L 2 U 208/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 246/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 208/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 44/07 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 19. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind die Folgen eines Arbeitsunfalles vom 19.12.1985.

Der 1958 geborene Kläger beantragte am 12.12.2003 die Zahlung einer Unfallrente wegen Chemikalienvergiftung durch Wasserstoffperoxid (H2O2) am 19.12.1985. Durch diesen Unfall sei es bei ihm zu einer Lebererkrankung und zu Zeugungsunfähigkeit gekommen.

Er übersandte einen Arztbrief von Prof. Dr. L. vom 20.12.1985; danach war er vom 19.12.1985 bis 20.12.1985 stationär behandelt worden wegen toxischer Konjunktivitis bei Chemikalienkontamination, Ausschluss eines toxischen Lungenödems. Der Kläger habe am 19.12.1985 Flüssigkeitsspritzer einer Lösung in die Augen und ins Gesicht bekommen. Es sei daraufhin zu Augenbrennen und einer wenige Minuten andauernden Atemnot gekommen. Der behandelnde Allgemeinarzt habe eine sofortige Augenspülung vorgenommen und die notfallmäßige Einweisung in die Klinik veranlasst. Bei der stationären Aufnahme habe bereits keine Atemnot mehr bestanden. Der klinische Befund habe an Haut und Haaren keine Verätzungen gezeigt, dagegen eine massive Konjunktivitis beidseits. Die Lunge sei unauffällig gewesen, die Herzaktion regelmäßig. Nach Angaben der Firma sei die Substanz toxikologisch dem Wasserstoffperoxid gleichzusetzen, mäßig toxisch, haut- und augenreizend. Die Zeichen der Konjunktivitis hätten sich rasch zurückgebildet. Von pulmonaler Seite sei es zu keinerlei Komplikationen gekommen. Daher sei der Kläger am 20.12.1985 aus der stationären Behandlung entlassen worden. Der Augenarzt Dr. E. berichtete am 20.12.1985, beim Kläger habe sich ein Zustand nach leichter Verletzung der Bindehaut links mehr als rechts gezeigt. Die Kontrolluntersuchung am 20.12.1985 habe beiderseits nur noch eine geringe konjunktivale Injektion bei reizfreiem Hornhautbefund ergeben.

Die Orthopädische Klinik T. führte im Entlassungsbericht nach stationärem Aufenthalt des Klägers vom 25.01. bis 22.02.2000 aus, es bestünden ein LWS-Syndrom bei Prolaps, Cervicocranialsyndrom, bakterielle Konjunktivitis, Verdacht auf nutritiv-toxischen Leberparenchymschaden und Hyperlipidämie. Der Urologe Dr. Z. erklärte am 13.10.2003, der Kläger sei bereits seit Juli 1987 wegen Zeugungsunfähigkeit erfolglos behandelt worden. Auch seine Bemühungen hätten zu keiner Besserung der Beeinträchtigung geführt. Es sei erforderlich, den eventuellen Zusammenhang dieser Fertilitätsstörung mit dem Arbeitsunfall vom 19.12.1985 zu klären. Im Schreiben vom 12.02.1988 hatte Dr. Z. ausgeführt, die Anamnese enthalte keinen Hinweis auf eine Erkrankung oder Verletzung, die eine Fertilitätsstörung hätte verursachen können.

Der Internist Dr. H. führte in den Schreiben vom 15.01.2004 und 29.01.2004 aus, die geringfügige Erhöhung der Gamma GT habe bereits vor dem Kontakt mit H2O2 bestanden. Eine Hepatitisserologie vom 28.11.2003 habe einen Befund wie bei abgelaufender Hepatitis-B-Infektion ergeben.

Die Dermatologische Klinik E. berichtete, die Einschränkung der Fertilität sei höchstwahrscheinlich nicht auf die Exposition mit H2O2 zurückzuführen.

Der ärztliche Berater der Beklagten, Prof. Dr. W. , Chefarzt der Medizinischen Klinik F. , erklärte am 02.06.2004, das Unfallereignis mit Haut- und Augenkontakt gegenüber Wasserstoffperoxid sei nicht geeignet, Leberschäden bzw. Zeugungsunfähigkeit hervorzurufen.

Mit Bescheid vom 23.06.2004 erkannte die Beklagte den Unfall vom 19.12.1985 als Arbeitsunfall an. Unfallfolgen seien: folgenlos verheilte Reizung der Bindehaut des linken Auges nach leichter Verätzung durch nicht mehr genau bestimmbare wasserstoffperoxidähnliche Chemikalie. Als Unfallfolge würden nicht anerkannt: Lebererkrankung, eingeschränkte Zeugungsfähigkeit. Ein Anspruch auf Zahlung einer Rente bestehe nicht.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.08.2004 zurück.

Im hiergegen gerichteten Klageverfahren übersandte der Kläger ein Attest des Chirurgen Dr. T. , der bescheinigte, der Kläger sei vom 19. bis 20.12.1985 im Krankenhaus W. und im Anschluss daran vom 20.12.1985 bis 17.01.1986 behandelt worden.

Der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Arbeitsmediziner Prof. Dr. D. führte im Gutachten nach Aktenlage (der Kläger lehnte eine Untersuchung ab) vom 08.11.2005 aus, bei der beim Arbeitsunfall ausgetretenen Substanz handle es sich um ein organisches Peroxid, das als brandfördernd, ätzend und umweltgefährdend eingestuft sei. Die Hauptaufnahmewege verliefen über den Atemtrakt und die Haut. Bei Direktkontakt könnten Augenschäden, eine reizende Wirkung auf Haut und Schleimhäute, auf das zentrale Nervensystem und das Blut auftreten. Die von den erstbehandelnden Ärzten angegebene wenige Minuten andauernde Atemnot und das danach völlige Fehlen von Atemwegssymptomen ließen auf eine eher geringfügige Kontamination schließen. Auch werde keine Schädigung der Haut beschrieben, obwohl der Stoff eine starke Reizwirkung auf die Haut ausübe. Neurologische Symptome seien ebenfalls nicht beschrieben. Das Blutbild sei unauffällig gewesen. Somit könne weder von einer relevanten akuten Intoxikation noch von einer chronischen Belastung mit der beschriebenen Substanz ausgegangen werden. Abgesehen von der akuten, mittlerweile jedoch vollständig ausgeheilten Augenverletzung bestünden keine Anzeichen für eine Gesundheitsschädigung. Außer serologisch nachweisbaren Virushepatitiden sei dem Akteninhalt bis 2003 kein auffälliger Laborparameter zu entnehmen. Die 2003 festgestellten erhöhten Transaminasenwerte seien sehr gut durch eine vorangegangene Hepatitis B, nicht aber durch einen Arbeitsunfall von 1985 erklärbar. Eine andere mögliche Ursache sei der jahrelange Analgetikakonsum. Von einer schweren Lebererkrankung sei nicht auszugehen.

Der Kläger leide an einer Fertilitätsstörung aufgrund einer verminderten Beweglichkeit und Vitalität der Spermien. Die Ursachen für männliche Infertilität seien äußerst vielfältig und reichten von Störungen des Immunsystems über Stressfolgen, Ejakulationsstörungen, Hormonsekretionsstörungen, Medikamenteneinnahme, Infektionen bis zu der Bildung von Antikörpern. Im Übrigen müssten die Ursachen der Kinderlosigkeit nicht allein auf Seiten des Klägers liegen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19.06.2006 abgewiesen und sich dabei auf das Gutachten von Prof. Dr. D. gestützt.

Mit der Berufung vom 23.06.2006 wendet der Kläger ein, er habe am 19.12.1985 nicht nur eine leichte Konjunktivitis erlitten, sondern sei fast tot gewesen. Er habe zwei Tage auf der Intensivstation gelegen.

Der Kläger stellt den Antrag,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 19.06.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 23.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.08.2004 zu verurteilen, bei ihm Zeugungsunfähigkeit und Leberschaden als Folge des Arbeitsunfalls vom 19.12.1985 festzustellen und ihn zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Akte der Beklagten sowie des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht Regensburg die Klage abgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen wird (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist nochmals darauf hinzuweisen, dass keiner der behandelnden Ärzte wesentliche Gesundheitsstörungen, die auf den Arbeitsunfall vom 19.12.1985 zurückzuführen wären, festgestellt hat. Insbesondere ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte, dass der leichte Leberschaden und eine eventuelle Zeugungsunfähigkeit durch die Exposition gegenüber Schadstoffen verursacht sind. Wie Prof. Dr. D. überzeugend ausgeführt hat, lassen sich vergiftungsbedingte Erkrankungen nicht feststellen.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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