L 22 R 1657/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 412/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 1657/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 28. Juli 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1950 geborene Klägerin hat nach ihren Angaben von 1968 bis 1970 eine Ausbildung zur Fachverkäuferin durchlaufen, danach bis 1972 als Verkäuferin und von 1974 bis 1985 als Agrotechnikerin gearbeitet. Während dieser Berufstätigkeit erwarb sie im Februar 1976 den Abschuss einer Facharbeiterin für Agrotechnik. Die Tätigkeit als Agrotechniker gab sie nach ihren Angaben wegen eines Umzugs auf, um danach von 1985 bis 1994 wieder als Verkäuferin zu arbeiten. Seit 1995 war sie Hauswirtschafterin in einem Kinderheim, bis sie am 16. Juli 2002 arbeitsunfähig erkrankte.

Am 27. August 2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung und begründete dies damit, sie habe starke Schmerzen im Lendenwirbelbereich, ausstrahlend in beide Beine, und Schmerzen in der Schulter, ausstrahlend in die Arme. Sie könne daher weder lange sitzen, stehen noch laufen.

Die Beklagte zog einen Befundbericht über eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation und ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen Berlin-Brandenburg MDK vom 02. Oktober 2002 bei. Die Reha Maßnahme war vom 16. Juli 2002 bis 06. August 2002 durchgeführt worden. Im Entlassungsbericht finden sich die Diagnosen:

1. schmerzdekompensiertes vertebragenes Schmerzsyndrom bei hoch-gradigen Verschleißerscheinungen 2. Cervikalsyndrom bei muskulären Dysbalancen 3. Osteopenie 4. Coxarthrose 5. Adipositas

Die Klägerin könne als Hauswirtschafterin im Kinderheim nur noch unter drei Stunden täglich arbeiten, leichte Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten jedoch noch sechs Stunden und mehr täglich verrichten.

Für den MDK hat die Dipl. Med. ein vertebragenes Schmerzsyndrom bei Osteochondrose, Spondylochondrose und Spondylosis deformans im Lendenwirbelsäulen-bereich festgestellt und daraus eine fortdauernde Arbeitsunfähigkeit für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit abgeleitet.

Mit Bescheid vom 18. Oktober 2002 lehnte die Beklagte den Antrag ab: Die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich arbeiten und sei somit nicht einmal teilweise erwerbsgemindert. Sie sei auch nicht berufsunfähig, da sie nach ihrem beruflichen Werdegang Ausgangsberuf Hauswirtschafterin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei.

Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 04. November 2002.

Während des Widerspruchsverfahrens befand sich die Klägerin vom 10. Dezember 2002 bis 04. Januar 2003 in der H Klinik in S. Dort wurde ein chronifiziertes progredientes lumbales Pseudoradikulärsyndrom beidseits, degenerative Veränderungen und arthromuskuläre Dysfunktionen und eine depressive Episode diagnostiziert. Ihre Leistungsfähigkeit sei deutlich herabgesetzt und für längere Gehstrecken sollte sie zwei Unterarmgehstützen benutzen. Schweres Heben und Tragen müsse ebenso vermieden werden wie Arbeiten in Zwangshaltungen sowie ständiges Stehen oder Sitzen.

Die Beklagte ließ die Klägerin durch den Orthopäden Dr. H begutachten. Dieser diagnostizierte am 17. Februar 2003 ein pseudoradikuläres Lumbalsyndrom infolge von Bandscheibenzermürbungen bei L5/S1 und geringer bei L4/L5 und eine Blockierung beider Kreuzdarmbeingelenke, eine Adipositas und eine lumbale Hyperlordose mit lordotischer Einstellung der unteren Brustwirbelsäule im Sinne eines Stellungsfehlers. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten, auch die einer Hauswirtschafterin in einem Kinderheim, noch sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Aufgrund der Störungen an den Haltungs- und Bewegungsorganen sollten häufiges Bücken, Ersteigen von Leitern und Gerüsten sowie Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 5 kg ebenso wie häufige Zwangshaltungen vermieden werden. Bei der Untersuchung der unteren Extremitäten sei ein kleinschrittiger Gang aufgefallen, wobei aber beide Beine gleichmäßig belastet worden seien, die Schrittlänge sei symmetrisch gewesen und die Füße würden in der Standbeinphase über die Vorfüße normal abgerollt. Die Klägerin hatte hierzu angegeben, sie könne mit Unterarmstützen eine Wegstrecke von etwa 400 bis 500 m zurücklegen, dann seien die Schmerzen so heftig, dass sie sich hinsetzen müsse. Die Klägerin könne, so legte der Sachverständige dar, unter großstädtischen Verhältnissen eine einfache Wegstrecke von mehr als 500 m innerhalb von 20 Minuten täglich zurücklegen.

Gestützt hierauf wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2003 zurück.

Hiergegen hat sich die am 06. Juni 2003 beim Sozialgericht Neuruppin erhobene Klage gerichtet, zu deren Begründung die Klägerin vorgetragen hat, das ihr verbliebene Leistungsvermögen sei unzutreffend, nämlich zu günstig, beurteilt worden.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung (Berufsunfähigkeit hilfsweise) ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich hierzu auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen.

Die Klägerin hat eine Stellungnahme des behandelnden Orthopäden Dr. E zum Verfahren beigebracht, in dem die Auffassung vertreten worden war, die Klägerin sei chronische Schmerzpatientin und eine Belastbarkeit bestünde unter drei Stunden täglich. Darüber hinaus hat die Klägerin Entlassungsberichte verschiedener Krankenanstalt eingereicht.

Das Sozialgericht hat sodann die Chirurgin Dr. MH zur Sachverständigen ernannt, die ihr Gutachten am 03. Dezember 2003 erstattet hat. Frau Dr. H hat bei der Klägerin ein chronisches lumbales Pseudoradikulärsyndrom beidseits bei festgestellten Bandscheibenvorfällen L4/L5 und L5/S1 bei das Altersausmaß überschreitenden degenerativen Veränderungen im Lendenwirbelsäulenbereich sowie eine Adipositas festgestellt, die es nachvollziehbar erscheinen lasse, dass die Beschwerdesymptomatik ungünstig beeinflusst werde. Es bestünde eine erhebliche psychische Überlagerung der Klägerin, da ihre Anspruchshaltung keine Akzeptanz für den Schmerz und ein Leben mit dem Schmerz, das dennoch Aktivitäten zulasse, gegeben sei. Auf körperlichem Gebiet könne die Klägerin noch leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten vollschichtig verrichten und sie sei wegefähig. Zu empfehlen sei eine psychosomatische Zusatzbegutachtung, da davon auszugehen sei, dass die von der Klägerin empfundenen Schmerzen, die durch die körperlichen Befunde nicht belegt seien, Ursachen im psychischen Bereich hätten.

Das Sozialgericht hat daraufhin die Psychotherapeutin Dr. M zur Sachverständigen ernannt. Diese hat ihr Gutachten am 12. Mai 2004 erstattet und die Diagnosen einer Somatisierungsstörung und einer ängstlich-abhängigen Persönlichkeitsstörung mit phobischen Ängsten bei depressiv-zwanghafter Persönlichkeitsstruktur auf ihrem Fachgebiet gestellt. Die seelischen Erkrankungen ergäben eine leicht über das altersentsprechende Maß hinausgehende herabgesetzte Vitalität, eine verstärkte innere Anspannung und Angstbereitschaft, die sich auch in einer vermehrten Anspannung der Skelettmuskulatur mit daraus resultierender Fehlhaltung der körperlichen Statik manifestiere. Dies führe zu einer Verschlimmerung der durch die orthopädischen Erkrankungen verursachten Leiden mit einer deutlichen Diskrepanz zwischen den objektivierbaren Untersuchungsbefunden und dem subjektiv empfundenen Leiden und den daraus resultierenden Einschränkungen im Alltag. Es liege keine Simulation, sondern eine Somatisierung vor. Grundsätzlich seien solche Leiden durch psychotherapeutische Maßnahmen behandelbar, bei der Klägerin jedoch seien Introspektion und Selbstreflexion kaum gegeben und im Gespräch nicht zu entwickeln gewesen. Sie bleibe auf eine rein somatische Genese ihrer Beschwerden fixiert. Auch mit diesen vorliegenden psychischen Erkrankungen bestünde eine vollschichtige Belastbarkeit für leichte körperliche und mittelschwere geistige Tätigkeiten.

Sodann hat das Sozialgericht auf Antrag der Klägerin den Orthopäden Dipl. Med. R gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Sachverständigen ernannt. Dieser hat sein Gutachten am 23. Oktober 2004 erstattet und folgende Diagnosen gestellt:

1. rezidivierendes Zervikobrachialsyndrom bei Abnutzungserscheinungen der Halswirbelsäule 2. beginnende Coxarthrose beidseits 3. Gonarthrose beidseits 4. rezidivierende Lumboischialgie links mit sensomotorischen Defiziten bei Bandscheibenprotrusionen von L3 bis S1 5. Fibromyalgiesyndrom 6. chronische Schmerzkrankheit 7. depressive Verstimmtheit 8. Adipositas

Insbesondere sei von den Vorgutachtern das bestehende Fibromyalgiesyndrom nicht erkannt worden, die Diagnose richte sich nach den wissenschaftlich gesicherten Kriterien und führe dazu, dass die Klägerin nur noch zwei bis drei Stunden täglich arbeiten könne.

Das Sozialgericht hat dieses Gutachten der Sachverständigen Dr. H zur Stellungnahme zugeleitet, die dargelegt hat, sie verbleibe bei ihrer Auffassung. Die Diagnose einer Fibromyalgie sei nicht gesichert, da allein die Angabe, dass viele typische Tenderpoints bestünden, diese Diagnose nicht sichere. Vielmehr müsse im Gegenzuge geprüft werden, ob auch andere nichttypische Fibromyalgiepunkte schmerzhaft seien. Darüber hinaus seien für die Einschätzung der Leistungsfähigkeit nicht die Diagnosen relevant, sondern die sich daraus ergebenden körperlichen Einschränkungen.

Mit Urteil vom 28. Juli 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, das Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme habe ergeben, dass die Klägerin noch leichte Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten vollschichtig verrichten könne. Ausgangsberuf sei derjenige einer Hauswirtschafterin, den die Klägerin nicht erlernt habe, so dass sie auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei. dort jedoch könne sie mit dem festgestellten Leistungsvermögen noch mehr als sechs Stunden tätig sein.

Gegen dieses der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 27. September 2005 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung vom 20. Oktober 2005, in der erneut gerügt wird, das der Klägerin verbliebene Leistungsvermögen sei zu günstig beurteilt worden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 28. Juli 2005 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2003 zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung und teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren und die höhere Rente zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und durch die Ermittlungen des Senats für bestätigt.

Der Senat hat zunächst Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt und sodann den Chirurgen und Sozialmediziner Dr. B zum Sachverständigen ernannt. Dieser hat sein Gutachten am 29. Dezember 2005 erstattet. In dem Gutachten hat der Sachverständige folgende Diagnosen gestellt:

1. ausgeprägte degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit Neigung zu muskulären Reizzuständen, Fehlhaltung derselben, degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit Neigung zu ausgeprägten Lumbalgien 2. subjektiv empfundene Arthralgien an beiden Schultergelenken, rechts stärker als links, Ausschluss einer schwerwiegenden Funktions-beeinträchtigungen an beiden Schultergelenken 3. rezidivierende Hüftgelenksbeschwerden beidseits bei geringfügigem, nicht deformierendem und nicht gelenkspaltverschmälerndem Hüftgelenksverschleiß 4. mäßiger medial betonter Kniegelenksverschleiß beidseits 5. depressiv getonte Somatisierungsstörungen, Aggravationsverhalten

Die Klägerin habe die subjektive Vorstellung, nicht mehr erwerbsfähig sein zu können, die durch objektive Befunde nicht gestützt werden könne. Vielmehr könne sie leichte körperliche Arbeiten noch vollschichtig verrichten und sei wegefähig. Ob die Klägerin die Einsicht in die Notwendigkeit zur Gewichtsabnahme und zur psychotherapeutischen Führung aufbringen werde, sei nicht beurteilbar. Der Sachverständige hat mit Schreiben vom 14. März 2006 auf Einwendungen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin Stellung genommen. Der Senat hat sodann berufskundliche Unterlagen über den Beruf der Bürohilfskraft und ein Gutachten des Sachverständigen L im Rechtsstreit L 1 RJ 213/97 vor dem Landessozialgericht für das Land Brandenburg vom 14. Februar 2000 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Die Klägerin hat beantragt, den erstinstanzlichen Sachverständigen nach § 109 SGG, Dipl. Med. R, zur Erläuterung seines Gutachten zu hören. Sie hat ein Schreiben des Orthopäden Dr. E beigebracht, wonach dieser es als nicht sinnvoll angesehen habe, eine nochmalige Stellungnahme abzugeben, da die strittigen Punkte von den unterschiedlichen Gutachtern unterschiedlich interpretiert wurden, wobei er bei seinem Standpunkt verbleibe, dass die Klägerin nur unter drei Stunden belastbar sei, aber das sei sein Standpunkt.

Wegen des Sachverhaltes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Leistungsakte der Beklagten zur Versicherungsnummer verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist form- und fristgereicht erhoben, somit insgesamt zulässig.

Sie ist jedoch nicht begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, so dass die angefochtenen Bescheide der Beklagten und das sie bestätigende Urteil des Sozialgerichts die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen und daher keiner Beanstandung unterliegen.

Anspruchsgrundlage ist § 43 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch Rentenversicherung (SGB VI). Nach § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bei Erfüllung der allgemeinen und besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen die hier vorliegen und unstreitig sind Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte nach § 43 Abs. 2 SGB VI, wenn sie auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Lage des Arbeitsmarktes nicht zu berücksichtigen ist. Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben auch Versicherte, die wie die Klägerin vor dem 02. Januar 1961 geboren sind und berufsunfähig sind.

Berufsunfähig sind gemäß § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die Klägerin ist hiernach weil auch nicht berufsunfähig nicht teilweise erwerbsgemindert. Sei kann zumutbare Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben.

Ausgangspunkt der Beurteilung der Berufsunfähigkeit ist der bisherige Beruf. Dies ist in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, jedenfalls dann, wenn diese zugleich die qualitativ höchste ist (Bundessozialgericht BSG , SozR 2200 § 1246, Nrn. 53, 94, 130).

Ausgangsberuf der Klägerin ist der einer Hauswirtschafterin in einem Kinderheim. Dies ist zwar nicht die qualitativ höchste Tätigkeit der Klägerin, dies waren vielmehr die Lehrberufe der Verkäuferin und Agrotechnikerin; die Klägerin hat die Tätigkeit der Hauswirtschafterin jedoch zuletzt mehrjährig ausgeübt und nicht einmal behauptet, dass sie sich vom Beruf der Verkäuferin oder der Agrotechnikerin aus gesundheitlichen Gründen abgewandt hat.

Nach dem vom BSG zur Bestimmung der Wertigkeit eines Berufes entwickelten Mehrstufenschema werden die Arbeiterberufe in Gruppen eingeteilt, wobei jeweils die Verweisung auf eine Tätigkeit, die einer Gruppe tiefer als der Leitberuf zuzuordnen ist, sozial zumutbar ist. Die Klägerin ist demgemäß als angelernte Arbeitskraft in Tätigkeiten des Leitberufes der ungelernten Tätigkeiten, nämlich den allgemeinen Arbeitsmarkt, zumutbar vermittelbar. Daher bedarf es grundsätzlich nicht der Benennung eines konkreten Verweisungsberufes.

Auf den allgemeinen Arbeitsmarkt jedoch kann die Klägerin, wie sich aus den Feststellungen aller vom Gericht ernannten Sachverständigen ergibt, noch leichte Arbeiten über sechs Stunden täglich verrichten. Das entgegenstehende erstinstanzliche Gutachten des nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen Dr. R vermag dies nicht zu erschüttern. Die vom Senat bestellten Sachverständigen Frau Dr. H und Herr Dr. B führen insoweit aus, eine Fibromyalgie sei nicht gesichert, wobei insbesondere Frau Dr. H zu Recht darauf hinweist, dass allein der Diagnose "Fibromyalgie" keine Aussage zum Leistungsvermögen zu entnehmen ist. Konkrete Störungen, die sich gerade aus dieser Erkrankung ergeben, hat Dr. R nicht beschrieben ... vielmehr mag eine Fibromyalgie die Ursache der auch von Dr. B und Dr. H festgestellten und ihrer Beurteilung des Leistungsvermögens zugrunde gelegten Beschwerden und Funktionseinschränkungen sein. Wenn diese Sachverständigen weiter ausführen, aus den Veränderungen der Lendenwirbelsäule im Zusammenhang mit dem Übergewicht der Klägerin und ihrer Fixiertheit auf diese Leiden ergäbe sich ein deutlich herabgesetztes Leistungsvermögen, so überzeugt dies ebenso, wie die Schlussfolgerung, dass bei Beachtung der sich daraus ergebenden Leistungsbeeinträchtigungen eine Einsatzfähigkeit für eine leichte Arbeit vollschichtig bestünde. Wer erhebliche Schwierigkeiten am Stütz- und Bewegungsapparat hat, ist regelmäßig nicht in der Lage, sich länger bestimmten Zwangshaltungen auszusetzen. Es ist dementsprechend ein Wechsel der Haltungsarten notwendig. Insoweit stimmen die Sachverständigen überein. Darüber hinaus spricht auch nichts dagegen, dass dann, wenn diese Leistungseinschränkungen beachtet werden, durch eine Berufstätigkeit keine wesentlich andere körperlicher Leistungsanforderung besteht, als etwa durch einen Aufenthalt in häuslicher Umgebung. Eine leichte Bürotätigkeit zum Beispiel, die weder mit dem Heben und Tragen von Lasten noch mit körperlichen Zwangshaltungen verbunden ist und die den Wechsel der Haltungsarten ermöglicht, belastet nicht wesentlich anders als übliche Verrichtungen des täglichen Lebens.

Wenn der erstinstanzliche Sachverständige Dr. R demgegenüber einschätzt, eine tägliche Arbeitsbelastung sei lediglich unter drei Stunden zumutbar, so kann dies aus seinem Gutachten nicht nachvollzogen werden. Wörtlich heißt es unter Ziffer 2. seines Gutachtens: "Der Klägerin ist eine tägliche Arbeitsbelastung lediglich unter drei Stunden zumutbar.". Unter Ziffer 3. heißt es: "Selbst umfangreiche Einschränkungen der Arbeitsbelastung, wie etwa körperliche Leistungsfähigkeiten in wechselnden Arbeitshaltungen, Vermeidung von Zwangshaltung, Schutz von Unterkühlung und Durchnässung, Vermeiden von Arbeiten unter Zeitdruck können bei der Klägerin nicht zu einer Möglichkeit der täglichen Arbeitsbelastung über drei Stunden führen.".

Diese apodiktischen Behauptungen werden nicht begründet. Dargelegt wird lediglich, diese ergebe sich aus der Diagnose des Fibromyalgiesyndroms. Hierzu hat die Sachverständige Dr. H dargelegt, dass allein eine Diagnose nicht maßgeblich sein könne. Selbst diese sei aber aufgrund der von Dr. R durchgeführten Untersuchungen nicht bestätigt, da er lediglich positive Tenderpoints gefunden, jedoch nicht den negativen Ausschluss der Schmerzempfindlichkeit an anderen Stellen als an den Tenderpoints beschrieben habe. Hierauf hat Dr. R mit Stellungnahme vom 09. Mai 2005 eingeräumt: " Bezüglich der weiteren Abklärung der Diagnose Fibromyalgie gehe ich mit Frau Dr. H konform und würde eine diagnostische Untersuchung bei einem Rheumatologen befürwortet, ohne jedoch ein anderes Ergebnis als eine Diagnosebestätigung zu erwarten." Dr. R legt damit seiner Beurteilung eine Diagnose zugrunde, die so nicht gesichert ist und folgert allein aus dieser Diagnose die von ihm angegebene Leistungsbeschränkung. Vor diesem Hintergrund überzeugt es, wenn die Sachverständige Dr. H hierzu in der Stellungnahme vom 23. Januar 2005 ausführt, dass nicht die Diagnose relevant sei, sondern die sich daraus ergebenden körperlichen Leistungseinschränkungen. Zur Begründung seiner Leistungseinschränkung gibt Dr. R(auf Seite 15 seines Gutachtens) ein Zitat aus "Prof. Gräfenstein, Klinische Rheumatologie – 2001, Seite 179 wieder: "Für Erkrankte mit Fibromyalgie eine Berentung nur unumgänglich, wenn das Leistungsvermögen und die Leistungsfähigkeit so eingeschränkt sind, dass nur 2-3 stündiges Arbeiten möglich erscheint, soziale Kontakte gemindert sind und Funktionseinschränkungen für Arbeiten in Kälte, Nässe und unter Zeitdruck und im Wechselrhythmus vorliegen." Er sagt dann lediglich: "Diese Fakten sind aus meiner Sicht bei der Klägerin gegeben". Auch für den Senat ist in Ermangelung entsprechender Untersuchungsbefunde nicht ersichtlich, weshalb Dr. R "diese Fakten" für gegeben hält, zumal auch der von ihm zitierte Prof. Gräfenstein die Diagnose "Fibromyalgie" allein nicht für ausreichend hält, sondern eine daraus folgende Leistungseinschränkung.

Auch der Sachverständige Dr. B gelangt zu einer Leistungseinschätzung wie bei Frau Dr. H, indem er darlegt, dass bei den gefundenen Diagnosen er findet ebenfalls keine Fibromyalgie eine vollschichtige Einsatzfähigkeit für leichte Arbeiten bei im Einzelnen genannten qualitativen Leistungseinschränkungen vorliegt. Beide Sachverständigen halten die Klägerin auch für in der Lage täglich vier Wege von mehr als 500 Metern in jeweils 20 Minuten zurückzulegen. Zwar hat Dr. R auch insoweit eine Einschätzung als "aus orthopädischer Sicht nicht wegefähig" gegeben, hierfür aber als Begründung nur angegeben, sie laufe an zwei Unterarmgehstützen. Die Klägerin selbst hat dazu nur ausgeführt, maximal 150 Meter "spazieren" zu gehen und sich dann hinsetzen zu müssen. Für die Benutzung der Gehstützen hat Dr. Br keinen zwingenden Grund gesehen, da die klinischen Befunde nicht so schwerwiegend seien. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit auf Strecken bis 500 Meter resultiert daraus nach Dr. B nicht. Bestehen schon Zweifel an der Notwendigkeit der Gehstützen, kann allein aus deren Benutzung nicht auf eine Einschränkung der Geh-Leistung dahin geschlossen werden, dass für 500 Meter mehr als 20 Minuten erforderlich sind. Auch von daher überzeugt die von Dr. R ebenfalls ohne weitere Begründung angegebene Wegstrecke nicht.

Auf psychischem Gebiet schließlich ist die Klägerin durch die Sachverständige Dr. M untersucht worden, so dass auch insoweit keine Veranlassung besteht, wie von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin angeregt, ein weiteres Gutachten einzuholen. Die Sachverständige Dr. M hat sich in der Leistungsbeurteilung im Wesentlichen auf die Chirurgin Dr. H bezogen und dann ausgeführt, auf ihrem Sachgebiet liege eine Somatisierungsstörung vor, die jedoch nicht zu wesentlichen darüber hinausgehenden Leistungsbeeinträchtigungen führe.

Die mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2006 beantragte Vernehmung des erstinstanzlichen Sachverständigen Dr. R hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt. Der Senat sah dafür auch keinen Grund, zumal ihr bereits zuvor mitgeteilt worden war, dass weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht beabsichtigt sind. Der Senat hat – wie ausgeführt – die Ergebnisse der Sachverständigen Dr. H und Dr. B sowie das Gutachten des Sachverständigen Dr. R gegeneinander abgewogen und hält die Einschätzung der erstgenannten für überzeugend. Die Bestellung eines Sachverständigen nach § 109 SGG – also auch des bereits erstinstanzlich nach § 109 SGG gehörten Dr. R – hat die Klägerin ausdrücklich nicht beantragt (Schriftsatz vom 11. Mai 2006). Auch die Anhörung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung ist insoweit Teil der Begutachtung nach § 109 SGG. Dementsprechend war Dr. R auch nicht nach § 411 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) zu hören, zumal der Antrag mangels Konkretisierung auch nicht zur weiteren Sachaufklärung geeignet ist. Was Dr. R über seine mehrmaligen schriftlichen Darlegungen hinaus angeben sollte, ist aus dem Vortrag der Prozessbevollmächtigten der Klägerin auch nicht ersichtlich.

Als Ergebnis der Beweisaufnahme lässt sich somit nicht feststellen, dass die Klägerin nicht in der Lage sei, mehr als sechs Stunden täglich einer leichten Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes nachzugehen.

Da die Klägerin jedoch als Hauswirtschafterin eine Anlerntätigkeit ausgeübt hat und dementsprechend auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar ist, ist sie somit nicht berufsunfähig, ohne dass ein konkreter Verweisungsberuf benannt werden müsste. Jedoch ist festzustellen, dass nach den beigezogenen Unterlagen und insbesondere dem Gutachten des Sachverständigen L die Klägerin durchaus in der Lage wäre, als Bürohilfskraft zu arbeiten.

Somit ist der Klägerin auch keine Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI zu gewähren.

Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI müsste die Klägerin außerstande sein, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Bei dem bereits dargelegten mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen liegen diese Voraussetzungen, die noch weitergehende Leistungseinschränkungen als bei der teilweisen Erwerbsminderung erfordern, nicht vor.

Die Berufung muss daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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