L 24 B 31/06 P ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 10 P 22/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 B 31/06 P ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 14. Juni 2006 (S 10 P 22/06 ER) geändert. Die Antragsgegner werden im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, Pflegeleistungen der Antragstellerin entsprechend dem bisherigen Vertragsverhältnis bis zur Entscheidung des Sozialgerichts im Hauptsacheverfahren, längstens aber bis zum 17. Mai 2007 zu vergüten. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt vier Fünftel, die Antragsgegner ein Fünftel der Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 63 000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Im Streit ist in der Hauptsache – und vorliegend im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes –, ob die Antragsgegner berechtigt waren, den Pflegeversorgungsvertrag zwischen den Beteiligten fristlos beziehungsweise fristgemäß zum 17. Mai 2007 zu kündigen. Die Antragstellerin erbrachte im Jahr 2005 Leistungen für die Antragsgegner in Höhe von knapp über 45 000,00 EUR.

Am 27. und 28. September 2004 führte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg MDK eine Qualitätsprüfung bei der Antragstellerin durch. Der MDK stellte in seinem Prüfbericht gravierende Mängel in der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität fest. Dabei wurde unter anderem festgestellt, dass es keine Regelung über die Aufbewahrung der Schlüssel der Räumlichkeiten der zu pflegenden Personen gab, dass die Medikamente nicht immer mit den Medikamentenverordnungen in den Pflegedokumentationen übereinstimmten und dass diese, obwohl sie Eigentum der zu versorgenden Personen waren, nicht in deren Räumlichkeiten aufbewahrt wurden. Es sei deutlich geworden, dass den Gesprächspartnern die gemeinsamen Grundsätze und Maßstäbe zur Qualität und Qualitätssicherung der Pflege nach § 80 SGB XI nicht bekannt gewesen seien. Auch in Bezug auf das Pflegeleitbild und das Pflegekonzept seien Kenntnisse der Mitarbeiter nicht feststellbar gewesen, so dass eine Umsetzung von Pflegeleitbild und Pflegekonzept in der täglichen Arbeit nicht nachvollziehbar sei. Die Antragstellerin als verantwortliche Pflegefachkraft nehme ihre Leitungsfunktion im Bereich der internen Qualitätssicherung nicht ausreichend wahr. Die Namensliste des Pflegepersonals sei unzutreffend gewesen, beispielsweise sei die stellvertretende verantwortliche Pflegefachkraft nicht aufgeführt gewesen. Stellenbeschreibungen konnten nicht vorgelegt werden. Nachweise über Pflegevisiten und Fallbesprechungen konnten ebenso wenig vorgelegt werden wie Protokolle der Dienstbesprechungen. Der Dienstplan habe die Fachaufsicht nicht nachvollziehbar bezeichnet, an mehreren Tagen sei keine Pflegefachkraft im Dienstplan geführt worden, sondern lediglich Hilfskräfte. Von der stellvertretenden verantwortlichen Pflegefachkraft sei angegeben worden, in Ausnahmen seien Behandlungspflegen auch durch Pflegehilfskräfte ausgeführt worden. Eine Zuordnung im Dienstplan sei insoweit nicht dokumentiert gewesen. Am 28. Juni 2004 sei der Frühdienst nicht abgesichert gewesen. Die vorgelegten Dienstpläne hätten insgesamt den Erfordernissen nicht entsprochen. Die Qualifikation der Mitarbeiter und die Regelarbeitszeit sei nicht angegeben worden. Der vollständige Name der Mitarbeiter fehlte, Erstelldatum, Unterschrift des Erstellers und die Freigabe fehlten, der Gültigkeitsbereich sei nicht angegeben gewesen, Änderungen seien teilweise durch Überschreibungen und Streichungen vorgenommen worden, Rufbereitschaften und Dienstbesprechungen seien nicht gekennzeichnet worden. Für den Monat September 2004 seien zwei Dienstpläne geführt worden. Touren- oder Einsatzpläne seien nicht geführt worden. Entgegen den Angaben seien die Bürozeiten täglich nur von 12.00 bis 13.00 Uhr eingehalten worden und über die von der Antragstellerin angegebene Festnetznummer sei ein Anrufbeantworter geschaltet, der keinen Hinweis auf eine Fremdnummer gebe, so dass in Notfällen keine Erreichbarkeit gewährleistet sei. Die Nachweise zur externen Qualitätssicherung hätten nicht vorgelegt werden können, die zur internen Qualitätssicherung seien nicht nachvollziehbar gewesen. In den Pflegedokumentationen sei kein Nachweis über Pflegevisiten enthalten gewesen. In dem Konzept zu deren Durchführung seien Angaben zur Verantwortlichkeit und die Häufigkeit der Durchführung nicht enthalten gewesen. Ein Qualitätszirkel sei nicht vorhanden gewesen und ein Qualitätshandbuch sei angeblich vor längerer Zeit begonnen worden, konnte aber nicht vorgelegt werden. Ein Fortbildungsplan sei nicht vorhanden gewesen und als Fachliteratur seien ein älteres Exemplar des medizinischen Wörterbuches Pschyrembel und ein Krankenpflegelehrbuch von Juliane Juchli vorhanden gewesen. Im Büro seien mehrere Ausgaben der Fachzeitschrift "Die Schwester, der Pfleger" aus dem Jahre 2004 vorhanden gewesen. Ein Rundlauf sei nicht erfolgt. Ein Konzept zur Einarbeitung neuer Mitarbeiter habe nicht vorgelegt werden können. Für eine am 23. September 2004 eingestellte Pflegefachkraft sei keine Einarbeitung vorgenommen worden, diese sollte erst nach der Überprüfung erfolgen. Dienstanweisungen waren ebenso wenig wie schriftliche Regelungen zum Verhalten in Notfallsituationen oder wie Hygiene- und Desinfektionspläne auffindbar. Es fehlten auch schriftliche Festlegungen zum Umgang mit Beschwerden.

Nach dem Zufallsprinzip sei eine stichprobenartige Überprüfung des Pflegezustandes und die Befragung zur Zufriedenheit bei drei Pflegebedürftigen der Pflegestufen I bis III (P1 bis P3) durchgeführt worden. P1 habe sich krankheitsbedingt nicht äußern können. P2 und P3 äußerten sich im Wesentlichen zufrieden mit Pflege und Betreuung, wobei sich die Pflegebedürftige über den Umgangston einer Mitarbeiterin mehrmals beschwert habe, die aber zwischenzeitlich verstorben sei. Der Umgang der Pflegekräfte sei bis auf die Anrede der Pflegebedürftigen P1 angemessen gewesen. Die Pflegebedürftige P1 sei ausschließlich durch eine Pflegehilfskraft versorgt worden und es sei ein starker Läusebefall des Kopfes durch kurzes Schneiden der Haare beseitigt worden. Im Bereich des Gesäßes sei eine großflächige Hautläsion ebenso wie in den Leistenbeugen vorhanden gewesen. Diese Hautschädigungen seien in der Pflegedokumentation nicht auffindbar gewesen, eine entsprechende Wundbeschreibung habe gefehlt. Die Behandlung der Kopfläuse durch die Hilfskraft sei lückenhaft dokumentiert worden. Es wurde anhand des Abgleichs der Pflegedokumentationen und der Dienstpläne festgestellt, dass die Pflegefachkräfte auch an den Tagen, an denen sie nicht anwesend waren, die Dokumentationen der Pflegehilfskräfte abgezeichnet hatten.

Bei der Pflegebedürftigen P2 wurde ebenfalls festgestellt, dass die Behandlungspflegemaßnahmen durch Pflegefachkräfte abgezeichnet wurden, obwohl die Leistungen ausschließlich durch eine pflegerische Hilfskraft erbracht worden seien. Eine nachvollziehbare Erklärung für diese Vorgehensweise konnte nicht gegeben werden. In der Pflegedokumentation fehlten Angaben zur Insulindosierung und es war unklar, welches Insulin in welcher Dosierung verabreicht werden sollte. Es sollte ein zweiwöchiger Katheterwechsel durchgeführt werden, im Leistungsnachweis jedoch war von September 2004 bis zum Tag der Überprüfung kein solcher vermerkt. Nach einem Kalendereintrag sollte ein Katheterwechsel am 10. September 2004 erfolgen, ein Nachweis über die Durchführung des Wechsels fehlte, ohne dass dies erklärt werden konnte.

Bei der Pflegebedürftigen P3 sei festgestellt worden, dass die Dokumentation über die Medikamentenabgabe nicht mit den Angaben im Dienstplan übereinstimme, die Medikamente also von anderen Pflegekräften verabreicht wurden als angegeben.

Bei allen drei Pflegebedürftigen seien Pflegeprozessplanungen erstellt worden, ohne dass zu erkennen war, welche Pflegefachkraft sie erstellt habe. Bei P1 sei der Pflegeprozessplan durch eine Hilfskraft erstellt worden. Die Pflegeprozessplanung habe nicht dem angegebenen Pflegemodell entsprochen. Im Bereich der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme sei kein Standard hierzu vorhanden gewesen und es hätten Angaben zum Gewicht und zur Größe der Pflegebedürftigen gefehlt. Auch habe ein verbindlicher Standard zum Verhalten bei Inkontinenz gefehlt und das Inkontinenzproblem sei in den Pflegeplanungen nicht angemessen berücksichtigt worden. Ein Standard zur Pflege bei geronto-psychiatrischen Einschränkungen sei nicht vorhanden gewesen und die entsprechende Einschränkung der P1 sei in der Pflegeprozessplanung nicht berücksichtigt gewesen.

Der MDK hat insgesamt 23 in der Gerichtsakte auf Bl. 115 bis 118 dargelegte Empfehlungen zur Verbesserung der Situation in der Einrichtung der Antragstellerin gegeben und am 07. und 08. Juni 2005 eine erste Evaluation durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass weiterhin Medikamente gelagert wurden, die keiner der versorgten Personen zugeordnet werden konnten. Die Aufbewahrung und Kennzeichnung der Schlüssel der zu Pflegenden sei nach wie vor nicht ordentlich geregelt gewesen. In den Pflegedokumentationen seien die Empfehlungen nicht befolgt worden und bei der Qualitätsprüfung habe sich gezeigt, dass die Aussagen von Pflegeleitbild und Pflegekonzept nach wie vor nicht umgesetzt wurden. Die empfohlenen Fortbildungen im geriatrischen, geronto-psychiatrischen und onkologischen Bereich seien nicht durchgeführt worden. Die Kontinuität in der pflegerischen Versorgung sei nicht erkennbar gewesen, da die Tourenpläne nicht nachvollziehbar gewesen seien. Dort fehlten häufig die Namen der Klienten. Es sei pauschal "Außentour" angegeben worden. Der Dienstplan sei nach wie vor nicht vollständig gewesen. Das Einarbeitungskonzept sei immer noch nicht vollständig umgesetzt gewesen und die Ergebnisse der Dienstbesprechungen den Mitarbeitern nicht nachweislich zur Kenntnis gegeben worden. Der Hygieneplan habe nicht den Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes entsprochen. Bei der Überprüfung zweier aktueller Pflegedokumentationen (P1 und P2) sei festgestellt worden, dass die Daten nicht vollständig gewesen seien, so hätten bei beiden Pflegebedürftigen keine Angaben zu Hilfsmitteln vorgefunden werden können. Dokumentationen der beschriebenen Pflegemaßnahmen seien nicht erfolgt und Pflegestandards nach wie vor nicht berücksichtigt worden. Ein Standard zur Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme sei nach wie vor nicht vorhanden gewesen. Angaben zum Gewicht und zur Größe der Pflegebedürftigen seien nunmehr im Stammblatt eingetragen gewesen, ohne dass weitere Feststellungen des Gewichts oder des Ernährungszustandes in der Folge auffindbar gewesen seien. Ein verbindlicher Standard zum Umgang bei Inkontinenz sei entgegen der Empfehlung nicht erarbeitet worden und in den Pflegeplanungen sei das Inkontinenzproblem nach wie vor nicht berücksichtigt. Die geronto-psychiatrische Einschränkung der P2 sei in den Pflegeprozessplanungen nicht berücksichtigt worden; ein Standard zu derartigen Erkrankungen sei nicht vorhanden. Die Umsetzung des Pflegeprozesses sei weiterhin nicht erkennbar gewesen und eine fördernde und aktivierende Pflege nicht nachvollziehbar. Die Pflegebedürftige P2 sei von der Pflegerin mit dem Vornamen und mit "du" angesprochen worden, ohne dass der Pflegedokumentation zu entnehmen gewesen sei, dass dies den Wünschen der P2 entspreche. Eine plausible Vorgehensweise hierfür konnte nicht gegeben werden. Bei der P2 wurde eine größere Hautschädigung festgestellt, die in der Pflegedokumentation nicht enthalten war. Eine Wundbeschreibung sei nicht geführt worden. Die Haut der Füße sei schuppig gewesen. In der Folge der Evaluation wurden 14 Empfehlungen zur Verbesserung der Situation bei der Antragstellerin ausgesprochen.

Am 09. und 10. Januar 2006 erfolgte eine zweite Evaluation über die Umsetzung dieser Empfehlungen. Es wurden zwei weitere Pflegebedürftige aufgesucht, wobei festgestellt wurde, dass die vereinbarten Leistungen nicht mit den erbrachten Leistungen übereinstimmten. Die Pflegeverträge wurden bei Änderung der Pflegesituation nicht entsprechend geändert. Die unzureichende Aufbewahrung der Medikamente sei ebenso wenig beseitigt worden wie diejenige mit den Schlüsseln der Klienten. Es sei deutlich geworden, dass Pflegeleitbild und Pflegekonzept nach wie vor nicht umgesetzt würden. In den Pflegedokumentationen seien Wünsche und Besonderheiten wie Abneigungen und Vorlieben der Klienten nicht beschrieben worden. Biografische Besonderheiten seien nur teilweise erfasst gewesen und in den Pflegeprozessplanungen nicht erkennbar, wie individuelle fördernde Pflege durchgeführt werden solle. Die Umsetzung des Pflegemodells sei nur ansatzweise erfolgt, da der beschriebene "einheitliche Ansatz" überwiegend nicht beachtet worden sei. Die Antragstellerin sei ihrer Verantwortung hinsichtlich der Dienst- und Tourenplanung und der internen Qualitätssicherung als Leitungsverantwortliche weiterhin nicht ausreichend nachgekommen. In der Stellenbeschreibung einer Kraft sei angegeben worden, diese verfüge über einen mindestens sechswöchigen Pflegehilfskurs, ohne dass dies zutreffe. Die Dienstpläne ließen nicht erkennen, welcher Dienst tatsächlich geplant und durchgeführt worden sei. Auch die Mängel der Dokumentierung der Tourenpläne seien nicht beseitigt gewesen. Bei der Pflegebedürftigen P2, die geduzt wurde, ohne dass sie in der Lage sei, ihre Zustimmung hierzu zu äußern, sei eine freiheitsentziehende Maßnahme Hochstellen der Bettgitter zur Nacht durchgeführt worden, wobei der Antrag vom 27. Dezember 2005 durch die Betreuung beim zuständigen Amtsgericht gestellt worden sei, ohne dass ein Beschluss vorliege. Bei der P1 sei am linken Knie eine verschorfte Wunde festgestellt worden, die in der Pflegedokumentation nicht verzeichnet war. Die Zehenzwischenräume seien unsauber gewesen und die Fußnägel ungepflegt. Die Nägel und das Nagelbett der Füße hätten den Eindruck eines Pilzbefalls gemacht. Nach dem Leistungsnachweis sei am 04. Januar 2006 eine kleine Körperpflege und am 07. Januar 2006 eine große Körperpflege durchgeführt worden. Bei der Pflegebedürftigen P2 seien verunreinigte und unterschiedlich lange Fingernägel festgestellt worden. Nach Angaben der stellvertretenden verantwortlichen Pflegefachkraft resultiere dies aus Abwehrhaltungen von Seiten der P2. In der Pflegeplanung sei dieses Problem jedoch nicht erwähnt worden. Prophylaktische Maßnahmen seien der Pflegeplanung nicht zu entnehmen gewesen. Die Wechseldruckmatratze sei auf 70 kg eingestellt gewesen; das Gewicht sei aber letztmalig am 31. Mai 2005 mit 50 kg ermittelt. Es sei zusammenfassend festzustellen, dass die Pflege und Betreuung der P2 entsprechend der Pflegestufe III im betreuten Wohnen nicht sichergestellt wurde, zumal eine nächtliche Versorgung nicht erfolgte. Im Ergebnis empfahl der MDK 13 Maßnahmen zur Verbesserung der Situation in der Einrichtung der Antragstellerin. Insgesamt sei festgestellt worden, dass weiterhin Mängel in der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität bestünden.

Daraufhin teilten die Antragsgegner mit Schreiben vom 08. März 2006 der Antragstellerin mit, dass beabsichtigt sei, den Versorgungsvertrag gemäß § 74 Abs. 2 SGB XI ohne Einhaltung einer Frist zu kündigen. Sie gaben ihr Gelegenheit zur Stellungnahme.

In dieser Stellungnahme reichten die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin ein Gutachten des Diplom Pflegewirts P R, der für die Antragstellerin an der zweiten Evaluation teilgenommen hatte, vom 23. März 2006 ein, in dem dieser zum Ergebnis gelangte, in Teilbereichen seien Defizite vorhanden, so insbesondere bei der Pflegeprozessplanung und im Hygienemanagement, insgesamt jedoch liege der Zielerreichungsgrad bei 87,74 %, so dass die Qualitätsanforderungen angemessen umgesetzt würden.

Mit Schriftsatz vom 12. Mai 2006 kündigten die Antragsgegner den Versorgungsvertrag gemäß § 74 Abs. 2 SGB XI mit sofortiger Wirkung, hilfsweise fristgemäß zum 17. Mai 2007. Dies begründeten sie damit, dass die Antragstellerin immer noch nicht die empfohlenen Maßnahmen vollständig umgesetzt habe und es daher im Interesse der Versichertengemeinschaft nicht mehr möglich sei, eine unter Umständen in Zukunft eintretende Qualitätsverbesserung abzuwarten. Die Verstöße seien so schwerwiegend, dass ein Festhalten an dem Vertragsverhältnis für die Antragsgegner nicht zumutbar sei.

Hiergegen richtete sich der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz der Antragstellerin vom 19. Mai 2006, zu dessen Begründung dieser im Wesentlichen erneut auf das bei den Antragsgegnern eingereichte Gutachten des Herrn R vom 23. März 2006 verwiesen hat, aus dem sich ergebe, dass die von den Antragsgegnern aufgeführten Kritikpunkte weder für eine fristgemäße und erst recht nicht für eine fristlose Vertragskündigung hinreichten.

Die Antragsgegner sind dem entgegengetreten.

Sie haben dies damit begründet, dass die im Betrieb der Antragstellerin wiederholt festgestellten Qualitäts- und Pflegemängel elementar gewesen seien und für die dort versorgten Patienten mindestens eine latente gesundheitliche Gefährdung darstellten. Nachdem in einem Zeitraum von mehr als zwei Jahren seit der ersten Feststellung im Rahmen der Qualitätsüberprüfung noch keine vollständige Abhilfe erfolgt war und die Antragstellerin nicht das vom Gesetzgeber vorgeschriebene und vertraglich vereinbarte Qualitätsniveau erbracht habe, sei die außerordentliche Kündigung angemessen. In Anbetracht der geringen Anzahl der von der Antragstellerin mit häuslicher Krankenpflege versorgten Patienten werde eine wirtschaftliche Gefährdung des Betriebes bestritten.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 14. Juni 2006 den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Antragstellerin habe weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Es sei unstreitig, dass wiederholt Mängel im Rahmen von Qualitätsprüfungen festgestellt worden seien. Die Auffassung der Antragstellerin, nur besonders schwerwiegende Mängel könnten eine Pflichtverletzung darstellen und solche hätten bei der Antragstellerin nicht vorgelegen, sei unzutreffend. In Abwägung des öffentlichen Interesses an einer qualitativ hochwertigen und wirtschaftlichen Versorgung und der Gesundheit der Versicherten und der privaten Interessen der Antragstellerin, ihr Gewerbe weiter auszuüben, überwögen die Interessen der Antragsgegner, insbesondere weil die Antragstellerin nach den beiden Anhörungen mit einer Kündigung habe rechnen müssen. Eine Existenzgefährdung sei nicht glaubhaft gemacht worden.

Gegen diesen den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 20. Juni 2006 zugestellten Beschluss richtet sich deren Beschwerde vom 22. Juni 2006, mit der sie ihr erstinstanzliches Vorbringen im Wesentlichen wiederholt. Das Sozialgericht habe ihren Vortrag nicht hinreichend gewürdigt.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 14.06.2006 (S 10 P 22/06 ER) abzuändern und die aufschiebende Wirkung der am 22.05.2006 vor dem Sozialgericht Neuruppin zum Az. S 10 P 23/06 erhobenen Klage gemäß § 86 b Abs. 1 SGG anzuordnen,

hilfsweise,

festzustellen, dass die fristlose Kündigung des Versorgungsvertrages vom 12.05.2006 unwirksam ist und die Antragsgegner zu verurteilen, das Vertragsverhältnis mit der Antragstellerin über den 16.05.2006 hinaus fortzusetzen.

Die Antragsgegner beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie halten die Beschwerde für unzulässig, soweit damit nunmehr die Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage begehrt und der ursprünglich beim Sozialgericht gestellte Antrag als Hilfsantrag weiter verfolgt werde. Jedenfalls sei die Beschwerde unbegründet.

II.

Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Beschwerde ist mit dem Hauptantrag unzulässig und mit dem Hilfsantrag teilweise begründet.

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage vor dem Sozialgericht Neuruppin S 10 P 23/06 anzuordnen, ist unzulässig:

Gemäß § 86 b Abs. 1 Ziffer 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Hier liegt jedoch keine Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG vor, da kein Verwaltungsakt der Beklagten Streitgegenstand ist, der angefochten werden soll, sondern die Kündigung eines Vertragsverhältnisses. Hierfür ist die richtige Klageart die Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Ziffer 1 SGG, nach der die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses, hier des Pflegevertrages zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin, begehrt werden kann, wenn der Kläger, hier die Antragstellerin, ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Darauf, ob die Antragsgegner einer Antragsänderung zustimmen oder nicht und ob eine Antragsänderung überhaupt vorliegt oder das gleiche prozessuale Ziel lediglich mit Hilfe eines anderen Rechtsinstituts verfolgt werden soll, kommt es demzufolge nicht an.

Es liegt ein Antrag gemäß § 86 b Abs. 2 SGG vor, wonach einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig sind, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist der Fall, wenn das Bestehen eines Anordnungsanspruches und eines Anordnungsgrundes nach summarischer Prüfung wahrscheinlich sind (vgl. Meyer Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 8. Auflage, § 86 b Rz. 27 bis 29).

Im vorliegenden Fall kann das Bestehen eines Anordnungsanspruches in Bezug auf die fristlose Kündigung nach summarischer Prüfung nicht von vornherein ausgeschlossen worden. Mit den von den Antragsgegnern festgestellten Mängeln im Betrieb der Antragstellerin, die von dieser teilweise eingestanden werden, und der Tatsache, dass auch nach zweimaliger Gelegenheit hierzu keine vollständige Abhilfe geschaffen wurde, kann eine fristgerechte Kündigung nach Auffassung des Senats aller Voraussicht nach gerechtfertigt werden, in Bezug auf eine fristlose Kündigung hingegen bestehen insoweit erhebliche Zweifel.

Das Sozialgericht hat die bei der Antragstellerin festgestellten Mängel im angefochtenen Beschluss im Einzelnen dargelegt. Diese legen zuvor nahe, dass die fristgemäße Kündigung des Pflegevertrages zu Recht erfolgte, schließen aber nicht völlig aus, dass dies nicht der Fall ist. Somit ist der Ausgang des Hauptverfahrens offen und es ist eine Interessenabwägung dahingehend erforderlich, ob der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (vgl. Meyer Ladewig, a. a. O., Nr. 29).

Zum einen liegt die Kündigung zum 17. Mai 2007 in der Zukunft und beinhaltet keine unmittelbaren Auswirkungen. Zum anderen ist einzig erkennbarer wesentlicher Nachteil, der auf Seiten der Antragstellerin nach ihrem Vortrag besteht und der bei der vorzunehmenden Interessenabwägung zu berücksichtigen wäre, dass diese vorgetragen hat, durch die Kündigung des Pflegevertrages sei die Existenz ihres Betriebes gefährdet. Dieser Sachverhalt jedoch ist nicht nach § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht. Die rechtskundig vertretene Antragstellerin wurde bereits im angefochtenen Beschluss letzter Absatz darauf hingewiesen, dass eine Existenzgefährdung des Betriebes der Antragstellerin glaubhaft gemacht werden müsse, was in erster Instanz nicht erfolgt war. Auch in dem Beschwerdeverfahren haben die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin diesen Anordnungsgrund wiederum nicht glaubhaft gemacht. Nach § 920 Abs. 2 ZPO jedoch ist dies zwingend erforderlich und nach § 294 ZPO sind hierzu alle Beweismittel und die Versicherung an Eides Statt zugelassen. Im vorliegenden Fall sind keinerlei Beweismittel über die behauptete Existenzgefährdung des Betriebes beigebracht worden. Auch eine eidesstattliche Versicherung insoweit wurde nicht in das Verfahren eingeführt, so dass dieser Gesichtspunkt bei der Interessenabwägung außer Betracht zu bleiben hat. Andere Gesichtspunkte jedoch, die einen wesentlichen Nachteil der Antragstellerin begründen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich, so dass es an einem Anordnungsgrund "Gefährdung der Existenz des Betriebes" fehlt. Es ist deshalb nicht weiter darauf einzugehen, ob eine derartige, noch dazu in der Zukunft liegende Gefährdung, die stets bei vereinbarten Kündigungsfristen gegeben ist, das Interesse der Antragsgegner, die nicht nur ihre wirtschaftlichen, sondern auch die Betreuungsinteressen der Pflegebedürftigen sicherzustellen haben, überwiegen kann.

Anders stellt sich die Lage bezüglich der fristlosen Kündigung dar. Denn mit dem Grad der Erhöhung der Erfolgsaussicht der Klage in der Hauptsache verringern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. Ein Interesse der Antragsgegner an der Vollziehung einer fristlosen Kündigung, die im Hauptverfahren voraussichtlich Bedenken begegnen dürfte, kann keinen Vorrang gegenüber den wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin haben, die immerhin voraussichtliche Einnahmen von über 50 000,00 EUR bis zum 17. Mai 2005 verlieren würde. Die Mängel aber, die der MDK festgestellt hat, führten nicht zu einer unmittelbaren Gefährdung der zu pflegenden Personen (§ 74 Abs. 2 SGB XI). Es sind im Wesentlichen Organisationsmängel und solche der Weiterbildung und der Umgangsformen. Weshalb die Antragsgegner, die diese Mängel auch wenn sie auf Abhilfe gedrängt haben über 1 ½ Jahre hingenommen haben, nunmehr, da einige Mängel zumindest teilweise beseitigt sind, meinen, eine fristlose Kündigung sei erforderlich, vermag sich dem Senat nicht zu erschließen. Die Mängel wären von den Antragsgegnern bei Vorliegen einer unmittelbaren Gefahr wohl kaum über einen längeren Zeitraum hingenommen worden. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass durch den Zeitablauf seit der ersten Feststellung (September 2004) Umstände hinzugetreten wären, die jetzt eine sofortige Einstellung von Pflegetätigkeiten zugunsten der Antragsgegner bzw. deren Versicherten erforderten. Unabhängig davon, dass insoweit die Klage gegen die fristlose Kündigung durchaus Erfolg haben kann, überwiegt das Interesse der Antragstellerin an der weiteren Ausübung ihrer Tätigkeit (Art. 12, 14 GG) das Interesse der Antragsgegner an der zuvor nicht für erforderlich gehaltenen sofortigen Einstellung der Tätigkeit.

Die Beschwerde hat daher zum Teil Erfolg. Es konnte aber auch dem Hilfsantrag nicht voll entsprochen werden, als die Feststellung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleibt. Für den einstweiligen Rechtsschutz ist es ausreichend, dass der Antragstellerin ermöglicht wird, weiterhin – längstens bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren, falls diese vor dem 17. Mai 2007 ergeht - Pflegeleistungen für Versicherte der Antragsgegner zu den bisherigen Bedingungen zu erbringen und abzurechnen.

Die Kostenentscheidung entspricht dem Ausgang des Verfahrens. Der Senat geht bei der Kostenentscheidung nach § 197 a SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auch hinsichtlich des Interesses der Antragstellerin von einem Zeitraum von drei Jahren (vgl. hierzu zur Streitwertfestsetzung) aus. Insoweit ist sie mit dem Hauptantrag voll unterlegen. Der wirtschaftlich erheblich geringer zu bewertende Hilfsantrag war ebenfalls nicht voll erfolgreich. Es kann insgesamt nur ein Obsiegen zu einem Fünftel angenommen werden. Dementsprechend ist die Antragstellerin zu viertel Fünfteln unterlegen und hat zu einem Fünftel obsiegt.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren ist auf der Grundlage von §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 und entsprechend § 42 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG) auf 63 000,00 EUR festzusetzen, wobei der Beschluss des Sozialgerichts vom 28. Juni 2006 über die Festsetzung des Streitwertes für das erstinstanzliche Verfahren auf 41 355,00 EUR nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, da insofern keiner der Beteiligten Beschwerde eingelegt hat.

Mangels anderer Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin auch in den drei Folgejahren zirka 42 000,00 EUR pro Jahr Einnahmen aus dem streitigen Vertragsverhältnis hätte, also 126 000,00 EUR. Da hier lediglich eine einstweilige Regelung im Streit ist, legt der Senat (entsprechend dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit – vergl.: Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl. Anh. I B zu § 52 GKG Rdnr. 9) die Hälfte dieser Summe als Streitwert zugrunde, mithin 63 000,00 EUR.

Gegen diesen Beschluss findet die Beschwerde an das Bundessozialgericht nicht statt (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved