L 11 B 590/06 SO PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 AR 9/05 SO
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 590/06 SO PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Augsburg vom 05.07.2006 wird der Antragstellerin für ein noch einzuleitendes Verfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältig W. , K. , beigeordnet. Ratenzahlungen sind nicht zu erbringen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Freigabe einer abgetretenen Lebensversicherung nach Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) vom 11.12.1998 bis Dezember 2004 (30.264,53 EUR).

Die 1949 geborene Antragstellerin (ASt) erhielt von der Antragsgegnerin (Ag) seit 11.12.1998 laufend Hilfe zum Lebensunterhalt. In den erlassenen Bescheiden ist von einer darlehensweisen Gewährung nicht die Rede, obwohl die ASt hierfür ihre Ansprüche aus einer Lebensversicherung an die Ag abgetreten hatte.

Einer Aufforderung zur Kündigung der Lebensversicherung kam die ASt nicht nach. Die Ag kündigte daher den Versicherungsvertrag mit Schreiben vom 16.11.2004, der Versicherer hat diese Kündigung zum 01.12.2004 für wirksam erklärt und den Rückkaufswert in Höhe von 15.459,64 EUR mangels Vorlage des Originalversicherungsscheines durch die Ag beim Amtsgericht G. hinterlegt.

Den zum Landgericht K. erhobenen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Verfahren auf Feststellung der Unwirksamkeit der Abtretung lehnte das Landgericht mangels Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges und wegen Fehlens von Erfolgsaussichten ab. Die Beschwerde hiergegen blieb ohne Erfolg.

Mit Schriftsatz vom 23.05.2005 beantragte die ASt die Bewilligung von PKH für ein noch einzuleitendes Verfahren vor dem Sozialgericht Augsburg (SG) auf Rückübertragung der Lebensversicherung bzw. auf Feststellung der Unwirksamkeit der erfolgten Abtretung. Die Hilfe zum Lebensunterhalt sei nicht darlehensweise gewährt worden und es handle sich bei der Lebensversicherung um Schonvermögen. Sie habe weiterhin Beiträge zu der Lebensversicherung geleistet, so dass sich deren Rückkaufswert inzwischen mehr als verdoppelt habe. Die Lebensversicherung habe der Alterssicherung gedient, es liege somit eine Härte vor. Die Ag handele treuewidrig. Im Übrigen sei die Abtretung mangels entsprechenden Vertrages unwirksam und verstoße gegen § 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sowie gegen § 400 BGB.

Das SG hat den Antrag auf Bewilligung von PKH mit Beschluss vom 05.07.2006 abgelehnt. Es bestehe keine Erfolgsaussicht. Die Abtretung sei wirksam erfolgt. Allerdings sei die Hilfe zum Lebensunterhalt nicht darlehensweise gewährt worden. Dies schade jedoch nicht, denn die Ag hätte einen sich auf Grund Gesetzes ergebenden Anspruch auf Aufwendungsersatz, der die durch die Abtretung erhaltene Gläubigerstellung rechtfertige und einem Bereicherungsanspruch der ASt entgegenstehe. Die von der ASt aufgeworfenen Rechtsfragen seien bereits durch die Rechtsprechung geklärt.

Hiergegen hat die ASt Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Es handle sich um eine Sicherungsabtretung, die mangels Vorliegens einer zu sichernden Forderung unwirksam sei. Abgetreten sei auch nur der Rückkaufswert Stand Januar 1999 und die gegebenenfalls damals bestehenden Gewinnanteile. Die Ag hätte von ihrem Kündigungsrecht bereits früher Gebrauch machen müssen. Ein Aufwendungsersatzanspruch würde nur für die Zeit bis zur Abtretung entgegenstehen. Im Übrigen sei der Aufwendungsersatzanspruch bereits verjährt. Die Verjährungsfrist beginne am 01.01.2002 zu laufen und betrage drei Jahre.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig. Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG). Das Rechtsmittel erweist sich als begründet.

Nach § 73 a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist eine Vertretung durch Anwälte, wie vorliegend im sozialgerichtlichen Verfahren, nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint (§ 121 Abs 2 ZPO).

Für eine hinreichende Erfolgsaussicht - dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen - genügt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit. Sie ist gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der Klägerin auf Grund des Sachverhalts in den vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Keller/Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl, § 73a Rdnr 7 f).

Eine solche hinreichende Erfolgsaussicht kann hier nicht verneint werden. Unabhängig vom Vorbringen der ASt ist zu klären, ob nach Änderung des Wortlautes des seit 01.01.2005 anwendbaren § 19 Abs 5 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) gegenüber den Vorgängervorschriften die Leistungsbewilligung dem im Zeitpunkt der Erbringung der Leistung anwendbaren Recht entsprechen muss, auch wenn der Aufwendungsersatzanspruch selbst mangels Übergangsregelung auf § 19 Abs 5 SGB XII gestützt werden müsste. Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist nämlich die Rechtmäßigkeit der Leistungserbringung (vgl. Dauber in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 19 SGB XII Rdnr 34, Stand: 7/05; auch Neumann in Hauck/Noftz, SGB XII, § 19 Rdnr 54, Stand: 3/05). Im Übrigen ist der Fortbestand des Anspruches zu prüfen. Auch stünde Art 71 AGBGB im Raum. Die Verjährungsfrist beträgt nach Änderung des BGB lediglich drei Jahre. Sollte diese nach Ablauf des Jahres zu laufen beginnen, in dem die Ag in der Lage war, die erbrachten Leistungen als sog. "erweiterte" oder "unechte" Hilfe zu bestimmen und die Höhe des Ersatzanspruches zu beziffern, so kann ggf. ein Teil der Aufwendungsersatzansprüche verjährt sein, nachdem der Rückkaufswert jeweils bekannt war bzw. auf Nachfrage hätte bekannt gegeben werden können und eine frühzeitigere Kündigungsmöglichkeit der Lebensversicherung durch die Ag nicht ausgeschlossen erscheint (vgl. zur Verjährung: Neumann aaO Rdnr 60).

Es besteht somit eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit.

Die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen liegen vor. Die ASt bezieht Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Der ASt ist daher PKH unter Beiordnung von Rechtsanwältin W. , K. , ohne Ratenzahlung zu bewilligen.

Diese Entscheidung ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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