S 2 SO 26/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 2 SO 26/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1.Es wird festgestellt, dass der Klägerin in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten, handelnd unter IS-Transporte, vor dem Amtsgericht Bochum – 00 JO 000/00 – eine Insolvenzforderung in Höhe von 221,09 Euro, wie zu lfd. Nr. 00 des Insolvenzverzeichnesses angemeldet, zusteht. 2.Es wird festgestellt, dass der im Klagenantrag zu Ziffer 1 bezeichneten Forderung eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung der Beklagten (§ 174 Abs. 2 InsO) zugrunde liegt. 3.Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Feststellung einer Forderung gegen die Beklagte gemäß § 184 Satz 1 Insolvenzordnung (InsO).

Die Klägerin gewährte der Beklagten und ihrem Ehemann seit April 2002 (Bescheide vom 15.04.2002) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und besondere Mietzuschüsse nach §§ 31 ff. Wohngeldgesetz (WoGG). Die Beklagte beantragte noch am 25.06.2002 die Weitergewährung, weil sich die finanzielle Situation nicht geändert habe. Ein Datenabgleich mit dem Finanzamt nach 117 BSHG ergab, dass beide Eheleute Einkünfte als geringfügig Beschäftigte erzielten. Die Fa. C bestätigte der Klägerin, dass die Beklagte dort von Juli bis Oktober 2002 insgesamt 1.238,25 EUR verdient hatte. Die Klägerin stellte daraufhin ihre Leistungen ein und forderte mit 2 Bescheiden vom 11.02.2003 die besonderen Mietzuschüsse für 4 Monate in Höhe von insgesamt 656 EUR (BSHG ) und Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 371,09 EUR zurück. Die Bescheide wurden von der Beklagten nicht angefochten. Infolge der von ihr gezahlten Raten reduzierten sich die Forderungen auf 506,- EUR und 221,09 EUR.

Am 11.11.2002 wurde vor dem Amtsgericht Bochum über das Vermögen der Klägerin wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren–00 JO 000/00 – eröffnet. Gegen die Forderungsanmeldung seitens der Klägerin legte die Beklagte unter dem 09.11.2004 Widerspruch ein.

Die Klägerin hat daraufhin am 17.03.2005 Klage vor dem Sozialgericht erhoben mit dem Antrag

1.festzustellen, dass der Klägerin in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten, handelnd unter IS-Transporte, vor dem Amtsgericht Bochum –00 JO 000/00 – Insolvenzforderungen in Höhe von 506,- EUR und 221,09 EUR, wie zu lfd. Nr. 00 und 00 des Insolvenzverzeichnisses angemeldet, zustehen; 2.festzustellen, dass den im Klageantrag zu Ziff. 1 bezeichneten Forderungen eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung der Beklagten (§ 174 Abs. 2 InsO zugrunde liegt.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Zuständigkeit des Sozialgerichts auch für den besonderen Mietzuschuss nach §§ 31 – 33 WoGG gegeben sei. Die Beklagte bestreitet eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung mit der Begründung, dass sie und ihr Ehemann eine Mitarbeiterin der Klägerin über die Arbeitsaufnahme informiert hätten.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist der Rechtsstreit, soweit er Leistungen nach dem WoGG betrifft, abgetrennt worden. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen S 0 SO 00/00 fortgeführt. Das Ursprungsverfahren S 0 SO 00/00 betrifft nur noch die Insolvenzforderung wegen Hilfe zum Lebensunterhalt nach BSHG.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Alle diese Unterlagen sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte die Streitsache verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen und nicht vertreten gewesen ist. Durch die ordnungsgemäß erfolgte Terminsbenachrichtigung ist die Beklagte auf die Möglichkeit dieser Vorgehensweise, deren Zulässigkeit sich aus §§ 110, 124, 126 und 127 SGG ergibt, hingewiesen worden.

Die Zulässigkeit der Feststellungsklage folgt aus § 184 Satz 1 InsO. Hat der Schuldner im Insolvenzverfahren eine Forderung bestritten, so kann der Gläubiger nach dieser Vorschrift Klage auf Feststellung der Forderung gegen den Schuldner erheben.

Für die Feststellungsklage ist auch der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben. Gemäß § 185 InsO ist für den Fall, dass für die Feststellung einer Forderung der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht gegeben ist, die Feststellung bei dem zuständigen anderen Gericht zu betreiben. Demzufolge ist vorliegend die Zuständigkeit des Sozialgerichts gegeben, da die Sozialgerichte gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6 a Sozialgerichtsgesetz in Angelegenheiten der Sozialhilfe zuständig sind. Das gilt nicht nur für den Antrag zu 1) sondern auch für den Antrag zu 2).

Die Klägerin macht gegen die Beklagte keinen Anspruch aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 BGB geltend, für den der Zivilrechtsweg gegeben ist. Sie begehrt vielmehr lediglich die Feststellung, dass das Verhalten der Beklagten, das einen Rückforderungsanspruch nach § 45 SGB X begründet hat, auch als eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung zu qualifizieren ist, mit der Folge, dass eine Restschuldbefreiung gemäß § 302 Nr. 1 InsO bei erfolgter Anmeldung nicht eintreten kann. Die Klageforderung selber ergibt sich aber aus der sozialrechtlichen Vorschrift des § 45 SGB X und nicht aus dem BGB. Die Klägerin hat den Rückforderungsbescheid vom 11.02.2003 auf § 45 SGB X gestützt und nicht auf § 823 BGB.

Das Sozialgericht Gelsenkirchen teilt darum nicht die Rechtsauffassung des LSG BW (Beschluss vom 30.08.2005 - L 9 SF 863/05 B -), dass es sich bei der Feststellung einer unerlaubten Handlung um einen vorrangig bürgerlich-rechtlichen Anspruch handele mit der Folge, dass für die beantragte Feststellung die Zivilgerichtsbarkeit zuständig sei. Der dortigen Entscheidung lag auch ein anderer Sachverhalt zugrunde, denn es ging um die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen. Das Sozialgericht kann sich für seine Rechtsauffassung auf die Kommentierung bei Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage § 51 Rn. 17 und 39, Stichwort "Insolvenz" stützen. Danach besteht der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit unabhängig davon, ob sich der Anspruch auch aus § 823 BGB herleiten lässt. Beim Stichwort "Insolvenz" wird ausdrücklich festgestellt, dass der Sozialrechtsweg auch gegeben ist bei Fragen hinsichtlich des Bestehens, der Höhe und des Rangs der Forderung, wenn diese Forderung der Sache nach zum Sozialrechtsweg gehört.

Das Feststellungsbegehren ist auch in der Sache selbst begründet. Der Rückforderungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus dem bindend (§ 77 SGG) gewordenen Rückforderungsbescheid vom 11.02.2003. Wegen der Bindungswirkung kann die Beklagte mit Einwendungen gegen den Grund der Forderung nicht gehört werden.

Die Kammer hat auch keine Bedenken festzustellen, dass das Verhalten der Beklagten, das dem Rückforderungsbegehren zugrunde liegt, als eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung im Sinne von § 174 Abs. 2 InsO zu qualifizieren ist. Die Beklagte hat es während des Bezugs von Sozialhilfeleistungen trotz der bestehenden Anzeigepflicht aus § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I, über die sie durch entsprechende Belehrungen in den Bewilligungsbescheiden informiert war, vorsätzlich unterlassen, der Klägerin die Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung und die dadurch erzielten Einkünfte zu melden. Dadurch hat sie die Klägerin getäuscht und zur Weitergewährung der ihr nicht mehr zustehenden Sozialhilfeleistungen veranlasst. Das Verhalten ist als unerlaubte Handlung gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB zu werten. Der Vortrag der Beklagten, dass sie eine Frau W bei der Klägerin von der Aufnahme der geringfügigen Beschäftigung informiert habe, findet in der von der Beklagten vorgelegten Akte keine Stütze und ist auch völlig unvereinbar mit dem ursprünglichen Vortrag der Beklagten, als sie zu dem Rückforderungsbegehren der Klägerin angehört wurde. In einem von der Beklagten unterschriebenen Vermerk vom 20.01.2003 hat die Beklagte ausdrücklich eingeräumt, dass sie und ihr Ehemann die Nebentätigkeiten nicht gemeldet hätten. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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