Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 23 RJ 1951/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 RJ 62/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. September 2004 sowie der Bescheid der Beklagten vom 28. Januar 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2002 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab 1. Dezember 2001 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das gesamte Verfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. -
Tatbestand:
Der 1961 geborene Kläger begehrt die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der Kläger verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Eine Ausbildung zum Maler brach er im Jahre 1978 ab. Danach war er in unterschiedlichen Bereichen beschäftigt, u. a. als Maurer, Holzschutzwerker, Verkaufshilfe, Druckereihelfer und als Gärtnereihelfer. Eine vom Arbeitsamt finanzierte Umschulung zum Fliesenleger, die im November 1994 begann, brach der Kläger im Januar 1996 ab. Seither ist der Kläger ohne Arbeit. Er bezog Krankengeld sowie Leistungen der Bundesagentur für Arbeit.
Am 28. Mai 1998 ließ das Arbeitsamt Berlin Nord den Kläger von der Vertragsärztin C. S medizinisch begutachten. Die Ärztin sah bei dem Kläger ein HWS-Syndrom, chronische rezidivierende Cephalgien, eine atopische Dermatitis, Asthma bronchiale bei Kontakt mit Tierhaaren, Rhinoconjunktivitis allergica bei Allergien gegen Gräser, Pollen, Hausstaub, Tierhaar und Tolubalsam, Hyperlipidämie, Hyperuricämie, rezidivierende Reizzustände beider Knie bei Genua vara sowie eine chronische Gastritis. Damit bestehe vollschichtiges Leistungsvermögen ohne Nachtschicht für körperlich mittelschwere Arbeiten unter Vermeidung von hautbelastenden und hautreizenden Substanzen. Die Gutachterin erhob keine Bedenken gegen eine seinerzeit angestrebte Verkäufertätigkeit.
In einem ebenfalls für das Arbeitsamt erstellten hautfachärztlichen Gutachten vom 24. Juni 1998 diagnostizierte der Facharzt für Dermatologie Dr. T S bei dem Kläger u.a. eine atopische Dermatitis und ein Asthma bronchiale perenniales mit saisonaler Verstärkung. Auch dieser Gutachter hatte aus dermatologischer Sicht keine Einwände gegen die angestrebte Tätigkeit als Verkäufer.
Zu einer Berufstätigkeit kam es in den Folgejahren nicht. Stattdessen stellte der Kläger am 12. November 2001 einen Antrag auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Er begründete seinen Antrag mit seit 1998 bestehender Migräne, Kopfschmerz, Allergien, starken Gelenkschmerzen sowie mit starken psychischen Beeinträchtigungen nach 15 Jahren Alkoholismus. Die Beklagte sah die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen als erfüllt an. Sie zog sodann ein aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit erstelltes sozialmedizinisches Gutachten des Arztes G vom 25. September 2001 bei. Dieser diagnostizierte beim Kläger ein abklingendes depressives Syndrom sowie als Nebenbefund eine rezidivierende Gastritis und multiple Allergien. Der Kläger sei als trockener Alkoholiker seit sieben Jahren abstinent. Er habe sich psychisch und physisch gut stabilisiert und beruflich belastbar gezeigt. Ein schweres neurotisches oder depressives Syndrom habe sich nicht objektivieren lassen. Unter Fortführung der ambulanten Behandlung und Betreuung und aus medizinischen und therapeutischen Gründen sowie zur Vermeidung der beruflichen und sozialen Isolation ende die Arbeitsunfähigkeit zum 30. September 2001. Der Kläger stehe auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte Tätigkeiten unter Berücksichtigung der multiplen Allergien (insbesondere Lösungsmittel und Tierhaare) vollschichtig wieder zur Verfügung.
Ein weiteres für den MDK Berlin/Brandenburg erstelltes Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie M-P vom 18. Oktober 2001 diagnostizierte bei dem Kläger eine Angsterkrankung, Agoraphobie, Panikattacken, Alkoholkrankheit in Abstinenz, multiple Allergien sowie eine Somatisierungsstörung. Die Gutachterin gelangte zu der Auffassung, dass zunächst der weitere Verlauf der Verhaltenstherapie abgewartet werden solle und der Kläger für eine Vermittelbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch kein ausreichendes psychisches Leistungspotential zeige.
Außerdem gelangten Atteste des den Kläger behandelnden Arztes für Neurologie und Psychiatrie R H vom 5. Oktober 2001 sowie der Verhaltenstherapeutin B K vom 6. November 2001zu den Akten der Beklagten. Die Verhaltenstherapeutin sah bei dem Kläger eine Somatisierungsstörung, Agoraphobie mit Panikstörung sowie ein Abhängigkeitssyndrom mit Abstinenz seit sieben Jahren. Aus psychologischer Sicht sei der Kläger aufgrund seiner seelischen Verfassung nicht belastbar, insbesondere wegen der Agoraphobie mit Panikstörung. Bedingt durch die Lebens- und Lerngeschichte des Klägers sei die Genesungsprognose im Rahmen der Verhaltenstherapie eher ungünstig.
Auf dieser Grundlage veranlasste die Beklagte die Begutachtung des Klägers durch die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. In ihrem am 12. Dezember 2001 fertig gestellten Gutachten formulierte diese die Diagnosen Agoraphobie mit Panikstörung, Verdacht auf Somatisierungsstörung sowie Alkoholabhängigkeitssyndrom, Abstinenz seit sechs Jahren. Der Rentenantrag sei auf Anraten des Arbeitsamtes und der Krankenkasse gestellt worden. Bei den vom Kläger als massiv beschriebenen allergischen Reaktionen bestehe der Verdacht auf eine Somatisierungsstörung. Diese habe sich vor dem Hintergrund einer anankastischen Persönlichkeitsstruktur entwickelt. Der psychiatrische Befund sei instabil. Die verhaltenstherapeutische Behandlung bestehe erst seit August 2001 und sei noch nicht ausgeschöpft; erste Erfolge habe der Kläger berichtet. Unter Weiterführung dieser Verhaltenstherapie sei der Kläger aus nervenärztlicher Sicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt voll leistungsfähig.
Außerdem veranlasste die Beklagte die Begutachtung des Klägers durch die Internistin Dr. S. In ihrem am 21. Januar 2002 abgeschlossenen Gutachten diagnostizierte diese bei dem Kläger allergisches Asthma bronchiale, zur Zeit ohne Symptome, allergische Rhinitis, zur Zeit ebenfalls ohne Symptome, sowie einen beginnenden Kniegelenksschaden links. Damit sei der Kläger vollschichtig belastbar mit leichten bis mittelschweren körperlichen Arbeiten in ständig sitzender oder überwiegend gehender oder stehender Körperhaltung. Kontakt mit inhalativen Atemreizstoffen, mit Tieren und mit Hautreizstoffen müsse gemieden werden. Eine Tätigkeit im Freien, wie zuletzt als Gartenbauhelfer, können nicht mehr ausgeübt werden.
Hierauf wies die Beklagte den Rentenantrag des Klägers mit Bescheid vom 28. Januar 2002 zurück, weil der Kläger mit den ärztlich festgestellten Untersuchungsergebnissen weder teilweise noch voll erwerbsgemindert sei.
Mit seinem hiergegen am 12. Februar 2002 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, seine immer schon erheblichen psychischen Probleme seien seit seiner Alkoholabstinenz zunehmend schlimmer geworden. Während er inzwischen Vertrauen zu seiner Verhaltenstherapeutin gefunden habe, habe er zu der Gutachterin Dr. K keinen guten Kontakt aufbauen können. Ein objektives Bild über seine psychische Erkrankung habe diese nicht abgeben können. Seine Allergieerkrankung sei gravierend. Auch mache es ihm erhebliche Mühe, sich in öffentlichen Räumen, etwa in der U-Bahn, zu bewegen. Kontakt zu seinen Familienmitgliedern habe er nicht mehr, weil er dann immer damit zu kämpfen habe, die Tierhaare aus seiner Wohnung zu entfernen. Angesichts der Vielzahl seiner Allergien sei ein angemessener Arbeitsplatz nicht denkbar.
Eine von der Beklagten bewilligte Maßnahme der medizinischen Rehabilitation (Bescheid vom 2. April 2002) trat der Kläger nicht an, weil er sich hierzu gesundheitlich nicht in der Lage sah.
Im weiteren Verlauf des Widerspruchsverfahrens gelangte auch die sozialmedizinische Stellungnahme der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. M für den MDK Berlin/Brandenburg vom 24. Januar 2002 zu den Akten der Beklagten. Im Vergleich zur Vorbegutachtung am 18. Oktober 2001 habe sich die psychische Beschwerdesymptomatik nicht wesentlich gebessert. Es sei nur zu drei Sitzungen mit der Verhaltenstherapeutin gekommen. Die schwere neurotische Entwicklungsstörung sei noch deutlicher erkennbar geworden. Es bestehe eine reduzierte Leistungsfähigkeit, eine zeitlich befristete Berentung wegen Erwerbsunfähigkeit sei indiziert.
Mit Bescheid vom 31. Juli 2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen die Ablehnung der Rentenbewilligung zurück. Das Vorbringen des Klägers im Widerspruchsverfahren gebiete keine andere Beurteilung als im Ausgangsbescheid. Sein Gesundheitszustand sei von den Gutachtern Dr. K und Dr. S hinreichend dargestellt und gewürdigt worden. Er sei unter Beachtung der von den Gutachtern angeführten qualitativen Leistungseinschränkungen noch in der Lage, körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten im Haltungswechsel oder ständig im Sitzen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.
Mit der am 22. August 2002 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er sieht seinen Gesundheitszustand von der Beklagten nicht hinreichend gewürdigt. Zur weiteren Begründung hat der Kläger einen Befundbericht des ihn behandelnden Diplom-Psychologen J H vom 8. September 2002 zu den Akten gereicht, bei dem er sich seit Mai 2002 in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung befand. In dem Befundbericht führte der Psychologe als Diagnosen Dysthymia, Panikstörung sowie Somatisierungsstörung an. Psychopathologisch lägen ein schweres depressives Syndrom mit latenter Suizidalität, ein verstärktes Erleben körperlicher Symptome, ein psychovegetatives Syndrom sowie wiederkehrende schwere Angstattacken vor. Der Kläger sei schwer leidend und fixiert depressiv in die Behandlung gekommen, er habe trotz vielfältiger therapeutischer Versuche bisher keinen Weg aus seiner Regression gefunden. Trotz der intensiven Behandlung in den vergangenen Jahren sei es zu einer weiteren Chronifizierung gekommen. Die psychische Störung des Klägers habe eine erhebliche qualitative und quantitative Minderung der Leistungsfähigkeit zur Folge.
Das Sozialgericht hat zudem Befundberichte des den Kläger behandelnden Neurologen und Psychiaters R H und der behandelnden Allgemeinmedizinerin M F vom 28. April 2003 bzw. 3. Mai 2003 eingeholt.
Der Kläger hat ein ärztliches Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Arbeitsamtsärztin Dr. M, welches diese am 25. März 2003 für das Arbeitsamt Berlin Mitte erstellt hatte, zu den Akten gereicht. Diese Gutachterin sah beim Kläger eine Angsterkrankung, eine lang dauernde depressive Verstimmung und ein psychisch bedingtes multiples körperliches Beschwerdesyndrom auf dem Boden einer Störung in der Entwicklung der Persönlichkeit sowie multiple Allergien. Die bei der Untersuchung festgestellten schwerwiegenden psychischen Beschwerden und Leistungsminderungen lägen vermutlich schon seit Jahren vor. Trotz regelmäßiger ambulanter psychiatrischer und psychotherapeutischer Behandlungen habe eine Chronifizierung der ängstlichen und depressiven Symptomatik nicht verhindert werden können. Die anhaltenden multiplen körperlichen Beschwerden würden als Somatisierungsstörung gewertet. Die Prognose sei ungünstig. Beruflich rehabilitative Maßnahmen seien nicht erfolgversprechend. Es bestehe ein Leistungsvermögen von täglich weniger als drei Stunden für voraussichtlich länger als sechs Monate.
Im Auftrage des Sozialgerichts hat sodann die Internistin Dr. H K am 20. Dezember 2003 ein "internistisches – allgemeinmedizinisches – psychosomatisch orientiertes Gutachten" über den Kläger erstellt. Die Gutachterin hat folgende Diagnosen gestellt:
- chronische Entzündung der Magen- und Speiseröhrenschleimhaut mit funktionellen Verdauungsbeschwerden, Gewichtsverlust, - allergisches Asthma bronchiale ohne dauerhaftes Therapieerfordernis, zur Zeit ohne klinische Symptomatik, Tierhaar- und Pollenallergie, - atopische Dermatitis, zur Zeit mit geringen klinischen Ausprägungen, Kontaktsensibilisierung auf Tolubalsam, - funktionelle Kniegelenksbeschwerden links bei beginnenden degenerativen Veränderungen, zur Zeit ohne Funktionsminderung, - alkoholabhängige Persönlichkeitsstörung mit Abstinenz seit sechs Jahren, - Migräne.
Der Kläger könne damit aus internistischer Sicht täglich regelmäßig und vollschichtig körperlich mittelschwere Tätigkeiten ausüben. Die Tätigkeiten sollten wegen der bestehenden Pollenallergie vorwiegend in geschlossen Räumen erfolgen, eine darüber hinausgehende wesentliche Gefährdung der internistischen Leiden durch klimatische Einflüsse bestehe nicht. Die Tätigkeiten könnten in allen drei Haltungsarten ausgeführt werden. Vermehrt kniende Tätigkeiten seien ebenso zu vermeiden wie Tätigkeiten unter Zeitdruck. Die Gutachterin hat eine ergänzende psychiatrische Begutachtung des Klägers empfohlen, denn die Persönlichkeitsstörung des Klägers stehe im Vordergrund seines Leidens.
Auf Veranlassung des Sozialgerichts hat sodann der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. J A am 24. Februar 2004 ein psychiatrisches Gutachten über den Kläger erstellt. Dieser Gutachter sieht bei dem Kläger, den er zur Exploration und Untersuchung eine Stunde gesehen hatte, eine "autonome somatoforme Störung bei ängstlich dependenter Persönlichkeitsstörung". Die zahlreichen psychosomatischen Beschwerden und Symptome seien der psychiatrischen Störung zu subsumieren. Der Kläger sei vollschichtig leistungsfähig. Es bestünden lediglich qualitative Leistungseinschränkungen. Insgesamt sei die Symptomatik nur leicht bis mäßig ausgeprägt. Es bestehe weder eine relevante depressive Symptomatik noch bestünden objektivierbare höhergradige Symptome bzw. Beschwerden mit Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit. Bei dem Kläger führten andauernde und wiederkehrende Gefühle der Unsicherheit, von Anspannung und Besorgtheit sowie die Überzeugung, eher unbeholfen und ungeschickt zu sein, zu einer Vermeidungsstrategie, die sich in somatoformen Symptomen äußere. Folge sei ein mäßig eingeschränkter Lebensstil, der dem Kläger eine gewisse Ordnung und Sicherheit garantiere. Das psychopathologische Bild sei geprägt durch die Vermeidung beruflicher Aktivitäten, die zwischenmenschliche Kontakte voraussetzen. Neben gewissen qualitativen Einschränkungen aufgrund einer dermatologischen Problematik sei die psychiatrische Störung nicht von solchem Schweregrad, dass dadurch relevante quantitative oder qualitative Leistungseinschränkungen abgeleitet werden könnten. Die Einschätzungen des medizinischen Dienstes des Arbeitsamtes seien nur schwer nachvollziehbar, weil sie weniger auf objektivierbare störungsbedingte Leistungsdefizite als vielmehr auf die subjektiven Schilderungen des Klägers Bezug nähmen.
Der Kläger ist diesem Gutachten, u.a. in Gestalt einer Stellungnahme des ihn behandelnden Diplom-Psychologen H vom 17. April 2004 entgegentreten. Dieser meint, im Rahmen der Begutachtung durch Dr. A hätten psychopathometrische und testpsychologische Untersuchungen durchgeführt werden müssen. Die Vorbefunde und der Krankheitsverlauf seien nur unzureichend dargestellt. Psychopathologischer Status und neurologischer Befund seien unvollständig erhoben worden. Die quantitative Belastbarkeit des Klägers sei nur unzureichend begründet worden.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 13. Juni 2004 ist der Gutachter Dr. A daraufhin bei seinen Einschätzungen geblieben. Das beim Kläger vorliegende psychopathologische Syndrom sei keineswegs so komplex oder vieldeutig, dass daraus nicht eine Diagnose hätte abgeleitet werden können. Die geforderten Tests seien für die Beantwortung der mit dem Gutachtenauftrag gestellten Fragen untauglich. Die Befunderhebungen seien teilweise relativ knapp, weil sie ohne relevante Auffälligkeiten geblieben seien.
Unter ausführlicher Schilderung seiner Leiden ist der Kläger auch dieser ergänzenden Stellungnahme schriftlich entgegengetreten.
Mit Urteil vom 15. September 2004 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung, wegen deren Einzelheiten auf die Gerichtsakte Bezug genommen wird, im Wesentlichen ausgeführt: Die medizinischen Voraussetzungen für die vom Kläger begehrte Rentenleistung lägen nicht vor. Für die Einschätzung, dass der Kläger noch über ein vollschichtiges Leistungsvermögen verfüge, stütze das Gericht sich bei seiner Entscheidung in erster Linie auf die beiden gerichtlichen Sachverständigengutachten von Dr. K und Dr. A. Mit den von beiden Sachverständigen formulierten Leiden könne der Kläger noch vollschichtig mittelschwere Arbeiten verrichten, wobei lediglich qualitative Leistungseinschränkungen zu berücksichtigen seien. Die beiden genannten Gutachten stimmten auch überein mit den Einschätzungen von Dr. S und Dr. K bei ihren Begutachtungen des Klägers im Verwaltungsverfahren. Die Stellungnahmen des Klägers zu den Gutachten sowie die Stellungnahmen seiner behandelnden Ärzte und Therapeuten seien nicht geeignet, das Beweisergebnis zu erschüttern.
Gegen das ihm am 9. November 2004 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat der Kläger am 6. Dezember 2004 Berufung eingelegt. Er sieht seinen Gesundheitszustand und seine Belastbarkeit durch das Urteil unzutreffend gewürdigt. Zur Begründung seiner Berufung hat der Kläger folgende Unterlagen eingereicht:
• Attest des behandelnden Diplom-Psychologen J H vom 6. Dezember 2004; danach sei der Kläger wegen Krankheit und Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Neben den multiplen organischen Leiden führe die psychopathologische Symptomatik zu einer erheblichen Reduktion seiner Belastbarkeit. Die Psychopathologie (sozialer Rückzug, Anhedonie und autoaggressive Durchbrüche) habe sich chronifiziert. Latente Suizidalität stehe zu befürchten. Bei der hochpathologischen Frustrationsintoleranz des Klägers seien unkontrollierte Handlungen nicht auszuschließen. Mit seiner hochkomplexen pathologischen Persönlichkeit sei der Kläger nicht mehr in der Lage, wirtschaftliche Arbeiten von Wert zu verrichten.
• Ärztliches Attest der Allgemeinmedizinerin M F vom 11. November 2004; vor allem aufgrund seiner psychischen Beschwerden sei der Kläger nicht in der Lage, regelmäßig täglich noch drei Stunden zu arbeiten.
• Attest der Fachärztin für Psychiatrie I N vom 1. Dezember 2004; der Kläger befinde sich seit Jahren in nervenärztlicher Behandlung. Er leide an einer "Depression mit Beeinträchtigung des Antriebs, in der Konzentration, in der Merkfähigkeit, des Schlafes, der Grundstimmung, Willenlosigkeit und Angstgefühle". Seine Angstgefühle gingen in der Regel in Panikzustände über. Diagnostisch handele es sich um Dysthymia, Panikstörung und Somatisierungsstörung. Eine Besserung der depressiven Symptomatik habe nicht erreicht werden können. In letzter Zeit habe sich das psychische Befinden zunehmend verschlechtert, sodass der Kläger nicht leistungsfähig sei.
Der Kläger hält die Gutachten von Dr. K und Dr. A für widersprüchlich, weil letzterer – anders als die Vorgutachterin – eine autonome somatoforme Funktionsstörung diagnostiziert habe. Die organischen Auswirkungen des Alkoholmissbrauchs seien nicht vollständig geklärt worden. Ein weiteres neurologisch-psychiatrisches Gutachten sei erforderlich.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. September 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Januar 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Dezember 2001 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Das Gericht hat zunächst weitere Befundberichte der behandelnden Ärzte und Therapeuten eingeholt und sodann die Ärztin für Psychiatrie J G mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens über den Kläger beauftragt, welches diese auf der Grundlage einer fünfeinhalbstündigen Untersuchung des Klägers am 15. Juni 2006 vorgelegt hat. Die Sachverständige hat auf neurologisch-psychia-trischem Fachgebiet folgende Diagnosen gestellt:
1. kombinierte Persönlichkeitsstörung, 2. mäßig ausgeprägte Agoraphobie, 3. aktuell abstinente Alkoholabhängigkeit, 4. Polyneuropathie sowie 5. Migräne.
Auf anderen Fachgebieten hat sie folgende Störungen formuliert:
1. Asthma bronchiale, 2. chronische Gastritis, 3. Histaminintoleranz, 4. Fructose-Malabsorption und 5. allergische Diathese.
Mit der Alkoholabstinenz seien Angststörungen aufgetreten, die Suchterkrankungen am häufigsten begleiteten. Es handele sich um eine Komorbidität. Die vom Kläger geschilderten Ängste erfüllten die diagnostischen Kriterien einer Agoraphobie, wenn auch nur mäßig ausgeprägt. Die diagnostizierte Persönlichkeitsstörung habe unterschiedliche Züge: es fänden sich depressive Anteile, viel deutlicher aber zwanghafte und schizoide Anteile. Die Zwanghaftigkeit werde in der Schilderung des Tagesablaufs und der Gewohnheiten deutlich, aber auch zum Beispiel in der Akribie, mit der der Kläger schriftlich auf die bisherigen Gutachten reagiert habe. Die Schizoidie drücke sich im flachen Affekt, dem Mangel an Beziehungen und dem mangelnden Interesse aus. Das Manipulieren an den (so gut wie nicht vorhandenen) Fingernägeln könne als Selbstverletzung interpretiert werden und sei damit ein Hinweis in Richtung einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Diese sei im Wesentlichen unbehandelt. Mit ihrer Entwicklung sei eine Steigerung des Alkoholkonsums einhergegangen. Nach dem Alkoholentzug habe der Kläger Strategien entwickelt, um mit seinen Ängsten, den depressiven und zwanghaften Anteilen, umzugehen. Die Persönlichkeitsstörung habe sich im weiteren Verlauf zementiert, es sei zu einer weiteren sozialen Fehlanpassung gekommen. Hinzugetreten seien körperliche Beschwerden und Störungen, sodass sich körperliche und psychische Störungen gegenseitig verstärkt hätten. Im neurologischen Untersuchungsbefund habe sich eine Minderung des Vibrationsempfindens und eine Abschwächung der Achillessehnenreflexe gefunden, was auf eine Polyneuropathie hindeute, deren Ursache der zurückliegende Alkoholkonsum sei. Die aktenkundigen Störungen auf internistischem Fachgebiet deuteten nicht auf eine Somatisierungsstörung oder eine anhaltende somatoforme Funktionsstörung hin.
Ohne auf Kosten der Gesundheit zu arbeiten, könne der Kläger damit täglich keine Arbeiten mehr verrichten. Denkbar seien zwar leichte bis mittelschwere Arbeiten unter Beachtung im Einzelnen aufgeführter qualitativer Einschränkungen, das verbliebene Leistungsvermögen reiche aber nur noch für eine tägliche Arbeitszeit von unter drei Stunden aus. Durch die Persönlichkeitsstörung komme es zu Auffälligkeiten, die die Merkfähigkeit, die Konzentrationsfähigkeit und die Entschluss- bzw. Verantwortungsfähigkeit reduzierten. Ebenso sei die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit beeinträchtigt. Bei der Persönlichkeitsstörung handele es sich um eine solche, die deutliche Abweichungen im Wahrnehmen, Denken, Fühlen und in Beziehungen zu anderen beinhalte. Es handele sich um stabile Verhaltensmuster, die häufig mit persönlichen Leiden und gestörter sozialer Funktionsfähigkeit einhergingen. Die Gutachterin hat erklärt, beim Kläger deshalb ein derart eingeschränktes Leistungsvermögen zu sehen, weil die diagnostizierte Persönlichkeitsstörung sowohl zu deutlichem sozialen Rückzug, als auch zur Unfähigkeit soziale Beziehungen aufzunehmen, geschweige denn aufrechtzuerhalten, geführt habe. Damit gehe eine schlechte Prognose im Hinblick auf die therapeutischen Möglichkeiten einher. Eingeschränkt sei aufgrund der Agoraphobie auch die Wegefähigkeit. Für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel müsse mehr Zeit eingeplant werden, weil der Kläger möglicherweise aussteigen müsse, wenn die Verkehrsmittel zu voll würden. Die festgestellten Einschränkungen bestünden zumindest seit Antragstellung. Auch die Gutachterin Dr. K habe festgestellt, dass beim Kläger eine Persönlichkeitsstörung vorliege. Das Gutachten des Dr. A, der den Kläger nur etwa eine Stunde untersucht habe, erfasse die Persönlichkeitsstörung des Klägers nur unzureichend und nicht in ihrer ganzen Bandbreite. Aus dem vom Kläger geschilderten Tagesablauf habe der Gutachter Dr. A unzutreffende Schlussfolgerungen gezogen. Der Kläger führe nicht etwa ein sozial eingeschränktes Leben, sein soziales Leben sei vielmehr praktisch nicht existent. Auch Dr. A habe aber als Diagnose eine ängstlich dependente Persönlichkeitsstörung formuliert. Damit habe auch er erfasst, dass die psychische Störung sehr viel ausgeprägter sei als bislang festgestellt. Die Diagnose einer ängstlich vermeidenden Persönlichkeitsstörung sei allerdings nicht ausreichend, um die gesamte Symptomatik zu erfassen.
Die Beklagte hat hierzu erklärt, dass die Gutachterin G zu derselben diagnostischen Einordnung der Gesundheitsbeeinträchtigungen des Klägers wie Dr. A in seinem Gutachten vom Februar 2004 gelange. Da die Gutachter Dr. K (Dezember 2001) und Dr. A (Februar 2004) zu der gleichen sozialmedizinischen Einschätzung gelangt seien, dass der Kläger noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen besitze, Dr. G gleichzeitig keine Verschlechterung belege, sondern die Störung insgesamt nur quantitativer und qualitativ gravierender einschätze, werde weiterhin dem Gutachten des Dr. A gefolgt.
Der Kläger meint, das neue Gutachten belege, dass er nicht mehr in der Lage sei, täglich einer Tätigkeit im Umfange von mehr als drei Stunden nachzugehen. Die von Dr. A und Dr. G gestellten Diagnosen seien nicht identisch. Letztere sehe gerade keine somatoforme Funktionsstörung. Letztlich bestätige die Gutachterin G aus psychiatrischer Sicht die Feststellungen von Dr. K aus dem Jahre 2003. Das Gutachten von Dr. A könne nicht zur Grundlage der Beurteilung der Leistungsfähigkeit gemacht werden. Es sei aufgrund einer viel zu kurzen Untersuchung erstellt worden. In diesem Rahmen seien die zwanghaften Einschränkungen des Klägers nicht deutlich geworden.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten – auch wegen der ausführlichen Stellungnahmen des Klägers zur medizinischen Beweisaufnahme – wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte (2 Bände), der Rentenakte sowie der Reha-Akte der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme im Berufungsverfahren hat er Anspruch auf Gewährung einer unbefristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Dezember 2001.
Der Rentenanspruch des Klägers bemisst sich nach § 43 SGB VI in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung, denn er hat seinen Rentenantrag am 12. November 2001 und damit unter der Geltung des neuen Erwerbsminderungsrechts gestellt (vgl. § 300 Abs. 1 SGB VI).
Danach hat derjenige Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, der die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hat und teilweise bzw. voll erwerbsgemindert ist. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI diejenigen Versicherten, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein; voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI diejenigen, die nicht mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein können. Nicht erwerbsgemindert ist hingegen nach § 43 Abs. 3 SGB VI, wer mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage insoweit nicht zu berücksichtigen ist.
Gemessen daran ist der Kläger, der die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, voll erwerbsgemindert, denn er ist nicht in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat in Würdigung des schon ausführlich im Tatbestand dargestellten Gutachtens der Sachverständigen G vom 15. Juni 2006. Ihr für den Kläger vorgelegtes Gutachten zeichnet sich durch überdurchschnittliche Gründlichkeit und hohe Überzeugungskraft aus. Auch wenn Umfang und Zeitaufwand an sich keine Qualitätskriterien sein mögen, ist dem Gutachten doch deutlich zu entnehmen, dass die Gutachterin sich dem Kläger persönlich gut fünf Stunden gewidmet und eine gründliche Exploration und Untersuchung vorgenommen hat, was auf dem "untechnischen" Gebiet der psychiatrischen Begutachtung in besonderem Maße erforderlich ist, um ein sachgerechtes Gutachten zu erstellen. Auffällig an dem Gutachten der Ärztin G ist die überzeugende und umfassende Argumentation, um dem Fall des Klägers gerecht zu werden, wobei nicht etwa das notwendige Maß an Unparteilichkeit verloren geht, sondern auch eine intensive Auseinandersetzung mit dem Ergebnis der bisherigen medizinischen Beweiserhebung stattfindet. Gerade deshalb misst der Senat diesem letzten neurologisch-psychiatrischen Gutachten ausreichendes Gewicht bei, um die teilweise differierenden gutachterlichen Einschätzungen – insbesondere diejenige des Dr. A – zu entkräften und eine entscheidende Grundlage für den Erfolg der Berufung zu bieten.
So hält der Senat die Darstellungen und Schlussfolgerungen der Gutachterin G insgesamt für schlüssig und überzeugend. Auf ihrem Fachgebiet sieht die Sachverständige bei dem Kläger eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, eine mäßig ausgeprägte Agoraphobie, eine aktuell abstinente Alkoholabhängigkeit, eine Polyneuropathie und Migräne. Ausführlich hat die Gutachterin die Vorgeschichte – insbesondere den Lebensweg des Klägers – und die Vorbefunde sowie die Familien-, Krankheits- und Alkoholanamnese dokumentiert. Die aktuellen Beschwerden des Klägers wurden genau wiedergegeben, zudem ausführlich die eigene neurologische und psychopathologische Befunderhebung dargestellt. Der "erklärende" Teil ist in besonderem Maße erhellend und lässt keinen Zweifel, dass er dem Kläger gerecht wird. Die Gutachterin erklärt die Entwicklung der Persönlichkeitsstörung im Zusammenspiel mit der Suchterkrankung, beschreibt die gravierenden psychopathologischen Auffälligkeiten und setzt sie wiederum in Beziehung zu den vom Kläger geklagten körperlichen Leiden. Besondere Überzeugungskraft gewinnt das Gutachten, weil hier deutlich wird, dass die Gutachterin "genau hingesehen" hat und zum Beispiel auch seine zwanghaft wirkenden Schriftsätze sowie seinen Hang zur Selbstverletzung (keine Fingernägel) in die Analyse einbezogen hat. Die Gutachterin schildert eine Persönlichkeitsstörung mit so gravierenden Elementen (Agoraphobie; depressive, zwanghafte, schizoide Anteile; Selbstverletzung; praktisch nicht mehr existentes soziales Leben), dass ihre Schlussfolgerungen zur quantitativen Belastbarkeit des Klägers ohne weiteres überzeugen: Das verbliebene Leistungsvermögen reiche nur noch für eine tägliche Arbeitszeit von unter drei Stunden aus. Durch die Persönlichkeitsstörung komme es zu Auffälligkeiten, die die Merkfähigkeit, die Konzentrationsfähigkeit und die Entschluss- bzw. Verantwortungsfähigkeit reduzierten. Ebenso sei die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit beeinträchtigt. Die Persönlichkeitsstörung führe zu deutlichen Abweichungen im Wahrnehmen, Denken, Fühlen und in Beziehungen zu anderen, zu deutlichem sozialen Rückzug und zur vollständigen Unfähigkeit, soziale Beziehungen aufzunehmen, geschweige denn aufrechtzuerhalten. Eingeschränkt sei aufgrund der Agoraphobie auch die Wegefähigkeit. Für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel müsse mehr Zeit eingeplant werden, weil der Kläger möglicherweise aussteigen müsse, wenn die Verkehrsmittel zu voll würden. All dies ist in sich so schlüssig und konsequent, dass der Senat seine Entscheidung ohne Bedenken hierauf stützen kann.
Das Gutachten der Sachverständigen G stellt für den Senat erst recht eine geeignete Entscheidungsgrundlage dar, weil es keine singuläre Einschätzung zur Leistungsfähigkeit des Klägers bietet, sondern in einer Reihe steht mit früheren und stets wiederkehrenden, im Tatbestand dargestellten Beurteilungen der behandelnden Ärzte des Klägers und seiner Psychotherapeuten sowie insbesondere auch des MDK und des arbeitsamtsärztlichen Dienstes. Während der Kläger von letzterem im Jahre 1998 (Gutachten vom 28. Mai 1998 und 24. Juni 1998) noch für vollschichtig belastbar erklärt worden war, hielt die Fachärztin für Psychiatrie und Arbeitsamtsärztin Dr. M das Leistungsvermögen des Klägers in ihrem Gutachten vom 25. März 2003 für aufgehoben. Die Gesamteinschätzung kommt derjenigen der Gutachterin G sehr nahe, auch in Bezug auf die (fehlende) Wahrscheinlichkeit für eine Besserung der Leiden. Für den MDK Berlin/Brandenburg kam die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie M-P schon Ende 2001 und Anfang 2002 zu demselben Ergebnis: In ihren Gutachten vom 18. Oktober 2001 und vom 24. Januar 2002 stellte sie ähnliche Diagnosen wie später die Sachverständige G und sah für eine Vermittelbarkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kein ausreichendes psychisches Leistungspotential. In der Zeit zwischen den beiden Gutachten sei die schwere neurotische Entwicklungsstörung sogar noch deutlicher erkennbar geworden. Zu alledem fügen sich die im Tatbestand dargestellten wiederkehrenden Bekundungen der behandelnden Ärzte und Therapeuten (insbesondere Psychiater R H, Allgemeinmedizinerin M F, Psychologin B K, Psychologe JH), die zwar aufgrund des prägenden Arzt- bzw. Therapeut-Patienten-verhältnisses nur eingeschränkten Beweiswert haben, in ihrer Einmütigkeit zum Leistungsvermögen des Klägers aber doch einen gewissen Aussagewert behalten.
Aus dem im erstinstanzlichen Verfahren erstellten Gutachten der Internistin Dr. K ergibt sich nichts anderes. Aus internistischer Sicht sah die Sachverständige bei dem Kläger zwar vollschichtige Belastbarkeit, regte aber dringend seine neurologisch-psychiatrische Begutachtung an. Damit gab sie zu erkennen, nicht ausschließen zu können, dass sich auf diesem Fachgebiet eine andere Beurteilung ergeben könnte. Gerade weil das maßgebliche Leiden des Klägers psychiatrischer Natur ist, müssen die vorhandenen internistischen Gutachten – so auch das im Verwaltungsverfahren erstellte Gutachten von Dr. S – ohne ausschlaggebendes Gewicht bleiben.
Dem psychiatrischen Gutachten des Dr. A vom 24. Februar 2004 folgt der Senat nicht. Dr. A diagnostiziert bei dem Kläger eine "autonome somatoforme Störung bei ängstlich dependenter Persönlichkeitsstörung", womit kein gravierender Unterschied zu den von der Gutachterin G gewählten Formulierungen besteht. Die zahlreichen psychosomatischen Beschwerden und Symptome, so der Gutachter, seien der psychiatrischen Störung zu subsumieren. Der Kläger sei damit aber vollschichtig leistungsfähig, es bestünden lediglich qualitative Leistungseinschränkungen. Diese Schlussfolgerung kann der Senat nicht teilen, denn sie ist ungleich schwächer begründet als die gegenteilige im später von der Ärztin G erstellten Gutachten. Kennzeichnend für das Gutachten des Sachverständigen Dr. A ist eine ausgesprochen dürftige psychopathologische Befunderhebung und eine nur sehr knappe fallbezogene Diskussion. Damit geht einher, dass der Gutachter den Kläger nach eigener Darstellung nur 60 Minuten gesehen hat, was der Senat – ohne hier etwa feste Zeitgrenzen vorgeben zu wollen – angesichts der Aktenlage im gegebenen Einzelfall und angesichts der grundsätzlich schwierigen Aufgabe des psychiatrischen Gutachters für unzureichend hält.
Kein entscheidendes Gewicht misst der Senat schließlich auch dem Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K vom 12. Dezember 2001 bei, zumal diese selbst einen "instabilen" psychiatrischen Befund formulierte und die Leistungsfähigkeit des Klägers in Abhängigkeit sah von der Weiterführung der gerade begonnenen Verhaltenstherapie, die letztlich aber keine entscheidenden Erfolge nach sich zog.
Der Kläger hat Anspruch auf eine Dauerrente und nicht nur auf eine Zeitrente, weil unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann, § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI. Die erforderliche Wahrscheinlichkeit in diesem Sinne besteht nur, wenn nach medizinischen Erkenntnissen mehr dafür als dagegen spricht, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit innerhalb von drei Jahren behebbar ist (vgl. Niesel in Kasseler Kommentar, Rdnr. 13 zu § 102 SGB VI). Von einer solchen Aussicht auf Besserung kann im Falle des Klägers nicht die Rede sein. Die Gutachterin G, der der Senat auch hier folgt, hat insoweit plausibel erklärt, dass die ambulanten und stationären Behandlungsmöglichkeiten zwar noch nicht ausgeschöpft seien, die Prognose aber "denkbar schlecht" sei. Eine konsequente Behandlung könne zu einer Stabilisierung führen. Eine Besserung des Leistungsvermögens sei jedoch nicht zu erwarten. Der Kläger sei auch bei zumutbarer Willensanstrengung nicht in der Lage, seine Fehlhaltung zu überwinden, weil es sich um einen unbewussten, durch körperliche Erkrankungen und die Lebenssituation unterhaltenen Prozess handele; auch durch ärztliche Behandlung könne der Kläger nicht aus seiner Fehlhaltung gelöst werden, erreichbar sei nur die Entwicklung von Bewältigungsstrategien. Die unbefristete Rente wegen Erwerbsminderung beginnt am 1. Dezember 2001, § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI. Entsprechend der nachvollziehbaren Einschätzung der Gutachterin G besteht die Einschränkung der Leistungsfähigkeit zumindest seit Antragstellung im November 2001.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Tatbestand:
Der 1961 geborene Kläger begehrt die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der Kläger verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Eine Ausbildung zum Maler brach er im Jahre 1978 ab. Danach war er in unterschiedlichen Bereichen beschäftigt, u. a. als Maurer, Holzschutzwerker, Verkaufshilfe, Druckereihelfer und als Gärtnereihelfer. Eine vom Arbeitsamt finanzierte Umschulung zum Fliesenleger, die im November 1994 begann, brach der Kläger im Januar 1996 ab. Seither ist der Kläger ohne Arbeit. Er bezog Krankengeld sowie Leistungen der Bundesagentur für Arbeit.
Am 28. Mai 1998 ließ das Arbeitsamt Berlin Nord den Kläger von der Vertragsärztin C. S medizinisch begutachten. Die Ärztin sah bei dem Kläger ein HWS-Syndrom, chronische rezidivierende Cephalgien, eine atopische Dermatitis, Asthma bronchiale bei Kontakt mit Tierhaaren, Rhinoconjunktivitis allergica bei Allergien gegen Gräser, Pollen, Hausstaub, Tierhaar und Tolubalsam, Hyperlipidämie, Hyperuricämie, rezidivierende Reizzustände beider Knie bei Genua vara sowie eine chronische Gastritis. Damit bestehe vollschichtiges Leistungsvermögen ohne Nachtschicht für körperlich mittelschwere Arbeiten unter Vermeidung von hautbelastenden und hautreizenden Substanzen. Die Gutachterin erhob keine Bedenken gegen eine seinerzeit angestrebte Verkäufertätigkeit.
In einem ebenfalls für das Arbeitsamt erstellten hautfachärztlichen Gutachten vom 24. Juni 1998 diagnostizierte der Facharzt für Dermatologie Dr. T S bei dem Kläger u.a. eine atopische Dermatitis und ein Asthma bronchiale perenniales mit saisonaler Verstärkung. Auch dieser Gutachter hatte aus dermatologischer Sicht keine Einwände gegen die angestrebte Tätigkeit als Verkäufer.
Zu einer Berufstätigkeit kam es in den Folgejahren nicht. Stattdessen stellte der Kläger am 12. November 2001 einen Antrag auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Er begründete seinen Antrag mit seit 1998 bestehender Migräne, Kopfschmerz, Allergien, starken Gelenkschmerzen sowie mit starken psychischen Beeinträchtigungen nach 15 Jahren Alkoholismus. Die Beklagte sah die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen als erfüllt an. Sie zog sodann ein aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit erstelltes sozialmedizinisches Gutachten des Arztes G vom 25. September 2001 bei. Dieser diagnostizierte beim Kläger ein abklingendes depressives Syndrom sowie als Nebenbefund eine rezidivierende Gastritis und multiple Allergien. Der Kläger sei als trockener Alkoholiker seit sieben Jahren abstinent. Er habe sich psychisch und physisch gut stabilisiert und beruflich belastbar gezeigt. Ein schweres neurotisches oder depressives Syndrom habe sich nicht objektivieren lassen. Unter Fortführung der ambulanten Behandlung und Betreuung und aus medizinischen und therapeutischen Gründen sowie zur Vermeidung der beruflichen und sozialen Isolation ende die Arbeitsunfähigkeit zum 30. September 2001. Der Kläger stehe auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte Tätigkeiten unter Berücksichtigung der multiplen Allergien (insbesondere Lösungsmittel und Tierhaare) vollschichtig wieder zur Verfügung.
Ein weiteres für den MDK Berlin/Brandenburg erstelltes Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie M-P vom 18. Oktober 2001 diagnostizierte bei dem Kläger eine Angsterkrankung, Agoraphobie, Panikattacken, Alkoholkrankheit in Abstinenz, multiple Allergien sowie eine Somatisierungsstörung. Die Gutachterin gelangte zu der Auffassung, dass zunächst der weitere Verlauf der Verhaltenstherapie abgewartet werden solle und der Kläger für eine Vermittelbarkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch kein ausreichendes psychisches Leistungspotential zeige.
Außerdem gelangten Atteste des den Kläger behandelnden Arztes für Neurologie und Psychiatrie R H vom 5. Oktober 2001 sowie der Verhaltenstherapeutin B K vom 6. November 2001zu den Akten der Beklagten. Die Verhaltenstherapeutin sah bei dem Kläger eine Somatisierungsstörung, Agoraphobie mit Panikstörung sowie ein Abhängigkeitssyndrom mit Abstinenz seit sieben Jahren. Aus psychologischer Sicht sei der Kläger aufgrund seiner seelischen Verfassung nicht belastbar, insbesondere wegen der Agoraphobie mit Panikstörung. Bedingt durch die Lebens- und Lerngeschichte des Klägers sei die Genesungsprognose im Rahmen der Verhaltenstherapie eher ungünstig.
Auf dieser Grundlage veranlasste die Beklagte die Begutachtung des Klägers durch die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. In ihrem am 12. Dezember 2001 fertig gestellten Gutachten formulierte diese die Diagnosen Agoraphobie mit Panikstörung, Verdacht auf Somatisierungsstörung sowie Alkoholabhängigkeitssyndrom, Abstinenz seit sechs Jahren. Der Rentenantrag sei auf Anraten des Arbeitsamtes und der Krankenkasse gestellt worden. Bei den vom Kläger als massiv beschriebenen allergischen Reaktionen bestehe der Verdacht auf eine Somatisierungsstörung. Diese habe sich vor dem Hintergrund einer anankastischen Persönlichkeitsstruktur entwickelt. Der psychiatrische Befund sei instabil. Die verhaltenstherapeutische Behandlung bestehe erst seit August 2001 und sei noch nicht ausgeschöpft; erste Erfolge habe der Kläger berichtet. Unter Weiterführung dieser Verhaltenstherapie sei der Kläger aus nervenärztlicher Sicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt voll leistungsfähig.
Außerdem veranlasste die Beklagte die Begutachtung des Klägers durch die Internistin Dr. S. In ihrem am 21. Januar 2002 abgeschlossenen Gutachten diagnostizierte diese bei dem Kläger allergisches Asthma bronchiale, zur Zeit ohne Symptome, allergische Rhinitis, zur Zeit ebenfalls ohne Symptome, sowie einen beginnenden Kniegelenksschaden links. Damit sei der Kläger vollschichtig belastbar mit leichten bis mittelschweren körperlichen Arbeiten in ständig sitzender oder überwiegend gehender oder stehender Körperhaltung. Kontakt mit inhalativen Atemreizstoffen, mit Tieren und mit Hautreizstoffen müsse gemieden werden. Eine Tätigkeit im Freien, wie zuletzt als Gartenbauhelfer, können nicht mehr ausgeübt werden.
Hierauf wies die Beklagte den Rentenantrag des Klägers mit Bescheid vom 28. Januar 2002 zurück, weil der Kläger mit den ärztlich festgestellten Untersuchungsergebnissen weder teilweise noch voll erwerbsgemindert sei.
Mit seinem hiergegen am 12. Februar 2002 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, seine immer schon erheblichen psychischen Probleme seien seit seiner Alkoholabstinenz zunehmend schlimmer geworden. Während er inzwischen Vertrauen zu seiner Verhaltenstherapeutin gefunden habe, habe er zu der Gutachterin Dr. K keinen guten Kontakt aufbauen können. Ein objektives Bild über seine psychische Erkrankung habe diese nicht abgeben können. Seine Allergieerkrankung sei gravierend. Auch mache es ihm erhebliche Mühe, sich in öffentlichen Räumen, etwa in der U-Bahn, zu bewegen. Kontakt zu seinen Familienmitgliedern habe er nicht mehr, weil er dann immer damit zu kämpfen habe, die Tierhaare aus seiner Wohnung zu entfernen. Angesichts der Vielzahl seiner Allergien sei ein angemessener Arbeitsplatz nicht denkbar.
Eine von der Beklagten bewilligte Maßnahme der medizinischen Rehabilitation (Bescheid vom 2. April 2002) trat der Kläger nicht an, weil er sich hierzu gesundheitlich nicht in der Lage sah.
Im weiteren Verlauf des Widerspruchsverfahrens gelangte auch die sozialmedizinische Stellungnahme der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. M für den MDK Berlin/Brandenburg vom 24. Januar 2002 zu den Akten der Beklagten. Im Vergleich zur Vorbegutachtung am 18. Oktober 2001 habe sich die psychische Beschwerdesymptomatik nicht wesentlich gebessert. Es sei nur zu drei Sitzungen mit der Verhaltenstherapeutin gekommen. Die schwere neurotische Entwicklungsstörung sei noch deutlicher erkennbar geworden. Es bestehe eine reduzierte Leistungsfähigkeit, eine zeitlich befristete Berentung wegen Erwerbsunfähigkeit sei indiziert.
Mit Bescheid vom 31. Juli 2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen die Ablehnung der Rentenbewilligung zurück. Das Vorbringen des Klägers im Widerspruchsverfahren gebiete keine andere Beurteilung als im Ausgangsbescheid. Sein Gesundheitszustand sei von den Gutachtern Dr. K und Dr. S hinreichend dargestellt und gewürdigt worden. Er sei unter Beachtung der von den Gutachtern angeführten qualitativen Leistungseinschränkungen noch in der Lage, körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten im Haltungswechsel oder ständig im Sitzen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.
Mit der am 22. August 2002 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er sieht seinen Gesundheitszustand von der Beklagten nicht hinreichend gewürdigt. Zur weiteren Begründung hat der Kläger einen Befundbericht des ihn behandelnden Diplom-Psychologen J H vom 8. September 2002 zu den Akten gereicht, bei dem er sich seit Mai 2002 in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung befand. In dem Befundbericht führte der Psychologe als Diagnosen Dysthymia, Panikstörung sowie Somatisierungsstörung an. Psychopathologisch lägen ein schweres depressives Syndrom mit latenter Suizidalität, ein verstärktes Erleben körperlicher Symptome, ein psychovegetatives Syndrom sowie wiederkehrende schwere Angstattacken vor. Der Kläger sei schwer leidend und fixiert depressiv in die Behandlung gekommen, er habe trotz vielfältiger therapeutischer Versuche bisher keinen Weg aus seiner Regression gefunden. Trotz der intensiven Behandlung in den vergangenen Jahren sei es zu einer weiteren Chronifizierung gekommen. Die psychische Störung des Klägers habe eine erhebliche qualitative und quantitative Minderung der Leistungsfähigkeit zur Folge.
Das Sozialgericht hat zudem Befundberichte des den Kläger behandelnden Neurologen und Psychiaters R H und der behandelnden Allgemeinmedizinerin M F vom 28. April 2003 bzw. 3. Mai 2003 eingeholt.
Der Kläger hat ein ärztliches Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Arbeitsamtsärztin Dr. M, welches diese am 25. März 2003 für das Arbeitsamt Berlin Mitte erstellt hatte, zu den Akten gereicht. Diese Gutachterin sah beim Kläger eine Angsterkrankung, eine lang dauernde depressive Verstimmung und ein psychisch bedingtes multiples körperliches Beschwerdesyndrom auf dem Boden einer Störung in der Entwicklung der Persönlichkeit sowie multiple Allergien. Die bei der Untersuchung festgestellten schwerwiegenden psychischen Beschwerden und Leistungsminderungen lägen vermutlich schon seit Jahren vor. Trotz regelmäßiger ambulanter psychiatrischer und psychotherapeutischer Behandlungen habe eine Chronifizierung der ängstlichen und depressiven Symptomatik nicht verhindert werden können. Die anhaltenden multiplen körperlichen Beschwerden würden als Somatisierungsstörung gewertet. Die Prognose sei ungünstig. Beruflich rehabilitative Maßnahmen seien nicht erfolgversprechend. Es bestehe ein Leistungsvermögen von täglich weniger als drei Stunden für voraussichtlich länger als sechs Monate.
Im Auftrage des Sozialgerichts hat sodann die Internistin Dr. H K am 20. Dezember 2003 ein "internistisches – allgemeinmedizinisches – psychosomatisch orientiertes Gutachten" über den Kläger erstellt. Die Gutachterin hat folgende Diagnosen gestellt:
- chronische Entzündung der Magen- und Speiseröhrenschleimhaut mit funktionellen Verdauungsbeschwerden, Gewichtsverlust, - allergisches Asthma bronchiale ohne dauerhaftes Therapieerfordernis, zur Zeit ohne klinische Symptomatik, Tierhaar- und Pollenallergie, - atopische Dermatitis, zur Zeit mit geringen klinischen Ausprägungen, Kontaktsensibilisierung auf Tolubalsam, - funktionelle Kniegelenksbeschwerden links bei beginnenden degenerativen Veränderungen, zur Zeit ohne Funktionsminderung, - alkoholabhängige Persönlichkeitsstörung mit Abstinenz seit sechs Jahren, - Migräne.
Der Kläger könne damit aus internistischer Sicht täglich regelmäßig und vollschichtig körperlich mittelschwere Tätigkeiten ausüben. Die Tätigkeiten sollten wegen der bestehenden Pollenallergie vorwiegend in geschlossen Räumen erfolgen, eine darüber hinausgehende wesentliche Gefährdung der internistischen Leiden durch klimatische Einflüsse bestehe nicht. Die Tätigkeiten könnten in allen drei Haltungsarten ausgeführt werden. Vermehrt kniende Tätigkeiten seien ebenso zu vermeiden wie Tätigkeiten unter Zeitdruck. Die Gutachterin hat eine ergänzende psychiatrische Begutachtung des Klägers empfohlen, denn die Persönlichkeitsstörung des Klägers stehe im Vordergrund seines Leidens.
Auf Veranlassung des Sozialgerichts hat sodann der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. J A am 24. Februar 2004 ein psychiatrisches Gutachten über den Kläger erstellt. Dieser Gutachter sieht bei dem Kläger, den er zur Exploration und Untersuchung eine Stunde gesehen hatte, eine "autonome somatoforme Störung bei ängstlich dependenter Persönlichkeitsstörung". Die zahlreichen psychosomatischen Beschwerden und Symptome seien der psychiatrischen Störung zu subsumieren. Der Kläger sei vollschichtig leistungsfähig. Es bestünden lediglich qualitative Leistungseinschränkungen. Insgesamt sei die Symptomatik nur leicht bis mäßig ausgeprägt. Es bestehe weder eine relevante depressive Symptomatik noch bestünden objektivierbare höhergradige Symptome bzw. Beschwerden mit Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit. Bei dem Kläger führten andauernde und wiederkehrende Gefühle der Unsicherheit, von Anspannung und Besorgtheit sowie die Überzeugung, eher unbeholfen und ungeschickt zu sein, zu einer Vermeidungsstrategie, die sich in somatoformen Symptomen äußere. Folge sei ein mäßig eingeschränkter Lebensstil, der dem Kläger eine gewisse Ordnung und Sicherheit garantiere. Das psychopathologische Bild sei geprägt durch die Vermeidung beruflicher Aktivitäten, die zwischenmenschliche Kontakte voraussetzen. Neben gewissen qualitativen Einschränkungen aufgrund einer dermatologischen Problematik sei die psychiatrische Störung nicht von solchem Schweregrad, dass dadurch relevante quantitative oder qualitative Leistungseinschränkungen abgeleitet werden könnten. Die Einschätzungen des medizinischen Dienstes des Arbeitsamtes seien nur schwer nachvollziehbar, weil sie weniger auf objektivierbare störungsbedingte Leistungsdefizite als vielmehr auf die subjektiven Schilderungen des Klägers Bezug nähmen.
Der Kläger ist diesem Gutachten, u.a. in Gestalt einer Stellungnahme des ihn behandelnden Diplom-Psychologen H vom 17. April 2004 entgegentreten. Dieser meint, im Rahmen der Begutachtung durch Dr. A hätten psychopathometrische und testpsychologische Untersuchungen durchgeführt werden müssen. Die Vorbefunde und der Krankheitsverlauf seien nur unzureichend dargestellt. Psychopathologischer Status und neurologischer Befund seien unvollständig erhoben worden. Die quantitative Belastbarkeit des Klägers sei nur unzureichend begründet worden.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 13. Juni 2004 ist der Gutachter Dr. A daraufhin bei seinen Einschätzungen geblieben. Das beim Kläger vorliegende psychopathologische Syndrom sei keineswegs so komplex oder vieldeutig, dass daraus nicht eine Diagnose hätte abgeleitet werden können. Die geforderten Tests seien für die Beantwortung der mit dem Gutachtenauftrag gestellten Fragen untauglich. Die Befunderhebungen seien teilweise relativ knapp, weil sie ohne relevante Auffälligkeiten geblieben seien.
Unter ausführlicher Schilderung seiner Leiden ist der Kläger auch dieser ergänzenden Stellungnahme schriftlich entgegengetreten.
Mit Urteil vom 15. September 2004 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung, wegen deren Einzelheiten auf die Gerichtsakte Bezug genommen wird, im Wesentlichen ausgeführt: Die medizinischen Voraussetzungen für die vom Kläger begehrte Rentenleistung lägen nicht vor. Für die Einschätzung, dass der Kläger noch über ein vollschichtiges Leistungsvermögen verfüge, stütze das Gericht sich bei seiner Entscheidung in erster Linie auf die beiden gerichtlichen Sachverständigengutachten von Dr. K und Dr. A. Mit den von beiden Sachverständigen formulierten Leiden könne der Kläger noch vollschichtig mittelschwere Arbeiten verrichten, wobei lediglich qualitative Leistungseinschränkungen zu berücksichtigen seien. Die beiden genannten Gutachten stimmten auch überein mit den Einschätzungen von Dr. S und Dr. K bei ihren Begutachtungen des Klägers im Verwaltungsverfahren. Die Stellungnahmen des Klägers zu den Gutachten sowie die Stellungnahmen seiner behandelnden Ärzte und Therapeuten seien nicht geeignet, das Beweisergebnis zu erschüttern.
Gegen das ihm am 9. November 2004 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat der Kläger am 6. Dezember 2004 Berufung eingelegt. Er sieht seinen Gesundheitszustand und seine Belastbarkeit durch das Urteil unzutreffend gewürdigt. Zur Begründung seiner Berufung hat der Kläger folgende Unterlagen eingereicht:
• Attest des behandelnden Diplom-Psychologen J H vom 6. Dezember 2004; danach sei der Kläger wegen Krankheit und Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Neben den multiplen organischen Leiden führe die psychopathologische Symptomatik zu einer erheblichen Reduktion seiner Belastbarkeit. Die Psychopathologie (sozialer Rückzug, Anhedonie und autoaggressive Durchbrüche) habe sich chronifiziert. Latente Suizidalität stehe zu befürchten. Bei der hochpathologischen Frustrationsintoleranz des Klägers seien unkontrollierte Handlungen nicht auszuschließen. Mit seiner hochkomplexen pathologischen Persönlichkeit sei der Kläger nicht mehr in der Lage, wirtschaftliche Arbeiten von Wert zu verrichten.
• Ärztliches Attest der Allgemeinmedizinerin M F vom 11. November 2004; vor allem aufgrund seiner psychischen Beschwerden sei der Kläger nicht in der Lage, regelmäßig täglich noch drei Stunden zu arbeiten.
• Attest der Fachärztin für Psychiatrie I N vom 1. Dezember 2004; der Kläger befinde sich seit Jahren in nervenärztlicher Behandlung. Er leide an einer "Depression mit Beeinträchtigung des Antriebs, in der Konzentration, in der Merkfähigkeit, des Schlafes, der Grundstimmung, Willenlosigkeit und Angstgefühle". Seine Angstgefühle gingen in der Regel in Panikzustände über. Diagnostisch handele es sich um Dysthymia, Panikstörung und Somatisierungsstörung. Eine Besserung der depressiven Symptomatik habe nicht erreicht werden können. In letzter Zeit habe sich das psychische Befinden zunehmend verschlechtert, sodass der Kläger nicht leistungsfähig sei.
Der Kläger hält die Gutachten von Dr. K und Dr. A für widersprüchlich, weil letzterer – anders als die Vorgutachterin – eine autonome somatoforme Funktionsstörung diagnostiziert habe. Die organischen Auswirkungen des Alkoholmissbrauchs seien nicht vollständig geklärt worden. Ein weiteres neurologisch-psychiatrisches Gutachten sei erforderlich.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. September 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Januar 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Dezember 2001 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Das Gericht hat zunächst weitere Befundberichte der behandelnden Ärzte und Therapeuten eingeholt und sodann die Ärztin für Psychiatrie J G mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens über den Kläger beauftragt, welches diese auf der Grundlage einer fünfeinhalbstündigen Untersuchung des Klägers am 15. Juni 2006 vorgelegt hat. Die Sachverständige hat auf neurologisch-psychia-trischem Fachgebiet folgende Diagnosen gestellt:
1. kombinierte Persönlichkeitsstörung, 2. mäßig ausgeprägte Agoraphobie, 3. aktuell abstinente Alkoholabhängigkeit, 4. Polyneuropathie sowie 5. Migräne.
Auf anderen Fachgebieten hat sie folgende Störungen formuliert:
1. Asthma bronchiale, 2. chronische Gastritis, 3. Histaminintoleranz, 4. Fructose-Malabsorption und 5. allergische Diathese.
Mit der Alkoholabstinenz seien Angststörungen aufgetreten, die Suchterkrankungen am häufigsten begleiteten. Es handele sich um eine Komorbidität. Die vom Kläger geschilderten Ängste erfüllten die diagnostischen Kriterien einer Agoraphobie, wenn auch nur mäßig ausgeprägt. Die diagnostizierte Persönlichkeitsstörung habe unterschiedliche Züge: es fänden sich depressive Anteile, viel deutlicher aber zwanghafte und schizoide Anteile. Die Zwanghaftigkeit werde in der Schilderung des Tagesablaufs und der Gewohnheiten deutlich, aber auch zum Beispiel in der Akribie, mit der der Kläger schriftlich auf die bisherigen Gutachten reagiert habe. Die Schizoidie drücke sich im flachen Affekt, dem Mangel an Beziehungen und dem mangelnden Interesse aus. Das Manipulieren an den (so gut wie nicht vorhandenen) Fingernägeln könne als Selbstverletzung interpretiert werden und sei damit ein Hinweis in Richtung einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Diese sei im Wesentlichen unbehandelt. Mit ihrer Entwicklung sei eine Steigerung des Alkoholkonsums einhergegangen. Nach dem Alkoholentzug habe der Kläger Strategien entwickelt, um mit seinen Ängsten, den depressiven und zwanghaften Anteilen, umzugehen. Die Persönlichkeitsstörung habe sich im weiteren Verlauf zementiert, es sei zu einer weiteren sozialen Fehlanpassung gekommen. Hinzugetreten seien körperliche Beschwerden und Störungen, sodass sich körperliche und psychische Störungen gegenseitig verstärkt hätten. Im neurologischen Untersuchungsbefund habe sich eine Minderung des Vibrationsempfindens und eine Abschwächung der Achillessehnenreflexe gefunden, was auf eine Polyneuropathie hindeute, deren Ursache der zurückliegende Alkoholkonsum sei. Die aktenkundigen Störungen auf internistischem Fachgebiet deuteten nicht auf eine Somatisierungsstörung oder eine anhaltende somatoforme Funktionsstörung hin.
Ohne auf Kosten der Gesundheit zu arbeiten, könne der Kläger damit täglich keine Arbeiten mehr verrichten. Denkbar seien zwar leichte bis mittelschwere Arbeiten unter Beachtung im Einzelnen aufgeführter qualitativer Einschränkungen, das verbliebene Leistungsvermögen reiche aber nur noch für eine tägliche Arbeitszeit von unter drei Stunden aus. Durch die Persönlichkeitsstörung komme es zu Auffälligkeiten, die die Merkfähigkeit, die Konzentrationsfähigkeit und die Entschluss- bzw. Verantwortungsfähigkeit reduzierten. Ebenso sei die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit beeinträchtigt. Bei der Persönlichkeitsstörung handele es sich um eine solche, die deutliche Abweichungen im Wahrnehmen, Denken, Fühlen und in Beziehungen zu anderen beinhalte. Es handele sich um stabile Verhaltensmuster, die häufig mit persönlichen Leiden und gestörter sozialer Funktionsfähigkeit einhergingen. Die Gutachterin hat erklärt, beim Kläger deshalb ein derart eingeschränktes Leistungsvermögen zu sehen, weil die diagnostizierte Persönlichkeitsstörung sowohl zu deutlichem sozialen Rückzug, als auch zur Unfähigkeit soziale Beziehungen aufzunehmen, geschweige denn aufrechtzuerhalten, geführt habe. Damit gehe eine schlechte Prognose im Hinblick auf die therapeutischen Möglichkeiten einher. Eingeschränkt sei aufgrund der Agoraphobie auch die Wegefähigkeit. Für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel müsse mehr Zeit eingeplant werden, weil der Kläger möglicherweise aussteigen müsse, wenn die Verkehrsmittel zu voll würden. Die festgestellten Einschränkungen bestünden zumindest seit Antragstellung. Auch die Gutachterin Dr. K habe festgestellt, dass beim Kläger eine Persönlichkeitsstörung vorliege. Das Gutachten des Dr. A, der den Kläger nur etwa eine Stunde untersucht habe, erfasse die Persönlichkeitsstörung des Klägers nur unzureichend und nicht in ihrer ganzen Bandbreite. Aus dem vom Kläger geschilderten Tagesablauf habe der Gutachter Dr. A unzutreffende Schlussfolgerungen gezogen. Der Kläger führe nicht etwa ein sozial eingeschränktes Leben, sein soziales Leben sei vielmehr praktisch nicht existent. Auch Dr. A habe aber als Diagnose eine ängstlich dependente Persönlichkeitsstörung formuliert. Damit habe auch er erfasst, dass die psychische Störung sehr viel ausgeprägter sei als bislang festgestellt. Die Diagnose einer ängstlich vermeidenden Persönlichkeitsstörung sei allerdings nicht ausreichend, um die gesamte Symptomatik zu erfassen.
Die Beklagte hat hierzu erklärt, dass die Gutachterin G zu derselben diagnostischen Einordnung der Gesundheitsbeeinträchtigungen des Klägers wie Dr. A in seinem Gutachten vom Februar 2004 gelange. Da die Gutachter Dr. K (Dezember 2001) und Dr. A (Februar 2004) zu der gleichen sozialmedizinischen Einschätzung gelangt seien, dass der Kläger noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen besitze, Dr. G gleichzeitig keine Verschlechterung belege, sondern die Störung insgesamt nur quantitativer und qualitativ gravierender einschätze, werde weiterhin dem Gutachten des Dr. A gefolgt.
Der Kläger meint, das neue Gutachten belege, dass er nicht mehr in der Lage sei, täglich einer Tätigkeit im Umfange von mehr als drei Stunden nachzugehen. Die von Dr. A und Dr. G gestellten Diagnosen seien nicht identisch. Letztere sehe gerade keine somatoforme Funktionsstörung. Letztlich bestätige die Gutachterin G aus psychiatrischer Sicht die Feststellungen von Dr. K aus dem Jahre 2003. Das Gutachten von Dr. A könne nicht zur Grundlage der Beurteilung der Leistungsfähigkeit gemacht werden. Es sei aufgrund einer viel zu kurzen Untersuchung erstellt worden. In diesem Rahmen seien die zwanghaften Einschränkungen des Klägers nicht deutlich geworden.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten – auch wegen der ausführlichen Stellungnahmen des Klägers zur medizinischen Beweisaufnahme – wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte (2 Bände), der Rentenakte sowie der Reha-Akte der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme im Berufungsverfahren hat er Anspruch auf Gewährung einer unbefristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Dezember 2001.
Der Rentenanspruch des Klägers bemisst sich nach § 43 SGB VI in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung, denn er hat seinen Rentenantrag am 12. November 2001 und damit unter der Geltung des neuen Erwerbsminderungsrechts gestellt (vgl. § 300 Abs. 1 SGB VI).
Danach hat derjenige Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, der die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hat und teilweise bzw. voll erwerbsgemindert ist. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI diejenigen Versicherten, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein; voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI diejenigen, die nicht mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein können. Nicht erwerbsgemindert ist hingegen nach § 43 Abs. 3 SGB VI, wer mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage insoweit nicht zu berücksichtigen ist.
Gemessen daran ist der Kläger, der die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, voll erwerbsgemindert, denn er ist nicht in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat in Würdigung des schon ausführlich im Tatbestand dargestellten Gutachtens der Sachverständigen G vom 15. Juni 2006. Ihr für den Kläger vorgelegtes Gutachten zeichnet sich durch überdurchschnittliche Gründlichkeit und hohe Überzeugungskraft aus. Auch wenn Umfang und Zeitaufwand an sich keine Qualitätskriterien sein mögen, ist dem Gutachten doch deutlich zu entnehmen, dass die Gutachterin sich dem Kläger persönlich gut fünf Stunden gewidmet und eine gründliche Exploration und Untersuchung vorgenommen hat, was auf dem "untechnischen" Gebiet der psychiatrischen Begutachtung in besonderem Maße erforderlich ist, um ein sachgerechtes Gutachten zu erstellen. Auffällig an dem Gutachten der Ärztin G ist die überzeugende und umfassende Argumentation, um dem Fall des Klägers gerecht zu werden, wobei nicht etwa das notwendige Maß an Unparteilichkeit verloren geht, sondern auch eine intensive Auseinandersetzung mit dem Ergebnis der bisherigen medizinischen Beweiserhebung stattfindet. Gerade deshalb misst der Senat diesem letzten neurologisch-psychiatrischen Gutachten ausreichendes Gewicht bei, um die teilweise differierenden gutachterlichen Einschätzungen – insbesondere diejenige des Dr. A – zu entkräften und eine entscheidende Grundlage für den Erfolg der Berufung zu bieten.
So hält der Senat die Darstellungen und Schlussfolgerungen der Gutachterin G insgesamt für schlüssig und überzeugend. Auf ihrem Fachgebiet sieht die Sachverständige bei dem Kläger eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, eine mäßig ausgeprägte Agoraphobie, eine aktuell abstinente Alkoholabhängigkeit, eine Polyneuropathie und Migräne. Ausführlich hat die Gutachterin die Vorgeschichte – insbesondere den Lebensweg des Klägers – und die Vorbefunde sowie die Familien-, Krankheits- und Alkoholanamnese dokumentiert. Die aktuellen Beschwerden des Klägers wurden genau wiedergegeben, zudem ausführlich die eigene neurologische und psychopathologische Befunderhebung dargestellt. Der "erklärende" Teil ist in besonderem Maße erhellend und lässt keinen Zweifel, dass er dem Kläger gerecht wird. Die Gutachterin erklärt die Entwicklung der Persönlichkeitsstörung im Zusammenspiel mit der Suchterkrankung, beschreibt die gravierenden psychopathologischen Auffälligkeiten und setzt sie wiederum in Beziehung zu den vom Kläger geklagten körperlichen Leiden. Besondere Überzeugungskraft gewinnt das Gutachten, weil hier deutlich wird, dass die Gutachterin "genau hingesehen" hat und zum Beispiel auch seine zwanghaft wirkenden Schriftsätze sowie seinen Hang zur Selbstverletzung (keine Fingernägel) in die Analyse einbezogen hat. Die Gutachterin schildert eine Persönlichkeitsstörung mit so gravierenden Elementen (Agoraphobie; depressive, zwanghafte, schizoide Anteile; Selbstverletzung; praktisch nicht mehr existentes soziales Leben), dass ihre Schlussfolgerungen zur quantitativen Belastbarkeit des Klägers ohne weiteres überzeugen: Das verbliebene Leistungsvermögen reiche nur noch für eine tägliche Arbeitszeit von unter drei Stunden aus. Durch die Persönlichkeitsstörung komme es zu Auffälligkeiten, die die Merkfähigkeit, die Konzentrationsfähigkeit und die Entschluss- bzw. Verantwortungsfähigkeit reduzierten. Ebenso sei die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit beeinträchtigt. Die Persönlichkeitsstörung führe zu deutlichen Abweichungen im Wahrnehmen, Denken, Fühlen und in Beziehungen zu anderen, zu deutlichem sozialen Rückzug und zur vollständigen Unfähigkeit, soziale Beziehungen aufzunehmen, geschweige denn aufrechtzuerhalten. Eingeschränkt sei aufgrund der Agoraphobie auch die Wegefähigkeit. Für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel müsse mehr Zeit eingeplant werden, weil der Kläger möglicherweise aussteigen müsse, wenn die Verkehrsmittel zu voll würden. All dies ist in sich so schlüssig und konsequent, dass der Senat seine Entscheidung ohne Bedenken hierauf stützen kann.
Das Gutachten der Sachverständigen G stellt für den Senat erst recht eine geeignete Entscheidungsgrundlage dar, weil es keine singuläre Einschätzung zur Leistungsfähigkeit des Klägers bietet, sondern in einer Reihe steht mit früheren und stets wiederkehrenden, im Tatbestand dargestellten Beurteilungen der behandelnden Ärzte des Klägers und seiner Psychotherapeuten sowie insbesondere auch des MDK und des arbeitsamtsärztlichen Dienstes. Während der Kläger von letzterem im Jahre 1998 (Gutachten vom 28. Mai 1998 und 24. Juni 1998) noch für vollschichtig belastbar erklärt worden war, hielt die Fachärztin für Psychiatrie und Arbeitsamtsärztin Dr. M das Leistungsvermögen des Klägers in ihrem Gutachten vom 25. März 2003 für aufgehoben. Die Gesamteinschätzung kommt derjenigen der Gutachterin G sehr nahe, auch in Bezug auf die (fehlende) Wahrscheinlichkeit für eine Besserung der Leiden. Für den MDK Berlin/Brandenburg kam die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie M-P schon Ende 2001 und Anfang 2002 zu demselben Ergebnis: In ihren Gutachten vom 18. Oktober 2001 und vom 24. Januar 2002 stellte sie ähnliche Diagnosen wie später die Sachverständige G und sah für eine Vermittelbarkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kein ausreichendes psychisches Leistungspotential. In der Zeit zwischen den beiden Gutachten sei die schwere neurotische Entwicklungsstörung sogar noch deutlicher erkennbar geworden. Zu alledem fügen sich die im Tatbestand dargestellten wiederkehrenden Bekundungen der behandelnden Ärzte und Therapeuten (insbesondere Psychiater R H, Allgemeinmedizinerin M F, Psychologin B K, Psychologe JH), die zwar aufgrund des prägenden Arzt- bzw. Therapeut-Patienten-verhältnisses nur eingeschränkten Beweiswert haben, in ihrer Einmütigkeit zum Leistungsvermögen des Klägers aber doch einen gewissen Aussagewert behalten.
Aus dem im erstinstanzlichen Verfahren erstellten Gutachten der Internistin Dr. K ergibt sich nichts anderes. Aus internistischer Sicht sah die Sachverständige bei dem Kläger zwar vollschichtige Belastbarkeit, regte aber dringend seine neurologisch-psychiatrische Begutachtung an. Damit gab sie zu erkennen, nicht ausschließen zu können, dass sich auf diesem Fachgebiet eine andere Beurteilung ergeben könnte. Gerade weil das maßgebliche Leiden des Klägers psychiatrischer Natur ist, müssen die vorhandenen internistischen Gutachten – so auch das im Verwaltungsverfahren erstellte Gutachten von Dr. S – ohne ausschlaggebendes Gewicht bleiben.
Dem psychiatrischen Gutachten des Dr. A vom 24. Februar 2004 folgt der Senat nicht. Dr. A diagnostiziert bei dem Kläger eine "autonome somatoforme Störung bei ängstlich dependenter Persönlichkeitsstörung", womit kein gravierender Unterschied zu den von der Gutachterin G gewählten Formulierungen besteht. Die zahlreichen psychosomatischen Beschwerden und Symptome, so der Gutachter, seien der psychiatrischen Störung zu subsumieren. Der Kläger sei damit aber vollschichtig leistungsfähig, es bestünden lediglich qualitative Leistungseinschränkungen. Diese Schlussfolgerung kann der Senat nicht teilen, denn sie ist ungleich schwächer begründet als die gegenteilige im später von der Ärztin G erstellten Gutachten. Kennzeichnend für das Gutachten des Sachverständigen Dr. A ist eine ausgesprochen dürftige psychopathologische Befunderhebung und eine nur sehr knappe fallbezogene Diskussion. Damit geht einher, dass der Gutachter den Kläger nach eigener Darstellung nur 60 Minuten gesehen hat, was der Senat – ohne hier etwa feste Zeitgrenzen vorgeben zu wollen – angesichts der Aktenlage im gegebenen Einzelfall und angesichts der grundsätzlich schwierigen Aufgabe des psychiatrischen Gutachters für unzureichend hält.
Kein entscheidendes Gewicht misst der Senat schließlich auch dem Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K vom 12. Dezember 2001 bei, zumal diese selbst einen "instabilen" psychiatrischen Befund formulierte und die Leistungsfähigkeit des Klägers in Abhängigkeit sah von der Weiterführung der gerade begonnenen Verhaltenstherapie, die letztlich aber keine entscheidenden Erfolge nach sich zog.
Der Kläger hat Anspruch auf eine Dauerrente und nicht nur auf eine Zeitrente, weil unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann, § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI. Die erforderliche Wahrscheinlichkeit in diesem Sinne besteht nur, wenn nach medizinischen Erkenntnissen mehr dafür als dagegen spricht, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit innerhalb von drei Jahren behebbar ist (vgl. Niesel in Kasseler Kommentar, Rdnr. 13 zu § 102 SGB VI). Von einer solchen Aussicht auf Besserung kann im Falle des Klägers nicht die Rede sein. Die Gutachterin G, der der Senat auch hier folgt, hat insoweit plausibel erklärt, dass die ambulanten und stationären Behandlungsmöglichkeiten zwar noch nicht ausgeschöpft seien, die Prognose aber "denkbar schlecht" sei. Eine konsequente Behandlung könne zu einer Stabilisierung führen. Eine Besserung des Leistungsvermögens sei jedoch nicht zu erwarten. Der Kläger sei auch bei zumutbarer Willensanstrengung nicht in der Lage, seine Fehlhaltung zu überwinden, weil es sich um einen unbewussten, durch körperliche Erkrankungen und die Lebenssituation unterhaltenen Prozess handele; auch durch ärztliche Behandlung könne der Kläger nicht aus seiner Fehlhaltung gelöst werden, erreichbar sei nur die Entwicklung von Bewältigungsstrategien. Die unbefristete Rente wegen Erwerbsminderung beginnt am 1. Dezember 2001, § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI. Entsprechend der nachvollziehbaren Einschätzung der Gutachterin G besteht die Einschränkung der Leistungsfähigkeit zumindest seit Antragstellung im November 2001.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
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