S 2 SO 42/06 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 2 SO 42/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt L wird abgelehnt. Außergerichtlichen Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Hilfe zur Pflege ab 01.01.2006. Sie ist pflegebedürftig und seit 2002 vollstationär in einem Pflegeheim untergebracht. Im August 2005 stellte sie bei der Beklagten einen Antrag auf Hilfe zur Pflege und auf Pflegewohngeld. Das Pflegewohngeld wurde abgelehnt mit der Begründung, dass die Klägerin gegen ihre Tochter einen Anspruch auf Rückzahlung von 1999 geschenkt erhaltenen 50.000 DM gemäß § 528 BGB habe. Diesbezüglich ist ein Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht H unter dem Aktenzeichen 00 K 000/00 anhängig. Eine Entscheidung hinsichtlich der beantragten Hilfe zur Pflege erfolgte bisher nicht.

Den am 01.06.2006 gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begründet die Klägerin damit, dass das Pflegeheim den Heimvertrag am 2.05.2006 wegen offener Forderungen gekündigt habe. Sie habe keinen Anspruch gegen ihre Tochter, weil diese eine Einrede gemäß § 529 Abs. 2 und § 1624 BGB geltend machen könne. Die Tochter habe das Geld in der Erwartung erhalten, dass sie die Eltern bei zunehmender Gebrechlichkeit betreue. Sie habe sich im Jahr 2001 auf Wunsch der Eltern einen Opel Zafira gekauft, um den Rollstuhl der Mutter transportieren zu können.

II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung konnte keinen Erfolg haben.

Gemäß § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Danach setzt der Erlass einer einstweiligen Anordnung voraus, dass der geltend gemachte Hilfeanspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) vom jeweiligen Antragsteller glaubhaft gemacht werden (§ 86b SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Dies ist im Rahmen einer summarischen Prüfung zu bestimmen.

Die Antragstellerin hat nicht im Sinne von § 86b SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft gemacht, dass ihr für den Zeitraum vom Eingang des Antrags bei Gericht (01.06.2006) bis zum Ende des Monats der gerichtlichen Entscheidung (31.06.2006) Hilfe zur Pflege nach § 61 Abs.1 SGB XII zur Abwendung wesentlicher Nachteile und unter faktischer Vorwegnahme der Hauptsache vorläufig zuzuerkennen sind.

Für die Zeit vor und nach dem genannten Daten kommt eine Verpflichtung im Wege der einstweiligen Anordnung ohnehin nicht in Betracht. Für Zeiträume vor Eingang des Antrages bei Gericht und nach dem Ende des Monates der gerichtlichen Entscheidung besteht kein Anordnungsgrund. Das folgt daraus, dass Leistungen der Sozialhilfe keine rentengleiche Dauerleistungen sind und daher grundsätzlich zeitabschnittsweise für jeweils einen Monat gewährt werden. Soweit es um die Bewilligung von Leistungen vor Eingang des Antrags bei Gericht am 01.06.2006 geht, kommt eine positive Entscheidung nicht in Betracht, weil rückwirkend eine Behebung einer aktuellen Notlage ausgeschlossen ist.

Gemäß § 2 SGB XII erhält keine Sozialhilfe, wer sich u.a. durch Einsatz seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann. Gemäß § 90 Abs. 1 SGB XII ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Dazu zählen auch Kapitallebensversicherungen, Giro- und Sparguthaben sowie Rückforderungsansprüche wegen Verarmung des Schenkers nach § 528 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Ausweislich der Eigenangaben der Klägerin hat sie ihrer Tochter im Jahr 1999 einen Betrag von 50.000 DM geschenkt. Diesen Betrag kann sie von der Tochter gemäß § 528 BGB zurückfordern und damit mindestens für 1 Jahr den Heimaufenthalt finanzieren, bevor ein Hilfeanspruch entsteht. Die Antragstellerin bestreitet zu Unrecht das Bestehen dieses Rückforderungsanspruchs.

Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin handelte es sich um eine Schenkung, denn die Zuwendung erfolgte unentgeltlich im Sinne von § 516 BGB. Bei den von den Eltern erwarteten Hilfeleistzungen von Seiten ihrer Tochter handelte es sich um familiäre Selbstverständlichkeiten, die keineswegs als Gegenleistung eine Vorabbezahlung mit einem derart hohen Geldbetrag rechtfertigten. Die Anschaffung des Opel Zafira 2 Jahre nach vollzogener Schenkung kann bereits wegen des zeitlichen Abstands nicht die Gegenleistung für den Erhalt des Geldes darstellen. Es kommt hinzu, dass ein Zafira als ein vollwertiger PKW zu verwenden ist und nicht nur als Transportmittel für Behinderte. Nur weil mit diesem Fahrzeugtyp Behinderte und ihr Rollstuhl leichter zu transportieren sind, rechtfertigt dies nicht die Schlussfolgerung, dass das Fahrzeug vorwiegend im Interesse der behinderten Mutter angeschafft worden ist unter Verwendung des erhaltenen Geldbetrags.

Die beschenkte Tochter kann nicht die Einrede des § 529 Abs. 2 BGB geltend machen. Allein eine Bescheinigung einer Bank, dass zwei Konten insgesamt mit etwa 13.000 Euro im Soll sind, beweist nicht, dass die Tochter durch die Rückzahlung selber bedürftig würde. Den Schulden der Tochter stehen zumindest Vermögenswerte in Form einer Immobilie gegenüber. Beschenkte sind zur Veräußerung eines Familieneigenheims zwar in der Regel nicht verpflichtet, wohl aber zur Aufnahme eines Kredits. Für Immobilienbesitzer ist es unproblematisch, einen Kredit zu erhalten.

Verfehlt ist auch der Hinweis der Antragstellerin auf § 1624 BGB. Diese Regelung betrifft die Ausstattung eines Kindes aus dem Elternvermögen mit Rücksicht auf seine Verheiratung oder auf die Erlangung einer selbständigen Lebensstellung. Die Antragstellerin hat nichts vorgetragen, was dafür sprechen würde, dass die 50.000 DM der Tochter als "Aussteuer" zugewendet wurden, weil sie heiratete oder sich mit diesem Zuschuss eine selbständige Lebensstellung aufbauen sollte.

Vorliegend fehlt es außerdem an einem Anordnungsgrund. Ein Anordnungsgrund besteht (nur) bei drohenden wesentlichen Nachteilen. Die erstrebte Regelung muss der Abwendung einer unaufschiebbaren gegenwärtigen Notlage dienen, etwa der Sicherung der Existenzgrundlage des Hilfesuchenden. Der Antragstellerin drohen trotz der bereits erfolgten Kündigung des Heimvertrags wegen Zahlungsverzug aktuell keine wesentlichen Nachteile, da eine Kündigung nicht mit einer sofortigen Räumungsverpflichtung verbunden ist und eine Zwangsräumung nicht zu erwarten ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183,193 Sozialgerichtsgesetz.

III. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt l war ebenfalls abzulehnen, da der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz aus den oben dargelegten Gründen keines Aussicht auf Erfolg hat (§ 73 a SGG in Verbindung mit § 114 ZPO).
Rechtskraft
Aus
Saved