L 8 AL 284/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 36 AL 1747/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 284/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 17. Mai 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist eine Entscheidung über die Befreiung der Klägerin von der Erstattungspflicht nach § 128 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) in der Fassung des Gesetzes vom 18.12.1992 (BGBl I 2044) streitig.

Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 10.07.1996 bei der Beklagten, die für die Jahre 1993 bis 1995 jeweils die Befreiung von der Erstattungspflicht gemäß § 128 Abs.2 Nr.2 AFG festgestellt hatte, diese Feststellung auch für das Jahr 1996, für das bis 31.12.1996 von einem Erstattungsvolumen von rund 20,72 Mio DM auszugehen sei; der Befreiungsbescheid sei auch auf die Fälle älterer Mitarbeiter zu erstrecken, die nach Ausscheiden im Jahre 1996 ihr 58.Lebensjahr erst nach dem 31.12.1996 vollenden.

Mit Bescheid vom 02.08.1996 teilte die Beklagte mit, durch das von der Klägerin vorgelegte Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft K ... sei dargelegt und nachgewiesen worden, dass die Erstattung des Arbeitslosengeldes (Alg)/ der Arbeitslosenhilfe (Alhi) sowie der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungsbeiträge im Geschäftsjahr 1996 eine unzumutbare Belastung im Sinne von § 128 Abs.2 Nr.2 AFG bedeuten würde; diese Feststellung bilde die Grundlage für die Entscheidung im Einzelfall. Dabei könne dem Geschäftsergebnis für das Geschäftsjahr logischerweise nur ein Erstattungsanspruch gegenüber gestellt werden, der tatsächlich im gleichen Jahr eingetreten sei. Der Antrag sei daher insoweit abzulehnen, als eine Befreiung von der Erstattungspflicht für die Arbeitnehmer begehrt werde, die zwar 1996 (oder früher) ausscheiden bzw. ausgeschieden seien, aber erst nach dem 31.12.1996 das 58.Lebensjahr vollendeten. Der dagegen eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 17.10.1996).

Mit ihrer zum Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die für das Jahr 1997 zu erwartende Erstattung von insgesamt 8,84 Mio DM müsse bereits bei der Bilanz 1996 in Form einer Rückstellung berücksichtigt werden mit der Folge, dass sich das negative Jahresergebnis noch weiter verschlechtere, was sich auf die unternehmerische Planung auswirken und bedeuten würde, dass für das nächste Geschäftsjahr weitere Maßnahmen mit Arbeitsplatzabbau drohten.

Mit Urteil vom 17.05.1999 hat das SG die Klage abgewiesen. Von einer weiteren Begründung hat es gemäß § 136 Abs.3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) abgesehen und im Übrigen ausgeführt, die von der Klägerin angeführten bilanzrechtlichen Gründe könnten nichts daran ändern, dass der Erstattungsanspruch für Arbeitnehmer, die nach dem 31.12.1996 das 58.Lebensjahr vollendeten, erst im Jahre 1997 entstehe und eine Prüfung einer eventuellen unzumutbaren Belastung erst anhand der im Geschäftsjahr 1997 nachgewiesenen wirtschaftlichen und finanziellen Lage der Klägerin erfolgen könne.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die das bisherige Vorbringen wiederholt.

Sie beantragt,

den Bescheid des Arbeitsamtes München vom 02.08.1996 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 17.10.1996 insoweit aufzuheben, als beschieden wurde, dass eine Befreiung für Mitarbeiter, die erst nach dem 31.12.1996 das 58.Lebensjahr vollenden, nicht erteilt werde, und die Beklagte zu verpflichten, auch die insoweit beantragte Befreiung zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Bei der im Rahmen des § 128 Abs.2 Nr.2 AFG zu erstellenden Prognose sei auf die Zeitpunkte abzustellen, in denen die jeweiligen Erstattungsbeträge zu erheben seien.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.

Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen, da die Klägerin keinen Anspruch auf generelle Feststellung der Befreiung von der Erstattungspflicht der Arbeitnehmer, die bis zum 31.12.1996 bei der Klägerin ausgeschieden sind, aber erst nach diesem Zeitpunkt das 58.Lebensjahr vollenden, hat.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten eine Vorabentscheidung vor Entstehen der vierteljährlich nach § 128 Abs.1 Satz 1 AFG fällig werdenden Erstattungsansprüche dahingehend, dass für diese eventuell künftig eintretenden Erstattungsfälle der Befreiungstatbestand des § 128 Abs.2 Nr.2 AFG gegeben ist. Jedoch enthält § 128 AFG keine Ermächtigungsgrundlage für eine solche Teilentscheidung im Sinne eines Grundlagen- oder Befreiungsbescheides (vgl. BSG, Urteil vom 21.09.2000, B 11 Al 7/00 R). Lediglich bezüglich der Voraussetzungen des § 128 Abs.1 Satz 2 Nr.6 oder 7 ist gemäß § 128 Abs.7 Satz 2 AFG eine Vorabentscheidung über das Vorliegen dieser Tatbestandsmerkmale vorgesehen. Eine erweiternde Auslegung des § 128 Abs.7 Satz 2 AFG auf dort nicht genannte Tatbestandsmerkmale kommt hingegen nicht in Betracht (so auch Brandt in Niesel, AFG, 2.Auflage, Rdnr.97 zu § 128). Deshalb sind solche darüber hinausgehenden sogenannte isolierte Feststellungen, etwa in Form von Grundlagenbescheiden, mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig (BSG SozR-4100 § 128 Nr.4).

Das Vorliegen des Befreiungstatbestandes nach § 128 Abs.2 Nr.2 AFG ist deshalb jeweils in den konkreten Erstattungsfällen bei der Feststellung der vierteljährlich fällig werdenden Erstattungsansprüche nach § 128 Abs.1 Satz 1 AFG zu prüfen; vom Zeitpunkt der Feststellung dieser aktuellen Zahlungsverpflichtung an ist die Prognose zu erstellen, ob die jeweilige Erstattungsforderung - gegebenenfalls in Zusammenhang mit den übrigen die wirtschaftliche Kalkulationsgrundlage beinflussenden Erstattungsforderungen - die unternehmerischen Entscheidungen dahingehend beeinflussen kann, dass die nach Durchführung des Personalabbaus verbleibenden Arbeitsplätze gefährdet würden (BSG vom 21.09.2000). Eine, mehrere Erstattungsfälle umfassende generelle Vorabentscheidung erscheint insoweit auch nicht sinnvoll, da bis zum Fälligkeitszeitpunkt eintretende geschäftliche Entwicklungen hierbei nicht mehr berücksichtigt werden könnten. Insbesondere fehlt eine gesetzliche Grundlage dafür, den Befreiungstatbestand des § 128 Abs.2 Nr.2 AFG gerade für die Erstattungsfälle eines Kalenderjahres einheitlich zu bejahen oder zu verneinen.

Somit war die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 17.05.1999 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 160 Abs.2 Nr.1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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