Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 3 J 233/96
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 RJ 42/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 RJ 4/98 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22. Januar 1998 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf die Zulassung zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge nach dem Zusatzabkommen zum Abkommen vom 17.12.1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über soziale Sicherheit und auf Altersruhegeld.
Der am ... 1925 geborene Kläger ist israelischer Staatsangehöriger. Er beantragte im Oktober 1995 die Zulassung zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge und die Gewährung eines Altersruhegeldes unter Berücksichtigung der in Ungarn zwischen Juli 1942 und März 1946 zurückgelegten Versicherungszeiten. Zur Begründung trug er vor, Deutsch sei seine Muttersprache und er gehöre dem deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) an.
Mit Bescheid vom 25.07.1996 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Altersruhegeldes ab, da der Kläger die für die begehrte Rente nach den §§ 1246 bis 1248, 1263 der Reichsversicherungsordnung - RVO - bzw. § 34 des 6. Buches des Sozialgesetzbuches - SGB VI - erforderliche Wartezeit nicht erfüllt habe.
Zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge im Rahmen des Zusatzabkommens sei er nicht berechtigt, denn die Voraussetzungen des § 17a des Fremdrentengesetzes - FRG - in der Fassung des Rentenreformgesetzes 1992 erfülle er ebenfalls nicht.
Zu dem Zeitpunkt, zu dem sich der nationalsozialistische Einflußbereich auf sein Heimatgebiet erstreckt habe - dem 06.04.1941 - habe er nicht das 16. Lebensjahr vollendet gehabt. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.1996 als unbegründet zurück.
Zur Begründung der am 18.12.1996 erhobenen Klage hat er vorgetragen, als Stichtag für den Beginn der nationalsozialistischen Einflußnahme sei nicht der von der Beklagten angenommene Zeitpunkt, sondern der 19.03.1944 anzunehmen, da Ungarn während des zweiten Weltkrieges bis zu diesem Zeitpunkt ein im Umgang mit seiner jüdischen Bevölkerung selbständiger Staat gewesen sei. Die Stichtagsregelung des § 43 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) sei nicht auf das FRG zu übertragen, da das BEG von einer moralischen Verpflichtung zur Entschädigung ausgehe, was bei § 17a FRG nicht der Fall sei.
Seit Hitlers Machtübernahme hätten in mehrerlei Hinsicht gleiche Interessen zwischen Deutschland und Ungarn bestanden, weshalb Ungarn bis zum 19.03.1944, dem Tag des deutschen Einmarsches in Ungarn, relative Souveränität im Inneren besessen habe. Die Übernahme großer Teile der Nürnberger Gesetze im Jahre 1941 sei nicht auf deutschen Druck zurückzuführen gewesen, sondern maßgeblich auf die lange Tradition einer antisemitischen Gesetzgebung in Ungarn. Der bei Einführung des Stichtages in das BEG zu verzeichnende Stand der historischen Erkenntnisse sei durch zwischenzeitliche Publikationen überholt. Auch seien keine Fälle bekannt, in denen Verfolgungszeiten in Ungarn tatsächlich ab April 1941 anerkannt worden sein. Hierzu haben die Prozeßbevollmächtigten umfangreiche Unterlagen nicht am Verfahren Beteiligter vorgelegt.
Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.07.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.12.1996 zu verurteilen, ihn zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge nach dem Zusatzabkommen zuzulassen und ihm unter Anerkennung der geltend gemachten Fremdrentenzeiten ein Altersruhegeld zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden bezogen.
Mit Urteil vom 22.01.1998, auf dessen Inhalt verwiesen wird, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Gegen das dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 11.02.1998 zugestellte Urteil richtet sich die am 20.02.1998 eingegangene Berufung, mit der das Vorbringen erster Instanz wiederholt wird. Zum Beleg der auch im April 1941 fortbestehenden ungarischen Souveränität legt der Kläger ein Schreiben Hitlers an den ungarischen Reichsverweser vom 13.04.1941 vor, in dem um militärische Kooperation beim Jugoslawien-Feldzug ersucht wird.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22. Januar 1998 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25. Juli 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 1996 zu verurteilen, Beitragszeiten nach § 17a FRG anzuerkennen, die Nachentrichtung nach dem Zusatzabkommen zur DISVA zuzulassen und Altersruhegeld zu gewähren, hilfsweise, die Einholung eines Gutachtens zu der Frage, zu welchem Zeitpunkt sich der nationalsozialistische Einflußbereich auf das Heimatgebiet des Klägers erstreckte, durch einen Auftrag an Dr. H ... S ... S., c/o H. A. F., H. D. Center, H- ... B, D. U ...
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für richtig.
Zu Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Sozialgericht zu Recht die Klage abgewiesen, da der Bescheid der Beklagten vom 25.07.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.12.1996 rechtmäßig ist.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung eines Altersruhegeldes und auf Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen nach dem Zusatzabkommen zu dem Abkommen vom 17.12.1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und des Staates Israel über soziale Sicherheit vom 12.02.1995 (BGBl. 1996 II. Seite 299) i.V.m. § 17a des Fremdrentengesetzes (FRG) in der Fassung des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18.12.1989 (BGBl. I Seite 2261).
Hiernach bestehen Ansprüche nur dann, wenn der Anspruchsteller (u.a.) bis zu dem Zeitpunkt, in dem der nationalsozialistische Einflußbereich sich auf sein jeweiliges Heimatgebiet erstreckt hat, das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatte (§ 17a (a) 2. FRG).
Diese Voraussetzung ist beim Kläger nicht erfüllt, da er noch nicht das 16. Lebensjahr vollendet hatte, als sich der nationalsozialistische Einflußbereich auf sein Heimatgebiet in S ... (S .../Ungarn) erstreckt hat.
Der nationalsozialistische Einfluß im Sinne des § 17a FRG erfaßte in Übereinstimmung mit § 43 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 2. Halbsatz des BEG in der ab dem 01.10.1953 geltenden Fassung am 06.04.1941 auch dieses Gebiet.
Ungarn, das bereits vor Beginn des 2. Weltkrieges dem übermächtigen außenpolitischen Druck des deutschen Reiches ausgesetzt war, erlitt am 30.03.1941 einen unmittelbaren Eingriff in seine Souveränität, als nämlich die ungarische Wehrmacht dem deutschen Oberkommando des Heeres - OKH - unterstellt wurde. Diese Maßnahme wirkte sich auch auf die ungarischen Juden aus, denn 17 Tage später wurde die ungarische Verordnung erlassen, nach der die Juden keinen Militärdienst mehr in Ungarn leisten durften, sondern zum Arbeitsdienst einzuberufen waren und diesen Dienst auch dann ohne Rangstufe leisten mußten, wenn sie früher Offiziers-, Unteroffiziers- oder offiziersgleiche Dienstränge bekleidet hatten (Münz, zitiert von Mannheimer, Die ungarischen jüdischen Arbeitskompanien, RZW 1959, 150 m.w.N.).
§ 17a FRG fordert ohnehin nicht den Verlust staatsrechtlicher Souveränität oder die militärische Besetzung, wie es der Prozeßbevollmächtigte des Klägers für richtig hält, sondern mit der Formulierung "Erstreckung des Einflußbereiches" eine Einwirkung geringerer Intensität.
Aus diesem Grunde und wegen der Sonderstellung Ungarns im Kreise der von der nationalsozialistischen deutschen Expansionspolitik betroffenen Staaten insbesondere, was den lange währenden Erhalt der völkerrechtlichen Souveränität angeht, kommt es auch auf den Einwand nicht an, daß bei anderen nach § 17a FRG in Betracht kommenden Gebieten (teilweise) die militärische Besetzung (z.B. Einmarsch deutscher Truppen in das Memelland, 20.03.1939) oder die Einführung einer deutschen Zivilverwaltung (Estland, Lettland, Litauen, Weißruthenien, Ukraine) als Stichtag genannt wurden (Zusammenstellung: Kommentar der LVA Westfalen, 3.4 zu § 17a FRG).
Weder aus der zur Einführung der Beweiserleichterung in § 43 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 2. Halbsatz BEG führenden Rechtsentwicklung noch aus den Materialien zu § 17a FRG ergeben sich Gesichtspunkte gegen eine Übernahme des vom BEG gewählten Stichtages in § 17a FRG; im Gegenteil ist belegbar, daß die nach § 43 BEG ab dem 06. April 1941 fingierte Veranlassung seitens der nationalsozialistischen deutschen Regierung eine größere Intensität der Einflußnahme verlangt als die bloße "Erstreckung des nationalsozialistischen Einflußbereiches" nach § 17a FRG.
§ 43 BEG bis zu der mit Wirkung ab dem 01.10.1953 eingeführten Fiktion für die Staaten Bulgarien, Rumänien und Ungarn verlangte (u.a.), daß ein ausländischer Staat unter Mißachtung rechtsstaatlicher Grundsätze die Freiheit entzogen hat und die Regierung des ausländischen Staates von der nationalsozialistischen deutschen Regierung zu der Freiheitsentziehung veranlaßt worden ist. Als Freiheitsentziehung galten und gelten nach § 43 Abs. 2 insbesondere polizeiliche oder militärische Haft, Inhaftnahme durch die NSDAP, Untersuchungshaft, Strafhaft, Konzentrationslager und Zwangsaufenthalt in einem Ghetto.
§ 43 BEG ersetzte damit hinsichtlich Abs. 2 teilweise wortgleich § 16 Abs. 2 BErgG (Bundesergänzungsgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung vom 18.09.1953, BGBl. I, S. 1387), während die nach § 16 Abs. 1 BErgG bestehende Grundvoraussetzung "Der Verfolgte hat Anspruch auf Entschädigung für Freiheitsentziehung, gleichgültig, ob diese innerhalb oder außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes stattgefunden hat", verändert wurde.
§ 43 Abs. 1 BEG brachte in zeitlicher Hinsicht eine Beschränkung auf den Zeitraum vom 30.01.1933 bis zum 08. Mai 1945, hinsichtlich des kausalen Zusammenhanges verlangte die Vorschrift zusätzlich eine Rückführbarkeit der Freiheitsentziehung auf den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit oder den Schutz des deutschen Reiches, alternativ eine Veranlassung der freiheitsentziehenden ausländischen Regierung durch die nationalsozialistische deutsche Regierung.
§ 43 Abs. 1 Satz 2 BEG übernahm damit mittelbar die dem BErgG vorausgehende landesrechtliche Regelung in der amerikanischen Zone, nach der bereits eine Freiheitsentziehung aufgrund freier Entschließung einer ausländischen Regierung keine Entschädigungspflicht auslöste (BVerfG 1 BvR 314/63 vom 10.11.1964, RzW 1965, 76 f. m.w.N.). Der BGH knüpfte zunächst noch an die hierzu vorhandene Rechtsprechung an (BGH RzW 55, 183) und ließ später den adäquaten Zusammenhang zwischen nationalsozialistischen Gewaltmaßnahmen und einer ausländischen Freiheitsentziehung genügen (BVerfG a.a.O.).
Auf diesem Hintergrund wählte der BGH die bei Einführung von § 43 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 2. Halbsatz BEG immer noch gültige, von Bundesverfassungsgericht a.a.O. bestätigte Auslegung, daß neben einem adäquaten Kausalzusammenhang zwischen einer nationalsozialistischen Gewaltmaßnahme und dem Vorgehen einer souveränen ausländischen Regierung für einen Entschädigungsanspruch nunmehr auch die verschärften Voraussetzungen von § 43 Abs. 1 Satz 2 BEG vorliegen mußten, was zu einer Beschränkung des Kreises möglicher Anspruchsteller führte (BGH RzW 59, 215, 268, 310, 368).
Die im Rahmen von § 43 BEG zu prüfende "Veranlassung" ist daher im Sinne eines adäquat-kausalen Zusammenhanges im Einzelfall zu verstehen, für den durch Einführung von § 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 2. Halbsatz lediglich eine Beweiserleichterung für bestimmte Regionen geschaffen werden sollte. Gegenteilige Hinweise finden sich in den Materialen zur Rechtsänderung nicht: Im Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BTDrs IV/1550 vom 21.10.1963) heißt es auf Seite 27 zu Nr. 22 (§ 43 Abs. 1): "Durch den neu eingeführten Halbsatz wird zugunsten der in Bulgarien, Rumänien und Ungarn aus Gründen der Rasse Verfolgten unterstellt, daß die für die Zeit ab 06.04.1941 festgestellten Freiheitsentziehungen auf deutsche Veranlassung vorgenommen worden sind. Diese zugunsten der Verfolgten vorgesehene Erleichterung dient auch der einheitlichen Behandlung dieser Fälle".
Die demnach mögliche Auslegung nach dem reinen Wortlaut "Einfluß" im Verhältnis zur Formulierung "Veranlassung" in der dargestellten Auslegung der Rechtsprechung führt zu der Annahme, daß nach § 17a FRG auch eine geringere Intensität der Einflußnahme als die nach § 43 BEG vorauszusetzende, damit auch ggf. auf dem Hintergrund des ab 1938 stetig an steigenden deutschen Druckes auf Ungarn ein früherer als der Zeitpunkt des BEG denkbar wäre.
Im Hinblick auf das stets zu beachtende Auslegungsziel der Einheit der Rechtsordnung ist dies jedoch weder nötig noch wünschenswert, so daß der Zeitpunkt, in dem sich der nationalsozialistische Einflußbereich auf Ungarn erstreckt hatte, auf den 06.04.1941 zu bestimmen ist.
Aus den zur Einführung von § 17a FRG verfügbaren Materialien ergibt sich kein Hinweis für die Bestätigung der Annahme des Prozeßbevollmächtigten des Klägers, daß eine vom Entschädigungsziel des BEG abweichende Zielsetzung im Rahmen des FRG eine andere Auslegung erzwinge.
Vorrangiges Ziel bei Einführung von § 17a FRG war die rentenrechtliche Gleichstellung der aus dem osteuropäischen Vertreibungsgebiet stammenden deutschen Juden mit den deutschstämmigen Aussiedlern. Personen, die bis zum Beginn der allgemeinen Verfolgungsmaßnahmen durch den Nationalsozialismus zum deutschen Sprach- und Kulturkreis gehört hatten, gehörten zuvor nicht zu dem vom Fremdrentengesetz erfaßten Personenkreis, wenn sie sich nicht zum deutschen Volkstum, sondern zum Judentum bekannt hatten. Vielfach sei jedoch die offizielle Zugehörigkeit zur deutschen Volksgruppe nicht in Betracht gekommen, solange die Betroffenen ihre Identität als Juden nicht hätten aufgeben wollen (Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zum Gesetzentwurf der Regierungsfraktion, BTDrs. 11/5530).
Die Altersgrenze von 16 Jahren wurde im Hinblick darauf eingeführt und durch Übernahme im deutsch-israelischen Zusatzabkommen in ihrer Wirkung auf in Israel ansässige Juden erstreckt, daß Personen, die seinerzeit noch jünger als 16 Jahre waren, wegen ihrer typischerweise geringen Beschäftigungszeiten noch keine starke Anknüpfung an die Sozialversicherungssysteme der Herkunftsgebiete hatten und wegen ihres geringen Lebensalters (voraussichtlich) in der Lage waren, sich eine Altersversorgung im Rahmen der Altersversicherungsysteme anderer Staaten aufzubauen (Druckschrift der Bundesregierung zum Zusatzabkommen, BTDrs. 13/1809).
Es handelt sich danach bei § 17a FRG um eine den Kreis mögliche Anspruchsteller gegenüber der bisherigen Gesetzeslage erweiternde Regelung, mit der das Regelungsziel des BEG, Verantwortung für das Unrecht des nationalsozialistischen Staates zu übernehmen, zumindest auch verfolgt wurde.
Die vom Prozeßbevollmächtigten des Klägers aufgestellte und mit dem angeblich unterschiedlichen Regelungsziel beider Gesetze begründete Forderung, bei § 17a FRG den Zeitpunkt des Einmarsches deutscher Truppen in Ungarn im März 1944 zum Anknüpfungszeitpunkt zu nehmen, führte zu dem rechtlich wie logisch unerträglichen Ergebnis, daß ungarischstämmige Juden, die beispielsweise 1942/1943 in jüdischen Arbeitskompanien des ungarischen Arbeitsdienstes Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen verrichteten, nach § 42 BEG eine Entschädigung wegen des erlittenen Freiheitsschaden erhielten, weil ihre Zwangseinweisung als von der nationalsozialistischen deutschen Regierung veranlaßt gilt, während ihnen nach § 17a FRG bei Vollendung des 16. Lebensjahres im Zeitraum bis 19. März 1944 Rentenzeiten gerade deswegen nicht zukämen, weil Ungarn zum Zeitpunkt der nach § 43 BEG auf deutsche Veranlassung zurückzuführenden Zwangseinweisung in die Arbeitseinheiten noch nicht zum nationalsozialistischen Einflußbereich gehört haben soll.
Den vom Klägerbevollmächtigten offensichtlich geforderten Auslegungsgrundsatz, daß Vorschriften mit entschädigungsrechtlichem Charakter ohne Rücksicht auf sonstige Gesichtspunkte und insbesondere ihre Stimmigkeit im Verhältnis zueinander stets zugunsten der Anspruchsteller auszulegen seien, gibt es nicht.
Die Behauptung des Klägerbevollmächtigten, daß die Bestimmung des Zeitpunktes, in dem sich der nationalsozialistische Einflußbereich auf Ungarn erstreckt hat auf den 06.04.1941 zu einer vollständigen Ausgrenzung der in der Zeit von 1925 bis 1928 Geborenen führt, da jede Entschädigungsakte ungarischer Verfolgter eine Entschädigung erst ab 1944 vorsehe, ist nach der teilweise veröffentlichten Judikatur falsch (OLG Köln vom 12.06.1958 (vor Einführung von § 43 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 2. Halbsatz BEG!), RZW 1958, 364; BGH vom 01.07.1976, RZW 1976, 214; BSG 4 RA 2/91 vom 17.12.1992).
Das mit dem Berufungsvortrag vorgelegte Schreiben Hitlers an den ungarischen Reichsverweser vom 13.04.1941 belegt zwar, daß sich Hitler auch seinerzeit noch an den diplomatischen Sprachgebrauch hielt, widerlegt jedoch nicht die eingangs dargestellte historische Situation zum Zeitpunkt des Schreibens.
Dem hilfsweise gestellten Antrag auf Einholung eines Gutachtens zu der Frage, zu welchem Zeitpunkt sich der nationalsozialistische Einflußbereich auf das Heimatgebiet des Klägers erstreckte, war nicht zu entsprechen, da diese Frage eine im Rahmen der Prüfung von § 17a FRG durch den Senat zu beantwortende Rechtsfrage ist. Die zur Beantwortung dieser Rechtsfrage notwendige tatsächliche Grundlage ist nach den vorstehenden Ausführungen zur vollen Überzeugung des Senats feststehend aus bereits vorhandenen Unterlagen und erschlossenen, den Beteiligten ebenfalls zugänglich gemachten Quellen zu gewinnen. Bereits feststehende Tatsachen bedürfen keines Beweises (Meyer-Ladewig, 6. Auflage, Rdnr. 7 zu § 118 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache in Kenntnis der Entscheidung 4 RA 2/91 vom 17.11.1992 zugelassen, da dort von einem nicht näher bestimmten Stichtag "in den Jahren 1940/1941" für die Vollendung des 16. Lebensjahres nach § 17a FRG die Rede ist, es jedoch hier wie in weiteren noch anhängigen Rechtsstreiten auf die Bestimmung des exakten Zeitpunktes ankommt.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf die Zulassung zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge nach dem Zusatzabkommen zum Abkommen vom 17.12.1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über soziale Sicherheit und auf Altersruhegeld.
Der am ... 1925 geborene Kläger ist israelischer Staatsangehöriger. Er beantragte im Oktober 1995 die Zulassung zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge und die Gewährung eines Altersruhegeldes unter Berücksichtigung der in Ungarn zwischen Juli 1942 und März 1946 zurückgelegten Versicherungszeiten. Zur Begründung trug er vor, Deutsch sei seine Muttersprache und er gehöre dem deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) an.
Mit Bescheid vom 25.07.1996 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Altersruhegeldes ab, da der Kläger die für die begehrte Rente nach den §§ 1246 bis 1248, 1263 der Reichsversicherungsordnung - RVO - bzw. § 34 des 6. Buches des Sozialgesetzbuches - SGB VI - erforderliche Wartezeit nicht erfüllt habe.
Zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge im Rahmen des Zusatzabkommens sei er nicht berechtigt, denn die Voraussetzungen des § 17a des Fremdrentengesetzes - FRG - in der Fassung des Rentenreformgesetzes 1992 erfülle er ebenfalls nicht.
Zu dem Zeitpunkt, zu dem sich der nationalsozialistische Einflußbereich auf sein Heimatgebiet erstreckt habe - dem 06.04.1941 - habe er nicht das 16. Lebensjahr vollendet gehabt. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.1996 als unbegründet zurück.
Zur Begründung der am 18.12.1996 erhobenen Klage hat er vorgetragen, als Stichtag für den Beginn der nationalsozialistischen Einflußnahme sei nicht der von der Beklagten angenommene Zeitpunkt, sondern der 19.03.1944 anzunehmen, da Ungarn während des zweiten Weltkrieges bis zu diesem Zeitpunkt ein im Umgang mit seiner jüdischen Bevölkerung selbständiger Staat gewesen sei. Die Stichtagsregelung des § 43 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) sei nicht auf das FRG zu übertragen, da das BEG von einer moralischen Verpflichtung zur Entschädigung ausgehe, was bei § 17a FRG nicht der Fall sei.
Seit Hitlers Machtübernahme hätten in mehrerlei Hinsicht gleiche Interessen zwischen Deutschland und Ungarn bestanden, weshalb Ungarn bis zum 19.03.1944, dem Tag des deutschen Einmarsches in Ungarn, relative Souveränität im Inneren besessen habe. Die Übernahme großer Teile der Nürnberger Gesetze im Jahre 1941 sei nicht auf deutschen Druck zurückzuführen gewesen, sondern maßgeblich auf die lange Tradition einer antisemitischen Gesetzgebung in Ungarn. Der bei Einführung des Stichtages in das BEG zu verzeichnende Stand der historischen Erkenntnisse sei durch zwischenzeitliche Publikationen überholt. Auch seien keine Fälle bekannt, in denen Verfolgungszeiten in Ungarn tatsächlich ab April 1941 anerkannt worden sein. Hierzu haben die Prozeßbevollmächtigten umfangreiche Unterlagen nicht am Verfahren Beteiligter vorgelegt.
Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.07.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.12.1996 zu verurteilen, ihn zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge nach dem Zusatzabkommen zuzulassen und ihm unter Anerkennung der geltend gemachten Fremdrentenzeiten ein Altersruhegeld zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden bezogen.
Mit Urteil vom 22.01.1998, auf dessen Inhalt verwiesen wird, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Gegen das dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 11.02.1998 zugestellte Urteil richtet sich die am 20.02.1998 eingegangene Berufung, mit der das Vorbringen erster Instanz wiederholt wird. Zum Beleg der auch im April 1941 fortbestehenden ungarischen Souveränität legt der Kläger ein Schreiben Hitlers an den ungarischen Reichsverweser vom 13.04.1941 vor, in dem um militärische Kooperation beim Jugoslawien-Feldzug ersucht wird.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22. Januar 1998 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25. Juli 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 1996 zu verurteilen, Beitragszeiten nach § 17a FRG anzuerkennen, die Nachentrichtung nach dem Zusatzabkommen zur DISVA zuzulassen und Altersruhegeld zu gewähren, hilfsweise, die Einholung eines Gutachtens zu der Frage, zu welchem Zeitpunkt sich der nationalsozialistische Einflußbereich auf das Heimatgebiet des Klägers erstreckte, durch einen Auftrag an Dr. H ... S ... S., c/o H. A. F., H. D. Center, H- ... B, D. U ...
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für richtig.
Zu Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Sozialgericht zu Recht die Klage abgewiesen, da der Bescheid der Beklagten vom 25.07.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.12.1996 rechtmäßig ist.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung eines Altersruhegeldes und auf Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen nach dem Zusatzabkommen zu dem Abkommen vom 17.12.1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und des Staates Israel über soziale Sicherheit vom 12.02.1995 (BGBl. 1996 II. Seite 299) i.V.m. § 17a des Fremdrentengesetzes (FRG) in der Fassung des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18.12.1989 (BGBl. I Seite 2261).
Hiernach bestehen Ansprüche nur dann, wenn der Anspruchsteller (u.a.) bis zu dem Zeitpunkt, in dem der nationalsozialistische Einflußbereich sich auf sein jeweiliges Heimatgebiet erstreckt hat, das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatte (§ 17a (a) 2. FRG).
Diese Voraussetzung ist beim Kläger nicht erfüllt, da er noch nicht das 16. Lebensjahr vollendet hatte, als sich der nationalsozialistische Einflußbereich auf sein Heimatgebiet in S ... (S .../Ungarn) erstreckt hat.
Der nationalsozialistische Einfluß im Sinne des § 17a FRG erfaßte in Übereinstimmung mit § 43 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 2. Halbsatz des BEG in der ab dem 01.10.1953 geltenden Fassung am 06.04.1941 auch dieses Gebiet.
Ungarn, das bereits vor Beginn des 2. Weltkrieges dem übermächtigen außenpolitischen Druck des deutschen Reiches ausgesetzt war, erlitt am 30.03.1941 einen unmittelbaren Eingriff in seine Souveränität, als nämlich die ungarische Wehrmacht dem deutschen Oberkommando des Heeres - OKH - unterstellt wurde. Diese Maßnahme wirkte sich auch auf die ungarischen Juden aus, denn 17 Tage später wurde die ungarische Verordnung erlassen, nach der die Juden keinen Militärdienst mehr in Ungarn leisten durften, sondern zum Arbeitsdienst einzuberufen waren und diesen Dienst auch dann ohne Rangstufe leisten mußten, wenn sie früher Offiziers-, Unteroffiziers- oder offiziersgleiche Dienstränge bekleidet hatten (Münz, zitiert von Mannheimer, Die ungarischen jüdischen Arbeitskompanien, RZW 1959, 150 m.w.N.).
§ 17a FRG fordert ohnehin nicht den Verlust staatsrechtlicher Souveränität oder die militärische Besetzung, wie es der Prozeßbevollmächtigte des Klägers für richtig hält, sondern mit der Formulierung "Erstreckung des Einflußbereiches" eine Einwirkung geringerer Intensität.
Aus diesem Grunde und wegen der Sonderstellung Ungarns im Kreise der von der nationalsozialistischen deutschen Expansionspolitik betroffenen Staaten insbesondere, was den lange währenden Erhalt der völkerrechtlichen Souveränität angeht, kommt es auch auf den Einwand nicht an, daß bei anderen nach § 17a FRG in Betracht kommenden Gebieten (teilweise) die militärische Besetzung (z.B. Einmarsch deutscher Truppen in das Memelland, 20.03.1939) oder die Einführung einer deutschen Zivilverwaltung (Estland, Lettland, Litauen, Weißruthenien, Ukraine) als Stichtag genannt wurden (Zusammenstellung: Kommentar der LVA Westfalen, 3.4 zu § 17a FRG).
Weder aus der zur Einführung der Beweiserleichterung in § 43 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 2. Halbsatz BEG führenden Rechtsentwicklung noch aus den Materialien zu § 17a FRG ergeben sich Gesichtspunkte gegen eine Übernahme des vom BEG gewählten Stichtages in § 17a FRG; im Gegenteil ist belegbar, daß die nach § 43 BEG ab dem 06. April 1941 fingierte Veranlassung seitens der nationalsozialistischen deutschen Regierung eine größere Intensität der Einflußnahme verlangt als die bloße "Erstreckung des nationalsozialistischen Einflußbereiches" nach § 17a FRG.
§ 43 BEG bis zu der mit Wirkung ab dem 01.10.1953 eingeführten Fiktion für die Staaten Bulgarien, Rumänien und Ungarn verlangte (u.a.), daß ein ausländischer Staat unter Mißachtung rechtsstaatlicher Grundsätze die Freiheit entzogen hat und die Regierung des ausländischen Staates von der nationalsozialistischen deutschen Regierung zu der Freiheitsentziehung veranlaßt worden ist. Als Freiheitsentziehung galten und gelten nach § 43 Abs. 2 insbesondere polizeiliche oder militärische Haft, Inhaftnahme durch die NSDAP, Untersuchungshaft, Strafhaft, Konzentrationslager und Zwangsaufenthalt in einem Ghetto.
§ 43 BEG ersetzte damit hinsichtlich Abs. 2 teilweise wortgleich § 16 Abs. 2 BErgG (Bundesergänzungsgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung vom 18.09.1953, BGBl. I, S. 1387), während die nach § 16 Abs. 1 BErgG bestehende Grundvoraussetzung "Der Verfolgte hat Anspruch auf Entschädigung für Freiheitsentziehung, gleichgültig, ob diese innerhalb oder außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes stattgefunden hat", verändert wurde.
§ 43 Abs. 1 BEG brachte in zeitlicher Hinsicht eine Beschränkung auf den Zeitraum vom 30.01.1933 bis zum 08. Mai 1945, hinsichtlich des kausalen Zusammenhanges verlangte die Vorschrift zusätzlich eine Rückführbarkeit der Freiheitsentziehung auf den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit oder den Schutz des deutschen Reiches, alternativ eine Veranlassung der freiheitsentziehenden ausländischen Regierung durch die nationalsozialistische deutsche Regierung.
§ 43 Abs. 1 Satz 2 BEG übernahm damit mittelbar die dem BErgG vorausgehende landesrechtliche Regelung in der amerikanischen Zone, nach der bereits eine Freiheitsentziehung aufgrund freier Entschließung einer ausländischen Regierung keine Entschädigungspflicht auslöste (BVerfG 1 BvR 314/63 vom 10.11.1964, RzW 1965, 76 f. m.w.N.). Der BGH knüpfte zunächst noch an die hierzu vorhandene Rechtsprechung an (BGH RzW 55, 183) und ließ später den adäquaten Zusammenhang zwischen nationalsozialistischen Gewaltmaßnahmen und einer ausländischen Freiheitsentziehung genügen (BVerfG a.a.O.).
Auf diesem Hintergrund wählte der BGH die bei Einführung von § 43 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 2. Halbsatz BEG immer noch gültige, von Bundesverfassungsgericht a.a.O. bestätigte Auslegung, daß neben einem adäquaten Kausalzusammenhang zwischen einer nationalsozialistischen Gewaltmaßnahme und dem Vorgehen einer souveränen ausländischen Regierung für einen Entschädigungsanspruch nunmehr auch die verschärften Voraussetzungen von § 43 Abs. 1 Satz 2 BEG vorliegen mußten, was zu einer Beschränkung des Kreises möglicher Anspruchsteller führte (BGH RzW 59, 215, 268, 310, 368).
Die im Rahmen von § 43 BEG zu prüfende "Veranlassung" ist daher im Sinne eines adäquat-kausalen Zusammenhanges im Einzelfall zu verstehen, für den durch Einführung von § 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 2. Halbsatz lediglich eine Beweiserleichterung für bestimmte Regionen geschaffen werden sollte. Gegenteilige Hinweise finden sich in den Materialen zur Rechtsänderung nicht: Im Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BTDrs IV/1550 vom 21.10.1963) heißt es auf Seite 27 zu Nr. 22 (§ 43 Abs. 1): "Durch den neu eingeführten Halbsatz wird zugunsten der in Bulgarien, Rumänien und Ungarn aus Gründen der Rasse Verfolgten unterstellt, daß die für die Zeit ab 06.04.1941 festgestellten Freiheitsentziehungen auf deutsche Veranlassung vorgenommen worden sind. Diese zugunsten der Verfolgten vorgesehene Erleichterung dient auch der einheitlichen Behandlung dieser Fälle".
Die demnach mögliche Auslegung nach dem reinen Wortlaut "Einfluß" im Verhältnis zur Formulierung "Veranlassung" in der dargestellten Auslegung der Rechtsprechung führt zu der Annahme, daß nach § 17a FRG auch eine geringere Intensität der Einflußnahme als die nach § 43 BEG vorauszusetzende, damit auch ggf. auf dem Hintergrund des ab 1938 stetig an steigenden deutschen Druckes auf Ungarn ein früherer als der Zeitpunkt des BEG denkbar wäre.
Im Hinblick auf das stets zu beachtende Auslegungsziel der Einheit der Rechtsordnung ist dies jedoch weder nötig noch wünschenswert, so daß der Zeitpunkt, in dem sich der nationalsozialistische Einflußbereich auf Ungarn erstreckt hatte, auf den 06.04.1941 zu bestimmen ist.
Aus den zur Einführung von § 17a FRG verfügbaren Materialien ergibt sich kein Hinweis für die Bestätigung der Annahme des Prozeßbevollmächtigten des Klägers, daß eine vom Entschädigungsziel des BEG abweichende Zielsetzung im Rahmen des FRG eine andere Auslegung erzwinge.
Vorrangiges Ziel bei Einführung von § 17a FRG war die rentenrechtliche Gleichstellung der aus dem osteuropäischen Vertreibungsgebiet stammenden deutschen Juden mit den deutschstämmigen Aussiedlern. Personen, die bis zum Beginn der allgemeinen Verfolgungsmaßnahmen durch den Nationalsozialismus zum deutschen Sprach- und Kulturkreis gehört hatten, gehörten zuvor nicht zu dem vom Fremdrentengesetz erfaßten Personenkreis, wenn sie sich nicht zum deutschen Volkstum, sondern zum Judentum bekannt hatten. Vielfach sei jedoch die offizielle Zugehörigkeit zur deutschen Volksgruppe nicht in Betracht gekommen, solange die Betroffenen ihre Identität als Juden nicht hätten aufgeben wollen (Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zum Gesetzentwurf der Regierungsfraktion, BTDrs. 11/5530).
Die Altersgrenze von 16 Jahren wurde im Hinblick darauf eingeführt und durch Übernahme im deutsch-israelischen Zusatzabkommen in ihrer Wirkung auf in Israel ansässige Juden erstreckt, daß Personen, die seinerzeit noch jünger als 16 Jahre waren, wegen ihrer typischerweise geringen Beschäftigungszeiten noch keine starke Anknüpfung an die Sozialversicherungssysteme der Herkunftsgebiete hatten und wegen ihres geringen Lebensalters (voraussichtlich) in der Lage waren, sich eine Altersversorgung im Rahmen der Altersversicherungsysteme anderer Staaten aufzubauen (Druckschrift der Bundesregierung zum Zusatzabkommen, BTDrs. 13/1809).
Es handelt sich danach bei § 17a FRG um eine den Kreis mögliche Anspruchsteller gegenüber der bisherigen Gesetzeslage erweiternde Regelung, mit der das Regelungsziel des BEG, Verantwortung für das Unrecht des nationalsozialistischen Staates zu übernehmen, zumindest auch verfolgt wurde.
Die vom Prozeßbevollmächtigten des Klägers aufgestellte und mit dem angeblich unterschiedlichen Regelungsziel beider Gesetze begründete Forderung, bei § 17a FRG den Zeitpunkt des Einmarsches deutscher Truppen in Ungarn im März 1944 zum Anknüpfungszeitpunkt zu nehmen, führte zu dem rechtlich wie logisch unerträglichen Ergebnis, daß ungarischstämmige Juden, die beispielsweise 1942/1943 in jüdischen Arbeitskompanien des ungarischen Arbeitsdienstes Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen verrichteten, nach § 42 BEG eine Entschädigung wegen des erlittenen Freiheitsschaden erhielten, weil ihre Zwangseinweisung als von der nationalsozialistischen deutschen Regierung veranlaßt gilt, während ihnen nach § 17a FRG bei Vollendung des 16. Lebensjahres im Zeitraum bis 19. März 1944 Rentenzeiten gerade deswegen nicht zukämen, weil Ungarn zum Zeitpunkt der nach § 43 BEG auf deutsche Veranlassung zurückzuführenden Zwangseinweisung in die Arbeitseinheiten noch nicht zum nationalsozialistischen Einflußbereich gehört haben soll.
Den vom Klägerbevollmächtigten offensichtlich geforderten Auslegungsgrundsatz, daß Vorschriften mit entschädigungsrechtlichem Charakter ohne Rücksicht auf sonstige Gesichtspunkte und insbesondere ihre Stimmigkeit im Verhältnis zueinander stets zugunsten der Anspruchsteller auszulegen seien, gibt es nicht.
Die Behauptung des Klägerbevollmächtigten, daß die Bestimmung des Zeitpunktes, in dem sich der nationalsozialistische Einflußbereich auf Ungarn erstreckt hat auf den 06.04.1941 zu einer vollständigen Ausgrenzung der in der Zeit von 1925 bis 1928 Geborenen führt, da jede Entschädigungsakte ungarischer Verfolgter eine Entschädigung erst ab 1944 vorsehe, ist nach der teilweise veröffentlichten Judikatur falsch (OLG Köln vom 12.06.1958 (vor Einführung von § 43 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 2. Halbsatz BEG!), RZW 1958, 364; BGH vom 01.07.1976, RZW 1976, 214; BSG 4 RA 2/91 vom 17.12.1992).
Das mit dem Berufungsvortrag vorgelegte Schreiben Hitlers an den ungarischen Reichsverweser vom 13.04.1941 belegt zwar, daß sich Hitler auch seinerzeit noch an den diplomatischen Sprachgebrauch hielt, widerlegt jedoch nicht die eingangs dargestellte historische Situation zum Zeitpunkt des Schreibens.
Dem hilfsweise gestellten Antrag auf Einholung eines Gutachtens zu der Frage, zu welchem Zeitpunkt sich der nationalsozialistische Einflußbereich auf das Heimatgebiet des Klägers erstreckte, war nicht zu entsprechen, da diese Frage eine im Rahmen der Prüfung von § 17a FRG durch den Senat zu beantwortende Rechtsfrage ist. Die zur Beantwortung dieser Rechtsfrage notwendige tatsächliche Grundlage ist nach den vorstehenden Ausführungen zur vollen Überzeugung des Senats feststehend aus bereits vorhandenen Unterlagen und erschlossenen, den Beteiligten ebenfalls zugänglich gemachten Quellen zu gewinnen. Bereits feststehende Tatsachen bedürfen keines Beweises (Meyer-Ladewig, 6. Auflage, Rdnr. 7 zu § 118 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache in Kenntnis der Entscheidung 4 RA 2/91 vom 17.11.1992 zugelassen, da dort von einem nicht näher bestimmten Stichtag "in den Jahren 1940/1941" für die Vollendung des 16. Lebensjahres nach § 17a FRG die Rede ist, es jedoch hier wie in weiteren noch anhängigen Rechtsstreiten auf die Bestimmung des exakten Zeitpunktes ankommt.
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