Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 39 (12) RJ 181/96
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 RJ 23/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.12.1999 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Aufhebung eines Bescheides, mit dem die Beklagte einen Erstattungsanspruch gegen einen Witwenrentenanspruch der Klägerin in voller Höhe aufrechnet.
Die Klägerin ist spanische Staatsangehörige. Sie ist die Witwe des am ...1934 geborenen und am ...1991 bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückten Versicherten F ... C ... R ... Der Versicherte arbeitete von 1962 - 1970 in der Bundesrepublik Deutschland und erwarb Beitragszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung.
Aus Anlaß des Todes des Versicherten zahlte der spanische Haftpflichtversicherer M ... der Klägerin und einer Waise eine pauschale Haftpflichtentschädigung i.H.v. 13.225000,- Ptas, umgerechnet 185.400,- DM. Dieser Zahlung lagen Vereinbarungen der Klägerin mit der Haftpflichtversicherung zugrunde. In einer Erklärung vom 26.07.1991 bestätigte die Klägerin im eigenen Namen sowie in Vertretung ihrer am ...1976 geborenen Tochter E ... C ... T ..., als Gesamtentschädigung für sämtliche Schäden und Nach teile aufgrund des Todes ihres Ehemannes 12.125000,- Ptas erhalten zu haben. Diese Entschädigung beinhalte auch den Ausgleich für den materiellen Schaden am Fahrzeug. Die Klägerin bestätigte ferner, dass mit dem Erhalt der Entschädigung sämtliche Ansprüche von ihr und ihrer Tochter ausgeglichen seien. Sie verzichtete auf weitere Ansprüche gegen die Versicherungsgesellschaft M ... und gegen den Schädiger und "enthob" diese von "von jeglicher weiterer Zahlungsverpflichtung als Folge des Unfalls". Die Klägerin verpflichtete sich für den Fall, dass es zu Forderungen Dritter als Folge des Todes des Versicherten komme, diesen den entsprechenden Anteil auszuzahlen, ohne dass die Versicherungsgesellschaft oder der Schädiger weitere Beträge zahlen müssten.
Am 28.02.1992 akzeptierte die Klägerin ergänzend einen Betrag von 1100000 Ptas als Ausgleich für die erlittenen Sach- und Personenschäden. Auch insoweit verzichtete sie ausdrücklich auf die Geltendmachung weiterer Ansprüche.
Die Klägerin bezieht eine Witwenrente vom spanischen Sozialversicherungsträger.
Mit bindendem Bescheid vom 17.08.1993 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin ab 31.05.1991 einen Anspruch auf Witwenrente aus der Versicherung ihres Ehemannes hat. Der monatliche Zahlbetrag ab 01.08.1993 wurde auf 264,11 DM festgesetzt. Die Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass Ansprüche auf Auszahlung der festgestellten Leistungen durch diesen Bescheid nicht begründet würden.
Mit Bescheid vom 17.06.1994 rechnete die Beklagte nach Anhörung der Klägerin vom Rentenbeginn bis zum 31.05.2008 gegen den Witwenrentenanspruch mit einem Betrag von monatlich 380,-- DM auf. Die Beklagte stützte ihre Entscheidung auf §§ 51 SGB I, 116 SGB X und Art. 93 EWG-Verordnung 1408/71. Durch die Entgegennahme der Haftpflichtversicherungssumme habe die Klägerin über Beträge verfügt, die gem. § 116 Abs. 1 SGB X teilweise der Beklagten zugestanden hätten. Die außergerichtliche Vereinbarung mit der Haftpflichtversicherung lasse keine Rückschlüsse zu, wie sich die Ent schädigungssumme zusammensetze und wie die Aufteilung zwischen der Klägerin und der Tochter zu erfolgen habe. Diese müsse daher im Wege der Schätzung erfolgen. Dabei erscheine es gerechtfertigt, der Klägerin 100.000,-- DM zuzuordnen. Diese Summe sei zu gleichen Teilen in einen Ausgleich für den materiellen und für den immateriellen Schaden aufzuteilen. Damit seien 50.000,-- DM dem Ausgleich eines Unterhaltsschadens zuzuordnen. Auch die Witwenrente habe Unterhaltsersatzfunktion, weshalb die Beklagte gem. § 116 Abs. 7 SGB X einen entsprechenden Erstattungsanspruch habe. Die Beklagte berechnete, dass mit 50.000,-- DM ein Unterhaltsanspruch i.H.v. 380,-- DM bis zum Ende der statistischen Lebenserwartung des Versicherten am 31.08.2008 kapitalisiert worden sei.
Die Pfändungsfreigrenzen des § 51 Abs. 1, 54 SGB I seien nicht anzuwenden, weil die Klägerin außerhalb des Geltungsbereiches des SGB wohne und die Grenzbeträge nach inländischen Lebensverhältnissen ausgerichtet seien. Weil der Klägerin mit der gezahlten Schadensersatzsumme und der spanischen Witwenrente ausreichende Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes zur Verfügung stünden, sei die Aufrechnung im Rahmen der Ermessensausübung gerechtfertigt.
Im Widerspruchsverfahren legte die Klägerin eine Bescheinigung des Haftpflichtversicherungsträgers M ... vor, wonach für den Tod des Ehemannes 12.000000,-- Ptas gezahlt worden seien, davon lediglich 4.000000 zugunsten der Klägerin und 8.000000 zugunsten der Tochter. Die restlichen Zahlungen seien für Verletzungen der Klägerin und der Tochter sowie für Sachschäden aufgewandt worden.
Die Klägerin meinte zudem, der Schadensersatz werde hauptsächlich als Schmerzensgeld und nicht wegen entgangener Unterhaltsansprüche gewährt.
Mit Bescheid vom 29.08.1996 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus, die nachträglich erstellte Bescheinigung des Haftpflichtversicherers finde in den Abfindungserklärungen keine Stütze. Es sei nicht schlüssig, dass die zum Zeitpunkt des Unfalls bereits 15-jährige Waise einen doppelt so hohen Unterhalts- und Schmerzensgeldanspruch gehabt haben solle wie die Klägerin. Zudem sehe das spanische Recht in Todesfällen Entschädigungsleistungen sowohl für den immateriellen als auch für den materiellen Schaden vor.
Im Klageverfahren hat die Klägerin ergänzend gemeint, die Aufrechnung scheitere schon daran, dass die Beklagte ihren Gegenanspruch nicht bestandskräftig festgestellt habe, und die Zivilgerichte für die Feststellung einer Forderung nach § 116 SGB X zuständig seien.
Die Beklagte hat ergänzend auf den Beitrag von B., VersR 1988, 120 f. sowie ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. S. vom 19.10.1985 hingewiesen. Daraus ergebe sich, dass Schadensersatzansprüche für Hinterbliebene auch in Spanien im wesentlichen dem Ersatz entgangenen Unterhalts dienten. Schließlich sei die gezahlte Abfindung mit der Witwenrente auch zeitlich kongruent, weil beide Leistungen den Einkommensausfall der Hinterbliebenen für den gesamten Zeitraum abdecken sollten.
Mit Urteil vom 20.12.1999 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe, die im wesentlichen der Argumentation der Beklagten entsprechen, wird Bezug genommen.
Gegen diese am 10.02.2000 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 14.02.2000 erhobene Berufung.
Die Klägerin wiederholt ihr bisheriges Vorbringen und beantragt schriftsätzlich, das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.12.1999 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.06.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.1996 zu verurteilen, ihr die volle Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihr Vorbringen im Verfahren erster Instanz und hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat die genannten Abfindungserklärungen beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Befugnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergibt sich aus § 124 Abs. 2 SGG.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der angefochtene Bescheid nicht rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG ist. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Auszahlung der mit Bescheid vom 17.08.1993 bewilligten Witwenrente. Dieser ist durch Aufrechnung in dem von der Beklagten angenommenen Umfang erloschen.
Die Befugnis der Beklagten zur Aufrechnung ergibt sich aus § 51 Abs. 1 SGB I. Hiernach kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen. Ansprüche gegen den Berechtigten sind alle nur möglichen Ansprüche des Versicherungsträgers. Die Beklagte hat gegen die Klägerin einen Erstattungsanspruch nach § 116 Abs. 7 SGB X, mit dem sie zu Recht aufrechnet. Entgegen der Meinung der Klägerin ist nicht erforderlich, dass es sich um durch Bescheid bestandskräftig festgestellte Ansprüche handelt (Eicher/Haase/Rauschenbach Anm. 3 zu § 51 SGB I).
Bei der von der Beklagten geltend gemachten Forderung nach § 116 Abs. 7 SGB X handelt es sich auch nicht um einen zivilrechtlichen, sondern um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch (hierzu Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht - Kater - Rdnr. 261/262 zu § 116 SGB X), weshalb die Vorschrift des § 114 Abs. 2 SGG einer sozialgerichtlichen Entscheidung über den Gegenanspruch der Beklagten nicht entgegensteht.
Der Entschädigungsanspruch der Klägerin gegen den spanischen Haftpflichtversicherer M ... ist ein übergegangener Anspruch im Sinne des § 116 Abs. 1 SGB X. Hiernach geht nämlich ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Schadensersatz auf den Versicherungsträger über, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Zunächst steht der Eintritt des Schadensereignisses in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union gem. Art. 93 Abs. 1a EWG-Verordnung 1408/71 dem Anspruchsübergang nicht entgegen. Die von § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X geforderte Kongruenz zwischen Sozialleistungen und Schaden liegt vor, da sich die der Klägerin zustehende Witwenrente aus der deutschen Rentenversicherung sachlich und zeitlich mit den betreffenden Ersatzansprüchen gegen den spanischen Haftpflichtversicherer deckt, d.h. den gleichen Zweck verfolgt und den gleichen Entschädigungszeitraum betrifft.
Der Unterhaltsschaden der Klägerin ist nämlich mit ihrem Anspruch auf Hinterbliebenenrente sachlich kongruent, nicht hingegen ein Schmerzensgeldanspruch (Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, Anm. 7 zu § 116 SGB X). Auch insoweit hat die Beklagte mit der von ihr vorgenommenen Aufteilung zwischen Ersatz materieller und immaterieller Schäden der Klägerin nicht gegen geltendes Recht verstoßen.
Gem. §§ 202 SGG, 287 Abs. 2 ZPO ist insoweit unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung des Gerichts zu schätzen, welche Entschädigungssumme auf die Klägerin entfällt und welcher Unterhaltsschaden damit ersetzt werden sollte (zur Anwendung von § 287 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren vgl. Meyer-Ladewig, SGG, Rdnr. 3 zu § 128; zur Abgrenzung von Vermögensschaden und Schmerzensgeld durch Schätzung vgl. BGH, VersR 1970, 1053 f.). Die Erklärung der Klägerin vom 26.07.1991 enthält keine Anhaltspunkte für die Aufteilung der Entschädigungssumme. Ihr Wortlaut ist offen, weil von "sämtlichen Schäden und Nachteilen aufgrund des Todes" des Versicherten die Rede ist. Die Bescheinigung des Haftpflichversicherungsträgers M ..., wonach für die Klägerin ledig lich 4.000000 Ptas Schadensersatz vorgesehen waren, ist nicht überzeugend. Mit der Beklagten und dem Sozialgericht hält auch der Senat es nicht für nachvollziehbar, weshalb die zum Zeitpunkt des Unfalls bereits 15-jährige Waise einen doppelt so hohen Unterhalts- und Schmerzensgeldanspruch wie ihre nicht erwerbstätige Mutter gehabt haben soll. Dies gilt insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten keine eigenen Erwerbseinkünfte hatte und somit erheblich mehr auf eine Unterhaltssicherung für die Zukunft angewiesen war als ihre Tochter, die in absehbarer Zeit über eigenes Erwerbseinkommen - im Gegensatz zur Klägerin - verfügen wird.
Die Darlegung der Klägerin, die Entschädigungssumme diene in erster Linie dem Ausgleich des immateriellen Schadens, ist nach Auffassung des Senats nicht haltbar.
Der Verlust eines Unterhaltsanspruchs wird in der Regel auch von spanischen Pauschalvereinbarungen über Entschädigungen wegen Todes umfasst. Dies ergibt sich überzeugend aus dem von der Beklagten erwähnten Aufsatz des spanischen Rechtsanwalts B. (a.a.O.). Der Autor benennt Urteile des spanischen OGH, in denen in Todesfällen eine Ersatzpflicht nicht nur für den immateriellen Schaden sondern in erster Linie auch für entgangenen Unterhalt gewährt wurde. Das von der Klägerin vorgelegte Gutachten der Prof. M ... und N ... ändert daren im Ergebnis nichts. Denn auch in diesem Gutachten wird ausgeführt, dass der spanische Schadensersatz nicht nur den "moralischen Schaden" sondern auch entgangenen Unterhalt umfasse. Wenn trotzdem behauptet wird, der wesentliche Zweck der Schadensersatzleistung sei der Ersatz des den Hinterbliebenen entstandenen moralischen Schadens ("pecunia doloris"), ist dies nicht schlüssig. Im Gutachten selbst wird beschrieben, dass nach der spanischen Rechtsprechung die Höhe der Entschädigung unter Berücksichtigung sowohl der materiellen als auch der immateriellen Schäden unter Würdigung der Umstände des Einzelfalles zu bemessen sei. Würde man dem Gutachten folgen und annehmen, dass die Haftpflichtentschädigung hauptsächlich einen immateriellen Schaden ersetze, so würde dies bei einem - wie hier - nachgewiesenen materiellen Schaden bedeuten, dass dieser nicht ersetzt würde. Dass das spanische Recht einen Ausschluss für den Ersatz materielle Schäden vorsieht, wird demgegenüber - wie dargelegt - in dem Gutachten selbst nicht behauptet. Überhaupt ist das Gutachten - und dies ist der entscheidende Gesichtspunkt - zwar umfangreich, an den entscheidenden Stellen für eine Bestätigung der Argumentation der Klägerin unergiebig und schon gar nicht überzeugend. Längeren grundsätzlichen Darlegungen folgen für die entscheidenden Fragen (Abgrenzung materieller/immaterieller Schadensersatz) nicht nach vollziehbare Subsumtionen, die nur im Ergebnis, nicht hingegen in der Argumentation die Auffassung der Klägerin stützen. Bei der Würdigung aller Aspekte vermag sich der Senat dem Eindruck nicht zu entziehen, dass hier dem Gericht ein Gefälligkeitsgutachten minderer Qualität unterbreitet worden ist, dem keinerlei Beweiswert zukommt.
Die Beklagte hat den von der Entschädigungssumme abgedeckten Unterhaltsschaden mit 50.000,-- DM maßvoll bemessen. Hinzu kommt, dass die monatliche Witwenrente niedriger ist als der von der Beklagten angenommene monatliche Unterhaltsschaden, so dass letztlich ein noch niedrigerer kapitalisierter Erstattungsbetrag einbehalten wird.
Auch die zeitliche Kongruenz zwischen der Sozialleistung und dem zu ersetzenden Schaden ist zu bejahen. Wie oben festgestellt, ersetzt der von der Beklagten der Aufrechnung zugrundegelegte Betrag i.H.v. 50.000,-- DM entgangene Unterhalt i.H.v. 380,-- DM monatlich bis zum Ende der statistischen Lebenserwartung des Versicherten. Der Regreßanspruch der Beklagten ist damit auch auf den Haftungszeitraum des Schädigers begrenzt (hierzu Eicher/Haase/Rauschenbach, a.a.0. Anm. 9 zu § 116). Unerheblich ist, dass die Klägerin den Schadensersatzanspruch als Abfindung in einer Summe erhalten hat. Die Abfindung des Schadensersatzanspruches ändert nichts an seiner Zweckbestimmung, dem Ersatz eines in der Zukunft liegenden Unterhaltsschadens. Zudem würde eine andere Auslegung es den Vertragsparteien ermöglichen, den Anspruchsübergang zugunsten des Sozialleistungsträgers zu umgehen. Auch um solche Umgehungsgeschäfte zu vermeiden, ist eine Anwendung von § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X auf Abfindungsvergleiche zu bejahen.
Die Frage, ob der spanische Haftpflichtversicherer - wofür nach Auffassung des Senats viel spricht - bei Zahlung der Abfindungssumme an die Klägerin vom Anspruchsübergang gewußt hat, ist letztlich unerheblich. Denn einerseits würde die Klägerin auch haften, wenn die Zahlung an sie der Beklagten gegenüber nicht gem. §§ 412, 407 Abs 1 BGB wirksam wäre, weil § 116 Abs. 7 S. 2 SGB X für diesen Fall eine gesamtschuldnerische Haftung des zum Schadensersatz Verpflichteten und des Geschädigten vorsieht (hierzu Nehls in Hauck/Haines K § 116 Rdnr. 53). Außerdem kann der neue Gläubiger in diesem Fall die Zahlung an den alten Gläubiger genehmigen, so dass der Schuldner insoweit frei wird. Diese Genehmigung kann auch konkludent erfolgen und bei einem nach § 116 Abs 1 SGB X übergegangenen Schadensersatzanspruch in der Inanspruchnahme des Geschädigten liegen (zur Genehmigung einer rechtsgrundlosen Zahlung an einen Leistungsempfänger vergl. BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 3, 6, 7, 11; zur Genehmigung durch Inanspruchnahme des Empfängers im Anwendungsbereich des insoweit parallelen § 816 Abs. 2 BGB vergl. BGH NJW 1972, 1197 f).
Der von der Beklagten erklärten Aufrechnung in voller Höhe stehen die gem. § 51 Abs. 1 SGB I grundsätzlich auch für die Aufrechnung geltenden Pfändungsfreigrenzen des § 54 Abs. 4 SGB I nicht entgegen. Zwar gelten die Aufrechnungs- und Pfändungsfreigrenzen bei einer Aufrechnung mit einer nach deutschem Recht begründeten Forderung gegen eine nach deutschem Recht begründeten Forderung auch dann, wenn der Aufrechnungsgegner ausländischer Staatsangehöriger ist und er im Ausland wohnt (BSG, Urteil vom 12.04.1995 - 5 RJ 12/94 -). Dennoch sind die Pfändungsfreigrenzen aufgrund einer teleologischen Reduktion ihres Anwendungsbereiches bei der Aufrechnung vorliegend nicht anzuwenden: Für den Bereich der Rentenversicherung war die Aufrechnung vor Inkrafttreten des SGB I am 01.01.1976 auf bestimmte, genau festgelegte Ansprüche begrenzt. Andererseits konnte der Rentenversicherungsträger die Höhe des Aufrechnungsbetrages ohne Rücksicht auf den persönlich notwendigen Unterhaltsbedarf festsetzen, so dass der Rentenversicherungsträger seine eigenen Ansprüche gegen den Berechtigten auf Kosten eines anderen Sozialleistungsträgers befriedigte. Dies war sozialpolitisch bedenklich. In Anlehnung an § 394 BGB bestimmt das SGB I daher, dass zwar grundsätzlich der Leistungsträger allgemein mit allen Ansprüchen gegen alle Ansprüche aufrechnen kann, dies jedoch nur insoweit, als die Ansprüche pfändbar sind. Auch die Regelung des § 394 BGB dient nicht nur den Interessen des Schuldners, sondern auch dem allgemeinen Wohl, jedermann die materiellen Grundlagen des Daseins zu sichern (Münchener Kommentar zum BGB - von Feldmann - Anm. 1 zu § 394). Wesentlicher Zweck der Pfändungsfreigrenzen im Rahmen der Aufrechnung ist es damit, zur Vermeidung von Hilfebedürftigkeit dem Schuldner einen Mindestbetrag zur Bestreitung des Lebensunterhaltes zu belassen. Mit dem Sozialgericht und dem Urteil des LSG NRW vom 17.11.1995 - L 8 J 26/95 - ist im vorliegenden Fall zu beachten, dass der Klägerin die Summe, mit der die Beklagte aufrechnet, als Unterhaltsanspruch bereits zugeflossen ist. Sie steht der Klägerin damit zur Sicherung des Lebensunterhaltes zur Verfügung. Der Zweck der Unterhaltssicherung wird damit durch die von der Beklagten vorgenommene Aufrechnung nicht vereitelt, die aus der Erstehungsgeschichte und dem Vergleich mit § 394 BGB abzuleitende ratio von § 51 SGB I ist erkennbar nicht berührt.
Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Die Beklagte hat die Ermessensausübung im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebracht und eine vertretbare Abwägungsentscheidung getroffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Bestimmung der Grenzen der Aufrechnung mit einem auf die Beklagte übergegangenen Unterhaltsanspruch gegen einen Anspruch auf Witwenrente hat der Senat die Revision zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Aufhebung eines Bescheides, mit dem die Beklagte einen Erstattungsanspruch gegen einen Witwenrentenanspruch der Klägerin in voller Höhe aufrechnet.
Die Klägerin ist spanische Staatsangehörige. Sie ist die Witwe des am ...1934 geborenen und am ...1991 bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückten Versicherten F ... C ... R ... Der Versicherte arbeitete von 1962 - 1970 in der Bundesrepublik Deutschland und erwarb Beitragszeiten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung.
Aus Anlaß des Todes des Versicherten zahlte der spanische Haftpflichtversicherer M ... der Klägerin und einer Waise eine pauschale Haftpflichtentschädigung i.H.v. 13.225000,- Ptas, umgerechnet 185.400,- DM. Dieser Zahlung lagen Vereinbarungen der Klägerin mit der Haftpflichtversicherung zugrunde. In einer Erklärung vom 26.07.1991 bestätigte die Klägerin im eigenen Namen sowie in Vertretung ihrer am ...1976 geborenen Tochter E ... C ... T ..., als Gesamtentschädigung für sämtliche Schäden und Nach teile aufgrund des Todes ihres Ehemannes 12.125000,- Ptas erhalten zu haben. Diese Entschädigung beinhalte auch den Ausgleich für den materiellen Schaden am Fahrzeug. Die Klägerin bestätigte ferner, dass mit dem Erhalt der Entschädigung sämtliche Ansprüche von ihr und ihrer Tochter ausgeglichen seien. Sie verzichtete auf weitere Ansprüche gegen die Versicherungsgesellschaft M ... und gegen den Schädiger und "enthob" diese von "von jeglicher weiterer Zahlungsverpflichtung als Folge des Unfalls". Die Klägerin verpflichtete sich für den Fall, dass es zu Forderungen Dritter als Folge des Todes des Versicherten komme, diesen den entsprechenden Anteil auszuzahlen, ohne dass die Versicherungsgesellschaft oder der Schädiger weitere Beträge zahlen müssten.
Am 28.02.1992 akzeptierte die Klägerin ergänzend einen Betrag von 1100000 Ptas als Ausgleich für die erlittenen Sach- und Personenschäden. Auch insoweit verzichtete sie ausdrücklich auf die Geltendmachung weiterer Ansprüche.
Die Klägerin bezieht eine Witwenrente vom spanischen Sozialversicherungsträger.
Mit bindendem Bescheid vom 17.08.1993 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin ab 31.05.1991 einen Anspruch auf Witwenrente aus der Versicherung ihres Ehemannes hat. Der monatliche Zahlbetrag ab 01.08.1993 wurde auf 264,11 DM festgesetzt. Die Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass Ansprüche auf Auszahlung der festgestellten Leistungen durch diesen Bescheid nicht begründet würden.
Mit Bescheid vom 17.06.1994 rechnete die Beklagte nach Anhörung der Klägerin vom Rentenbeginn bis zum 31.05.2008 gegen den Witwenrentenanspruch mit einem Betrag von monatlich 380,-- DM auf. Die Beklagte stützte ihre Entscheidung auf §§ 51 SGB I, 116 SGB X und Art. 93 EWG-Verordnung 1408/71. Durch die Entgegennahme der Haftpflichtversicherungssumme habe die Klägerin über Beträge verfügt, die gem. § 116 Abs. 1 SGB X teilweise der Beklagten zugestanden hätten. Die außergerichtliche Vereinbarung mit der Haftpflichtversicherung lasse keine Rückschlüsse zu, wie sich die Ent schädigungssumme zusammensetze und wie die Aufteilung zwischen der Klägerin und der Tochter zu erfolgen habe. Diese müsse daher im Wege der Schätzung erfolgen. Dabei erscheine es gerechtfertigt, der Klägerin 100.000,-- DM zuzuordnen. Diese Summe sei zu gleichen Teilen in einen Ausgleich für den materiellen und für den immateriellen Schaden aufzuteilen. Damit seien 50.000,-- DM dem Ausgleich eines Unterhaltsschadens zuzuordnen. Auch die Witwenrente habe Unterhaltsersatzfunktion, weshalb die Beklagte gem. § 116 Abs. 7 SGB X einen entsprechenden Erstattungsanspruch habe. Die Beklagte berechnete, dass mit 50.000,-- DM ein Unterhaltsanspruch i.H.v. 380,-- DM bis zum Ende der statistischen Lebenserwartung des Versicherten am 31.08.2008 kapitalisiert worden sei.
Die Pfändungsfreigrenzen des § 51 Abs. 1, 54 SGB I seien nicht anzuwenden, weil die Klägerin außerhalb des Geltungsbereiches des SGB wohne und die Grenzbeträge nach inländischen Lebensverhältnissen ausgerichtet seien. Weil der Klägerin mit der gezahlten Schadensersatzsumme und der spanischen Witwenrente ausreichende Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes zur Verfügung stünden, sei die Aufrechnung im Rahmen der Ermessensausübung gerechtfertigt.
Im Widerspruchsverfahren legte die Klägerin eine Bescheinigung des Haftpflichtversicherungsträgers M ... vor, wonach für den Tod des Ehemannes 12.000000,-- Ptas gezahlt worden seien, davon lediglich 4.000000 zugunsten der Klägerin und 8.000000 zugunsten der Tochter. Die restlichen Zahlungen seien für Verletzungen der Klägerin und der Tochter sowie für Sachschäden aufgewandt worden.
Die Klägerin meinte zudem, der Schadensersatz werde hauptsächlich als Schmerzensgeld und nicht wegen entgangener Unterhaltsansprüche gewährt.
Mit Bescheid vom 29.08.1996 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus, die nachträglich erstellte Bescheinigung des Haftpflichtversicherers finde in den Abfindungserklärungen keine Stütze. Es sei nicht schlüssig, dass die zum Zeitpunkt des Unfalls bereits 15-jährige Waise einen doppelt so hohen Unterhalts- und Schmerzensgeldanspruch gehabt haben solle wie die Klägerin. Zudem sehe das spanische Recht in Todesfällen Entschädigungsleistungen sowohl für den immateriellen als auch für den materiellen Schaden vor.
Im Klageverfahren hat die Klägerin ergänzend gemeint, die Aufrechnung scheitere schon daran, dass die Beklagte ihren Gegenanspruch nicht bestandskräftig festgestellt habe, und die Zivilgerichte für die Feststellung einer Forderung nach § 116 SGB X zuständig seien.
Die Beklagte hat ergänzend auf den Beitrag von B., VersR 1988, 120 f. sowie ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. S. vom 19.10.1985 hingewiesen. Daraus ergebe sich, dass Schadensersatzansprüche für Hinterbliebene auch in Spanien im wesentlichen dem Ersatz entgangenen Unterhalts dienten. Schließlich sei die gezahlte Abfindung mit der Witwenrente auch zeitlich kongruent, weil beide Leistungen den Einkommensausfall der Hinterbliebenen für den gesamten Zeitraum abdecken sollten.
Mit Urteil vom 20.12.1999 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe, die im wesentlichen der Argumentation der Beklagten entsprechen, wird Bezug genommen.
Gegen diese am 10.02.2000 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 14.02.2000 erhobene Berufung.
Die Klägerin wiederholt ihr bisheriges Vorbringen und beantragt schriftsätzlich, das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.12.1999 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.06.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.08.1996 zu verurteilen, ihr die volle Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihr Vorbringen im Verfahren erster Instanz und hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat die genannten Abfindungserklärungen beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Befugnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergibt sich aus § 124 Abs. 2 SGG.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der angefochtene Bescheid nicht rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG ist. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Auszahlung der mit Bescheid vom 17.08.1993 bewilligten Witwenrente. Dieser ist durch Aufrechnung in dem von der Beklagten angenommenen Umfang erloschen.
Die Befugnis der Beklagten zur Aufrechnung ergibt sich aus § 51 Abs. 1 SGB I. Hiernach kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen. Ansprüche gegen den Berechtigten sind alle nur möglichen Ansprüche des Versicherungsträgers. Die Beklagte hat gegen die Klägerin einen Erstattungsanspruch nach § 116 Abs. 7 SGB X, mit dem sie zu Recht aufrechnet. Entgegen der Meinung der Klägerin ist nicht erforderlich, dass es sich um durch Bescheid bestandskräftig festgestellte Ansprüche handelt (Eicher/Haase/Rauschenbach Anm. 3 zu § 51 SGB I).
Bei der von der Beklagten geltend gemachten Forderung nach § 116 Abs. 7 SGB X handelt es sich auch nicht um einen zivilrechtlichen, sondern um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch (hierzu Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht - Kater - Rdnr. 261/262 zu § 116 SGB X), weshalb die Vorschrift des § 114 Abs. 2 SGG einer sozialgerichtlichen Entscheidung über den Gegenanspruch der Beklagten nicht entgegensteht.
Der Entschädigungsanspruch der Klägerin gegen den spanischen Haftpflichtversicherer M ... ist ein übergegangener Anspruch im Sinne des § 116 Abs. 1 SGB X. Hiernach geht nämlich ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Schadensersatz auf den Versicherungsträger über, soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Zunächst steht der Eintritt des Schadensereignisses in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union gem. Art. 93 Abs. 1a EWG-Verordnung 1408/71 dem Anspruchsübergang nicht entgegen. Die von § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X geforderte Kongruenz zwischen Sozialleistungen und Schaden liegt vor, da sich die der Klägerin zustehende Witwenrente aus der deutschen Rentenversicherung sachlich und zeitlich mit den betreffenden Ersatzansprüchen gegen den spanischen Haftpflichtversicherer deckt, d.h. den gleichen Zweck verfolgt und den gleichen Entschädigungszeitraum betrifft.
Der Unterhaltsschaden der Klägerin ist nämlich mit ihrem Anspruch auf Hinterbliebenenrente sachlich kongruent, nicht hingegen ein Schmerzensgeldanspruch (Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, Anm. 7 zu § 116 SGB X). Auch insoweit hat die Beklagte mit der von ihr vorgenommenen Aufteilung zwischen Ersatz materieller und immaterieller Schäden der Klägerin nicht gegen geltendes Recht verstoßen.
Gem. §§ 202 SGG, 287 Abs. 2 ZPO ist insoweit unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung des Gerichts zu schätzen, welche Entschädigungssumme auf die Klägerin entfällt und welcher Unterhaltsschaden damit ersetzt werden sollte (zur Anwendung von § 287 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren vgl. Meyer-Ladewig, SGG, Rdnr. 3 zu § 128; zur Abgrenzung von Vermögensschaden und Schmerzensgeld durch Schätzung vgl. BGH, VersR 1970, 1053 f.). Die Erklärung der Klägerin vom 26.07.1991 enthält keine Anhaltspunkte für die Aufteilung der Entschädigungssumme. Ihr Wortlaut ist offen, weil von "sämtlichen Schäden und Nachteilen aufgrund des Todes" des Versicherten die Rede ist. Die Bescheinigung des Haftpflichversicherungsträgers M ..., wonach für die Klägerin ledig lich 4.000000 Ptas Schadensersatz vorgesehen waren, ist nicht überzeugend. Mit der Beklagten und dem Sozialgericht hält auch der Senat es nicht für nachvollziehbar, weshalb die zum Zeitpunkt des Unfalls bereits 15-jährige Waise einen doppelt so hohen Unterhalts- und Schmerzensgeldanspruch wie ihre nicht erwerbstätige Mutter gehabt haben soll. Dies gilt insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten keine eigenen Erwerbseinkünfte hatte und somit erheblich mehr auf eine Unterhaltssicherung für die Zukunft angewiesen war als ihre Tochter, die in absehbarer Zeit über eigenes Erwerbseinkommen - im Gegensatz zur Klägerin - verfügen wird.
Die Darlegung der Klägerin, die Entschädigungssumme diene in erster Linie dem Ausgleich des immateriellen Schadens, ist nach Auffassung des Senats nicht haltbar.
Der Verlust eines Unterhaltsanspruchs wird in der Regel auch von spanischen Pauschalvereinbarungen über Entschädigungen wegen Todes umfasst. Dies ergibt sich überzeugend aus dem von der Beklagten erwähnten Aufsatz des spanischen Rechtsanwalts B. (a.a.O.). Der Autor benennt Urteile des spanischen OGH, in denen in Todesfällen eine Ersatzpflicht nicht nur für den immateriellen Schaden sondern in erster Linie auch für entgangenen Unterhalt gewährt wurde. Das von der Klägerin vorgelegte Gutachten der Prof. M ... und N ... ändert daren im Ergebnis nichts. Denn auch in diesem Gutachten wird ausgeführt, dass der spanische Schadensersatz nicht nur den "moralischen Schaden" sondern auch entgangenen Unterhalt umfasse. Wenn trotzdem behauptet wird, der wesentliche Zweck der Schadensersatzleistung sei der Ersatz des den Hinterbliebenen entstandenen moralischen Schadens ("pecunia doloris"), ist dies nicht schlüssig. Im Gutachten selbst wird beschrieben, dass nach der spanischen Rechtsprechung die Höhe der Entschädigung unter Berücksichtigung sowohl der materiellen als auch der immateriellen Schäden unter Würdigung der Umstände des Einzelfalles zu bemessen sei. Würde man dem Gutachten folgen und annehmen, dass die Haftpflichtentschädigung hauptsächlich einen immateriellen Schaden ersetze, so würde dies bei einem - wie hier - nachgewiesenen materiellen Schaden bedeuten, dass dieser nicht ersetzt würde. Dass das spanische Recht einen Ausschluss für den Ersatz materielle Schäden vorsieht, wird demgegenüber - wie dargelegt - in dem Gutachten selbst nicht behauptet. Überhaupt ist das Gutachten - und dies ist der entscheidende Gesichtspunkt - zwar umfangreich, an den entscheidenden Stellen für eine Bestätigung der Argumentation der Klägerin unergiebig und schon gar nicht überzeugend. Längeren grundsätzlichen Darlegungen folgen für die entscheidenden Fragen (Abgrenzung materieller/immaterieller Schadensersatz) nicht nach vollziehbare Subsumtionen, die nur im Ergebnis, nicht hingegen in der Argumentation die Auffassung der Klägerin stützen. Bei der Würdigung aller Aspekte vermag sich der Senat dem Eindruck nicht zu entziehen, dass hier dem Gericht ein Gefälligkeitsgutachten minderer Qualität unterbreitet worden ist, dem keinerlei Beweiswert zukommt.
Die Beklagte hat den von der Entschädigungssumme abgedeckten Unterhaltsschaden mit 50.000,-- DM maßvoll bemessen. Hinzu kommt, dass die monatliche Witwenrente niedriger ist als der von der Beklagten angenommene monatliche Unterhaltsschaden, so dass letztlich ein noch niedrigerer kapitalisierter Erstattungsbetrag einbehalten wird.
Auch die zeitliche Kongruenz zwischen der Sozialleistung und dem zu ersetzenden Schaden ist zu bejahen. Wie oben festgestellt, ersetzt der von der Beklagten der Aufrechnung zugrundegelegte Betrag i.H.v. 50.000,-- DM entgangene Unterhalt i.H.v. 380,-- DM monatlich bis zum Ende der statistischen Lebenserwartung des Versicherten. Der Regreßanspruch der Beklagten ist damit auch auf den Haftungszeitraum des Schädigers begrenzt (hierzu Eicher/Haase/Rauschenbach, a.a.0. Anm. 9 zu § 116). Unerheblich ist, dass die Klägerin den Schadensersatzanspruch als Abfindung in einer Summe erhalten hat. Die Abfindung des Schadensersatzanspruches ändert nichts an seiner Zweckbestimmung, dem Ersatz eines in der Zukunft liegenden Unterhaltsschadens. Zudem würde eine andere Auslegung es den Vertragsparteien ermöglichen, den Anspruchsübergang zugunsten des Sozialleistungsträgers zu umgehen. Auch um solche Umgehungsgeschäfte zu vermeiden, ist eine Anwendung von § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X auf Abfindungsvergleiche zu bejahen.
Die Frage, ob der spanische Haftpflichtversicherer - wofür nach Auffassung des Senats viel spricht - bei Zahlung der Abfindungssumme an die Klägerin vom Anspruchsübergang gewußt hat, ist letztlich unerheblich. Denn einerseits würde die Klägerin auch haften, wenn die Zahlung an sie der Beklagten gegenüber nicht gem. §§ 412, 407 Abs 1 BGB wirksam wäre, weil § 116 Abs. 7 S. 2 SGB X für diesen Fall eine gesamtschuldnerische Haftung des zum Schadensersatz Verpflichteten und des Geschädigten vorsieht (hierzu Nehls in Hauck/Haines K § 116 Rdnr. 53). Außerdem kann der neue Gläubiger in diesem Fall die Zahlung an den alten Gläubiger genehmigen, so dass der Schuldner insoweit frei wird. Diese Genehmigung kann auch konkludent erfolgen und bei einem nach § 116 Abs 1 SGB X übergegangenen Schadensersatzanspruch in der Inanspruchnahme des Geschädigten liegen (zur Genehmigung einer rechtsgrundlosen Zahlung an einen Leistungsempfänger vergl. BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 3, 6, 7, 11; zur Genehmigung durch Inanspruchnahme des Empfängers im Anwendungsbereich des insoweit parallelen § 816 Abs. 2 BGB vergl. BGH NJW 1972, 1197 f).
Der von der Beklagten erklärten Aufrechnung in voller Höhe stehen die gem. § 51 Abs. 1 SGB I grundsätzlich auch für die Aufrechnung geltenden Pfändungsfreigrenzen des § 54 Abs. 4 SGB I nicht entgegen. Zwar gelten die Aufrechnungs- und Pfändungsfreigrenzen bei einer Aufrechnung mit einer nach deutschem Recht begründeten Forderung gegen eine nach deutschem Recht begründeten Forderung auch dann, wenn der Aufrechnungsgegner ausländischer Staatsangehöriger ist und er im Ausland wohnt (BSG, Urteil vom 12.04.1995 - 5 RJ 12/94 -). Dennoch sind die Pfändungsfreigrenzen aufgrund einer teleologischen Reduktion ihres Anwendungsbereiches bei der Aufrechnung vorliegend nicht anzuwenden: Für den Bereich der Rentenversicherung war die Aufrechnung vor Inkrafttreten des SGB I am 01.01.1976 auf bestimmte, genau festgelegte Ansprüche begrenzt. Andererseits konnte der Rentenversicherungsträger die Höhe des Aufrechnungsbetrages ohne Rücksicht auf den persönlich notwendigen Unterhaltsbedarf festsetzen, so dass der Rentenversicherungsträger seine eigenen Ansprüche gegen den Berechtigten auf Kosten eines anderen Sozialleistungsträgers befriedigte. Dies war sozialpolitisch bedenklich. In Anlehnung an § 394 BGB bestimmt das SGB I daher, dass zwar grundsätzlich der Leistungsträger allgemein mit allen Ansprüchen gegen alle Ansprüche aufrechnen kann, dies jedoch nur insoweit, als die Ansprüche pfändbar sind. Auch die Regelung des § 394 BGB dient nicht nur den Interessen des Schuldners, sondern auch dem allgemeinen Wohl, jedermann die materiellen Grundlagen des Daseins zu sichern (Münchener Kommentar zum BGB - von Feldmann - Anm. 1 zu § 394). Wesentlicher Zweck der Pfändungsfreigrenzen im Rahmen der Aufrechnung ist es damit, zur Vermeidung von Hilfebedürftigkeit dem Schuldner einen Mindestbetrag zur Bestreitung des Lebensunterhaltes zu belassen. Mit dem Sozialgericht und dem Urteil des LSG NRW vom 17.11.1995 - L 8 J 26/95 - ist im vorliegenden Fall zu beachten, dass der Klägerin die Summe, mit der die Beklagte aufrechnet, als Unterhaltsanspruch bereits zugeflossen ist. Sie steht der Klägerin damit zur Sicherung des Lebensunterhaltes zur Verfügung. Der Zweck der Unterhaltssicherung wird damit durch die von der Beklagten vorgenommene Aufrechnung nicht vereitelt, die aus der Erstehungsgeschichte und dem Vergleich mit § 394 BGB abzuleitende ratio von § 51 SGB I ist erkennbar nicht berührt.
Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Die Beklagte hat die Ermessensausübung im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebracht und eine vertretbare Abwägungsentscheidung getroffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Bestimmung der Grenzen der Aufrechnung mit einem auf die Beklagte übergegangenen Unterhaltsanspruch gegen einen Anspruch auf Witwenrente hat der Senat die Revision zugelassen.
Rechtskraft
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