L 6 U 4095/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 742/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 4095/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 13. Mai 2004 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in allen drei Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 20.06.1995 für die Zeit ab 01.10.2000.

Der am 1956 geborene Kläger geriet am 20.06.1995 mit dem linken Unterarm in eine Gipskalkmaschine und zog sich dadurch eine offene Radius-Schaft-Trümmer-Fraktur sowie eine Verätzung beider Augen zu (D-Arztbericht vom 20.06.1995). Der Kläger wurde bis 18.07.1995 stationär in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. behandelt. Arbeitsfähigkeit trat wieder ein ab 23.10.1995.

In dem aufgrund der Untersuchung vom 20.10.1995 erstatteten Rentengutachten vom 31.10.1995 beschrieb Prof. Dr. W. als wesentliche Unfallfolgen "Knöchern konsolidierte ehemals erstgradig offene distale Radiusschafttrümmerfraktur links. Endgradige Bewegungseinschränkung im linken Handgelenk. Geringe Muskelminderung am linken Ober- und Unterarm. Verätzung beider Augen ohne verbliebene Funktionsausfälle". Die hierdurch bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte Prof. Dr. W. mit 20 v.H. für die Zeit vom 23.10.1995 bis 22.01.1996 ein.

Mit Bescheid vom 16.01.1996 bewilligte die Beklagte dem Kläger daraufhin eine Gesamtvergütung für die Zeit vom 23.10.1995 bis 31.01.1996 nach einer MdE um 20 v.H.

Aufgrund der Nachuntersuchung vom 05.03.1996 führte Prof. Dr. W. im Gutachten vom 08.03.1996 aus, das linke Handgelenk sei in der Bewegung handrückenwärts und hohlhandwärts endgradig eingeschränkt. Die Beschwielung sei links im Vergleich zu rechts etwas vermindert. Der Faustschluss sei seitengleich gut durchführbar, die grobe Kraft jedoch links etwas vermindert. Die unfallbedingte MdE werde seit 23.01.1996 mit 10 v.H. eingeschätzt.

Mit Bescheid vom 12.04.1996 lehnte es die Beklagte ab, dem Kläger für die Zeit ab 01.02.1996 Verletztenrente zu gewähren, weil der Arbeitsunfall keine MdE in rentenberechtigendem Grade hinterlassen habe. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 27.08.1996).

Im anschließenden Klageverfahren S 2 U 1591/96 holte das Sozialgericht Konstanz (SG) von dem Orthopäden Dr. K., S., das Gutachten vom 16.01.1997 mit der Ergänzung vom 03.06.1997 ein. Dieser schätzte die unfallbedingte MdE im Hinblick auf die Einschränkungen der Handgelenksbewegungen mit 10 v.H. ein.

Auf den Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) holte das SG ferner von dem Orthopäden Dr. R., S., das Gutachten vom 04.02.1998 ein. Bei nur minimaler Muskelminderung des linken Unterarmes und seitengleicher Handbeschwielung und fraglicher, allenfalls leichter Kraftminderung bewertete Dr. R. im Hinblick auf subjektive und objektivierbare Beschwerden in Form von Missempfindungen, lokalen und ausstrahlenden Beschwerden und der vom Kläger beschriebenen rascheren Ermüdung die MdE mit 10 v.H. Der Kläger nahm daraufhin die Klage zurück.

Nach einer Metallentfernung am 12.03.1999 im Krankenhaus P. war der Kläger ab 26.04.1999 wieder arbeitsfähig. D-Arzt Dr. W. bewertete in seiner Mitteilung vom 20.04.1999 die unfallbedingte MdE mit unter 10 v.H.

Am 21.07.2000 erlitt der Kläger einen weiteren Arbeitsunfall, als er mit beiden Händen in eine Holzspaltmaschine geriet. Die Verwaltungs-BG (VBG), die zur Entschädigung dieses Unfalls zuständig war, holte von Prof. Dr. K. von der Chirurgischen Universitätsklinik und Poliklinik U. das Gutachten vom 04.03.2002 ein. Dieser bezeichnete darin als wesentliche Folgen des Unfalls vom 21.07.2000 u.a. endgradige Bewegungseinschränkungen der Fingergelenke D III bis D V links und D III und D IV rechts, Gefühlsstörungen im Bereich der Fingerkuppen D III bis D V links und D III und D IV rechts sowie eine linksbetonte Kälteempfindlichkeit der Hände. Die unfallbedingte MdE ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 02.10.2000 betrage 10 v.H.

Im Rahmen der Prüfung, ob dem Kläger eine Stützrente zustehe, holte die Beklagte von Prof. Dr. W. von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. das Gutachten vom 11.11.2002 ein. Bei der Untersuchung fand sich keine einseitige Muskelminderung, die Handbeschwielung war beidseits unauffällig. Prof. Dr. W. schätzte die unfallbedingte MdE mit 10 v.H. ein.

In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 03.12.2002 kam Dr. M. hingegen zu dem Ergebnis, die geringe Bewegungseinschränkung des Handgelenks vom 30 °, minimale Achsabweichung von 10 ° ohne Muskelminderung und bei seitengleicher Hohlhandbeschwielung bedinge keine messbare MdE (( 10 v.H.).

Mit Bescheid vom 28.01.2003 lehnte die Beklagte daraufhin eine Rentengewährung ab. Zur Begründung führte sie aus, die Auswertung der am 01.10.2002 bei Herrn Prof. Dr. W. erhobenen Befunde habe ergeben, dass der Kläger durch die Unfallfolgen in seiner Erwerbsfähigkeit nicht in messbarem Grade gemindert sei. Der hiergegen erhobene Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 17.03.2003).

Hiergegen erhob der Kläger am 16.04.2003 Klage beim SG. Er trug vor, sämtliche bis jetzt gehörten Gutachter und medizinischen Sachverständigen hätten die unfallbedingte MdE mit 10 v.H. bewertet. Auch die Beklagte habe dies nie ernsthaft in Frage gestellt. Erst nachdem sich die VBG wegen des zwischenzeitlich eingetretenen anderen Arbeitsunfalls an sie gewandt habe, sei die Beklagte hellhörig geworden und versuche nun, das Gutachten der eigenen Unfallklinik "madig" zu machen. Im Übrigen sei er der Ansicht, dass beide Unfälle sogar jeweils für sich genommen eine MdE von 20 v.H. rechtfertigten.

Das SG hat von dem Chefarzt der Rheumaklinik B. W., Prof. Dr. J., das aufgrund der Untersuchung vom 19.12.2003 erstattete Gutachten vom 23.12.2003 eingeholt. Dieser beschrieb eine unveränderte Stellung der knöchern konsolidierten Radiusschaftfraktur links mit geringer Achsabweichung von 10 Grad ohne Hinweise auf sekundärarthrotische Veränderungen. Die Muskulatur an den Ober- und Unterarmen wurde als in etwa seitengleich beschrieben, ebenso eine grobe Handflächenbeschwielung. Die Handkraft sei links stärker als rechts abgeschwächt (rechts 30/80 mm Hg, links 30/70 mm Hg). Auch die vom Kläger glaubhaft geschilderte Kälteempfindlichkeit, deretwegen er ja selbstständig den Arbeitsplatz gewechselt habe, sowie eine Kraftminderung seien zu berücksichtigen. Auch die Schilderung der rezidivierenden belastungsabhängigen und zum Teil auch Ruheschmerzen sei glaubhaft. Die unfallbedingte MdE betrage 10 v.H.

Hiergegen wandte die Beklagte ein, nach der unfallrechtlichen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, S. 622) werde für einen Speichenbruch mit Achsenabknickung und einer Einschränkung der Handgelenksbeweglichkeit um insgesamt 40 Grad eine MdE von 10 v. H. vorgeschlagen. Eine solche Beeinträchtigung liege bei dem Kläger jedoch nicht vor.

Mit Gerichtsbescheid vom 13.05.2004 - den Beteiligten am 25. und 27.05.2004 zugestellt - hob das SG die angefochtenen Bescheide auf und verpflichtete die Beklagte, "beim Kläger eine Stützrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ab dem 01.10.00 anzuerkennen". Im Übrigen wies es die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte das SG aus, bei der Bemessung der MdE sei nicht nur die geringe Achsabweichung nach dorsal zu berücksichtigen, die im Ergebnis zu einer endgradigen Bewegungseinschränkung führe, sondern auch eine glaubhafte Kälteempfindlichkeit sowie eine Kraftminderung und rezidivierende belastungsabhängige Schmerzen.

Hiergegen haben die Beklagte am 08.06.2004 und der Kläger am Montag, den 28.06.2004 jeweils Berufung eingelegt. Die Beklagte trägt vor, die von Prof. Dr. J. angegebenen "glaubhaften rezidivierenden belastungsabhängigen Schmerzen" sowie die "Kraftminderung" fänden durch den objektiven Befund keine Bestätigung, weil eine einseitige Muskelminderung nicht vorliege und die Handbeschwielung beiderseits unauffällig sei. Die von Prof. Dr. J. dem Unfall vom 20.06.1995 angelastete "glaubhafte Kälteempfindlichkeit" sei auf den von der VBG zu entschädigenden Arbeitsunfall vom 21.07.2000 zurückzuführen und sei von dieser auch als Unfallfolge anerkannt worden.

Der Kläger hat vorgetragen, auch dann, wenn die "Kälteempfindlichkeit" ausschließlich auf den Arbeitsunfall vom 21.07.2000 zurückzuführen wäre, würde dies letztendlich nichts daran ändern, dass die übrigen Folgen des Arbeitsunfalls vom 20.06.1995 für sich betrachtet wenigstens eine MdE um 10 v.H. bedingten. Ähnliches gelte sicherlich auch für die eingetretene "Kraftminderung". Prof. Dr. J. habe dem ersten Unfall vom 20.06.1995 eine "persistierende Abschwächung der Handkraft" zugeordnet und dem zweiten Unfall vom 21.07.2000 eine "diskrete Abschwächung der Handkraft". Die Abgrenzung dürfte insoweit schwierig sein, weswegen es bereits deswegen nicht darauf ankomme, eine hundertprozentige klare Trennung der Folgen beider Unfälle vorzunehmen.

Der Senat hat die behandelnde Internistin Dr. R. unter dem 19.08.2004 schriftlich als sachverständige Zeugin gehört. Sie hat mitgeteilt, der Kläger habe erst seit seinem Unfall vom 21.07.2000 über eine Kälteempfindlichkeit beider Hände geklagt. Aktuell klage der Kläger über Schmerzen, Parästhesien und Kälteempfindlichkeit der Finger. Es sei keine Veränderung eingetreten.

Der Senat hat ferner von Prof. Dr. J. die ergänzende gutachterliche Stellungnahme vom 15.09.2004 eingeholt. Darin wird eingeräumt, die "persistierende Kälteempfindlichkeit" im Bereich beider Hände sei auf den Unfall vom 21.07.2000 zurückzuführen. Die übrigen Folgen des Unfalls vom 20.06.1995 (knöchern verheilte distale Radiusschafttrümmerfraktur links mit diskreter Achsabweichung sowie endgradige Bewegungseinschränkung im linken Handgelenk, persistierende Abschwächung der Handkraft) seien eindeutig diesem ersten Unfallereignis zuzuordnen. Der Einwand der Beklagten, dass die "glaubhaften rezidivierenden belastungsabhängigen Schmerzen" sowie die "Kraftminderung" durch die objektiven Befunde keine Bestätigung fänden, könne so nicht akzeptiert werden. Die beidseitige grobe Handflächenbeschwielung sei kein ausreichendes Indiz dafür, dass die festgestellten Unfallfolgen nicht bestünden. Auch eine einseitige Muskelminderung sei hierfür keine unbedingte Voraussetzung. Außerdem bestehe ja in der Tat eine, wenn auch nur geringe Seitendifferenz der Umfangmaße zu Ungunsten der betroffenen linken Seite im Bereich der Unterarmmuskulatur und des Handgelenkes sowie auch der Mittelhand. Die bisherige Einschätzung der MdE durch die Folgen des Unfalls vom 20.06.1995 mit 10 v.H. werde aufrechterhalten.

Mit Urteil vom 28.04.2005 hat der Senat auf die Berufung der Beklagten den Gerichtsbescheid des SG vom 13.05.2004 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen. In den Gründen hat der Senat ausgeführt, die Folgen des Unfalls vom 20.06.1995 bedingten im maßgeblichen Zeitraum seit 21.07.2000 keine MdE um wenigstens 10 v. H. Im versicherungsmedizinischen Schrifttum habe sich nämlich der Erfahrungssatz herausgebildet, dass ein Speichenbruch mit Achsenabknickung und Einschränkung der Handgelenksbewegungen erst dann eine MdE um 10 v. H. rechtfertige, wenn die Handgelenksbewegungen insgesamt um mindestens 40 Grad eingeschränkt sind. Dies sei hier nicht der Fall.

Auf die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 13.09.2005 das Urteil vom 28.04.2005 aufgehoben und die Streitsache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht (LSG) zurückverwiesen. Der Senat habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt, weil er ihn nicht zu dem Erfahrungssatz gehört habe, auf den er sein Urteil gestützt habe.

Der Senat hat weiteren Beweis erhoben durch Einholung des unfallchirurgischen Gutachtens, das der Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie des M.-Hospitals S., Prof. Dr. D., am 20.01.2006 aufgrund der ambulanten Untersuchung vom 20.12.2005 erstattet hat. Der Sachverständige beschreibt darin als Folgen des Unfalls vom 20.06.1995 radiologisch dokumentierte Kaliberschwankungen am linken Radiusschaft im Sinne einer abgelaufenen Knochenneubildung am Übergang vom mittleren zum körperfernen Drittel nach knöcherner Konsolidierung eines Speichentrümmerbruchs. Diese Unfallfolge bedinge im Hinblick auf die einschlägige Gutachtenliteratur keine messbare MdE. Bei dem Kläger lägen keine Achsabweichungen der handgelenksnahen Speichengelenksfläche vor, ferner bestehe keine Gesamtbewegungseinschränkung im linken Handgelenk bei der aktiven Beweglichkeit, sondern sogar eine - im Seitenvergleich - um 5 Grad vermehrte, so dass daraus keine messbare MdE resultiere. Bei der Prüfung der groben Kraft mit einem Manometer habe sich klinisch kein Seitenunterschied gezeigt. Soweit bei früheren Untersuchungen links eine stärkere Abschwächung der Handkraft als rechts erhoben worden sei, sei darauf hinzuweisen, dass bei Rechtshändigkeit, die beim Kläger gegeben sei, regelmäßig die grobe Kraft rechts diskret stärker ausgeprägt sei als links. Da es sich bei der Messung der groben Kraft wegen der erforderlichen Mitwirkung um semi-objektive Befunde handle, könne nicht verlässlich festgestellt werden, ob tatsächlich ein grober Kraftverlust der Hände vorliege. Ebenso dürfte ein Grund für die immer wieder auftretenden unterschiedlichen Bewegungseinschränkungen in einzelnen Gelenken zu unterschiedlichen Untersuchungszeitpunkten in der Mitarbeit des Klägers liegen.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 13.05.2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen ...

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 13.05.2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H., hilfsweise. als gestützte Rente nach einer MdE um 10 v.H. zu gewähren, hilfsweise. weiteren Beweis zu erheben durch Einholung eines weiteren Gutachtens zu der Frage, ob die unfallbedingte MdE wegen einer verstärkten Schmerzsymptomatik mindestens 10 v. H. beträgt, sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger trägt vor, Prof. Dr. D. habe zu Unrecht seine starken Schmerzen im linken Arm bei der Einschätzung der MdE nicht berücksichtigt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten des Senats, des SG, des BSG und auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die formgerecht eingelegten Berufungen beider Beteiligten, über die der Senat mit deren Einverständnis gem. § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, sind zulässig. Insbesondere ist jeweils die Berufungsfrist des § 151 Abs. 1 SGG gewahrt, da die Berufungen vor Ablauf eines Monats nach Zustellung des angefochtenen Gerichtsbescheids eingelegt worden sind. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung der Beklagten ist begründet, die Berufung des Klägers dagegen unbegründet.

Entgegen der Auffassung beider Beteiligter ist der vorliegende Sachverhalt trotz des zwischenzeitlichen Inkrafttretens des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) zum 01.01.1997 noch nach dem zuvor gültig gewesenen Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu beurteilen, da der Versicherungsfall vor dem Inkrafttreten des SGB VII eingetreten ist und die Beklagte auch bereits vor dem 01.01.1997 - nämlich mit Bescheid vom 12.04.1996 - einmal über die Gewährung von Rente entschieden hat (vgl. §§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII).

Gemäß § 580 Abs. 1 i.V.m. § 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO haben Versicherte Anspruch auf Rente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge des Arbeitsunfalls über die 13. Woche nach dem Unfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Ist die Erwerbsfähigkeit des Verletzten infolge mehrerer Arbeitsunfälle gemindert und erreichen die Hundertsätze der durch die einzelnen Arbeitsunfälle verursachten Minderung zusammen wenigstens die Zahl Zwanzig, so ist für jeden, auch einen früheren Arbeitsunfall Verletztenrente zu gewähren. Die Folgen eines Arbeitsunfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern (§ 581 Abs. 3 Satz 1 und 2 RVO).

Für die Beurteilung der MdE kommt es wegen des in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Prinzips der abstrakten Schadensberechnung nicht auf die nach dem Unfall verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten im erlernten Beruf oder in der vor dem Arbeitsunfall ausgeübten Tätigkeit an, sondern sie bemisst sich nach den auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten. Der Grad der MdE ist dabei zu schätzen. Für die Schätzung kommt es nicht entscheidend darauf an, welche Diagnosen im einzelnen vorliegen, sondern darauf, wie sich vorhandene unfallbedingte Krankheitszustände funktionell auf die Erwerbsfähigkeit des Versicherten auswirken. Bei der Bestimmung der MdE durch das Gericht bilden schlüssige ärztliche Schätzungen bedeutsame Anhaltspunkte, ohne dass das Gericht an diese Schätzungen gebunden wäre. In der Praxis gelten seit langem für bestimmte Unfallfolgen bestimmte, im versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum entwickelte Erfahrungssätze (sogenannte Regel- oder Normalsätze), die nach der Rechtsprechung aufgrund ständiger Übung zu beachten sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 15, 22, 23). Diese Regelsätze enthalten jedoch nur Anhaltspunkte für den Normalfall und dürfen nicht schematisch angewandt werden.

Folgen eines Arbeitsunfalles liegen nur dann vor, wenn das Unfallereignis mit Wahrscheinlichkeit wesentlich an der Entstehung der Gesundheitsstörung mitgewirkt hat. Nach der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausallehre von der wesentlichen Bedingung (vgl. BSGE 61, 127, 129) sind als Ursache und Mitursache im Rechtssinne unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes nur die Bedingungen anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehungen zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 13; Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 12. Aufl., Band 3, Rdnrn. 309 ff zu § 8 SGB VII mwN). Haben mehrere Bedingungen gemeinsam zu einem Erfolg geführt, sind sie rechtlich nur dann wesentliche Bedingungen und damit Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges in gleichem Maße wesentlich sind (Krasney aaO Rdnr. 314). Kommt dagegen einer der Bedingungen gegenüber der oder den anderen eine überwiegende Bedeutung zu, so ist sie allein wesentliche Bedingung und damit Ursache im Rechtssinne (BSGE 12, 242, 245 f; 13, 175, 176; Brackmann aaO S 480k I mwN). Dabei müssen die anspruchbegründenden Tatsachen, zu denen u. a. die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung gehören, mit einem der Gewissheit nahe kommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein, während zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Unfallfolge die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs ausreichend, aber auch erforderlich ist (vgl. BSGE 19, 52, 53; 32, 203, 207 bis 209; 45, 287; 58, 80, 83). Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlicher Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 285, 286; 60, 58 mwN). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (vgl. BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112).

Im vorliegenden Fall bedingen die Folgen des Unfalls vom 20.06.1995 im maßgeblichen Zeitraum seit 21.07.2000 keine MdE um wenigstens 10 v.H. Der rentenberechtigende Mindestgrad einer gestützten Rente wird damit nicht erreicht.

Soweit Prof. Dr. J. zunächst im Sachverständigengutachten vom 23.12.2003 auch eine "persistierende Kälteempfindlichkeit" als Folge des Unfalls vom 20.06.1995 angesehen hat, vermag der Senat ihm hierin nicht zu folgen. Die hausärztlich tätige Internistin Dr. R. hat nämlich als sachverständige Zeugin unter dem 19.08.2004 glaubhaft bekundet, der Kläger klage erst seit seinem zweiten Unfall vom 21.07.2000 über eine Kälteempfindlichkeit beider Hände (Handinnenflächen und Innenflächen der Finger beider Hände). Prof. Dr. J. hat deshalb in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 15.09.2004 eingeräumt, dass die Kälteempfindlichkeit der Hände nur auf den Unfall vom 21.07.2000 zurückgeführt werden kann. Hierfür spricht schon die Tatsache, dass bei dem Unfall vom 20.06.1995 nur die linke obere Extremität des Klägers betroffen war. Folgerichtig hat die VBG in ihrem Rente bewilligenden Bescheid vom 15.01.2003 eine linksbetonte Kälteempfindlichkeit der Hände als Unfallfolge festgestellt.

Soweit Prof. Dr. J. außerdem eine "persistierende Abschwächung der Handkraft" als Folge des Unfalls vom 20.06.1995 angesehen hat, vermochte ihm der Senat auch darin nicht zu folgen. Bei seiner Untersuchung am 19.12.2003 in der Rheumaklinik Bad W. hat der Kläger über eine Kraftminderung rechts und eine diskreter ausgeprägte Kraftlosigkeit der linken Hand geklagt. In der Beurteilung seines Gutachtens vom 23.12.2003 hat Prof. Dr. J. die als Folge des Unfalls vom 20.06.1995 angesehene "persistierende Abschwächung der Handkraft" wohl auf die verletzte linke obere Extremität und die "persistierende, diskrete Abschwächung der Handkraft", die er als Folge des Unfalls vom 21.07.2000 aufgeführt hat, wohl auf die rechte Hand bezogen. Da der Unfall vom 21.07.2000 jedoch beide Hände betroffen hat, erscheint fraglich, ob nur die Kraft der rechten Hand hierunter gelitten haben soll. Bei seiner Beschreibung der Befunde an beiden oberen Extremitäten gab Prof. Dr. J. an, die Handkraft sei links (30/70 mm Hg) stärker als rechts (30/80 mm Hg) abgeschwächt. Nach der Überzeugung des Senats ist dieser Unterschied jedoch dadurch begründet, dass der Kläger Rechtshänder ist. Die Messung der groben Kraft mit dem Manometer ist ferner, wie Prof. Dr. D. für den Senat schlüssig dargelegt hat, von der Mitarbeit des Probanden abhängig. Nur so ist zu erklären, dass die Ergebnisse der Messung der groben Kraft beider Hände bei den einzelnen Untersuchungen sehr unterschiedlich ausgefallen sind. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. D. betrugen die Druckwerte rechts 0,38 bar, 0,40 bar und 0,44 bar und links 0,42 bar sowie zweimal 0,40 bar. Damit liegt keine signifikante Seitendifferenz vor. Die Richtigkeit dieses Ergebnisses wird bestätigt durch die seitengleich ausgeprägte Daumenballen- und Kleinfingerballenmuskulatur sowie eine seitengleich kräftig ausgebildete Hautbeschwielung. Da auch Prof. Dr. J. die Handflächen beider Hände als in gleicher W. grob beschwielt beschrieben und ebenfalls keine Unterschiede der Armmuskulatur festgestellt hat, ist keine Kraftminderung der linken Hand nachgewiesen. Dies wird zusätzlich bestätigt, dass Prof. Dr. W. in der Vorgeschichte seines Gutachtens vom 11.11.2002 ausgeführt hat, bei der Nachuntersuchung vom 18.08.1997 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. sei die grobe Kraft nicht gemindert gewesen. Anders als bei der Untersuchung durch Prof. Dr. J. hat der Kläger bei seiner Untersuchung vom 01.10.2002 gegenüber den Ärzten der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik keine Kraftminderung der Hände angegeben. Auch bei seiner Untersuchung in der Chirurgischen Universitätsklinik Ulm vom 21.02.2002 hat der Kläger keine entsprechenden Klagen vorgebracht, so dass dem Gutachten von Prof. Dr. K. vom 04.03.2002 auch keine entsprechenden Untersuchungsbefunde zu entnehmen sind.

Aufgrund des Gutachtens von Prof. Dr. D. hat sich der Senat davon überzeugt, dass als einzige nachgewiesene Regelwidrigkeit von Seiten des Arbeitsunfalls vom 20.06.1995 radiologisch dokumentierte Kaliberschwankungen am linken Radiusschaft im Sinne einer abgelaufenen Knochenneubildung am Übergang vom mittleren zum körperfernen Drittel nach knöcherner Konsolidierung des Speichentrümmerbruchs vorliegen. Offen lässt der Senat, ob bei dem Kläger eine geringfügige Achsabweichung im linken Handgelenk um 10 Grad vorliegt, wie dies Prof. Dr. W. bejaht, Prof. Dr. D. dagegen verneint hat. Denn jedenfalls liegen keine sekundärarthrotischen Veränderungen vor. In keinem der zahlreichen vorliegenden Gutachten wurden ferner Einschränkungen der Handgelenksbeweglichkeit beschrieben, welche die Bewertung mit einer MdE um 10 v. H. zulassen würden. Völlig aus dem Rahmen fällt eine Angabe von Prof. Dr. W. im Messblatt zum Gutachten vom 11.11.2002. Darin werden nämlich die Bewegungsausmaße im Handgelenk handrückenwärts/hohlhandwärts mit rechts 80/0/90 und links mit 70/0/80 angegeben. Der Normbereich für die Bewegung handrückenwärts beträgt jedoch 35 bis 60 Grad, derjenige für die Bewegung hohlhandwärts 50 bis 60 Grad. Wie Prof. Dr. D. in seinem Gutachten schlüssig dargelegt hat, erscheint es unwahrscheinlich, dass eine so ausgedehnte Handgelenksbeweglichkeit bei einem handwerklich tätigen Mann im Lebensalter des Klägers anzutreffen ist. Die wiedergegebenen Angaben über die Bewegungsausmaße bei der Beugung und Streckung sind deshalb nicht verwertbar. Hinsichtlich des Bewegungsausmaßes ellenwärts/speichenwärts ergibt sich nach der Untersuchung von Prof. Dr. W. kein Unterschied zwischen rechts und links.

Die von Prof. Dr. K. am 21.02.2002 gemessenen Bewegungsausmaße im Handgelenk handrückenwärts/hohlhandwärts von 45/0/20 links gegenüber 45/0/30 rechts und speichenwärts/ellenwärts 10/0/10 links gegenüber rechts 10/0/15 ergeben eine Einschränkung der Handgelenksbewegungen links gegenüber der bei dem Unfall vom 20.10.1995 unverletzten Seite von insgesamt 15 °. Die Untersuchungsergebnisse von Prof. Dr. J. vom 19.12.2003 (Beweglichkeit handrückenwärts/hohlhandwärts links 40/0/60 gegenüber rechts 45/0/60, speichenwärts/ellenwärts links 15/0/25 gegenüber rechts 25/0/35) ergeben eine Einschränkung der Handgelenksbewegungen links um insgesamt 25 °. Im Gegensatz dazu hat zuletzt Prof. Dr. D. bei seiner Untersuchung vom 20.12.2005 Bewegungsausmaße vorgefunden, die ihn zu der Feststellung geführt haben, dass die Gesamtbeweglichkeit im linken Handgelenk nicht nur nicht geringer, sondern sogar um 5 Grad größer ist als im rechten Handgelenk. Mit Prof. Dr. D. geht der Senat davon aus, dass neben allgemeinen Messtoleranzen der Hauptgrund für die immer wieder auftretenden unterschiedlichen Beweglichkeiten in den einzelnen Gelenken zu den unterschiedlichen Untersuchungszeitpunkten in der unterschiedlichen Mitarbeit des Kläger zu sehen ist. Unabhängig davon, welches der vorliegenden Messergebnisse man der MdE-Bewertung zugrunde legt, wird hierdurch der für die Stützrente maßgebende rentenberechtigende Mindestgrad einer MdE um 10 v. H. nicht erreicht.

Im versicherungsmedizinischen Schrifttum hat sich nämlich der Erfahrungssatz herausgebildet, dass ein Speichenbruch mit Achsenabknickung und Einschränkung der Handgelenksbewegungen erst dann die Bejahung einer MdE um 10 v.H. rechtfertigt, wenn die Handgelenksbewegungen insgesamt um mindestens 40 ° eingeschränkt sind (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. S. 26; Mehrhoff/Muhr, Unfallbegutachtung, 10. Aufl., S. 148; Kass Komm-Ricke, Sozialversicherungsrecht, Rdziff. 65 zu § 56 SGB VII). Die MdE kann hier ferner auch nicht im Hinblick auf eine Einschränkung der Unterarmdrehfähigkeit höher bewertet werden. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. K. war die Armdrehung rechts und links jeweils mit 80/0/80 ° möglich. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. J. ergab sich mit den Werten 80/0/90 auf der linken Seite gegenüber 90/0/90 rechts nur eine geringfügige Abweichung um insgesamt 10 °. Die von Prof. Dr. W. gemessenen Werte von 70/0/80 links gegenüber 90/0/90 rechts fallen so sehr aus dem Rahmen, dass sie nicht als repräsentativ angesehen werden können. Nach allgemeinen Regeln sind schließlich die mit den Schäden üblicherweise verbundenen Schmerzen und subjektiven Beschwerden in den Regelwerten enthalten. Der Senat erkennt keinen stichhaltigen Grund, hiervon im vorliegenden Fall abzuweichen.

Dem vom Kläger zuletzt im Schreiben vom 31.07.2006 gestellten Hilfsantrag war nicht stattzugeben. Der Senat sieht keinen Anlass für Ermittlungen, ob der Kläger unter einer "verstärkten Schmerzsymptomatik" leidet, die nicht in den Richtwerten zur Bemessung der MdE berücksichtigt ist. Prof. Dr. D. hat die auf S. 4 seines Gutachtens wiedergegebenen Schmerzangaben des Klägers auf S. 17 kritisch, aber nach Auffassung des Senats zutreffend gewürdigt. Für die Richtigkeit dieser Beurteilung spricht insbesondere, dass bei dem Kläger keinerlei Hinweise für einen Mindergebrauch des linken Armes vorliegen und dass die Röntgenbilder keine Arthrose im linken Handgelenk zeigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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