Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 1180/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4449/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 15. Oktober 2003 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung des der Klägerin seit 08. März 2002 verordneten und bezogenen Weihrauchpräparates "H 15" (Ayurmedica oder Sallaki) sowie die Kostenübernahme nach entsprechender ärztlicher Verordnung in Zukunft streitig.
Die am 1939 geborene verheiratete Klägerin war bis zum 27. Januar 2004 über ihren Ehemann bei der Beklagten familienversichert. Danach war sie als Rentenantragstellerin krankenversichert; seit 01. Juli 2004 ist sie bei der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) versichert.
Die Klägerin leidet seit ihrem 31. Lebensjahr an einer Proctosigmoiditis ulcerosa (Entzündung von Mastdarm und Sigmoid - S-förmig gekrümmter Teil des Dickdarmes -) sowie als Behandlungsfolge u.a an einer Gallenwegsentzündung. Im Dezember 2000/Januar 2001 wurde bei ihr ein Darmtumor entfernt. Im Krankheitsverlauf zeigten sich als Symptome Durchfälle, Darmblutungen, Zahnfleischblutungen, Entzündungen der Augen mit Iritis, Uveitis und Gelenksbeschwerden in immer wieder auftretenden akuten Schüben. Seit 1994 nahm die Klägerin nach ärztlicher Verordnung das Weihrauchpräparat H 15 in Form von Tabletten (dreimal täglich zwei) ein, das sie nach Angaben des behandelnden Arztes für Innere Medizin Privatdozent (PD) Dr. H. bei fortschreitender Erholung und Ausbleiben von Schüben gut vertrug. Nach ihren Angaben kam es bei Auslassversuchen dieser Behandlung jeweils zu akuten Colitis-Schüben. Die Kosten wurden von der Beklagten im Rahmen einer Sondergenehmigung übernommen. Weihrauch, auch Olibanum genannt, und als getrocknetes Harz von der Pflanze Boswellia serrata stammend, scheint aufgrund des Gehaltes an Boswellia-Säuren über eine hemmende Wirkung auf die Fünf-Lipoxygenase zu verfügen. Aufgrund dieses Wirkungsmechanismus könnte der Einsatz bei rheumatoider Arthritis und entzündlichen Darmerkrankungen einen neuen Therapieansatz darstellen. Auch bei der Behandlung bestimmter Hirntumore wurde Weihrauch geprüft, was u.a. Grundlage der Sondergenehmigung war. Das für diese Krankheitsbilder eingesetzte Weihrauchpräparat Ayurmedica, ein definierter Extrakt aus Weihrauchharz, ist in der Schweiz im Kanton Appenzell-Außerrhoden als pflanzliches Antirheumatikum im Handel.
Mit Schreiben der behandelnden Fachärzte für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren Dres. J. vom 05. März 2002 beantragte die Klägerin unter dem 08. März 2002 die Genehmigung für die weitere Verordnung des Präparates H 15 auf Kosten der Beklagten nach bisherigen guten Erfahrungen bei der Behandlung der Colitis ulcerosa und im Hinblick auf ihre Sondersituation bei Lebererkrankung, multiplen Allergien, weshalb andere Medikamente nur eingeschränkt einsetzbar seien. Mit Bescheid vom 08. März 2002 an die Dres. J. lehnte die Beklagte die begehrte Kostenübernahme unter Hinweis auf das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 29. Juni 2000 (L 16 KR 160/98) ab. Auf den u.a. mit der guten Verträglichkeit des Präparats H 15 und dem Hinweis auf die bestehende lebensbedrohliche Erkrankung begründeten Widerspruch verblieb die Beklagte im Bescheid vom 20. März 2002 gegenüber der Klägerin bei ihrer Ablehnung und kündigte die Vorlage an den Widerspruchsausschuss an. Zur Begründung führte die Beklagte weiter aus, H 15 sei mangels Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) nach § 31 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) von der Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) ausgeschlossen. Den wiederum eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin u.a. damit, dass sie unter Heuschnupfen, Lebensmittelallergien sowie Allergien u.a. gegen die Medikamente Azulfidine und Salofalk leide, während sie das Medikament H 15 problemlos vertrage. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2002 des bei der Bezirksdirektion der Beklagten in Mannheim gebildeten Widerspruchsausschusses wurde der Widerspruch unter Hinweis auf das erwähnte Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen und die fehlende Zulassung des Weihrauchpräparates H 15 als Fertigarzneimittel nach dem AMG zurückgewiesen.
Hiergegen erhob die Klägerin am 21. Mai 2002 beim Sozialgericht (SG) Mannheim mit der Begründung Klage, die Beklagte könne sich auf die fehlende arzneimittelrechtliche Zulassung von H 15 nicht berufen, da die vom Bundessozialgericht (BSG) zur Erweiterung der Anwendungsgebiete eines Arzneimittels entwickelten Voraussetzungen des Off-Label-Use vorlägen. Es handle sich bei ihr um eine lebensbedrohliche Situation. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten entgegen. Das SG holte schriftliche Auskünfte als sachverständige Zeugen des die Klägerin seit 1990 behandelnden PD Dr. H. vom 03. September 2002, der verschiedene Befundberichte vorlegte, und der Dres. J. vom 07. Oktober 2002 ein und beauftragte den Internisten Dr. S. mit der Erstattung des fachinternistischen Gutachtens vom 05. November 2002. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass sich bei der Klägerin die Colitis ulcerosa seit 1994 durchgehend im Stadium der Remission befinde. Die Behandlung mit H 15 erfolge seit dem letzten 1994 aufgetretenen Schub. Bei Einnahme des Medikamentes Salofalk habe die Klägerin Magenbeschwerden und beim Einsatz von Azulfidine Ausschläge bekommen. Für die Colitis ulcerosa im Stadium der Remission sei nach den Leitlinien der Evidenz basierten Medizin gesichert, dass die so genannte remissionserhaltende Behandlung für mindestens zwei Jahre durchgeführt werden solle. Bei längerer Behandlung sei der Nutzen für die Remissionserhaltung nicht belegt. Bei Beschwerdefreiheit über Jahre hinweg könne ein Auslassversuch unternommen werden. Diese Aussage beziehe sich auf die Behandlung mit anerkannten Substanzen. Für Weihrauchpräparate bestehe keine Evidenz hinsichtlich des Nutzens der Remissionserhaltung von drei bis fünf Jahren Dauer. Die Klägerin legt hierzu die mit "Ärztliche Bescheinigung" bezeichnete Stellungnahme des PD Dr. H. vom 10. Januar 2003 vor, wonach unter der Therapie mit H 15 immer wieder Entzündungen aufgetreten seien, es somit nicht zu einer vollständigen Remission gekommen sei. Eine Vielzahl von Ärzten, die Colitis ulcerosa- oder Morbus-Crohn-Patienten behandeln würden, würden einen offensichtlichen Zusammenhang zwischen der Einnahme von H 15 und einer eindeutigen Verbesserung der Symptomatik beobachten. Für Morbus Crohn liege eine größere prospektive, doppelblind durchgeführte Studie vor, die einen antientzündlichen Effekt von H 15 nachweise. Das SG holte weiter auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Sachverständigengutachten des Oberarztes der II. Medizinischen Universitätsklinik des Klinikums Mannheim - Gastroenterologie - Dr. G. vom 05. Juli 2003 ein, der bestätigte, dass bei der Klägerin H 15-Auslassversuche jeweils mit einem akuten Colitis-Schub beantwortet worden seien; es bestehe eine Salizylatunverträglichkeit. Es gebe in den Leitlinien der Evidenz basierten Medizin mangels entsprechender Studien keine Hinweise auf eine antientzündliche H 15-Therapie. Die schulmedizinische Behandlung mit Salizylaten, Kortikosteroiden und Immunsuppressiva führe bei der Klägerin zu unerwünschten Begleiterscheinungen vor allem aufgrund der bestehenden Allergieneigung. Evidenz basierte Leitlinien für 2003 schlössen für die einer Colitis ulcerosa nahe stehende Erkrankung Morbus Crohn die H 15-Therapie nicht mehr grundsätzlich aus, jedoch erfordere eine Empfehlung der Anwendung des Präparats weitere klinische Studien, die in Planung seien. Ergänzend teilte der Sachverständige am 31. Juli 2003 mit, dass unter dem Terminus chronisch-entzündliche Darmerkrankungen Colitis ulcerosa und Morbus Crohn zusammengefasst würden. Er habe eine randomisierte, doppelblinde, verumkontrollierte achtwöchige Studie im Parallelgruppenvergleich in Doppeldummy-Technik bei Patienten mit akutem Morbus Crohn durchgeführt. Bei Colitis ulcerosa bestünden vergleichbare positive Therapieerfahrungen. Dem entspreche auch eine Studie für die Colitis ulcerosa, in der H 15 mit Sulfasalazin verglichen worden sei. Jedoch sei bisher die H 15-Therapie bei Colitis ulcerosa nicht als wissenschaftlich anerkanntes Verfahren einzuordnen. Mit Urteil vom 15. Oktober 2003, das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 24. Oktober 2003 zugestellt wurde, gab das SG der Klage statt und verurteilte die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide, die der Klägerin entstandenen Kosten der kassenärztlich verordneten H 15-Therapie oder der Therapie mit einem wirkstoffgleichen Präparat ab dem 08. März 2002 zu übernehmen bzw. der Klägerin aufgrund der Therapie bereits entstandene Kosten ab diesem Zeitpunkt zu erstatten. In den Entscheidungsgründen, auf die zur weiteren Darstellung Bezug genommen wird, führte das SG im Wesentlichen aus, es seien die Grundsätze der Off-Label-Use-Rechtsprechung des BSG hier anzuwenden, zumal Colitis ulcerosa und Morbus Crohn unter einem Oberbegriff zusammengefasst würden und für die Morbus Crohn-Behandlung Evidenz basierte Studien hinsichtlich der Behandlung mit dem Präparat H 15 vorlägen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 06. November 2003 schriftlich beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegten Berufung, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorträgt, dem Weihrauchpräparat H 15 fehle die Arzneimittelzulassung, weshalb die Anwendung der Rechtsprechung des BSG zum Off-Label-Use schon gar nicht in Betracht komme. Im Übrigen fehle es an validen Studien zur Wirksamkeit des Präparats H 15 bei Colitis ulcerosa.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 15. Oktober 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für richtig. Die Klägerin hat eine Aufstellung der von ihr seit März 2002 für Ayurmedica und vom 30. Januar 2003 bis 25. Mai 2004 für Sallaki samt ärztlichen Verordnungen und Zahlungsbelegen aufgewendeten Gesamtkosten von EUR 1.820,67 vorgelegt. Der Berichterstatter hat den Sachverhalt mit den Beteiligten am 29. April 2004 erörtert.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig. Sie ist auch begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 08. und 20. März 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2002 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Erstattung der nach Verordnung durch die Dres. J. und des PD Dr. H. auf Privatrezept für das Präparat H 15 aufgewandten Kosten. Sie hat auch keinen Anspruch auf Kostenübernahme hinsichtlich dieser Medikamente nach entsprechender ärztlicher Verordnung in Zukunft. Wegen der rechtlichen Voraussetzungen eines Kostenerstattungs- bzw. eines Kostenübernahmeanspruches verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Darlegungen des SG (§ 153 Abs. 2 SGG). Die Berufung ist jedoch begründet, da der Senat eine Ausweitung der Off-Label-Use-Rechtsprechung des BSG auf in Deutschland nicht zugelassene Arzneimittel ablehnt. Insoweit kann der Senat der Begründung des SG nicht folgen. Das Weihrauchpräparat H 15 (Ayurmedica) kann im Kanton Appenzell/Schweiz verkauft werden, hat jedoch keine allgemein gültige Zulassung durch eine dem Bundesinstitut für Arzneimittel vergleichbare interkantonale Behörde. Für die Bundesrepublik Deutschland oder im Rahmen der EU fehlt eine Arzneimittelzulassung. In gleicher Weise fehlt diese Zulassung auch für das Weihrauchpräparat Sallaki.
Zwar können Ayurmedica-Arzneimittel auf ärztliche Verordnung für einzelne Patienten nach § 73 Abs. 3 AMG legal nach Deutschland eingeführt werden; diese Möglichkeit ersetzt jedoch nicht die Arzneimittelzulassung und begründet nicht die Zulässigkeit der Verordnung zu Lasten der Beklagten. Wenn die Hersteller der Weihrauchpräparate seit 1992, dem Zeitpunkt der Ablehnung einer Zulassung, keinen neuen Antrag nach dem AMG gestellt haben, kann hieraus nicht zugunsten der Klägerin gefolgert werden, dass diese fehlende Antragstellung nicht zu ihren Lasten gehen kann, auch wenn die Klägerin in der Vergangenheit mit dem Präparat H 15 auf Kosten der Beklagten versorgt wurde. Es ist nicht Aufgabe und es liegt nicht in der Zuständigkeit der Beklagten, Anträge auf Zulassung nach dem AMG zu stellen. Dies ist den jeweiligen Herstellern vorbehalten, die mit dem Zulassungsverfahren die entsprechenden Qualitätsanforderungen auch in der Produktion gewährleisten müssen (vgl. Rundschreiben des AOK Bundesverbandes vom 28. September 1998 in: Gerlach, Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden - NUB - W-01). Entsprechend dem Urteil des BSG vom 19. Oktober 2004 (SozR 4-2500 § 27 Nr. 1) kann die Verordnung eines Arzneimittels grundsätzlich nur erfolgen, wenn das Medikament über eine arzneimittelrechtliche Zulassung verfügt. Da eine Zulassung nach dem AMG auch heute noch nicht erteilt ist, verbleibt es dabei, dass H 15 nicht zu Lasten der GKV verordnet werden kann. Auf die Rechtsprechung des BSG zum Off-Label-Use ist deshalb nicht einzugehen, da diese nur zugelassene Arzneimittel betrifft. Der Senat hat deshalb keinen Anlass, weiter auf die kontrovers von den Sachverständigen beurteilte Wirksamkeitsfrage einzugehen, zumal hinreichend gesicherte Forschungsergebnisse bei der Behandlung der Colitis ulcerosa mit H 15 nicht vorhanden sind.
Weiter ist auch kein Sachverhalt gegeben, der auf der Basis des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) vom 06. Dezember 2005 (1 BvR 347/98 = NZS 2006,84 = NJW 2006 891 = MedR 2006 164) ausnahmsweise eine Verpflichtung der Beklagten zur Kostenübernahme rechtfertigen würde (vgl. auch BSG Urteil vom 04. April 2006 - B 1 KR 12/05 -). Denn bei der Klägerin liegt keine lebensbedrohliche Erkrankung vor.
Die Berufung der Beklagten erwies somit sich als begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung des der Klägerin seit 08. März 2002 verordneten und bezogenen Weihrauchpräparates "H 15" (Ayurmedica oder Sallaki) sowie die Kostenübernahme nach entsprechender ärztlicher Verordnung in Zukunft streitig.
Die am 1939 geborene verheiratete Klägerin war bis zum 27. Januar 2004 über ihren Ehemann bei der Beklagten familienversichert. Danach war sie als Rentenantragstellerin krankenversichert; seit 01. Juli 2004 ist sie bei der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) versichert.
Die Klägerin leidet seit ihrem 31. Lebensjahr an einer Proctosigmoiditis ulcerosa (Entzündung von Mastdarm und Sigmoid - S-förmig gekrümmter Teil des Dickdarmes -) sowie als Behandlungsfolge u.a an einer Gallenwegsentzündung. Im Dezember 2000/Januar 2001 wurde bei ihr ein Darmtumor entfernt. Im Krankheitsverlauf zeigten sich als Symptome Durchfälle, Darmblutungen, Zahnfleischblutungen, Entzündungen der Augen mit Iritis, Uveitis und Gelenksbeschwerden in immer wieder auftretenden akuten Schüben. Seit 1994 nahm die Klägerin nach ärztlicher Verordnung das Weihrauchpräparat H 15 in Form von Tabletten (dreimal täglich zwei) ein, das sie nach Angaben des behandelnden Arztes für Innere Medizin Privatdozent (PD) Dr. H. bei fortschreitender Erholung und Ausbleiben von Schüben gut vertrug. Nach ihren Angaben kam es bei Auslassversuchen dieser Behandlung jeweils zu akuten Colitis-Schüben. Die Kosten wurden von der Beklagten im Rahmen einer Sondergenehmigung übernommen. Weihrauch, auch Olibanum genannt, und als getrocknetes Harz von der Pflanze Boswellia serrata stammend, scheint aufgrund des Gehaltes an Boswellia-Säuren über eine hemmende Wirkung auf die Fünf-Lipoxygenase zu verfügen. Aufgrund dieses Wirkungsmechanismus könnte der Einsatz bei rheumatoider Arthritis und entzündlichen Darmerkrankungen einen neuen Therapieansatz darstellen. Auch bei der Behandlung bestimmter Hirntumore wurde Weihrauch geprüft, was u.a. Grundlage der Sondergenehmigung war. Das für diese Krankheitsbilder eingesetzte Weihrauchpräparat Ayurmedica, ein definierter Extrakt aus Weihrauchharz, ist in der Schweiz im Kanton Appenzell-Außerrhoden als pflanzliches Antirheumatikum im Handel.
Mit Schreiben der behandelnden Fachärzte für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren Dres. J. vom 05. März 2002 beantragte die Klägerin unter dem 08. März 2002 die Genehmigung für die weitere Verordnung des Präparates H 15 auf Kosten der Beklagten nach bisherigen guten Erfahrungen bei der Behandlung der Colitis ulcerosa und im Hinblick auf ihre Sondersituation bei Lebererkrankung, multiplen Allergien, weshalb andere Medikamente nur eingeschränkt einsetzbar seien. Mit Bescheid vom 08. März 2002 an die Dres. J. lehnte die Beklagte die begehrte Kostenübernahme unter Hinweis auf das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 29. Juni 2000 (L 16 KR 160/98) ab. Auf den u.a. mit der guten Verträglichkeit des Präparats H 15 und dem Hinweis auf die bestehende lebensbedrohliche Erkrankung begründeten Widerspruch verblieb die Beklagte im Bescheid vom 20. März 2002 gegenüber der Klägerin bei ihrer Ablehnung und kündigte die Vorlage an den Widerspruchsausschuss an. Zur Begründung führte die Beklagte weiter aus, H 15 sei mangels Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) nach § 31 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) von der Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) ausgeschlossen. Den wiederum eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin u.a. damit, dass sie unter Heuschnupfen, Lebensmittelallergien sowie Allergien u.a. gegen die Medikamente Azulfidine und Salofalk leide, während sie das Medikament H 15 problemlos vertrage. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2002 des bei der Bezirksdirektion der Beklagten in Mannheim gebildeten Widerspruchsausschusses wurde der Widerspruch unter Hinweis auf das erwähnte Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen und die fehlende Zulassung des Weihrauchpräparates H 15 als Fertigarzneimittel nach dem AMG zurückgewiesen.
Hiergegen erhob die Klägerin am 21. Mai 2002 beim Sozialgericht (SG) Mannheim mit der Begründung Klage, die Beklagte könne sich auf die fehlende arzneimittelrechtliche Zulassung von H 15 nicht berufen, da die vom Bundessozialgericht (BSG) zur Erweiterung der Anwendungsgebiete eines Arzneimittels entwickelten Voraussetzungen des Off-Label-Use vorlägen. Es handle sich bei ihr um eine lebensbedrohliche Situation. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten entgegen. Das SG holte schriftliche Auskünfte als sachverständige Zeugen des die Klägerin seit 1990 behandelnden PD Dr. H. vom 03. September 2002, der verschiedene Befundberichte vorlegte, und der Dres. J. vom 07. Oktober 2002 ein und beauftragte den Internisten Dr. S. mit der Erstattung des fachinternistischen Gutachtens vom 05. November 2002. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass sich bei der Klägerin die Colitis ulcerosa seit 1994 durchgehend im Stadium der Remission befinde. Die Behandlung mit H 15 erfolge seit dem letzten 1994 aufgetretenen Schub. Bei Einnahme des Medikamentes Salofalk habe die Klägerin Magenbeschwerden und beim Einsatz von Azulfidine Ausschläge bekommen. Für die Colitis ulcerosa im Stadium der Remission sei nach den Leitlinien der Evidenz basierten Medizin gesichert, dass die so genannte remissionserhaltende Behandlung für mindestens zwei Jahre durchgeführt werden solle. Bei längerer Behandlung sei der Nutzen für die Remissionserhaltung nicht belegt. Bei Beschwerdefreiheit über Jahre hinweg könne ein Auslassversuch unternommen werden. Diese Aussage beziehe sich auf die Behandlung mit anerkannten Substanzen. Für Weihrauchpräparate bestehe keine Evidenz hinsichtlich des Nutzens der Remissionserhaltung von drei bis fünf Jahren Dauer. Die Klägerin legt hierzu die mit "Ärztliche Bescheinigung" bezeichnete Stellungnahme des PD Dr. H. vom 10. Januar 2003 vor, wonach unter der Therapie mit H 15 immer wieder Entzündungen aufgetreten seien, es somit nicht zu einer vollständigen Remission gekommen sei. Eine Vielzahl von Ärzten, die Colitis ulcerosa- oder Morbus-Crohn-Patienten behandeln würden, würden einen offensichtlichen Zusammenhang zwischen der Einnahme von H 15 und einer eindeutigen Verbesserung der Symptomatik beobachten. Für Morbus Crohn liege eine größere prospektive, doppelblind durchgeführte Studie vor, die einen antientzündlichen Effekt von H 15 nachweise. Das SG holte weiter auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Sachverständigengutachten des Oberarztes der II. Medizinischen Universitätsklinik des Klinikums Mannheim - Gastroenterologie - Dr. G. vom 05. Juli 2003 ein, der bestätigte, dass bei der Klägerin H 15-Auslassversuche jeweils mit einem akuten Colitis-Schub beantwortet worden seien; es bestehe eine Salizylatunverträglichkeit. Es gebe in den Leitlinien der Evidenz basierten Medizin mangels entsprechender Studien keine Hinweise auf eine antientzündliche H 15-Therapie. Die schulmedizinische Behandlung mit Salizylaten, Kortikosteroiden und Immunsuppressiva führe bei der Klägerin zu unerwünschten Begleiterscheinungen vor allem aufgrund der bestehenden Allergieneigung. Evidenz basierte Leitlinien für 2003 schlössen für die einer Colitis ulcerosa nahe stehende Erkrankung Morbus Crohn die H 15-Therapie nicht mehr grundsätzlich aus, jedoch erfordere eine Empfehlung der Anwendung des Präparats weitere klinische Studien, die in Planung seien. Ergänzend teilte der Sachverständige am 31. Juli 2003 mit, dass unter dem Terminus chronisch-entzündliche Darmerkrankungen Colitis ulcerosa und Morbus Crohn zusammengefasst würden. Er habe eine randomisierte, doppelblinde, verumkontrollierte achtwöchige Studie im Parallelgruppenvergleich in Doppeldummy-Technik bei Patienten mit akutem Morbus Crohn durchgeführt. Bei Colitis ulcerosa bestünden vergleichbare positive Therapieerfahrungen. Dem entspreche auch eine Studie für die Colitis ulcerosa, in der H 15 mit Sulfasalazin verglichen worden sei. Jedoch sei bisher die H 15-Therapie bei Colitis ulcerosa nicht als wissenschaftlich anerkanntes Verfahren einzuordnen. Mit Urteil vom 15. Oktober 2003, das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 24. Oktober 2003 zugestellt wurde, gab das SG der Klage statt und verurteilte die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide, die der Klägerin entstandenen Kosten der kassenärztlich verordneten H 15-Therapie oder der Therapie mit einem wirkstoffgleichen Präparat ab dem 08. März 2002 zu übernehmen bzw. der Klägerin aufgrund der Therapie bereits entstandene Kosten ab diesem Zeitpunkt zu erstatten. In den Entscheidungsgründen, auf die zur weiteren Darstellung Bezug genommen wird, führte das SG im Wesentlichen aus, es seien die Grundsätze der Off-Label-Use-Rechtsprechung des BSG hier anzuwenden, zumal Colitis ulcerosa und Morbus Crohn unter einem Oberbegriff zusammengefasst würden und für die Morbus Crohn-Behandlung Evidenz basierte Studien hinsichtlich der Behandlung mit dem Präparat H 15 vorlägen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 06. November 2003 schriftlich beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegten Berufung, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorträgt, dem Weihrauchpräparat H 15 fehle die Arzneimittelzulassung, weshalb die Anwendung der Rechtsprechung des BSG zum Off-Label-Use schon gar nicht in Betracht komme. Im Übrigen fehle es an validen Studien zur Wirksamkeit des Präparats H 15 bei Colitis ulcerosa.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 15. Oktober 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für richtig. Die Klägerin hat eine Aufstellung der von ihr seit März 2002 für Ayurmedica und vom 30. Januar 2003 bis 25. Mai 2004 für Sallaki samt ärztlichen Verordnungen und Zahlungsbelegen aufgewendeten Gesamtkosten von EUR 1.820,67 vorgelegt. Der Berichterstatter hat den Sachverhalt mit den Beteiligten am 29. April 2004 erörtert.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig. Sie ist auch begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 08. und 20. März 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2002 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Erstattung der nach Verordnung durch die Dres. J. und des PD Dr. H. auf Privatrezept für das Präparat H 15 aufgewandten Kosten. Sie hat auch keinen Anspruch auf Kostenübernahme hinsichtlich dieser Medikamente nach entsprechender ärztlicher Verordnung in Zukunft. Wegen der rechtlichen Voraussetzungen eines Kostenerstattungs- bzw. eines Kostenübernahmeanspruches verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Darlegungen des SG (§ 153 Abs. 2 SGG). Die Berufung ist jedoch begründet, da der Senat eine Ausweitung der Off-Label-Use-Rechtsprechung des BSG auf in Deutschland nicht zugelassene Arzneimittel ablehnt. Insoweit kann der Senat der Begründung des SG nicht folgen. Das Weihrauchpräparat H 15 (Ayurmedica) kann im Kanton Appenzell/Schweiz verkauft werden, hat jedoch keine allgemein gültige Zulassung durch eine dem Bundesinstitut für Arzneimittel vergleichbare interkantonale Behörde. Für die Bundesrepublik Deutschland oder im Rahmen der EU fehlt eine Arzneimittelzulassung. In gleicher Weise fehlt diese Zulassung auch für das Weihrauchpräparat Sallaki.
Zwar können Ayurmedica-Arzneimittel auf ärztliche Verordnung für einzelne Patienten nach § 73 Abs. 3 AMG legal nach Deutschland eingeführt werden; diese Möglichkeit ersetzt jedoch nicht die Arzneimittelzulassung und begründet nicht die Zulässigkeit der Verordnung zu Lasten der Beklagten. Wenn die Hersteller der Weihrauchpräparate seit 1992, dem Zeitpunkt der Ablehnung einer Zulassung, keinen neuen Antrag nach dem AMG gestellt haben, kann hieraus nicht zugunsten der Klägerin gefolgert werden, dass diese fehlende Antragstellung nicht zu ihren Lasten gehen kann, auch wenn die Klägerin in der Vergangenheit mit dem Präparat H 15 auf Kosten der Beklagten versorgt wurde. Es ist nicht Aufgabe und es liegt nicht in der Zuständigkeit der Beklagten, Anträge auf Zulassung nach dem AMG zu stellen. Dies ist den jeweiligen Herstellern vorbehalten, die mit dem Zulassungsverfahren die entsprechenden Qualitätsanforderungen auch in der Produktion gewährleisten müssen (vgl. Rundschreiben des AOK Bundesverbandes vom 28. September 1998 in: Gerlach, Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden - NUB - W-01). Entsprechend dem Urteil des BSG vom 19. Oktober 2004 (SozR 4-2500 § 27 Nr. 1) kann die Verordnung eines Arzneimittels grundsätzlich nur erfolgen, wenn das Medikament über eine arzneimittelrechtliche Zulassung verfügt. Da eine Zulassung nach dem AMG auch heute noch nicht erteilt ist, verbleibt es dabei, dass H 15 nicht zu Lasten der GKV verordnet werden kann. Auf die Rechtsprechung des BSG zum Off-Label-Use ist deshalb nicht einzugehen, da diese nur zugelassene Arzneimittel betrifft. Der Senat hat deshalb keinen Anlass, weiter auf die kontrovers von den Sachverständigen beurteilte Wirksamkeitsfrage einzugehen, zumal hinreichend gesicherte Forschungsergebnisse bei der Behandlung der Colitis ulcerosa mit H 15 nicht vorhanden sind.
Weiter ist auch kein Sachverhalt gegeben, der auf der Basis des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) vom 06. Dezember 2005 (1 BvR 347/98 = NZS 2006,84 = NJW 2006 891 = MedR 2006 164) ausnahmsweise eine Verpflichtung der Beklagten zur Kostenübernahme rechtfertigen würde (vgl. auch BSG Urteil vom 04. April 2006 - B 1 KR 12/05 -). Denn bei der Klägerin liegt keine lebensbedrohliche Erkrankung vor.
Die Berufung der Beklagten erwies somit sich als begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
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