L 2 U 3762/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 393/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 3762/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 24. Juni 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob aus den beim Kläger als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2102 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anerkannten Meniskusschäden eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) resultiert.

Der 1958 geborene Kläger hat den Beruf eines Gas- und Wasserinstallateurs erlernt. Nach der Ausbildung von 1973 bis 1977 war er zunächst bis 1980 als Geselle, dann als Meister und ab 1990 auf Grund innerbetrieblicher Umsetzung als Kundendienstmonteur bei der Firma K. K., Sanitärtechnik, beschäftigt. Ab dem 25.10.2000 war er arbeitsunfähig erkrankt. Heute übt er eine Tätigkeit im Verkauf aus.

Die IKK Baden-Württemberg erstattete im November 2000 eine Anzeige über eine BK. Auf Anfrage der Beklagten teilte der behandelnde Orthopäde Dr. R. mit, der Kläger leide seit Jahren unter einer Varus-Gonarthrose und legte Operationsberichte vom 25.10.2000 und 16.06.1998 bei (Bericht vom 30.01.2001). Ferner übersandte die IKK auf Anforderung der Beklagten ein Vorerkrankungsregister. Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) führte unter dem 22.01.2001 aus, der Anteil der knienden Tätigkeiten betrage entsprechend der Dokumentation 20 bis 40%, der auf die Gesamtarbeitszeit bezogene Anteil der meniskusbelastenden Tätigkeit sei mit 20 bis 30 % anzunehmen. Auf Veranlassung der Beklagten erstellte Prof. Dr. H. das Gutachten vom 01.06.2001, in dem er ausführte, nach Teilentfernung des rechten und linken Innenmeniskus ergebe sich eine Verschmälerung des gegenseitigen Gelenkspalts an beiden Kniegelenken mit hieraus resultierendem Knorpelverschleiß. Eine Meniskusschädigung liege vor, eine BK Nr. 2102 der Anlage zur BKV sei gegeben. Die Folgen der BK führten zu einer MdE von 10 v.H. ab 30.01.2001. Dies gelte ab dem Tag der ersten Arthroskopie am linken Kniegelenk, die am 16.06.1998 stattgefunden habe. Nachdem der Staatliche Gewerbearzt in seiner Stellungnahme vom 19.06.2001 eine BK in nicht entschädigungspflichtigem Ausmaß zur Anerkennung vorgeschlagen hatte, erließ die Beklagte den Bescheid vom 27.08.2001, in dem sie als Folgen der BK nach Nr. 2101 der Anlage zur BKV "Operative Teilentfernung der Innenmenisken beider Kniegelenke" feststellte, jedoch die Gewährung einer Verletztenrente ablehnte, weil die Erkrankung keine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß hinterlassen habe. Nicht als Folge der BK anerkannt wurde "Retropatellare Chondropathie beidseits". Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.02.2002 zurück.

Am 19.02.2002 hat der Kläger zum Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben. Das SG hat vom behandelnden Arzt R. weitere medizinische Unterlagen beigezogen und die Begutachtung des Klägers durch Prof. Dr. S. veranlasst. In seinem Gutachten vom 10.03.2003 hat der Sachverständige Innenmeniskusschädigungen an beiden Kniegelenken bestätigt; zusätzlich finde sich noch eine fortgeschrittene Arthrose der Kniescheibenrückfläche. Die Meniskuserkrankungen rechts und links seien infolge der BK 2102 entstanden, wobei im rechten Knie keine wesentlichen funktionellen Ausfälle bestünden. Diejenigen am linken Knie seien nur zum Teil Folge der BK. Die MdE für das linke Knie schätzte er auf 10 v.H., die für das rechte Knie hat er mit unter 10 v.H. bewertet. Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattete Dr. R. das Gutachten vom 11.08.2003. Danach seien Folgen der BK Nr. 2102 ein Zustand (Z.n.) nach Innenmeniskusteilresektion und eine initial medial betonte Gonarthrose des rechten Kniegelenks und ein Z.n. subtotaler Innenmeniskusresektion und fortgeschrittener medial betonter Gonarthrose sowie ein Reizknie links. Nicht als Folge der BK sei die Femoropatellararthrose des linken Kniegelenks anzusehen. Er hat die MdE - abweichend von Prof. Dr. S. - mit 20 v.H. eingeschätzt. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10.10.2003 hat hierzu Prof. Dr. S. u. a. ausgeführt, Dr. R. habe im Vergleich zu seinen Feststellungen eine wesentliche Verschlechterung bezüglich des linken Knies beschrieben, die er durchaus für möglich halte. Er schlage deshalb vor, die Behandlungsdaten zwischen März und August 2003 einzuholen. Auf entsprechende Nachfrage teilte Dr. R. mit, er habe den Kläger am 10.03., 02.05. und 23.07.2003 orthopädisch behandelt, jedoch lediglich Einlagen bzw. eine Schuhaußenwanderhöhung verordnet. Mit Urteil vom 24.06.2004 hat das SG die Klage gestützt auf das Gutachten und ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. S. abgewiesen.

Gegen das am 09.08.2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 31.08.2004 eingelegte Berufung des Klägers, zu deren Begründung er auf das Gutachten des Dr. R. verwiesen hat. Weiter hat er auf eine zwischenzeitlich eingesetzte Prothese im linken Kniegelenk hingewiesen und hierzu den Bericht der Orthopädischen Klinik Markgröningen vom 06.09.2004 vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 24. Juni 2004 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 27. August 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Februar 2002 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen der Berufskrankheit nach Nr. 2102 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 vom Hundert zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat Dr. H. sowie Dr. H. zu gerichtlichen Sachverständigen ernannt. Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 28.09.2005 eine MdE von 20 v.H. angenommen und damit begründet, dass die Kniebeschwerden hälftig auf den gegenseitigen Oberschenkelanteil und hälftig auf die Kniescheibenrückseite zurückzuführen seien. Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 08.08.2006 eine Gelenkchondromatose links diagnostiziert und die Auffassung vertreten, bezogen auf das rechte Kniegelenk liege keine messbare MdE vor, hinsichtlich des linken Kniegelenks könne er keine berufsbezogene abgrenzbare MdE mit Wahrscheinlichkeit feststellen.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Nachdem sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben, konnte eine solche gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ergehen.

Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) sowie frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Bewilligung einer Verletztenrente.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten 27.08.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.02.2002, mit dem die Beklagte die operative Teilentfernung der Innenmenisken beider Kniegelenke als Berufskrankheit nach Nr. 2102 zwar anerkannt, die Gewährung einer Verletztenrente jedoch abgelehnt hat. Auf diesen - zutreffend im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und Abs. 4 SGG) geltend gemachten - Anspruch finden die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Siebtes Buch (SGB VII) sowie die BKV vom 31. Oktober 1997 Anwendung.

Nach § 26 Abs. 1 SGB VII (Fassung bis 30. Juni 2001) haben Versicherte nach Maßgabe der ihr folgenden Vorschriften Anspruch auf Leistungen; ein Anspruch auf Verletztenrente besteht bei Vorliegen einer infolge eines Versicherungsfalls um wenigstens 20 v.H. geminderten Erwerbsfähigkeit in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe (§ 56 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGB VII). Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und BK’en (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die Erkrankung erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr. 84). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSGE 58, 80, 83; 61, 127, 129); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSGE 45, 285, 286 = SozR 2200 § 548 Nr. 38; BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 16 S. 81 f.). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSGE 6, 70, 72; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).

In Anwendung dieser rechtlichen Grundsätze hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid zu Recht das Vorliegen einer BK Nr. 2102 der Anlage zur BKV anerkannt. Zweifellos hat der Kläger als Gas- und Wasserinstallateur eine versicherte Tätigkeit ausgeübt, bei der über einen Zeitraum von etwa 27 Jahren die Kniegelenke andauernd oder häufig wiederkehrend überdurchschnittlich belastet waren. Nach übereinstimmender Beurteilung aller befragten Sachverständigen sind auch die Innenmeniskusschäden beider Kniegelenke auf diese berufliche Tätigkeit zurückzuführen. Der vorliegende fortschreitende Knorpelverschleiß (Kniearthrose) im linken Kniegelenk kann jedoch nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Tätigkeit bzw. auf den Innenmeniskusschaden zurückgeführt werden. Der Senat folgt hierbei insbesondere dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des Dr. H ... Am linken Kniegelenk des Klägers ist es im Gegensatz zu rechts in den letzten Jahren zu einer zunehmend hochgradigen Kniearthrose gegenseitig und teilweise im Gleitlager der Kniescheibe gekommen, die zu fortschreitenden Beschwerden geführt hat. Während das rechte Kniegelenk nach der durchgeführten Operation 1991 von allen Sachverständigen als weitgehend beschwerdefrei angesehen wird, haben die Beschwerden im linken Kniegelenk dagegen trotz Innenmeniskusteilresektion deutlich zugenommen. Dies hat Dr. H. für den Senat überzeugend mit der von ihm diagnostizierten Gelenkchondromatose des linken Kniegelenks erklärt. Er weist zu Recht daraufhin, dass dieser Befund innerhalb weniger Jahre zu einer hochgradigen Kniearthrose Anlass geben kann und im Rahmen der Kniearthroskopien links zahlreiche freie Gelenkkörper beschrieben worden sind. Damit liegt - wie der Sachverständige auf S. 15 seines Gutachtens unter b) ausgeführt hat - neben der berufsbedingten eine weitere (konkurrierende) Ursache für die Kniearthrose des linken Knies vor, die den rasch fortschreitenden Knieverschleiß links erklärbar macht und die als die rechtlich wesentliche Ursache für die Kniearthrose links anzusehen ist. Nach gegenwärtigem medizinischen Kenntnisstand (vgl. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 1245) handelt es sich bei der Chondromatose um ein Gelenkleiden aus innerer Ursache mit zahlreichen freien Gelenkkörpern. Ein Zusammenhang mit beruflichen Belastungen kann demnach nicht hergestellt und somit nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Innenmeniskusschaden die Kniegelenkesarthrose links herbeigeführt hat. Eine MdE von mindestens 20 v.H. ist deshalb nicht zu begründen. Dr. R., der den Knorpelschaden auf die Innenmeniskusschädigung zurückführte, hat diesen Aspekt in seinem Gutachten - worauf Dr. H. zutreffend hingewiesen hat - nicht berücksichtigt. Soweit Dr. H. die von ihm angenommene MdE von 20 v.H. damit begründet hat, dass er die Beschwerden des Klägers einerseits in einen "Arthroseschmerz gegenseitig" und andererseits in einen "Arthroseschmerz hinter der Kniescheibe" aufteilt, kann die von ihm als "theoretisch" bezeichnete Einschätzung auf Grund der schlüssigen Ausführungen des Dr. H. nicht nachvollzogen werden. Schließlich erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit den Gutachten von Prof. Dr. H. oder Prof. Dr. S., da auch in diesen Gutachten eine rentenrelevante MdE nicht festgestellt worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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