L 6 U 4270/03

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 3713/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 4270/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12. September 2003 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger an einer Berufskrankheit im Sinne der Nr. 2104 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) leidet und deshalb Anspruch auf Gewährung einer Rente hat.

Der 1949 geborene Kläger war - mit Unterbrechungen - seit 1964 bei der Firma F. Lackiertechnik, W.-T., tätig und dort mit Schleif-, Spachtel- und Lackierarbeiten beschäftigt. Im September 1999 gab er diese Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen auf und teilte dies der Beklagten mit. Diese leitete daraufhin Ermittlungen zur Feststellung einer Berufskrankheit ein. Unter dem 08.10.1999 (Fragebogen) gab der Kläger an, dass er seit ca. 10 Jahren unter Schmerzen in den Händen und Armen leide, die er auf die Verarbeitung von Lacken zurückführe. Die Beklagte holte daraufhin Befundberichte von dem Orthopäden Dr. G. (Bericht vom 20.10.1999), von dem Neurologen und Psychiater Dr. B. (Bericht vom 26.10.1999) und dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. (Bericht vom 21.11.1999) ein und zog von der AOK W. den Auszug aus dem Leistungsverzeichnis vom 19.11.1999 bei. Dr. B. berichtete über Taubheitsgefühle der Fingerkuppen beidseits mit Vibrationsverkürzung an den Händen und neurographischen Veränderungen im Sinne einer Polyneuropathie, Dr. H. über ein Wirbelsäulen-Syndrom mit rezidivierenden Cervikobrachialgien und Lumboischialgien sowie über einen Verdacht auf toxische Polyneuropathie bei Exposition gegenüber Inhalationsgiften. Außerdem holte die Beklagte von der Firma F. die Auskunft vom 23.12.1999 sowie die Stellungnahmen des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 10.03.2000 und 03.04.2000 ein und bat aufgrund der Stellungnahme von Dr. P. vom 26.07.2000 Prof. Dr. T. um die Erstattung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens. Prof. Dr. T. wies zunächst daraufhin, dass der Kläger angegeben habe, in den zurückliegenden Jahren ca. 7 Stunden täglich Autoteile mit einem Schwingschleifer geschliffen zu haben. Im Hinblick auf die noch weiter abzuklärende Diagnose von Durchblutungsstörungen, insbesondere der rechten Hand, sei zu ermitteln, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Berufskrankheit der Nr. 2104 zu bestätigen seien (Schreiben vom 19.10.200). Von Prof. Dr. L. holte die Beklagte das neurologische Zusatzgutachten vom 16.10.2000 ein, in dem seit 10 Jahren bestehende glaubwürdige, anhaltende Schmerzen in beiden Armen und den Finger beidseits, zum Teil mit Blauverfärbung der Finger und Kältegefühl in den Fingern beidseits beschrieben wurden. Aufgrund der erhobenen Befunde seien eine Neuropathie bzw. Polyneuropathie sowie eine Myopathie als Ursache der Beschwerden mit höchster Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Als Ursache der Beschwerden komme jedoch eine Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis in Betracht. Insbesondere sei die Symptomatik passend für eine Kollagenose sowie eine Polymyalgie bzw. ein Fibromyalgiesyndrom. Nach Vorlage der TAD Stellungnahme (Dipl.-Ing. H.) vom 10.01.2001, wonach der Kläger nach Angaben des Unternehmers ca. 4 bis 5 Stunden pro Tag Schwingschleifer benutzte, bei denen Vibrationen im Frequenzbereich um 1000 Hz auftraten, erstattete Prof. Dr. T. das arbeitsmedizinische Gutachten vom 26.04.2001. Bei der Untersuchung gab der Kläger an, seit 1997 sei ihm zunächst eine Kraftlosigkeit in beiden Armen und Kälteempfindlichkeit in beiden Händen aufgefallen. Es komme zu einer Weißverfärbung der Finger beider Hände. Bei dem durchgeführten Kaltwassertest, bei dem der Kläger beide Hände für ca. 10 Minuten in 4°C kaltes Wasser tauchte, gab der Kläger keine gesundheitlichen Beschwerden, insbesondere keine Kribbelparästhesien an. Eine Weißverfärbung der Finger konnte dabei nicht festgestellt werden. Die rechte Hand zeigte eine normale Wiedererwärmungsreaktion, die linke Hand wies eine mäßig verzögerte Wiedererwärmung auf. Prof. Dr. T. nannte als Diagnosen u. a. ein vasospastisches Syndrom (Erstdiagnose 6/1999). Ein vibrationsbedingtes vasospastisches Syndrom sei nicht auszuschließen. Allerdings könne derzeit nicht von einer "gesicherten Diagnose" gesprochen werden, da differentialdiagnostisch auch ein primäres Raynaud-Syndrom in Betracht komme. Eine Polyneuropathie liege beim Kläger nicht vor, auch könne nicht vom Vorliegen einer durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische verursachten Encephalopathie ausgegangen werden.

Wegen des Verdachts auf Vorliegen einer BK der Nr. 2104 bat die Beklagte Prof. Dr. D. um eine Stellungnahme nach Aktenlage. Dieser hielt zunächst weitere Ermittlungen des TAD zur tatsächlichen Expositionsdauer beim Halten des Schwingschhleifers und zur Klärung, ob beide Hände zur Führung des Gerätes eine etwa gleichstarke AnK.elung an den Handgriffen erfordert hatten, für notwendig. Die Beklagte holte daraufhin weitere Befundberichte bei Dr. G., Dr. F., Dr. H., Dr. B. und Dr. K. ein. Dipl.-Ing. H. vom TAD der Beklagten legte außerdem die weitere Stellungnahme vom 27.11.2001 vor, in der auch die vom Berufsgenossenschaftlichen Institut für Arbeitssicherheit (BIA) eingeholte Beurteilung zur Schwingungsbelastung vom 14.11.2001 Berücksichtigung fand. Dipl.-Ing. H. legte dar, dass der Arbeitgeber des Klägers die Einsatzzeit von Schwingschleifern mit ca. 3 Stunden angegeben habe. Da ein geschätzter Anteil der reinen Expositionszeit von 70 % zugrunde gelegt worden sei, ergebe sich eine reine Expositionsdauer für das Halten der Geräte von 2,1 Stunden täglich. Insgesamt habe die Expositionszeit 29 Jahre betragen. Die Schwingschleifer seien mit beiden Händen gehalten und geführt worden, wobei der jeweilige Kraftaufwand zu 70 % mit der rechten und zu 30 % mit der linken Hand aufgebracht worden sei. Die für eine Erkrankung maßgebliche Beurteilungsschwingstärke, die aus der bewerteten Schwingstärke und der mittleren Einwirkungsdauer gebildet werde, betrage Kr = 21. Der Grenzwert, bei dessen Unterschreitung im Allgemeinen keine Gesundheitsschäden zu erwarten seien, betrage Kr = 16,2.

Unter Berücksichtigung dieser Unterlagen erstattete Prof. Dr. D. das arbeitsmedizinische Gutachten vom 08.04.2002. Bei der Untersuchung gab der Kläger an, er habe sehr häufig kalte Hände, links mehr als rechts. Es komme immer wieder zeitweise zu Kältegefühl und Verfärbung der Finger, die blau würden, wobei sie sich auch im Bereich der Fingernägel blau verfärbten. Gleichzeitig komme es zu Kribbel- und Taubheitsgefühlen. Die Missempfindungen seien ausschließlich auf die Mittel- und Außenglieder der Langfinger beschränkt. Sie würden sich auch im Sommer, nicht nur bei kalter Witterung einstellen. Der durchgeführte Kälteprovokationstest ergab eine ausgezeichnete Gefäßdynamik für die rechte Hand. Im Bereich der linken Hand konnte jedoch keine Gefäßdynamik erkannt werden. Als Diagnose nannte Prof. Dr. D. u. a. eine fehlende Gefäßdynamik im Bereich der linken Hand. Hier bestehe ein ausgesprochen pathologischer Zustand. Es könne nicht sicher gesagt werden, ob der Richtwert Kr = 16,2 überhaupt erreicht oder überschritten werde, da der TAD bei seiner Berechnung von der (maximalen) bewerteten Schwingstärke Keq = 41 ausgegangen sei. Lege man eine (minimale) Schwingstärke Keq = 26 zugrunde, ergebe sich nur eine Beurteilungsschwingstärke Kr = 13. Außerdem habe der TAD darauf hingewiesen, dass der jeweilige Kraftaufwand beim Schleifen zu 70 % mit der rechten und zu 30 % mit der linken Hand aufgebracht worden sei. Da der manuelle Kraftaufwand, d. h. die Stärke der Ankoppelung der jeweiligen Hand am vibrierenden Handgriff entscheidend für das Ausmaß der Übertragung von Schwingungsenergie sei, müsse daher mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die rechte Hand des Klägers bei den Arbeiten mit dem Schwingschleifer wesentlich stärker vibrationsbelastet gewesen sei als die linke. Insofern sei zu erwarten gewesen, dass periphere Schädigungen am ehesten im Bereich der rechten Hand zu finden seien, was jedoch nicht der Fall sei. Nach seiner Auffassung könne nicht mit Wahrscheinlichkeit vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen ausgegangen werden. Auch entspreche die Beschwerdesymptomatik des Klägers nicht durchgängig den Symptomen eines vibrationsbedingten vasospastischen Syndroms. Es lasse sich somit keine gesicherte Diagnose für das Vorliegen eines vibrationsbedingten vasospastischen Syndroms erstellen, worauf bereits Prof. Dr. T. hingewiesen habe. Bei weiterhin fraglicher gefährdender Exposition lasse sich ein Zusammenhang zwischen Exposition und Erkrankung nicht wahrscheinlich machen.

Mit Bescheid vom 08.08.2002 lehnte die Beklagte daraufhin die Anerkennung einer Berufskrankheit der Nr. 2104 der Anlage zur BKV und die Gewährung von Leistungen ab, weil eine entsprechende Berufskrankheit nicht vorliege. Zuvor hatte die Beklagte bereits mit Bescheid vom 28.01.2002 die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1302 und/oder Nr. 1317 der Anlage zur BKV abgelehnt.

Gegen die Ablehnung der Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2104 erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, dass die vom Sachverständigen zugrunde gelegte Expositionszeit erheblichen Bedenken begegne. Er habe - gemittelt über die Jahre - arbeitstäglich etwa 5 bis 6 Stunden mit dem Schwingschleifer gearbeitet. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Dagegen erhob der Kläger am 19.12.2002 Klage vor dem Sozialgericht Freiburg (SG). Das SG holte von Dr. G. die sachverständige Zeugenauskunft vom 04.06.2003 ein, in der dieser mitteilte, er habe den Kläger nur einmalig am 02.10.1995 behandelt. Bei der durchgeführten Untersuchung seien keinerlei Anzeichen für eine vasomotorische Erkrankung erkennbar gewesen, der Kläger habe auch keine entsprechenden Beschweren geäußert. Zu dem ihm vom SG vorgelegten Gutachten von Prof. Dr. D. erklärte er, das Gutachten sei von ärztlicher Seite nachvollziehbar und in sich schlüssig, aus orthopädischer Sicht enthalte es keine Widersprüche. Mit Urteil vom 12.09.2003 wies das SG daraufhin die Klage ab. Eine Berufskrankheit der Nr. 2104 liege beim Kläger nicht vor, da ein Zusammenhang der geklagten Beschwerden mit der beruflichen Belastung nicht wahrscheinlich sei. Die Diagnose einer vibrationsbedingten Durchblutungsstörung lasse sich nicht stellen, womit es bereits an der Grundvoraussetzung für die Anerkennung und Entschädigung der geltend gemachten Berufskrankheit fehle. Auch spreche die Tatsache, dass die Beschwerden an der weniger belasteten linken Hand aufträten, entscheidend gegen einen Zusammenhang der Beschwerden mit der berufsbedingten Belastung.

Gegen das ihm am 10.10.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.10.2003 Berufung eingelegt. Das SG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass sich die Beschwerden zwangsläufig an der stärker belasteten Hand hätten auswirken müssen. Entscheidend sei die jeweilige Konstitution, die durchaus an der linken Hand schlechter sein könne als an der rechten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12.09.2003 und den Bescheid der Beklagten vom 08.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.12.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2104 der Anlage zur BKV anzuerkennen und ihm Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat zunächst von der Firma F. die von Herrn Rainer F. erteilte Auskunft vom 29.03.2005 zum zeitlichen Umfang der Tätigkeit des Klägers mit Schwingschleifern eingeholt und die Beklagte um erneute Stellungnahme ihres TAD zum Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen gebeten. In der daraufhin vorgelegten Stellungnahme von Dipl.-Ing. H. vom 19.08.2005 hat dieser an seiner Auffassung festgehalten, dass die Beurteilungsschwingstärke beim Kläger mit Kr = 21 weit über der kritischen Marke von 16,2 liege. Außerdem hat der Senat von Prof. Dr. M. das gefäßchirurgisch-angiologische Gutachten vom 28.11.2005 eingeholt, wobei Prof. Dr. M. darauf hingewiesen worden ist, dass für die Beurteilung vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Berufskrankheit Nr. 2104 auszugehen sei. Prof. Dr. M. hat die von den Vorgutachtern bereits beschriebene fehlende Gefäßdynamik an der linken Hand bestätigt, konnte jedoch keinen Nachweis einer zugrunde liegenden Gefäß- oder Systemerkrankung erbringen. Entgegen der Vorgabe durch den Senat hat Prof. Dr. M. das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen diskutiert und insoweit ebenfalls Zweifel geäußert. Er hat jedoch im Weiteren ausgeführt, dass die von ihm durchgeführte Arm-Hand-Angiographie, die die Diagnostik der Wahl zum Nachweis u. a. vasospastischer Syndrome sowie bei Kollagenosen sei, bis auf den Nachweis anatomischer Normvarianten ohne pathologische Wertigkeit unauffällig gewesen sei. Insbesondere hätten sich keine stenosierenden Gefäßprozesse oder Gefäßabbrüche, keine pathologischen Kaliberschwankungen, Gefäßneubildungen oder Gefäßspasmen nachweisen lassen. Durch das Untersuchungsergebnis sei auch ein primäres oder sekundäres Raynaud-Syndrom ausgeschlossen. Die fehlende Gefäßdynamik im Bereich der linken Hand bleibe somit als faktisches Untersuchungsergebnis bestehen, könne jedoch aus gefäßchirugisch-angiologischer Sicht nicht geklärt werden. Allerdings könne der Zustand nicht als typisch für ein vibrationsbedingtes vasospastisches Syndrom angesehen werden, da die vom Kläger angegebenen Beschwerden auch bei warmen Temperaturen und in warmer Umgebung aufträten. Wesentlich sei darüber hinaus auch, dass nach den Ermittlungen des TAD die Finger der rechten Hand wesentlich stärker belastet gewesen seien und daher eher geschädigt sein müssten als die der linken Hand. Der Kläger habe die Beschwerden jedoch vorwiegend im Bereich der linken Hand angegeben und die Untersuchung durch den Kälteprovokationstest im Rahmen des Gutachtens von Prof. Dr. D. habe für die rechte Hand ein außerordentlich günstiges Verhalten im Wiedererwärmungsprozess erbracht. Es könne somit keine gesicherte Diagnose für ein vibrationsbedingtes vasospastisches Syndrom gestellt werden. Auch unter Annahme des Vollbeweises für die krankheitsverursachende Exposition sei die Krankheit als solche nicht gesichert. Damit entfalle die Frage nach einem Zusammenhang zwischen Exposition und Erkrankung.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Senats und des SG sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung seiner Handbeschwerden als Berufskrankheit nach Nr. 2104 der Anlage zur BKV.

Der vom Kläger erhobene Anspruch richtet sich nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs Siebtes Buch (SGB VII), denn der Versicherungsfall wäre mit Aufgabe der belastenden Tätigkeit im September 1999 und somit nach Inkrafttreten des SGB VII zum 01.01.1997 eingetreten und (Art. 36 Unfallversicherungs Einordnungsgesetz, §§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII).

Gemäß § 56 Abs. 1 SGB VII wird eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe gewährt, wenn und solange ein Verletzter infolge eines Versicherungsfalls in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens 1/5 (20 v. H.) gemindert ist. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Berufskrankheiten sind Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).

Nach der Nr. 2104 der Anlage zur BKV können vibrationsbedingte Durchblutungsstörungen an den Händen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, als Berufskrankheit anerkannt werden.

Die Feststellung einer Berufskrankheit setzt voraus, dass beim Versicherten zum Einen die sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben sind, d.h. dass er im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BKV ausgesetzt gewesen ist, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden herbeizuführen (haftungsbegründende Kausalität). Zum Anderen muss ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehen. Es muss danach ein (mit Vollbeweis gesichertes) dieser Berufskrankheit entsprechendes Krankheitsbild vorliegen und dieses muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf die belastende Tätigkeit zurückgeführt werden können, wobei hinsichtlich des Kausalzusammenhangs eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend ist (haftungsausfüllende Kausalität). Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286), d.h. es müssen die für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände deutlich überwiegen. Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112; BSG Urt. vom 28.03.2003 B 2 U 33/03 R).

Zwar geht der Senat auf Grund der Stellungnahmen des TAD der Beklagten, insbesondere auf Grund der letzten Stellungnahme von Dipl. Ing. H. vom 19.08.2005, davon aus, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung einer vibrationsbedingten Durchblutungsstörung beim Kläger erfüllt sind. Eine Anerkennung seiner Beschwerden insbesondere im Bereich der linken Hand als Berufskrankheit nach Nr. 2104 kommt dennoch nicht in Betracht, da zur Überzeugung des Senats der ursächliche Zusammenhang zwischen den Beschwerden des Klägers und den beruflichen Schwingungsbelastungen nicht wahrscheinlich gemacht werden kann.

Soweit Prof. Dr. T., Prof. Dr. D. und auch Professor Dr. M. die Auffassung vertreten haben, die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2104 scheitere bereits daran, dass die Diagnose eines vibrationsbedingten vasospastischen Syndroms nicht gesichert sei, folgt der Senat dem nicht. Denn im Vollbeweis gesichert sein muss nur die Durchblutungsstörung. Ob diese vibrationsbedingt ist, also auf Belastungen durch die berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden kann, betrifft die Frage der haftungsausfüllenden Kausalität; insoweit ist nicht der Vollbeweis erforderlich, sondern die hinreichende Wahrscheinlichkeit ist ausreichend.

Allerdings hat Prof. Dr. M. dargelegt, dass die von ihm durchgeführte Arm-Hand-Angiografie, die die Diagnostik der Wahl u. a. zum Nachweis vasospastischer Syndrome oder traumatischer Digitalarterienverschlüsse sowie von Kollagenosen sei, bis auf den Nachweis anatomischer Normvarianten ohne pathologische Wertigkeit unauffällig gewesen ist. Dies bedeutet, dass der Nachweis eines vasospastischen Syndroms nicht gelungen ist. Dann stellt sich in der Tat nicht die Frage, ob das vasospastische Syndrom vibrationsbedingt ist oder nicht. Selbst wenn man jedoch - wie offensichtlich Prof. Dr. T. und Prof. Dr. D. - vom Vorliegen eines vasospastischen Syndroms ausgeht, kommt eine Anerkennung als Berufskrankheit nicht in Betracht, weil insoweit nicht wahrscheinlich ist, dass dieses vasospastische Syndrom durch die berufliche Vibrationsbelastung des Klägers verursacht worden ist.

Gegen einen beruflichen Zusammenhang spricht zunächst, dass die für das vibrationsbedingte vasospastische Syndrom typische Weissverfärbung zu keinem Zeitpunkt objektiviert werden konnte. Zudem hat der Kläger angegeben, dass die Beschwerden im Bereich der Finger nicht allein durch Kälte ausgelöst werden, sondern auch in der warmen Jahreszeit auftreten. Dies kann - insbesondere nach den Darlegungen von Prof. Dr. D. und Prof. Dr. M. - nicht als typisch für ein vibrationsbedingtes vasospastisches Syndrom angesehen werden.

Ebenfalls gegen einen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit spricht nach den Darlegungen von Prof. Dr. D. und Prof. Dr. M., dass die Beschwerden in der linken Hand wesentlich stärker sind als in der rechten. Der Kläger selbst hat die Beschwerden, insbesondere das Kältegefühl, für die Finger der linken Hand als gravierender geschildert als diejenigen für die rechte Hand. Dies stimmt in der Tendenz mit dem Ergebnis des Kälteprovokationstestes überein, wie Prof. Dr. D. ausgeführt hat. Nach den Ermittlungen des TAD waren jedoch die Finger der rechten Hand wesentlich stärker belastet. Die rechte Hand hat jedoch im Kälteprovokationstest ein außerordentlich günstiges Verhalten im Wiedererwärmungsprozess gezeigt, so dass hier nach den übereinstimmenden Ausführungen von Prof. Dr. D. und Prof. Dr. M. keinerlei Schädigung objektiviert werden kann. Dass Prof. D. und Prof. Dr. M. unter diesen Umständen zu dem Schluss kommen, dass das pathologische Wiedererwärmungsverhalten der Finger der linken Hand nicht mit der im Vergleich zur rechten Hand als wesentlich geringer anzunehmenden Vibrationsbelastung vereinbar ist, ist für den Senat nachvollziehbar.

Das SG und die Beklagte haben deshalb zu Recht die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2104 der Anlage zur BKV abgelehnt.

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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