L 5 KR 4488/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 2347/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 4488/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 21.9.2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Erstattung der Kosten einer Mammareduktionsplastik (operative Brustverkleinerung) beidseits.

Die 1986 geborene Klägerin stellte bei der Beklagten am 11.6.2002 einen Antrag auf Übernahme der Kosten für eine operative Brustverkleinerung. Zur Begründung legte sie ein Attest des Dr. D. (Frauenklinik R.) vom 6.6.2002 vor. Darin ist ausgeführt, seit Abschluss der Pubertät habe die Klägerin überdimensional große und schwere Brüste, wodurch die Stabilität der Wirbelsäule gestört sei. Die Klägerin leide unter therapieresistenten Rückenbeschwerden sowie unter in die Haut einschneidenden BH-Trägern. Während der warmen Jahreszeit komme es zu einer Intertrigo. Die Behebung des krankhaften anormalen Zustandes sei nur operativ möglich. Das zu erwartende Resektatgewicht betrage pro Brust etwa 450 bis 500 Gramm.

Die Beklagte holte das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK, Dr. C.) vom 26.6.2002 ein. Dr. C. diagnostizierte eine Mammahypertrophie beidseits. Die Klägerin habe mehrmals Krankengymnastik durchgeführt, allerdings ohne wesentliche Befundbesserung. Bislang habe aber weder eine orthopädische noch (wegen psychischer Beeinträchtigungen) eine psychologische bzw. psychiatrische Behandlung stattgefunden. Für die geklagten Rückenschmerzen finde sich bei der klinischen Untersuchung kein organisches Korrelat; orthopädische bzw. physikalische Therapiemaßnahmen seien nicht ausgeschöpft. Vorrangig sei der Wunsch nach einem kosmetisch zufrieden stellenden Ergebnis.

Am 3.7.2002 lehnte die Beklagte den Antrag (durch mündlichen Bescheid) ab (Verwaltungsakte S. 10). Zur Begründung des dagegen erhobenen Widerspruchs legte die Klägerin ein Attest der Allgemeinärzte Dres. De. und S. vom 4.2.2003 vor, die über einen zunehmenden körperlichen und psychischen Leidensdruck berichteten; in einem beigefügten Attest des Orthopäden Dr. Sch.-U. vom 5.12.2002 wird eine Mammareduktionsplastik dringend empfohlen. Ebenso wird im Arztbrief des Gynäkologen Dr. Da. vom 31.01.2003 im Hinblick auf den psychischen Leidensdruck eine Reduktionsplastik empfohlen.

Die Beklagte holte ein weiteres Gutachten (nach Aktenlage) des MDK vom 18.2.2003 ein. Der Arzt Schi. diagnostizierte rezidivierende BWS-Beschwerden und eine Störung des Selbstwertgefühls. Studien, die einen Zusammenhang zwischen Brustgewicht und schädigendem Einfluss auf den Halte- und Stützapparat wissenschaftlich belegten, lägen selbst für Brustlasten über 1200 Gramm nicht vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 9.7.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück; bei der beantragten Maßnahme handele es sich um eine kosmetische Korrektur, die nicht zu Lasten der Versichertengemeinschaft durchgeführt werden könne.

Am 1.8. 2003 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Freiburg. Zur Begründung trug sie vor, wegen ihrer übergroßen Brüste könne sie an typischen Schulsportarten nicht teilnehmen und leide zunehmend unter psychischen Problemen. Außerdem seien chronische Rückenbeschwerden zu erwarten. Konventionelle Heilverfahren hätten keine Erfolge gebracht. Eine Brustreduktion sei deshalb zwingend geboten.

Das Sozialgericht befragte behandelnde Ärzte und erhob das Gutachten des Orthopäden Prof. Dr. W. vom 28.4.2004.

Der Orthopäde Dr. M.-Si., der die Klägerin am 11.7.2002 untersucht hatte, sah bei insgesamt normalem orthopädischem Befund keine Notwendigkeit zur Mamareduktionsplastik (Bericht vom 4.9.2003). Die Allgemeinärzte Dres. De. und S. erachteten die Mamahypertrophie als ursächlich für körperliche und seelische Beschwerden der Klägerin, weshalb die Beklagte die Kosten der operativen Brustverkleinerung übernehmen solle; dies sei wirtschaftlicher als die Finanzierung langwieriger psychotherapeutischer oder physikalischer Therapien (Bericht vom 9.9.2003). Der Orthopäde Dr. Schm.-U. hielt einen durch die Mammahyperplasie ausgelösten ventralisierenden Zug für geeignet, die thorakale Symptomatik zu verstärken und einen chronischen, oft therapieresistenten Zustand herbeizuführen (Bericht vom 1.12.2003).

Prof. Dr. W. fand auf orthopädischem Fachgebiet keine Erkrankungen. Die Wirbelsäule der Klägerin sei sowohl in klinischer wie in radiologischer Hinsicht gesund. Degenerative Veränderungen gebe es nicht, weshalb auch ein (von Dr. M.-Si. im Bericht vom 12.7.2002) erwähntes BWS-Syndrom nicht festzustellen sei. Auch die von Dr. Sch.-U. (im Bericht vom 5.12.2002) angeführte hyperkyphotische Fehlhaltung der Brustwirbelsäule könne nicht diagnostiziert werden, die Rumpfmuskulatur befinde sich in gutem Zustand und die Bauchdecken seien regelrecht gespannt.

Eine Literaturrecherche habe ergeben, dass nach - allerdings ohne Kontrollgruppen durchgeführten - Längsschnittstudien die Mammareduktion bei Mammahypertrophie in einem hohen Prozentsatz zur Abnahme von Schulter- und Rückenschmerzen geführt habe; der Frage, ob der Therapieerfolg auf anderen Ursachen, etwa psychischen Einflüssen, beruhen könne, sei jedoch keine Studie nachgegangen. Da Vergleichsuntersuchungen nicht durchgeführt worden seien, könne man nicht festzustellen, ob muskulär bedingte Wirbelsäulenbeschwerden mit physikalischen Behandlungsmaßnahmen nicht ebenso erfolgreich behandelt werden könnten. Im Sinne einer evidenzbasierten Medizin stehe deshalb nicht fest, dass die Mammareduktion bei der Therapie von Wirbelsäuleerkrankungen oder zumindest von Wirbelsäulenbeschwerden erfolgreicher sei als andere Therapieformen. Die von der Klägerin angegebenen Rückenschmerzen seien Ausdruck muskulärer Ermüdungserscheinungen nach mehrstündigem Gehen, Stehen oder Sitzen. Solche Beschwerden träten auch bei Probanden ohne Mamahypertrophie nach entsprechender Belastung auf. Die nach Angaben der Klägerin gute Beeinflussbarkeit der Beschwerden belege einerseits deren Ursache, andererseits auch die gute therapeutische Zugänglichkeit mit Hilfe physikalischer Maßnahmen. Aus orthopädischer Sicht sei die Brustverkleinerung medizinisch nicht erforderlich. Als alternative Behandlungsmöglichkeit sei in erster Linie auf Techniken der Physiotherapie zu verweisen, während die Versorgung mit einem Stützkorsett der erst 17 Jahre alten Klägerin nicht zuzumuten sei.

Die Klägerin trug abschließend vor, die Brustverkleinerung sei zwar aus orthopädischer Sicht nicht notwendig. Ihr Begehren stütze sie aber weiterhin auf einen permanenten psychischen Leidensdruck, der trotz psychotherapeutischer Behandlung nicht habe gemindert werden können. Insoweit sei nur bedingt richtig, dass sie sich keiner psychologischen Behandlung unterzogen habe. Die Psychotherapeutin Dr. T., bei der sie sich im August 2002 vorgestellt habe, habe eine Behandlung abgelehnt, weil sie damals im Alter von 16 Jahren korrekt weder von einem Kinderpsychiater noch von einem "Erwachsenenpsychiater" hätte behandelt werden können. Man möge den Sachverhalt insoweit durch sachverständige Zeugenaussagen bzw. ein psychiatrisches Gutachten weiter aufklären. Am 12.8.2004 sei die Brustverkleinerungsoperation schließlich auf der Grundlage einer privatärztlichen Honorarvereinbarung (SG-Akte S. 97) durch Dr. D. in der Frauenklinik R. durchgeführt worden mit einem Kostenaufwand von 6.629,15 EUR (Arztbericht vom 16.8.2004: Resektionsmenge rechts 300 Gramm, links 280 Gramm). Seitdem habe sie sich in ihren Wesenszügen erkennbar positiv verändert.

Mit Gerichtsbescheid vom 21.9.2005 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bedürfe es einer - hier angesichts der Erkenntnisse des Prof. Dr. W. nicht vorliegenden - speziellen Rechtfertigung, wenn durch eine Operation in eine funktionell intaktes Organ eingegriffen werden solle, um hierdurch mittelbar die Erkrankung eines anderen Organs zu beeinflussen. Die Mammahypertrophie als solche stelle keinen regelwidrigen Körperzustand dar, der der Krankenbehandlung bedürfe.

Auf den ihr am 27.9.2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 27.10.2005 Berufung eingelegt. Ergänzend trägt sie vor, das Sozialgericht habe sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Mammareduktionsplastik zur Beseitigung psychischer Beschwerden notwendig gewesen sei; hierzu habe sie die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens sowie sachverständiger Zeugenaussagen beantragt. Das sei zu Unrecht unterblieben. Seit der Operation sei sie von ihrer psychischen Erkrankung genesen, was die Notwendigkeit der Mammareduktion belege. Sie sei seit der Operation "ein anderer Mensch geworden", habe ihre Lehre erfolgreich beendet und werde nunmehr im erlernten Beruf weiterarbeiten. Die Rechtsprechung, wonach ihr die Übernahme der Kosten für den nachweislich heilenden Eingriff der operativen Brustverkleinerung versagt werde, um sie auf psychotherapeutische Maßnahmen zu verweisen, könne sie nicht anerkennen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 21.9.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 3.7.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.7.2003 zu verurteilen, ihr die Kosten der am 12.8.2004 von Dr. D. (Frauenklinik R.) durchgeführten Mammareduktionsplastik beidseits in Höhe von 6.629,15 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte aufgrund der Zustimmung der Beteiligten gem. §§ 153 Abs.1, 124 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden

Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der ihr für die Durchführung der Mammareduktionsplastik entstandenen Kosten. Das Sozialgericht hat die Klage daher zu Recht abgewiesen.

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs ist § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Voraussetzung der Kostenerstattung ist danach, dass die Krankenkasse - was hier nicht in Betracht kommt - eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (§ 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V) oder - worum allein gestritten wird - eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V). Letzteres ist nicht der Fall. Die Beklagte musste der Klägerin die operative Brustverkleinerung nämlich nicht auf Kosten der Versichertengemeinschaft gewähren.

Gem. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.

Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung setzt damit eine "Krankheit" voraus. Damit wird in der Rechtsprechung ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand umschrieben, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (BSGE 85, 36, 38; 72, 96, 98 jeweils m. w. N.). Soweit § 33 Abs. 1 SGB V eine "Behinderung" bzw. "drohende Behinderung" genügen lässt, um in Verbindung mit § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V einen Anspruch auf Krankenbehandlung auszulösen, ist nichts wesentlich anderes als eine Krankheit gemeint (BSG, Urt. v. 19.10.2004 - B 1 KR 9/04 R -); es wird lediglich ein anderer Akzent gesetzt (vgl. auch Schmitt in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand Juni 2004, § 27 SGB V Rdnr. 122 ff.). Indem § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V neben der Heilung ausdrücklich auch die Linderung von Krankheitsbeschwerden zu den möglichen Zielen einer Krankenbehandlung zählt, macht das Gesetz keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Krankheiten im engeren Sinne, bei denen die Betonung auf dem regelmäßig nur vorübergehenden Charakter einer als überwindbar angesehenen Gesundheitsbeeinträchtigung liegt, und Behinderungen, die als weitgehend unabänderlich, vor allem unter dem Gesichtspunkt des Ausgleichs für eine dauerhaft regelwidrige Körperfunktion die Leistungspflicht begründen können (vgl. auch § 2 Abs. 1 SGB IX -Senatsurteil vom 5.4.2006, L 5 KR 3888/05 -).

Die bei der Klägerin vor der operativen Brustverkleinerung bestehende Brustgröße war krankenversicherungsrechtlich nicht als Krankheit einzustufen. Denn nicht jede körperliche Unregelmäßigkeit hat Krankheitswert im Rechtssinne. Das ist nach der Rechtsprechung vielmehr nur dann der Fall, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (BSG, Urt. v. 19.10.2004, a. a. O. mit Hinweis auf Urt. v. 13.7.2004 - B 1 KR 11/04 R - hinsichtlich Hautverfärbungen; ferner zu einer Hodenprothese BSGE 82, 158, 163 f.;. auch BSG SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 45 S. 253 f., wo eine Entstellung als Unterfall eines Funktionsdefizits aufgefasst wird). Unter dem Gesichtspunkt der körperlichen Fehlfunktion konnte der Zustand der Klägerin schon deshalb nicht als behandlungsbedürftige Krankheit bewertet werden, weil die Brustgröße keine Funktionseinschränkungen bedingte und insbesondere auf orthopädischem Fachgebiet keine Erkrankungen vorlagen, die Klägerin vielmehr über eine gesunde Wirbelsäule ohne degenerative Veränderungen verfügt. Das geht aus dem vom Sozialgericht erhobenen Gutachten des Prof. Dr. W., der die Notwendigkeit einer Brustverkleinerung aus orthopädischer Sicht überzeugend ablehnte, klar hervor. Die Klägerin stellt das auch nicht in Abrede und stützt ihr Begehren daher nicht mehr auf orthopädische Beschwerden. Solche wären im Übrigen nach der überzeugenden Einschätzung des Gutachters ohnehin physiotherapeutisch zu behandeln. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass (bspw.) eine durch die gesetzliche Unfallversicherung zu entschädigende Wirbelsäulen-Berufskrankheit (Berufskrankheit-Nr. 2108, 2109) erst beim (mindestens 10 Jahre langen) Heben und Tragen von Lasten ab einem Gewicht von 10-15 kg bzw. beim Tragen schwerer Lasten auf der Schulter von mindestens 50 kg in Betracht kommt. Im Vergleich dazu ist die hier unmittelbar am Körper ansetzende Belastung durch die von der Klägerin geklagten übergroßen Brüste zu vernachlässigen (Senatsurteil vom 5.4.2006, a. a. O.).

Die Leistungspflicht der Beklagten lässt sich auch nicht mit der Erwägung begründen, die Klägerin wäre wegen äußerlicher Entstellung behandlungsbedürftig gewesen. Die Rechtsprechung hat eine Entstellung bei einer Frau ohne natürliches Kopfhaar (BSG SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 45 S. 253 f.; anders beim Mann BSG SozR 220 § 182 b Nr. 18 S. 50 f.), bei einer Wangenatrophie (LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 2.5.2002 - L 5 KR 93/01 - KRS 02.021) oder bei Narben im Lippenbereich (BSG SozR 3 - 1750 § 372 Nr. 1) angenommen bzw. erörtert. Hier kann nach Auffassung des Senates von einer auf Kosten der Versichertengemeinschaft zu korrigierenden Entstellung der Klägerin durch die Größe ihrer Brüste (vor der Operation) nicht die Rede sein. Die Einstufung auch übergroßer weiblicher Brüste als "körperliche Entstellung" im Rechtssinne ist mit dem Krankheitsbegriff des gesetzlichen Krankenversicherungsrechts nicht in Einklang zu bringen, da Form und Größe der weiblichen Brust physiologisch außerordentlich variieren. Die Klägerin hat eine entstellende Wirkung ihrer Brüste auch selbst nicht geltend gemacht.

Die von der Klägerin mit dem Berufungsvorbringen angeführte psychische Beeinträchtigung rechtfertigt einen operativen Eingriff auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung ebenfalls nicht. Denn die Krankenkasse muss dem Versicherten keineswegs jegliche Art von (Behandlungs-)Leistungen zukommen lassen, die seiner Gesundheit förderlich sind oder solche Wirkungen für sich in Anspruch nehmen. Vielmehr mutet ihm das Gesetz auch zu, in Teilbereichen selbst für seine Gesundheit Sorge zu tragen (vgl. § 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V). So gehören etwa Ernährung und Körperpflege insgesamt zur Eigenverantwortung des Versicherten, und zwar selbst dann, wenn die dafür eingesetzten Mittel wesentlich dazu beitragen, den Gesundheitszustand zu bessern oder die Verschlimmerung einer Krankheit zu verhüten (BSGE 81, 240, 243 f. zu Mehraufwendungen für eine eiweißarme Diät; zur Abgrenzung von Körperpflege und Behandlung auch BSGE 85, 182, 138 f.). Schon hieraus ergibt sich, dass Krankheit im Rechtssinne keinen undifferenzierten Bedarf an Sozialleistungen auslöst, sondern dass der Begriff der Krankenbehandlung im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB V in einem eng umrissenen Sinne zu verstehen ist. Deshalb geht auch der Einwand der Klägerin ins Leere, der operative Eingriff sei kostengünstiger als eine langwierige psychiatrische bzw. psychotherapeutische Behandlung (zur Unerheblichkeit angeblicher Einsparungen infolge des Einsatzes nicht im Leistungsrahmen der gesetzlichen Krankenversicherung enthaltener Leistungen auch BSGE 79, 125, 127; 80, 181, 182; 86, 66, 76).

Da mit der operativen Brustverkleinerung nicht gezielt gegen die eigentliche (psychische) Krankheit selbst vorgegangen, sondern (nur) versucht wird, mittelbar das an sich einem anderen Bereich zugehörige gesundheitliche Defizit zu beheben, bedürfte die Kostenübernahme einer besonderen Rechtfertigung. Operationen am gesunden Körper zur Behebung psychischer Störungen hat das Bundessozialgericht aber für grundsätzlich nicht gerechtfertigt erachtet, vor allem wegen der Unmöglichkeit, die psychischen Wirkungen körperlicher Veränderungen hinreichend verlässlich zu prognostizieren (Urt. v. 19.10.2004, a. a. O. mit Hinweis auf BSGE 90, 289, 291). Das Gericht hat weiter darauf verwiesen, dass dieser Grundsatz nur dann zu überprüfen wäre, wenn sich die wissenschaftliche Bewertung der generellen psychotherapeutischen Eignung chirurgischer Eingriffe (hier an der Brustgröße) wesentlich geändert hätte. Die aktuellen medizinischen Erkenntnisse widerlegen jedoch die in der Rechtsprechung geäußerten Zweifel nicht. Hierfür wären in erster Linie allgemein fundierte wissenschaftliche Nachweise (grundlegend: BSGE 76, 194, 199) und nicht die Verhältnisse im konkreten Fall der Klägerin maßgebend.

Da eine operative Brustverkleinerung zur Behandlung psychischer Erkrankungen auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung danach von vornherein ausscheidet, braucht nicht (durch die beantragte Begutachtung bzw. Einvernahme sachverständiger Zeugen) geklärt zu werden, ob bei der Klägerin seinerzeit eine entsprechende Erkrankung überhaupt vorlag und, sollte das der Fall gewesen und nachträglich noch feststellbar sein, ob diese dann nicht durch Therapiemaßnahmen dieses Fachgebiets zu behandeln gewesen wäre. Für eine hinreichend gewichtige Erkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet ist im Übrigen aus den vorliegenden ärztlichen Unterlagen nichts Stichhaltiges ersichtlich, zumal eine entsprechende Therapie nicht einmal ansatzweise stattfand. Auch mit dem Versuch, psychische Erkrankungen ins Feld zu führen, sind Operationen der vorliegenden Art auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu erlangen. Wer sein psychisches Befinden durch operative Veränderungen der körperlichen Gestalt verbessern will, muss dafür selbst aufkommen.

Aus diesen Gründen kann auch der von der Klägerin noch ausdrücklich angeführte Umstand, dass sie "ein ganz anderer Mensch geworden" sei und ihre Lehre erfolgreich abgeschlossen habe, zu keiner für sie günstigeren Entscheidung führen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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