Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 5 RJ 135/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 RJ 13/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 6. Dezember 2000 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin eine Regelaltersrente gewähren und die Nachentrichtung von Beiträgen nach dem Zusatzabkommen zum deutsch-israelischen Sozialversicherungsabkommen (ZA-DISVA) zulassen muss.
Die im ... 1921 geborene Klägerin ist jüdischen Glaubens, stammt aus S ... in Rumänien und ist Verfolgte im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG). Seit 1951 lebt sie in Israel und besitzt die israelische Staatsbürgerschaft.
Im April 1957 gab sie in einem Entschädigungsverfahren an, sie habe den Beruf der "Schneiderin" erlernt. Dagegen führte sie im Februar 1967 in einem weiteren Entschädigungsverfahren aus, sie habe keine Berufsausbildung durchlaufen und sei bis zur Verfolgung von ihrem Vater "als Haustochter" in guten wirtschaftlichen Verhältnissen unterhalten worden. Außerdem versicherte sie an Eides statt, dass ihre Arbeitskraft während der Verfolgung "äußerst stark vermindert" worden sei. Im Fragebogen zur Feststellung ihrer Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) vom 12. Januar 1970 finden sich unter der Rubrik "Berufstätigkeit und Militärdienst" keine Angaben. In der Vorgeschichte zu einem ärztlichen Gutachten aus dem Jahre 1971 heißt es zu ihrem beruflichen Werdegang stichwortartig: Nach der Volksschule "keinen Beruf ausgeübt", nach der Befreiung "konnte überhaupt nicht arbeiten" und nach ihrer Einwanderung in Israel:
"Hier konnte sie auch keine Arbeit ausüben".
Im März 1997 beantragte die Klägerin Regelaltersrente und die Zulassung zur Nachenrichtung von Beiträgen nach dem ZA-DISVA. Sie gab an, von "Frühjahr 1945 bis Herbst 1947 (?)" in einer chemischen Reinigung in S ... "Büroarbeiten" verrichtet, hierfür den "monatlichen Tariflohn" erhalten und Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt zu haben. Zur Glaubhaftmachung legte sie eine schriftliche Erklärung der M ... S ... vom 04. Dezember 1996 vor, wonach die Klägerin von Frühjahr 1945 bis Herbst 1947 in der chemischen Reinigung ihres verstorbenen Ehemannes C ... S ... in S ... als Angestellte gearbeitet habe. Nachdem Zweifel daran aufgekommen waren, ob eine chemische Reinigung eine "volle Bürokraft" benötigt, hat die Klägerin vorgetragen, dass sie neben den schriftlichen Arbeiten auch gemangelt und gebügelt habe.
Im Verwaltungsverfahren zog die Beklagte die Entschädigungsakten der M ... S ... und ihres verstorbenen Ehemannes bei. Im Dezember 1979 hat C ... S ... in seinem Entschädigungsverfahren an Eides statt versichert, von Januar 1946 bis Sommer 1947 in S ... selbständig eine Färberei betrieben zu haben. Von 1945 bis 1946 sei er "arbeitslos" bzw. "nicht im Arbeitsfeld" gewesen. Auf Nachfrage der Beklagten erläuterte die Zeugin M ... S ... am 27. Oktober 1997, dass die Klägerin im Betrieb ihres verstorbenen Ehemannes Bügel-, Ausbesserungs- sowie Näharbeiten verrichtet und "auch im Büro geholfen" habe. Das rumänische Nationalarchiv teilte der Klägerin im Juli 1997 mit, dass Gehaltlisten der Fa. S ... in S ... nicht vorhanden seien.
Mit Bescheid vom 02. Januar 1998 lehnte die Beklagte die Anträge ab, weil das Vorbringen der Klägerin im Renten- und Entschädigungsverfahren widersprüchlich sei. Ungereimt sei auch, dass C ... S ... nach eigenen Angaben eine Färberei betrieben habe, seine Ehefrau, die Zeugin S ..., aber nur eine "chemische Reinigung" erwähne, in der ausschließlich Reinigungs-, Bügel- und Ausbesserungsarbeiten durchgeführt worden seien.
Dagegen erhob die Klägerin am 30. März 1998 Widerspruch und legte einen handschriftlichen Lebenslauf vor, wonach sie ab Betriebseröffnung in "der chemischen Reinigung und Färberei" des C ... S ... "als Angestellte" gearbeitet habe.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit, dass sie den verspäteten Widerspruch als Überprüfungsantrag werte und forderte sie auf, zu ihren widersprüchlichen Angaben Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 18. Oktober 1998 teilte die Klägerin mit, sie habe nach der Befreiung zunächst nicht arbeiten können, weil sie zu schwach gewesen sei und unter Depressionen gelitten habe. Um ihre seelische Erkrankung zu bewältigen, habe ihr ein Arzt empfohlen, eine Berufstätigkeit aufzunehmen. Daraufhin sei sie von ihrer Tante an die Fa. S ... vermittelt worden.
Mit Bescheid vom 18. Januar 1999 lehnte es die Beklagte ab, den Bescheid vom 2. Januar 1998 zurückzunehmen, weil die geltend gemachten Fremdbeitragszeiten nicht glaubhaft gemacht seien. Den Widerspruch vom 08. Februar 1999 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 1999 zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 13. September 1999 vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage erhoben und vorgetragen, wenigstens die Beitragszeiten von Januar 1946 bis September 1947 seien glaubhaft gemacht. Die Widersprüche zum Beschäftigungsbeginn und zum Geschäftsgegenstand der Fa. S ... seien nicht schwerwiegend, weil Zeugen gerade im Hinblick auf Zeiträume häufig Fehler unterliefen und Färbearbeiten in einer chemischen Reinigung keinesfalls unüblich seien.
Mit Urteil vom 6. Dezember 2000 hat das SG die Klage abgewiesen: Es sei nicht glaubhaft, dass die Klägerin bei der Fa. S ... sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Im Entschädigungsverfahren habe sie noch angegeben, gesundheitlich zu keiner Berufstätigkeit in der Lage gewesen zu sein, was in Anbetracht ihres Verfolgungsschicksals nahe liege. Hinzu komme, dass sie ihre Tätigkeit bei der Fa. S ... zunächst nur mit "Büroarbeiten" umschrieben und erst später auf handwerkliche Bereiche ausgeweitet habe. Da die Fa. S ... erst im Januar 1946 eröffnet worden sei, könne die Klägerin dort nicht ab Frühjahr 1945 gearbeitet haben. Es sei auch merkwürdig, dass die Zeugin S ... als Witwe des Betriebsinhabers C ... S ... das Färberhandwerk nicht erwähne und lediglich von Reinigungs- und Näharbeiten spreche.
Nach Zustellung am 25. Januar 2001 hat die Klägerin gegen dieses Urteil am 5. Februar 2001 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren ausdrücklich auf die Nachkriegsbeitragszeit vom 01. Januar 1946 bis Ende September 1947 beschränkt. Zur Begründung führt sie aus, die vom SG aufgezeigten Widersprüche lägen zwar vor, dürften aber nicht überbewertet werden. Dass sie und die Zeugin S ... die Eröffnung der chemischen Reinigung und den Beschäftigungsbeginn fälschlicherweise in das Jahr 1945 verlegt hätten, sei angesichts ihres hohen Lebensalters und des lange zurückliegenden Zeitraums entschuldbar. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Betriebsinhaber C ... S ... vor der Eröffnung seiner chemischen Reinigung bereits im Jahre 1945 gewisse Vorbereitungen habe treffen müssen. Dass sie und die Zeugin hier nicht genau zwischen der Gründungsphase und der Eröffnung des Betriebes differenziert hätten, müsse ihnen nachgesehen werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 6. Dezember 2000 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Januar 1999 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 15. Juni 1999 unter Zurücknahme des Bescheides vom 02. Januar 1998 zu verpflichten, sie zur Nachentrichtung von Beiträgen nach der Nr. 11 des Schlussprotokolls zum deutsch-israelischen Sozialversicherungsabkommen unter Anerkennung der geltend gemachten Fremdbeitragszeiten von Januar 1946 bis September 1947 zuzulassen und ihr Altersruhegeld nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend, hat sich jedoch (vorbehaltlos) bereit erklärt, die Zeit vom 01. August 1941 bis zum 18. März 1944 als Ersatzzeit wegen Freiheitsentziehung anzuerkennen. Sofern die Fremdbeitragszeit von Januar 1946 bis September 1947 berücksichtigt werde, könne auch die Zeit vom 19. März 1944 bis September 1944 "als Anschlussersatzzeit wegen verfolgungsbedingter Arbeitsunfähigkeit anerkannt werden".
Der Senat hat die Rentnerin M ... S ... aus K ... in Israel im Wege der Rechtshilfe durch das Amtsgericht H ... als Zeugin vernehmen lassen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Übersetzung der Sitzungsniederschrift vom 5. Februar 2003 (Bl. 121 bis 121 der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte (Versicherungsnummer: 13 10.08.21 K 684) verwiesen. Beide Akten sowie die Entschädigungsakte der Klägerin vom Amt für Wiedergutmachung (Az.: 808759) in S ... waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), weil sie rechtmäßig sind. Denn sie hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Regelaltersrente gem. § 35 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI), weil sie die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren nicht erfüllt. Auf die Wartezeit werden nur Kalendermonate mit Beitrags- und Ersatzzeiten angerechnet (§ 51 Abs. 1 und 4 SGB VI).
Die Zeit, die die Versicherte von Januar 1946 bis September 1947 in Rumänien zurückgelegt hat, ist keine (fiktive) Pflichtbeitragszeit (§ 55 Satz 2 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung, a.F.), für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Als "besondere Vorschriften" kommen insofern lediglich die §§ 15, 16 des Fremdrentengesetzes (FRG) in Betracht. Die Voraussetzungen dieser Bestimmungen sind aber nicht glaubhaft gemacht (§ 4 Abs. 1 Satz 1 FRG), weil ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen nicht überwiegend wahrscheinlich ist (§ 4 Abs. 1 Satz 2 FRG).
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG stehen Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich. Die Klägerin hat jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass sie Beiträge an einen nichtdeutschen (d.h. rumänischen) Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 15 Abs. 2 Satz 1 FRG) entrichtet hat. Angaben, an welche Versicherungsanstalt welche Beträge in welcher Höhe abgeführt worden sein sollen, kann sie selbst nicht machen. Die Aussage der Zeugin S ... ist unergiebig, weil sie nicht einmal bekunden konnte, ob es im streitigen Zeitraum überhaupt "irgendeine Rentenversicherung gab".
Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 FRG steht eine nach vollendetem 17. Lebensjahr in Rumänien verrichtete Beschäftigung, soweit sie nicht in Gebieten zurückgelegt wurde, in denen zu dieser Zeit die Sozialversicherung nach den Vorschriften der Reichsversicherungsgesetze durchgeführt wurde, einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland, für die Beiträge entrichtet sind, gleich, wenn sie nicht mit einer Beitragszeit zusammenfällt.
Eine Beschäftigung ist rentenversicherungspflichtig, wenn die Tätigkeit nach dem am 1. März 1957 (Stichtag) geltenden Bundesrecht Versicherungspflicht in den gesetzlichen Rentenversicherungen begründet hätte, wenn sie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet verrichtet worden wäre (§ 16 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz FRG). Am Stichtag waren gem. § 1227 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der Fassung vom 1. März 1957 (a.F.) alle Personen in der Arbeiterrentenversicherung versichert, die als Arbeitnehmer gegen Entgelt "beschäftigt" waren, d.h. nichtselbständige Arbeit verrichteten (§ 7 Abs. 1 SGB IV). Arbeit ist die planmäßige Tätigkeit eines Menschen, die auf ein wirtschaftliches Ziel gerichtet ist (vgl. Seewald in: Kasseler Komm., Stand: Mai 2002, Rn. 10 zu § 7 SGB IV). Nichtselbständig ist der Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber einseitig bestimmen darf, wann, wie und wo welche Arbeit verrichtet wird. Das Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnis kommt typischerweise durch eine freie Vereinbarung zwischen den Beteiligten zustande. Es handelt sich um eine Gegenseitigkeitsbeziehung, bei der Arbeit für Lohn ausgetauscht wird.
Die Klägerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie bei der Fa. S ... abhängig beschäftigt war.
Denn in den Entschädigungsakten finden sich trotz entsprechender Vordrucke und konkreter Fragen keine Angaben zu einer beruflichen Tätigkeit. Mehrfach hat die Klägerin betont, keine Berufsausbildung zu haben und von 1938 bis 1941 nur Haustochter beim Vater gewesen zu sein. In weiteren Fragebögen, wo ausdrücklich nach (allen) Berufstätigkeiten gefragt worden ist, finden sich ebenfalls keine Angaben. In verschiedenen Schilderungen der Zeit nach der Befreiung aus dem Konzentrationslager, die ebenfalls immer durch entsprechende Zeugenaussagen belegt sind, sowie in den ärztlichen Gutachten, die anlässlich des Antrags nach dem BEG erstattet worden sind, findet sich immer wieder die Aussage, sie habe nach der Befreiung durchgehend bis zur Auswanderung nach Israel nicht arbeiten können. Auch danach sei sie nicht arbeitsfähig gewesen, und selbst dann noch nicht, als sie meinte, durch die Gründung einer Familie ihre Lebensumstände zu ändern. Die Ärzte, die die Klägerin untersucht haben, sahen dies vor dem Hintergrund ihres Leidenszustandes als durchaus glaubhaft an. Deshalb erhält sie eine Entschädigung nach einer MdE von 30 v.H. wegen chronischer Depressionen nach dem BEG.
Erstmals im Rentenverfahren, das spät erst im März 1997 eingeleitet wurde, fanden sich Angaben zu einer vermeintlichen Ausbildung zur Schneiderin, Angaben zu Schneiderreparaturarbeiten ab Frühjahr 1944 und sodann die Behauptung, von Frühjahr 1945 bis Herbst 1947 - und diese Zahl hatte die Klägerin selbst mit einem Fragezeichen versehen - in einer chemischen Reinigung gearbeitet zu haben. Demgegenüber hat ihr vermeintlicher Arbeitgeber C ... S ... in seinem eigenen Entschädigungsverfahren an Eides statt versichert, erst ab Januar 1946 bis Sommer 1947 in S ... selbständiger Inhaber einer Färberei gewesen zu sein. Von 1945 bis 1946 sei er "arbeitslos" bzw. "nicht im Arbeitsfeld" gewesen.
In den BEG-Akten von M ... S ... finden sich keine Angaben zum Geschäft des Ehemannes. Sie betont lediglich, dass sie nach der Befreiung aus dem KZ in der Stadt S ... "als Deutschsprachige fast völlig isoliert" geblieben sei. In ihrer Erklärung vom 4. Dezember 1996 führt sie aus, dass die Klägerin von Frühjahr 1945 bis Herbst 1947 in der chemischen Reinigung ihres Ehemannes in S ... als Angestellte gearbeitet habe. In ihrer Vernehmung vor dem Amtsgericht in H ... hat sie diese Angaben bekräftigt und den Vortrag der Klägerin im Rentenverfahren bestätigt. Allerdings konnte sie die Widersprüchlichkeiten zwischen den früheren, wesentlich zeitnäheren Angaben der Klägerin im Entschädigungsverfahren und ihrem Vorbringen im Rentenverfahren nicht auflösen. Damit bleibt es bei den vom Sozialgericht aufgezeigten Widersprüchen, was die erste Schilderung der beruflichen Tätigkeiten angeht (Büroarbeiten), die dann im Laufe des Verfahrens immer weiter ausgeweitet worden sind.
Entscheidend gegen eine (versicherungs- und beitragspflichtige) Beschäftigung der Klägerin spricht jedoch, dass sie auf Grund ihres nachvollziehbar schlechten Gesundheitszustandes, den die medizinischen Gutachter noch Jahre später für nachvollziehbar und glaubhaft hielten, unmittelbar nach dem Krieg außerstande war, überhaupt einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Die Klägerin selbst hat im Entschädigungsverfahren noch dargelegt, dass sie auch später in Israel, also Jahre nach den grauenvollen Ereignissen, nicht in der Lage gewesen sei, eine berufliche Tätigkeit auszuüben. Wie dies dann andererseits unmittelbar nach der Befreiung aus dem Konzentrationslager oder bestenfalls 18 Monate nach der Befreiung möglich gewesen sein soll, lässt sich heute nicht mehr auflösen. Hier ist der Klägerin entscheidend entgegenzuhalten, dass sie im Entschädigungsverfahren jedwede berufliche Tätigkeit in ihrem Leben ausdrücklich mehrfach und unter Zeugenbeweis verneint hat.
Da somit weder Beitrags- noch Beschäftigungszeiten nach dem FRG zu berücksichtigen sind, hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Nachentrichtung freiwilliger Beiträge zur deutschen Rentenversicherung nach Nummer 11a) Satz 1 des Schlussprotokolls zum Abkommen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit (in der Fassung vom 12. Februar 1995, in Kraft getreten am 01. Juni 1996).
Die in Betracht kommenden und (teilweise bereits) anerkannten Ersatzzeiten reichen nicht aus, um die Wartezeit von 5 Jahren zu erfüllen. Deshalb kann offen bleiben, ob die Klägerin nach § 250 Abs. 1 Satz 1 SGB VI überhaupt Ersatzzeiten erwerben konnte, obwohl sie weder einen freiwilligen noch einen (fiktiven) Pflichtbeitrag gezahlt hat und deshalb nicht als "Versicherte" anzusehen ist (Försterling, GK-SGB VI, § 250 Rn. 22; Niesel in: Kasseler Kommentar, Stand: Mai 2002, § 250 Rn. 10; Maier/Tabert, Berliner Kommentar, § 250 Rn. 16f.). Denn allein durch Ersatzzeiten lässt sich weder ein Versicherungsverhältnis noch die Versicherteneigenschaft begründen (vgl. BSG, Urteil vom 20. Juni 1962, Az.: 1 RA 76/60, SozR Nr. 4 zu § 1251 RVO; Klattenhoff in: Hauck/Haines, SGB VI, § 250 Rn. 1 in Fußnote 1; Niesel, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin eine Regelaltersrente gewähren und die Nachentrichtung von Beiträgen nach dem Zusatzabkommen zum deutsch-israelischen Sozialversicherungsabkommen (ZA-DISVA) zulassen muss.
Die im ... 1921 geborene Klägerin ist jüdischen Glaubens, stammt aus S ... in Rumänien und ist Verfolgte im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG). Seit 1951 lebt sie in Israel und besitzt die israelische Staatsbürgerschaft.
Im April 1957 gab sie in einem Entschädigungsverfahren an, sie habe den Beruf der "Schneiderin" erlernt. Dagegen führte sie im Februar 1967 in einem weiteren Entschädigungsverfahren aus, sie habe keine Berufsausbildung durchlaufen und sei bis zur Verfolgung von ihrem Vater "als Haustochter" in guten wirtschaftlichen Verhältnissen unterhalten worden. Außerdem versicherte sie an Eides statt, dass ihre Arbeitskraft während der Verfolgung "äußerst stark vermindert" worden sei. Im Fragebogen zur Feststellung ihrer Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) vom 12. Januar 1970 finden sich unter der Rubrik "Berufstätigkeit und Militärdienst" keine Angaben. In der Vorgeschichte zu einem ärztlichen Gutachten aus dem Jahre 1971 heißt es zu ihrem beruflichen Werdegang stichwortartig: Nach der Volksschule "keinen Beruf ausgeübt", nach der Befreiung "konnte überhaupt nicht arbeiten" und nach ihrer Einwanderung in Israel:
"Hier konnte sie auch keine Arbeit ausüben".
Im März 1997 beantragte die Klägerin Regelaltersrente und die Zulassung zur Nachenrichtung von Beiträgen nach dem ZA-DISVA. Sie gab an, von "Frühjahr 1945 bis Herbst 1947 (?)" in einer chemischen Reinigung in S ... "Büroarbeiten" verrichtet, hierfür den "monatlichen Tariflohn" erhalten und Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt zu haben. Zur Glaubhaftmachung legte sie eine schriftliche Erklärung der M ... S ... vom 04. Dezember 1996 vor, wonach die Klägerin von Frühjahr 1945 bis Herbst 1947 in der chemischen Reinigung ihres verstorbenen Ehemannes C ... S ... in S ... als Angestellte gearbeitet habe. Nachdem Zweifel daran aufgekommen waren, ob eine chemische Reinigung eine "volle Bürokraft" benötigt, hat die Klägerin vorgetragen, dass sie neben den schriftlichen Arbeiten auch gemangelt und gebügelt habe.
Im Verwaltungsverfahren zog die Beklagte die Entschädigungsakten der M ... S ... und ihres verstorbenen Ehemannes bei. Im Dezember 1979 hat C ... S ... in seinem Entschädigungsverfahren an Eides statt versichert, von Januar 1946 bis Sommer 1947 in S ... selbständig eine Färberei betrieben zu haben. Von 1945 bis 1946 sei er "arbeitslos" bzw. "nicht im Arbeitsfeld" gewesen. Auf Nachfrage der Beklagten erläuterte die Zeugin M ... S ... am 27. Oktober 1997, dass die Klägerin im Betrieb ihres verstorbenen Ehemannes Bügel-, Ausbesserungs- sowie Näharbeiten verrichtet und "auch im Büro geholfen" habe. Das rumänische Nationalarchiv teilte der Klägerin im Juli 1997 mit, dass Gehaltlisten der Fa. S ... in S ... nicht vorhanden seien.
Mit Bescheid vom 02. Januar 1998 lehnte die Beklagte die Anträge ab, weil das Vorbringen der Klägerin im Renten- und Entschädigungsverfahren widersprüchlich sei. Ungereimt sei auch, dass C ... S ... nach eigenen Angaben eine Färberei betrieben habe, seine Ehefrau, die Zeugin S ..., aber nur eine "chemische Reinigung" erwähne, in der ausschließlich Reinigungs-, Bügel- und Ausbesserungsarbeiten durchgeführt worden seien.
Dagegen erhob die Klägerin am 30. März 1998 Widerspruch und legte einen handschriftlichen Lebenslauf vor, wonach sie ab Betriebseröffnung in "der chemischen Reinigung und Färberei" des C ... S ... "als Angestellte" gearbeitet habe.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit, dass sie den verspäteten Widerspruch als Überprüfungsantrag werte und forderte sie auf, zu ihren widersprüchlichen Angaben Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 18. Oktober 1998 teilte die Klägerin mit, sie habe nach der Befreiung zunächst nicht arbeiten können, weil sie zu schwach gewesen sei und unter Depressionen gelitten habe. Um ihre seelische Erkrankung zu bewältigen, habe ihr ein Arzt empfohlen, eine Berufstätigkeit aufzunehmen. Daraufhin sei sie von ihrer Tante an die Fa. S ... vermittelt worden.
Mit Bescheid vom 18. Januar 1999 lehnte es die Beklagte ab, den Bescheid vom 2. Januar 1998 zurückzunehmen, weil die geltend gemachten Fremdbeitragszeiten nicht glaubhaft gemacht seien. Den Widerspruch vom 08. Februar 1999 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 1999 zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 13. September 1999 vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage erhoben und vorgetragen, wenigstens die Beitragszeiten von Januar 1946 bis September 1947 seien glaubhaft gemacht. Die Widersprüche zum Beschäftigungsbeginn und zum Geschäftsgegenstand der Fa. S ... seien nicht schwerwiegend, weil Zeugen gerade im Hinblick auf Zeiträume häufig Fehler unterliefen und Färbearbeiten in einer chemischen Reinigung keinesfalls unüblich seien.
Mit Urteil vom 6. Dezember 2000 hat das SG die Klage abgewiesen: Es sei nicht glaubhaft, dass die Klägerin bei der Fa. S ... sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Im Entschädigungsverfahren habe sie noch angegeben, gesundheitlich zu keiner Berufstätigkeit in der Lage gewesen zu sein, was in Anbetracht ihres Verfolgungsschicksals nahe liege. Hinzu komme, dass sie ihre Tätigkeit bei der Fa. S ... zunächst nur mit "Büroarbeiten" umschrieben und erst später auf handwerkliche Bereiche ausgeweitet habe. Da die Fa. S ... erst im Januar 1946 eröffnet worden sei, könne die Klägerin dort nicht ab Frühjahr 1945 gearbeitet haben. Es sei auch merkwürdig, dass die Zeugin S ... als Witwe des Betriebsinhabers C ... S ... das Färberhandwerk nicht erwähne und lediglich von Reinigungs- und Näharbeiten spreche.
Nach Zustellung am 25. Januar 2001 hat die Klägerin gegen dieses Urteil am 5. Februar 2001 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren ausdrücklich auf die Nachkriegsbeitragszeit vom 01. Januar 1946 bis Ende September 1947 beschränkt. Zur Begründung führt sie aus, die vom SG aufgezeigten Widersprüche lägen zwar vor, dürften aber nicht überbewertet werden. Dass sie und die Zeugin S ... die Eröffnung der chemischen Reinigung und den Beschäftigungsbeginn fälschlicherweise in das Jahr 1945 verlegt hätten, sei angesichts ihres hohen Lebensalters und des lange zurückliegenden Zeitraums entschuldbar. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Betriebsinhaber C ... S ... vor der Eröffnung seiner chemischen Reinigung bereits im Jahre 1945 gewisse Vorbereitungen habe treffen müssen. Dass sie und die Zeugin hier nicht genau zwischen der Gründungsphase und der Eröffnung des Betriebes differenziert hätten, müsse ihnen nachgesehen werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 6. Dezember 2000 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Januar 1999 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 15. Juni 1999 unter Zurücknahme des Bescheides vom 02. Januar 1998 zu verpflichten, sie zur Nachentrichtung von Beiträgen nach der Nr. 11 des Schlussprotokolls zum deutsch-israelischen Sozialversicherungsabkommen unter Anerkennung der geltend gemachten Fremdbeitragszeiten von Januar 1946 bis September 1947 zuzulassen und ihr Altersruhegeld nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend, hat sich jedoch (vorbehaltlos) bereit erklärt, die Zeit vom 01. August 1941 bis zum 18. März 1944 als Ersatzzeit wegen Freiheitsentziehung anzuerkennen. Sofern die Fremdbeitragszeit von Januar 1946 bis September 1947 berücksichtigt werde, könne auch die Zeit vom 19. März 1944 bis September 1944 "als Anschlussersatzzeit wegen verfolgungsbedingter Arbeitsunfähigkeit anerkannt werden".
Der Senat hat die Rentnerin M ... S ... aus K ... in Israel im Wege der Rechtshilfe durch das Amtsgericht H ... als Zeugin vernehmen lassen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Übersetzung der Sitzungsniederschrift vom 5. Februar 2003 (Bl. 121 bis 121 der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte (Versicherungsnummer: 13 10.08.21 K 684) verwiesen. Beide Akten sowie die Entschädigungsakte der Klägerin vom Amt für Wiedergutmachung (Az.: 808759) in S ... waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), weil sie rechtmäßig sind. Denn sie hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Regelaltersrente gem. § 35 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI), weil sie die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren nicht erfüllt. Auf die Wartezeit werden nur Kalendermonate mit Beitrags- und Ersatzzeiten angerechnet (§ 51 Abs. 1 und 4 SGB VI).
Die Zeit, die die Versicherte von Januar 1946 bis September 1947 in Rumänien zurückgelegt hat, ist keine (fiktive) Pflichtbeitragszeit (§ 55 Satz 2 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung, a.F.), für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Als "besondere Vorschriften" kommen insofern lediglich die §§ 15, 16 des Fremdrentengesetzes (FRG) in Betracht. Die Voraussetzungen dieser Bestimmungen sind aber nicht glaubhaft gemacht (§ 4 Abs. 1 Satz 1 FRG), weil ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen nicht überwiegend wahrscheinlich ist (§ 4 Abs. 1 Satz 2 FRG).
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG stehen Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich. Die Klägerin hat jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass sie Beiträge an einen nichtdeutschen (d.h. rumänischen) Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 15 Abs. 2 Satz 1 FRG) entrichtet hat. Angaben, an welche Versicherungsanstalt welche Beträge in welcher Höhe abgeführt worden sein sollen, kann sie selbst nicht machen. Die Aussage der Zeugin S ... ist unergiebig, weil sie nicht einmal bekunden konnte, ob es im streitigen Zeitraum überhaupt "irgendeine Rentenversicherung gab".
Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 FRG steht eine nach vollendetem 17. Lebensjahr in Rumänien verrichtete Beschäftigung, soweit sie nicht in Gebieten zurückgelegt wurde, in denen zu dieser Zeit die Sozialversicherung nach den Vorschriften der Reichsversicherungsgesetze durchgeführt wurde, einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland, für die Beiträge entrichtet sind, gleich, wenn sie nicht mit einer Beitragszeit zusammenfällt.
Eine Beschäftigung ist rentenversicherungspflichtig, wenn die Tätigkeit nach dem am 1. März 1957 (Stichtag) geltenden Bundesrecht Versicherungspflicht in den gesetzlichen Rentenversicherungen begründet hätte, wenn sie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet verrichtet worden wäre (§ 16 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz FRG). Am Stichtag waren gem. § 1227 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der Fassung vom 1. März 1957 (a.F.) alle Personen in der Arbeiterrentenversicherung versichert, die als Arbeitnehmer gegen Entgelt "beschäftigt" waren, d.h. nichtselbständige Arbeit verrichteten (§ 7 Abs. 1 SGB IV). Arbeit ist die planmäßige Tätigkeit eines Menschen, die auf ein wirtschaftliches Ziel gerichtet ist (vgl. Seewald in: Kasseler Komm., Stand: Mai 2002, Rn. 10 zu § 7 SGB IV). Nichtselbständig ist der Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber einseitig bestimmen darf, wann, wie und wo welche Arbeit verrichtet wird. Das Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnis kommt typischerweise durch eine freie Vereinbarung zwischen den Beteiligten zustande. Es handelt sich um eine Gegenseitigkeitsbeziehung, bei der Arbeit für Lohn ausgetauscht wird.
Die Klägerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie bei der Fa. S ... abhängig beschäftigt war.
Denn in den Entschädigungsakten finden sich trotz entsprechender Vordrucke und konkreter Fragen keine Angaben zu einer beruflichen Tätigkeit. Mehrfach hat die Klägerin betont, keine Berufsausbildung zu haben und von 1938 bis 1941 nur Haustochter beim Vater gewesen zu sein. In weiteren Fragebögen, wo ausdrücklich nach (allen) Berufstätigkeiten gefragt worden ist, finden sich ebenfalls keine Angaben. In verschiedenen Schilderungen der Zeit nach der Befreiung aus dem Konzentrationslager, die ebenfalls immer durch entsprechende Zeugenaussagen belegt sind, sowie in den ärztlichen Gutachten, die anlässlich des Antrags nach dem BEG erstattet worden sind, findet sich immer wieder die Aussage, sie habe nach der Befreiung durchgehend bis zur Auswanderung nach Israel nicht arbeiten können. Auch danach sei sie nicht arbeitsfähig gewesen, und selbst dann noch nicht, als sie meinte, durch die Gründung einer Familie ihre Lebensumstände zu ändern. Die Ärzte, die die Klägerin untersucht haben, sahen dies vor dem Hintergrund ihres Leidenszustandes als durchaus glaubhaft an. Deshalb erhält sie eine Entschädigung nach einer MdE von 30 v.H. wegen chronischer Depressionen nach dem BEG.
Erstmals im Rentenverfahren, das spät erst im März 1997 eingeleitet wurde, fanden sich Angaben zu einer vermeintlichen Ausbildung zur Schneiderin, Angaben zu Schneiderreparaturarbeiten ab Frühjahr 1944 und sodann die Behauptung, von Frühjahr 1945 bis Herbst 1947 - und diese Zahl hatte die Klägerin selbst mit einem Fragezeichen versehen - in einer chemischen Reinigung gearbeitet zu haben. Demgegenüber hat ihr vermeintlicher Arbeitgeber C ... S ... in seinem eigenen Entschädigungsverfahren an Eides statt versichert, erst ab Januar 1946 bis Sommer 1947 in S ... selbständiger Inhaber einer Färberei gewesen zu sein. Von 1945 bis 1946 sei er "arbeitslos" bzw. "nicht im Arbeitsfeld" gewesen.
In den BEG-Akten von M ... S ... finden sich keine Angaben zum Geschäft des Ehemannes. Sie betont lediglich, dass sie nach der Befreiung aus dem KZ in der Stadt S ... "als Deutschsprachige fast völlig isoliert" geblieben sei. In ihrer Erklärung vom 4. Dezember 1996 führt sie aus, dass die Klägerin von Frühjahr 1945 bis Herbst 1947 in der chemischen Reinigung ihres Ehemannes in S ... als Angestellte gearbeitet habe. In ihrer Vernehmung vor dem Amtsgericht in H ... hat sie diese Angaben bekräftigt und den Vortrag der Klägerin im Rentenverfahren bestätigt. Allerdings konnte sie die Widersprüchlichkeiten zwischen den früheren, wesentlich zeitnäheren Angaben der Klägerin im Entschädigungsverfahren und ihrem Vorbringen im Rentenverfahren nicht auflösen. Damit bleibt es bei den vom Sozialgericht aufgezeigten Widersprüchen, was die erste Schilderung der beruflichen Tätigkeiten angeht (Büroarbeiten), die dann im Laufe des Verfahrens immer weiter ausgeweitet worden sind.
Entscheidend gegen eine (versicherungs- und beitragspflichtige) Beschäftigung der Klägerin spricht jedoch, dass sie auf Grund ihres nachvollziehbar schlechten Gesundheitszustandes, den die medizinischen Gutachter noch Jahre später für nachvollziehbar und glaubhaft hielten, unmittelbar nach dem Krieg außerstande war, überhaupt einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Die Klägerin selbst hat im Entschädigungsverfahren noch dargelegt, dass sie auch später in Israel, also Jahre nach den grauenvollen Ereignissen, nicht in der Lage gewesen sei, eine berufliche Tätigkeit auszuüben. Wie dies dann andererseits unmittelbar nach der Befreiung aus dem Konzentrationslager oder bestenfalls 18 Monate nach der Befreiung möglich gewesen sein soll, lässt sich heute nicht mehr auflösen. Hier ist der Klägerin entscheidend entgegenzuhalten, dass sie im Entschädigungsverfahren jedwede berufliche Tätigkeit in ihrem Leben ausdrücklich mehrfach und unter Zeugenbeweis verneint hat.
Da somit weder Beitrags- noch Beschäftigungszeiten nach dem FRG zu berücksichtigen sind, hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Nachentrichtung freiwilliger Beiträge zur deutschen Rentenversicherung nach Nummer 11a) Satz 1 des Schlussprotokolls zum Abkommen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit (in der Fassung vom 12. Februar 1995, in Kraft getreten am 01. Juni 1996).
Die in Betracht kommenden und (teilweise bereits) anerkannten Ersatzzeiten reichen nicht aus, um die Wartezeit von 5 Jahren zu erfüllen. Deshalb kann offen bleiben, ob die Klägerin nach § 250 Abs. 1 Satz 1 SGB VI überhaupt Ersatzzeiten erwerben konnte, obwohl sie weder einen freiwilligen noch einen (fiktiven) Pflichtbeitrag gezahlt hat und deshalb nicht als "Versicherte" anzusehen ist (Försterling, GK-SGB VI, § 250 Rn. 22; Niesel in: Kasseler Kommentar, Stand: Mai 2002, § 250 Rn. 10; Maier/Tabert, Berliner Kommentar, § 250 Rn. 16f.). Denn allein durch Ersatzzeiten lässt sich weder ein Versicherungsverhältnis noch die Versicherteneigenschaft begründen (vgl. BSG, Urteil vom 20. Juni 1962, Az.: 1 RA 76/60, SozR Nr. 4 zu § 1251 RVO; Klattenhoff in: Hauck/Haines, SGB VI, § 250 Rn. 1 in Fußnote 1; Niesel, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
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