erblindung des rechten Auges selbst erfasst werden.
Aus dem weiteren Inhalt der dem Senat vorliegenden Akten lässt sich eine zusätzliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Klägerin durch Kopfschmerzen jedenfalls nicht feststellen. So lassen sich auch im Ergebnisbericht zur Berufsfindung und Arbeitserprobung des Berufsförderungswerkes B vom 06. April 2000 aus Anlass der Maßnahme zur Berufsfindung und Arbeitserprobung vom 13. bis 24. März 2000 im Berufsförderungswerk B Einschränkungen der Klägerin aufgrund von Kopfschmerzen nicht finden.
Die Klägerin hat Kopfschmerzen, die sie von der Ausübung bestimmter Tätigkeiten ausschließen könnten, weder bei den von ihr mit der Diplom-Psychologin S oder dem Arzt Dr. K geführten Gesprächen im Berufsförderungswerk erwähnt, noch geben die im Berufsförderungswerk über die Dauer von einer Woche durchgeführten Untersuchungen Hinweise auf kopfschmerzbedingte Leistungseinschränkungen der Klägerin. Die Klägerin hat "im Erstgespräch" mit der Diplom-Psychologin S angegeben, dass sie sich besonders für eine Ausbildung zur Politesse, Floristin oder im Rettungsdienst interessieren würde. Deutlich ablehnend hat sie sich nur gegenüber bürobezogenen bzw. Berufen im kaufmännischen Berufsfeld geäußert, da sie sich hier ihrer dann auch in der psychologischen Eignungsuntersuchung beziehungsweise in der praktischen Arbeitserprobung festgestellten Leistungsschwäche bewusst gewesen ist (Seite 3 des Erprobungsberichtes). Deutliche Einschränkungen ergaben sich auf medizinischem Gebiet aufgrund des nicht vorhandenen räumlichen Sehens der Klägerin vor allem bei Tätigkeiten am PC und bei einer Lötübung im Rahmen der praktischen Erprobung (Seite 3 des Erprobungsberichtes). In der sozialmedizinischen Beurteilung vom 14. März 2000 ist festgehalten, dass die Klägerin bei voll funktionstüchtigem einäugigem Sehvermögen einsatzfähig für normale Sehaufgaben, auch für gelegentliches Bildschirmsehen, gegebenenfalls auch ausbildungsmäßig, in Betracht käme; lediglich erhöhte Anforderungen an das Sehvermögen wie auch ein eigentlicher Bildschirmarbeitsplatz wurden ausgeschlossen. Von Einschränkungen durch Kopfschmerzen der Klägerin ist auch in der sozialmedizinischen Beurteilung keine Rede. Zur Begründung dafür, dass die Klägerin nach der sozialmedizinischen Beurteilung vom Berufsförderungswerk B für Arbeiten unter erhöhtem Zeitdruck, im Akkord oder anderweitig erhöhter Stressbelastung "nicht sehr geeignet" erschien, wird auf ihre "Persönlichkeit" abgestellt, nicht auf Einschränkungen gesundheitlicher Art. Im Ergebnis der psychologischen Eignungsuntersuchung, die im Berufsförderungswerk B durchgeführt worden ist, heißt es zum "Leistungsbild" der Klägerin (Seite 4 des Erprobungsberichtes) u. a., dass sie die gegebenen Testanweisungen ohne größere Schwierigkeiten verstanden und befolgt habe und die Aufgaben insgesamt "konzentriert" und "mit angemessenem Zeitaufwand" bearbeitet habe; auch hier ist von Beeinträchtigungen durch Kopfschmerzen nicht die Rede, obwohl Aufgaben zur numerischen Intelligenz, sprachlichem Denkvermögen und Umgang mit figural bildhaftem Material zu bearbeiten waren, die bei Vorhandensein von Kopfschmerzen zur Überzeugung des Senats nicht wie beschrieben, "konzentriert" und "mit angemessenem Zeitaufwand" zu bewältigen gewesen wären.
Auch das auf ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 29. August 2000 beruhende arbeitsamtsärztliche Gutachten der Fachärztin für Innere Medizin Dr. S vom 29. August 2000 lässt nicht erkennen, dass die Klägerin wegen Kopfschmerzen in ihrem Restleistungsvermögen eingeschränkt gewesen ist. Dr. S hat die Klägerin für in der Lage gehalten, vollschichtig in Tages-, Früh- und Spätschicht ohne Nachtschicht leichte und mittelschwere körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung auszuüben, wobei Tätigkeiten mit schwerem Heben und Tragen ebenso vermieden werden sollten wie Arbeiten mit Absturzrisiken und Verletzungsgefahren. Auch Tätigkeiten mit hoher Staub-, Rauch-, Gas- und Dampfexposition seien auszuschließen. Anforderungen an das räumliche und das beidäugige Sehen seien nicht zu stellen. Die ihr von der Klägerin geschilderten Kopfschmerzen haben nach Einschätzung von Dr. S somit keinen weiteren einschränkenden Einfluss auf die der Klägerin zumutbaren Belastungen gehabt.
Darüber hinaus sind die angegebenen Kopfschmerzen nicht zweifelsfrei feststellbar. Sie sind weder objektiviert noch ärztlich dokumentiert, obgleich eine umfassende Dokumentation über ärztliche Konsultationen mit den beigezogenen Krankenkarteien behandelnder Ärzte dem Senat vorliegt.
Soweit sowohl der behandelnde Augenarzt der Klägerin Dipl. Med. R als auch die Fachärztin für Innere Medizin Dr. S (arbeitsamtsärztliches Gutachten vom 29. August 2000) als auch der für die sozialmedizinische Beurteilung der Klägerin anlässlich ihrer Arbeitserprobung im Berufsförderungswerk verantwortliche Arzt Dr. K (sozialmedizinische Beurteilung vom 14. März 2000) Tätigkeiten der Klägerin mit Staub-, Rauch-, Gas- und Dampfexposition zur Vermeidung eines Risikos bei nur einem voll funktionstüchtigen Auge ausschließen, rechtfertigt dies nicht eine höhere MdE Einschätzung zu einem früheren Zeitpunkt. Denn der Ausschluss dieser Tätigkeiten bedeutet nicht, dass die körperlichen oder geistigen Kräfte der Klägerin durch die Unfallfolgen weiter eingeschränkt sind. Das Verbot dient der Vorbeugung vor weiteren Unfällen, stellt insoweit also keine weitere medizinisch bedeutsame Komplikation dar, die bei der Bemessung der MdE zu beachten wäre (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 1994, 2 RU 13/93, HV BG Info 1994, 1214 bis 1217). Darüber hinaus lassen sich solche Expositionen durch Tragen einer Schutzbrille vermeiden.
Die Kostenentscheidung entspricht dem Ausgang des Verfahrens (§ 193 Abs. 1 S. 1 SGG). Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da hierfür die Voraussetzungen nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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