L 5 SP 7/97

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 16 (25) P 7/97
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 SP 7/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragsstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 09.06.1997 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller (Ast) betreibt u.a. seit Juni 1994 ein privates Pflegeheim in H ... Zunächst war ihm nur der Betrieb eines Altenheimes genehmigt worden (Bescheid der Heimaufsicht des Kreises W ... vom 14.06.1994). Mit Bescheid vom 18.12.1995 wurde diese Erlaubnis auf die Aufnahme pflegebedürftiger Personen, die nicht auf einen Rollstuhl angewiesen sind, erweitert. Die Einrichtung verfügt über fünf vollstationäre Pflegeplätze und einen Kurzzeit- Pflegeplatz. Sie wird in einem früheren Wohnhaus betrieben; die Wohn- und Schlafräume der Heimbewohner befinden sich im ersten Obergeschoß, über einen Aufzug verfügt das Haus nicht. Im Pflegebereich arbeiten drei vollzeitbeschäftigte Krankenschwestern und zwei in Teilzeit beschäftigte sowie eine teilzeitbeschäftigte Altenpflegerin, ferner ist eine Krankengymnastin geringfügig beschäftigt. Weiter verfügt die Einrichtung über eine Hauswirtschafterin sowie eine Verwaltungsfachkraft.

Mit Schreiben vom 22.08.1995 beantragte der Ast bei den Antragsgegnern (Ag) den Abschluß eines Versorgungsvertrages. Nach der Eingangsbestätigung vom 06.09.1995 des Ag zu 2), der federführend für die Ag den Antrag bearbeitete, beantragte der Ast einen Versorgungsvertrag für Kurzzeitpflege bzw. teilstationäre Pflege. Nachdem der Beigeladene sein Einvernehmen mit dem Vertragsschluß verweigert hatte, lehnten die Ag den Vertragsschluß mit Schreiben vom 15.01.1996 ab, wobei sie darauf hinwiesen, daß der Ast nur ein Altenheim betreibe. Der Ast machte daraufhin darauf aufmerksam, daß er nunmehr über die Erlaubnis zur Aufnahme pflegebedürftiger Personen verfüge, worauf die Ag in erneute Prüfung des Antrags eintraten. Im Zuge des weiteren Verfahrens beantragte der Ast schließlich mit Schreiben vom 24.06.1996 einen Versorgungsvertrag für die vollstationäre Pflege. In dem ihm übersandten Strukturerhebungsbogen verneinte er die Frage, ob er Bestandschutz nach § 73 Abs. 3 und 4 SGB XI geltend mache; es handele sich um einen Neuantrag. Mit Schreiben vom 13.08.1996 stimmte der Beigeladene dem Abschluß eines Versorgungsvertrages nicht zu, da die Einrichtung nicht geeignet sei, Pflegeleistungen zu erbringen. Bemängelt wurden raumkonzeptionelle Unzulänglichkeiten und die Qualifikation des Personals, gegen den Betreiber sei bereits ein Bußgeld wegen der Beschäftigung mangelhaft qualifizierten Personals verhängt worden. Bei einer Besichtigung des Hauses am 12.09.1996 machte die Ag zu 3), die federführend für die Ag Anträge auf Abschluß von Versorgungsverträgen zur Durchführung der vollstationären Pflege bearbeitet, geltend, die Anforderungen der Heimmindestbau-Verordnung würden nicht erfüllt. Gerügt wurde u.a. die fehlende Ausstattung der Zimmer mit Handwaschbecken, nicht behindertengerechte WC s und das Fehlen eines Therapiebereichs. Mit Bescheid vom 27.12.1996 lehnten die Ag den Abschluß eines Versorgungsvertrages für vollstationäre Pflegeeinrichtungen ab, da die Einrichtung den Qualitätseinrichtlinien nicht genüge. An dieser Entscheidung hielten sie mit Bescheid vom 22.01.1997 nach Prüfung der vom Ast angebotenen baulichen Anpassungen fest.

Der Ast hat am 03.02.1997 beantragt, die Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zum Abschluß eines Versorgungsvertrages zu verpflichten. Er vertrat die Auffassung, er genieße Bestandschutz nach § 73 Abs. 3 SGB XI, da er fristgemäß die erforderlichen Unterlagen eingereicht und die Ag nicht bis zum 30.06.1996 reagiert hätten. Im übrigen bestehe ein Anspruch auf Vertragsschluß nach § 72 Abs. 3 SGB XI, da unter Berücksichtigung der Umbauten das Gebäude den Anforderungen der in den Richtlinien genannten Qualitätsgrundsätze entspreche. Da in der Einrichtung nur gehfähige Personen betreut würden, seien die baulichen Anforderungen an den Bedürfnissen der Bewohner zu orientieren. Die wirtschaftliche Existenz der Einrichtung sei ohne Vertrag gefährdet, da er keine Vergütung seiner Leistung von den Ag erhalte. Erste Bewohner hätten bereits Heimverträge gekündigt.

Mit Beschluss vom 26.03.1997 hat das Sozialgericht beschlossen, daß für die Dauer von drei Monaten ein Versorgungsvertrag als abgeschlossen gelte. Auf die Beschwerden der Ag hat es mit Beschluss vom 09.06.1997 unter Abänderung des Beschlusses vom 26.03.1997 den Antrag abgelehnt. Es war der Auffassung, die Ablehnung des Antrags auf Abschluß eines Versorgungsvertrages sei nicht offensichtlich rechtswidrig. Die Einrichtung entspreche nicht den nach § 80 SGB XI erlassenen Richtlinien.

Mit seiner Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, macht der Ast geltend, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei die Einrichtung alten- und behindertengerecht ausgestattet. Da keine Rollstuhlfahrer aufgenommen würden, sei nicht nachvollziehbar, warum die Breite der Türen und des Treppenhauses beanstandet würden. Die Einrichtung verfüge über einen sehr großen Wohnraum, der ebenso wie der angrenzende 30 qm große Wintergarten für die Therapiezwecke genutzt werde. Aufgrund des fehlenden Vertrages sei die Einrichtung nicht konkurrenzfähig. Bei Neuaufnahmen habe man sich vertraglich verpflichten müssen, keine Pflegevergütung zu verlangen. Es bestünden inzwischen Forderungen gegen die Pflegekassen in Höhe von rd. 80.000 DM, monatlich fehlten weitere 6.000 DM zur Abdeckung der Kosten.

Der Antragsteller beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 09.06.1997 zu ändern und die Antragsgegner zu verpflichten, mit ihm - dem Antragsteller - einen Versorgungsvertrag für voll stationäre Pflege-Einrichtungen zu schließen.

Die Antragsgegner zu 1) und 3) beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie halten die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Die übrigen Beteiligten haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht den Erlaß einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Der Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist trotz des Fehlens einer entsprechenden Regelung im Sozialgerichtsgesetz auch im sozialgerichtlichen Verfahren möglich, wenn die Rechtschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) dies erfordert, weil ohne eine solche vorläufige Maßnahme für den Ast schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht wieder beseitigt werden könnten (BVerfGE 46, 166, 179). Der Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist also nur möglich, wenn die Versagung einstweiligen Rechtschutzes zu einem irreparablen Zustand und für den Ast unzumutbaren Folgen führt.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Es ist schon die Unzumutbarkeit der drohenden Nachteile zu verneinen. Der Ast kann nicht damit gehört werden, daß er durch die fehlende Vergütung der Pflege der aufgenommenen Bewohner monatliche Verluste erleide. Entgegen der von ihm vertretenen Auffassung hat der Ast im Juni 1996 einen Neuantrag gestellt; er fällt nicht unter die Bestandschutzregelung des § 73 Abs. 3, 4 SGB XI. Es ist schon zweifelhaft, ob sich der Ast überhaupt hätte auf die genannten Vorschriften berufen können, denn die Erlaubnis zur Aufnahme pflegebedürftiger Personen hat er für die Einrichtung in H. erst zum 18.12.1995 erhalten. Die Kostenvereinbarung mit dem Beigeladenen, die offenbar ohnehin bis zum 31.12.1994 befristet war, konnte sich - was den Pflegesatz für pflegebedürftige Personen betraf - ohnehin nicht auf die Einrichtung in H. beziehen, da dort noch keine pflegebedürftigen Personen aufgenommen werden durften. Somit dürfte der Antragsteller vor dem 01.01.1995 kaum vollstationäre Pflege zu Lasten eines Sozialhilfeträgers erbracht haben. Vor allem aber läßt sich den Verwaltungsunterlagen nicht entnehmen, daß der Antragsteller bis zum 30.09.1995 die Voraussetzungen für den Bestandschutz als vollstationäre Pflege-Einrichtung nachgewiesen hätte (§ 73 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 SGB XI). Sein Antrag vom 22.08.1995 bezog sich - wie dem Schreiben des Ag zu 2) vom 06.09.1995 zu entnehmen ist - auf Kurzzeit- und teilstationäre Pflege. Teilstationäre (§ 41 SGB XI) und Kurzzeitpflege (§ 42 SGB XI) sind von der vollstationären Pflege (§ 43 SGB XI) zu unterscheidene Leistungen, die an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft sind. Ob der Ast als Einrichtung der Kurzzeitpflege Bestandschutz genießen könnte, kann hier dahinstehen, denn er verlangt nunmehr ersichtlich einen Versorgungsvertrag für voll stationäre Pflege-Einrichtungen - und insoweit hat er nach dem Inhalt der Akte innerhalb der gesetzlichen Frist des § 73 Abs. 4 SGB XI Bestandschutz nicht geltend gemacht. Im übrigen war auch der Ast offensichtlich bei Beantragung des Vertragsschlusses der Auffassung, daß es sich um einen Neuantrag handele, denn er hat in dem Strukturerhebungsbogen ausdrücklich den Antrag als Neuantrag bezeichnet und die Geltendmachung von Bestandschutz verneint. Der Ast ist somit ungeachtet der Tatsache, daß er die Einrichtung schon länger betreibt, in der gleichen Situation wie jeder Leistungsanbieter, der erstmals seine Tätigkeit aufnimmt und Leistungen zu Lasten der Pflegekassen erbringen möchte. Der Versorgungsvertrag hat statusbegründende Funktion (vgl. etwa Udsching, SGB XI, § 72 Rdnr. 3; Knittel, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 72 Rdnr. 21), d. h. erst nach Vertragsschluß können Leistungen zu Lasten der Pflegekassen erbracht werden (s. § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). Ein Zulassungsbewerber handelt auf eigenes Risiko, wenn er schon vor der Zulassung Investitionen tätigt oder sogar schon seinen Betrieb aufnimmt (so LSG NRW, Beschluss vom 30.08.1993 - L 16 S 14/93 -). Die wirtschaftlichen Nachteile, die aus dieser Handlungsweise resultieren, hat er selbst zu tragen. Zwar mag ihm bei rechtswidriger Vorenthaltung eines Versorgungsvertrages ein Schadensersatzanspruch gegen die Ag zustehen (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG), er kann aber nicht unter Berufung auf die wirtschaftlichen Folgen die Zulassung im Wege des vorläufigen Rechtschutzes erwirken. Unzumutbar sind die Nachteile - vom Falle eines offensichtlich bestehenden Zulassungsanspruchs abgesehen - nur, soweit ein Eingriff in erworbene Rechte oder Positionen droht (LSG NRW, Beschluss vom 12.11.1991 - L 16 S 15/91 -). Eine solche Position hat der Ast nicht erlangt, für ihn besteht vor der Zulassung nur die Chance einer Beteiligung am öffentlich-rechtlichen Sozialleistungs-System der Pflegeversicherung.

Im übrigen ist auch nicht ersichtlich, daß dem Ast bis zum Abschluß des Hauptsacheverfahrens irreparable Nachteile drohen. Er hat in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 25.08.1997 nur ausgeführt, ohne einen Vertrag sei er nicht wettbewerbsfähig, es entgingen ihm monatlich 6.000 DM Pflegekosten. Diesem Vortrag läßt sich nicht entnehmen, daß die Existenz der Einrichtung unmittelbar gefährdet wäre. Der Ast hatte zwar bereits im Schriftsatz vom 21.03.1997 behauptet, er sei ohne den Erlaß der beantragten einstweiligen Anordnung gezwungen, Pflegepersonal zu entlassen und die Einrichtung zu schließen, ohne daß aber offensichtlich bisher entsprechende Schritte erforderlich waren. Ohne Kenntnis der Kostenstruktur der Einrichtung und der wirtschaftlichen Situation des Ast läßt sich nicht beurteilen, wie sich der mitgeteilte monatliche Fehlbetrag von 6.000 DM auswirkt. Wirtschaftliche Nach teile, die dem Ast durch eine eventuelle rechtswidrige Verweigerung des Abschlusses eines Versorgungsvertrages entstehen (ein schließlich eventueller Kreditkosten) können durch einen Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung ausgeglichen werden. Daß der Antragsteller nicht in der Lage ist, die von ihm genannten Verluste für den überschaubaren Zeitraum zum Abschluß des Hauptsacheverfahrens zu tragen, also die Existenz der Einrichtung gefährdet wäre, hat er nicht glaubhaft gemacht.

Dem Antrag ist auch nicht deshalb zu entsprechen, weil bei summarischer Prüfung die Hauptsacheklage offensichtlich begründet wäre (was grundsätzlich für sich allein dem Antrag zum Erfolg verhelfen könnte). Die Ag haben die Ablehnung damit begründet, daß die Einrichtung weder die Qualitätsanforderungen der zu § 80 SGB XI erlassenen Richtlinien noch die Mindestanforderungen der Heim mindestbau-Verordnung erfüllt. Auch wenn die Verordnung wegen der Größe der Einrichtung nicht unmittelbar Anwendung findet, er scheint es sachgerecht, wenn sich die Ag an deren Vorgaben orientieren. Die bei der Begehung am 12.09.1996 gerügten Mängel sind auch nach dem Vortrag des Ast zum Teil noch vorhanden, so z. B. das Fehlen von Handwaschbecken in vier Zimmern, das nicht behindertengerechte WC im Erdgeschoß (Türbreite) und der fehlende Therapiebereich. Soweit zu letzterem der Ast auf den großen Aufenthalts- und Eßbereich sowie den angrenzenden Wintergarten verweist, die angeblich für Therapiezwecke genutzt werden, hat der Senat Bedenken hinsichtlich der Geeignetheit dieser Räume. Es dürfte eine Trennung für die verschiedenen Funktionen zu fordern sein. Es erscheint nicht zumutbar, daß eine Therapie im gleichen Raum, der für den Aufenthalt der Bewohner und die Einnahme der Mahlzeiten vorgesehen ist, stattfindet. Soweit der Ast hinsichtlich der weiteren Mängel darauf verweist, die baulichen Gegebenheiten seien unter Berücksichtigung der Tatsache, daß nur geh fähige Personen aufgenommen würden, ausreichend, ist ihm entgegenzuhalten, daß nicht nur auf die gegenwärtigen Bedürfnisse der Bewohner abgestellt werden kann. Da die Einrichtung nicht für Rollstuhlfahrer geeignet ist, bedeutet dies, daß damit nicht nur Bewohner, deren Gesundheitszustand sich so verschlechtert, daß sie auf Dauer auf einen Rollstuhl angewiesen sind, die Einrichtung verlassen müssen (was für alte Menschen eine unzumutbare Belastung bedeuten kann), sondern sogar Bewohner, die etwa nach einem Unfall vorübergehend einen Rollstuhl benutzen müssen, nicht in der Einrichtung bleiben könnten. Es ist daher durchaus einleuchtend, wenn die Ag ungeachtet der Auflage der Heimaufsicht die Leistungsfähig keit einer Einrichtung nur bei einer behindertengerechten Ausstattung bejahen, durch die auch den Belangen rollstuhlpflichtiger Pflegebedürftiger Rechnung getragen wird. Es kann somit nicht festgestellt werden, daß offensichtlich ein Anspruch des Ast auf Abschluß eines Versorgungsvertrages für die vollstationäre Pflege besteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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