L 4 KR 3536/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 7898/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 3536/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 06. Juli 2005 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Urteilstenor wie folgt gefasst wird: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.072,94 EUR zu zahlen.

Die Beklagte trägt sechs Siebtel, die Klägerin ein Siebtel der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens. Die Beklagte trägt sechs Siebtel, die Klägerin ein Siebtel der Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren L 4 KR 3536/05 wird bis 24. November 2005 auf 3.584,68 EUR und anschließend auf 3.072,93 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten noch darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin 3.072,94 EUR zu bezahlen.

Die Klägerin ist Inhaberin der F.-Apotheke in S ... Am 25. Juli 2003, einem Freitag, wurde ihr nach einer vorherigen telefonischen Erkundigung, ob das Medikament vorrätig sei, eine Verordnung über das Arzneimittel "1 x Genotropin 12 mg, 5 Zweikammerpatr. N 1" vorgelegt. Die Verordnung datierte vom 22. Juli 2003 und war ausgestellt auf "A. C., W. Straße , S., geb. am ...". Die Verordnung trug den Arztstempel "Dr. M. E., Facharzt für Kinderheilkunde, O.-str., S.". Der Vertragsarztstempel enthielt die Vertragsarztnummer 7212 232. Eine Mitarbeiterin der Klägerin gab das Medikament aus. Die Taxe belief sich auf 3.584,68 EUR.

Die Klägerin legte die Verordnung über das Abrechnungszentrum Emmendingen an die auf der Verordnung genannte Beklagte zur Abrechnung vor. Diese lehnte die Bezahlung gegenüber dem Abrechnungszentrum Emmendingen mit Schreiben vom 09. Dezember 2003 ab. Die Belieferung sei auf einem offensichtlich nicht von einem Vertragsarzt ausgestellten Rezept erfolgt. Klarer erkennbarer Anhaltspunkt für eine missbräuchliche Verwendung sei die Arztnummer (7212 ...). Apotheker besäßen Kenntnis über die Vergabe von bestimmten Arztnummer entsprechend der Zugehörigkeit des Vertragsarztes zur Kassenärztlichen Vereinigung. Im Raum Stuttgart begännen alle Vertragsarztnummern mit 61. Bei dem verordneten Medikament handle es sich um ein Wachstumshormon, das genau wie Anabolika einen muskelaufbauenden Effekt hervorrufe. Gerade bei solchen Medikamenten müsse ein Apotheker eine kritische Sorgfalt bei der Aushändigung der Präparate beachten.

Mit Schreiben vom 03. Februar 2004 wies der Landesapothekerverband Baden-Württemberg die Beklagte darauf hin, der Arzneiliefervertrag (Arzneilieferungsvertrag zwischen dem Landesapothekerverein Baden-Württemberg e.V. und dem Landesverband der Ortskrankenkassen Württemberg-Baden, dem Verband der Ortskrankenkassen Rheinland-Pfalz, Südbaden und Südwürttemberg-Hohenzollern, Lahr, dem Landesverband der Betriebskrankenkassen Baden Württemberg, dem Landesverband der Innungskrankenkassen Baden Württemberg, der Landwirtschaftlichen Krankenkassen Baden-Württemberg, der Badischen Landwirtschaftlichen Krankenkasse sowie der Bundesknappschaft in München vom 01. April 1978 - ALV - ) sehe vor, dass der auf dem Rezept vermerkte Kostenträger zahlungspflichtig sei. Die Krankenkasse habe bei Rezeptfälschungen nur das Recht einer Zurückweisung der Zahlung, wenn diese offensichtlich erkennbar sei. Eine offensichtliche Erkennbarkeit der Fälschung liege jedoch nicht vor. Weder ihm (dem Landesapothekeverband) und erst recht nicht einzelnen Apothekern vor Ort seine Vertragsarztnummern bekannt. Sie verfügten über keinerlei Informationen bezüglich der Vergabe der Vertragsarztnummer oder über ein Verzeichnis von Vertragsarztnummern. Eine Überprüfung dieser Nummer durch den Apotheker sei deshalb nicht möglich. Eine solche Überprüfung gehöre auch nicht zur Prüfpflicht bei der Abgabe des Arzneimittels. Die Belieferung des Rezeptes durch die Klägerin sei deshalb ohne positive Kenntnis darüber, dass es sich um eine Fälschung gehandelt habe, erfolgt.

Mit Schreiben vom 10. März 2004 wies die Beklagte den Landesapothekerverband darauf hin, dem Apotheker obliege die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. Diese Tätigkeit schließe auch die Mitwirkung bei der Prävention gegen Rezeptfälschungen ein. Apotheker hätten dem Arzneimittelfehlgebrauch entgegenzuwirken. Einzig und allein der Apotheker könne durch seine pharmazeutische Kompetenz bei der Verordnung von Wachstumshormonen eine missbräuchliche Verwendung ausschließen, indem er gegebenenfalls Kontakt mit dem verordnenden Arzt aufnehme, sich über die Notwendigkeit der medizinischen Indikation Gewissheit verschaffe und zwischen einem möglichen Missbrauch und einer medizinischen Indikation differenzieren könne. Dies gelte umso mehr in Fällen, in denen der Patient die Apotheke wiederholt aufsuchen müsse, da man von einer Vorratshaltung des Präparates nicht ausgehen könne. Aus dem Rezept ergebe sich ein konkreter Verdacht auf einen Missbrauch. Dieser Verdacht dränge sich wegen der abweichenden Vertragsarztnummer im Blankoformular und dem Eindruck des Vertragsarztstempels mit einer Stuttgarter Adresse auf. Aufgrund der Erfahrung des Apothekers müsse von der Kenntnis der ortsüblichen Vertragsarztnummern ausgegangen werden.

Mit Schreiben vom 01. September 2004 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die Verordnung zu bezahlen. Apotheker hätten keine Kenntnis der "ortsüblichen Vertragsarztnummer". Auch der Landesapothekerverband habe mitgeteilt, dass weder er und erst recht nicht ein einzelner Apotheker Informationen über die Vertragsarztnummern hätten. Unzutreffend sei auch die Vermutung, der Abholer habe die Apotheke wiederholt aufsuchen müssen. Sie (die Klägerin) sei am fraglichen Tag angerufen worden. Der Anrufer habe sich erkundigt, ob das verordnete Präparat vorrätig sei und ob er es gegen Abend abholen könne. Aus diesem Grund sei das Medikament dann vorrätig gewesen. Die Verordnung sei von einem Kinderarzt für ein Kind ausgestellt worden. Auch im Übrigen könne das Formular zu keinerlei Misstrauen Anlass geben.

Dem hielt die Beklagte mit Schreiben vom 15. September 2004 entgegen, die Verordnung sei nachweislich auf einem Verordnungsblock ausgestellt worden, der für einen Berliner Arzt bestimmt gewesen sei. Dies sei erkennbar an der Vertragsarztnummer, die bereits durch die Druckerei auf dem Rezept aufgedruckt worden sei. Die Vertragsarztnummern seien in den einzelnen Bundesländern nicht identisch. Die Recherche habe ergeben, dass die verwendete Vertragsarztnummer an einen Facharzt für Frauenheilkunde in Berlin vergeben sei. Einen Kinderarzt Dr. E. gebe es in Stuttgart nicht. Mit diesem Namen sei lediglich in Leipzig eine Kinderärztin tätig. Deren Vertragsarztnummer sei aber nicht mit der auf der Verordnung angegebenen Nummer identisch. § 3 Abs. 13 ALV regle ausdrücklich, dass die Krankenkassen gefälschte Verordnungen nicht zu zahlen hätten, wenn die Fälschung bei Wahrung der erforderlichen Sorgfalt erkennbar gewesen sei. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass es sich bei dem verordneten Medikament Genotropin um ein Medikament mit einem Beschaffungswert von ca. 1.500,00 EUR je Verordnung handle. Es sei allgemein bekannt, dass Wachstumshormone einen verstärkten Absatz in Bodybuilder-Kreisen fänden, die sich auf illegalem Wege dieses Präparat zu verschaffen versuchten. Dabei werde auch vor Rezeptfälschungen nicht zurückgeschreckt. In Berlin habe sich, nachdem auch hier verstärkt gefälschte Genotropin-Verordnungen zur Einlösung vorgelegt worden seien, eine bestimmte Vorgehensweise entwickelt, die sowohl die betreffenden Apotheken als auch die Krankenkassen vor unberechtigten Arzneimittelkosten bewahre. Die Apotheken, die das Präparat nicht auf Vorrat hätten, versicherten sich bei dem auf der Verordnung angegebenen Arzt und bäten um Bestätigung, dass er die vorliegende Verordnung ausgestellt habe. Nur wenn eine solche Betätigung erfolge, würde das Präparat bestellt und an den betreffenden Kunden abgegeben. Man müsse von einem höheren Sorgfaltsmaßstab ausgehen, als im ALV ursprünglich gemeint gewesen sei. Es sei vom zivilrechtlichen Fahrlässigkeitsbegriff auszugehen. Fahrlässig handele, wer im Verkehr die erforderliche Sorgfalt außer Acht lasse. Dabei gelte ein objektiv- abstrakter Sorgfaltsmaßstab. Erforderlich sei ein Maß an Umsicht und Sorgfalt, das nach dem Urteil eines besonnenen und gewissenhaften Angehörigen des in Betracht kommenden Verkehrskreises zu beachten sei. Es sei allgemein bekannt, dass Wachstumshormone missbräuchlich benutzt würden. Darüber hätten Medien ausführlich berichtet. Um in den Besitz von Verordnungen zu kommen, hätten unberechtigte Dritte entweder Verordnungen aus Arztpraxen gestohlen oder sich diese auf bisher unbekannten Weg von entsprechenden Druckereien beschafft. Die Fälschung von Arztstempeln sei heutzutage kein Problem mehr. Vor diesem Hintergrund müsse von jedem Apotheker, der eine solche Verordnung zur Einlösung vorgelegt bekomme, erwartet werden, dass er ein besonderes Augenmerk darauf richte. Er genüge seiner Sorgfaltspflicht u. a nur, indem er telefonisch bei dem auf der Verordnung angegebenen Arzt nachfrage und sich die Verordnung von diesem bestätigen lasse. Eine solche Nachfrage sei dem Apotheker auch zumutbar. Im vorliegenden Fall komme noch hinzu, dass die Vertragsarztnummer in keinem Fall einem Stuttgarter Vertragsarzt zuzuordnen sei.

Die Klägerin machte demgegenüber geltend, die beschriebene besondere Verfahrensweise der Apotheker in Berlin sei im Raum Stuttgart nicht anzutreffen. Selbst wenn man davon ausgehe, dass es bei vereinzelten Apotheken in Berlin tatsächlich die behauptete Verfahrensweise gebe, würde dies keinen gesteigerten Sorgfaltsmaßstab für alle Apotheken in Berlin zur Folge haben. Die in Stuttgart ansässigen Apotheker könnten die Vertragsarztnummer keinem Arzt zuordnen, da ihnen solche Nummern nicht bekannt seien. Eine Prüfung der Vertragsarztnummer erfolge deshalb nicht. Die beschriebene "Berliner Vorgehensweise" sei insbesondere auch nicht mit den Vorschriften der ALV vereinbar. Ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab könne nicht grundsätzlich dann angenommen werden, wenn ein Medikament teurer, nicht vorrätig oder irgendwie verdächtig sei. Ihr sei es im vorliegenden Fall über die ohnehin vorgenommene Plausibilitätsprüfung (Wachstumshormon, Alter des Patienten und Kinderarzt) hinaus nicht möglich gewesen, die Verordnung zu kontrollieren. Die Beklagte hielt mit Schreiben vom 01. November 2004 an ihrer bisherigen Auffassung fest.

Die Klägerin hat am 29. November 2004 Klage beim Sozialgericht Stuttgart erhoben. Zur Begründung hat sie sich im Wesentlichen auf den in der vorgerichtlichen Korrespondenz geäußerten Standpunkt bezogen und ergänzend ausgeführt, sie habe im konkreten Fall überhaupt nicht die Möglichkeit gehabt, sich bei dem verschreibenden Arzt zu erkundigen. Das Medikament sei telefonisch bestellt worden. Die Verordnung sei erst bei der Abholung des Medikaments übergeben worden. Sie hätte also gar nicht die Zeit gehabt, sich noch mit dem Arzt in Verbindung zu setzen. Das Medikament sei erst abends abgeholt worden, so dass auch vom zeitlichen Ablauf her eine Nachfrage beim Kinderarzt nicht mehr möglich gewesen wäre. Unter der auf dem Arztstempel angegebenen Telefonnummer sei lediglich ein Faxgerät und unter der angegebenen Mobilfunknummer nur eine Mailbox zu erreichen. Eine Nachfrage hätte deshalb nichts ergeben. Der ALV schreibe keine ausdrückliche Prüfungspflicht vor. Er schließe lediglich die Belieferung von Verordnungen aus, bei denen bei Wahrung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt eine Fälschung erkennbar sei. Keinesfalls könne von einem Apotheker gefordert werden, dass er sich bei den ausschreibenden Ärzten jeweils persönlich nach der Echtheit der Verordnung erkundige.

Die Beklagte hat sich ebenfalls auf ihren bisherigen Rechtsstandpunkt bezogen und ergänzend ausgeführt, der Landesapothekenverband Berlin und die Kriminalpolizei hätten die Berliner Apotheken darüber informiert, dass Fälschungen der Verordnungen über Genotropin im Umlauf seien. Vor Ausgabe des Präparats solle Verbindung mit dem verschreibenden Arzt aufgenommen werden. Nach Auskunft einer Berliner Apotheke gebe es in Berlin nur wenige Ärzte, die Patienten mit Wachstumsstörungen behandelten. Dies sei den Apothekern bekannt. Weshalb dies im Raum Stuttgart nicht der Fall sein solle, erschließe sich ihr (der Beklagten) nicht. Eine Internetrecherche habe ergeben, dass in Stuttgart lediglich zwei Arztpraxen und das Pädiatrische Zentrum im Olgahospital eine Behandlung von Kindern mit Wachstumsstörungen durchführten. Die Klägerin habe nicht geschildert, wann sie die mit der Klage geschilderten Anrufversuche unternommen habe. Es sei auch nicht üblich, dass dem Praxisstempel eine Mobilfunknummer aufgedruckt sei. In Stuttgart würden alle Vertragsarztnummern mit den Ziffern 61 beginnen. Die Klägerin betreibe ihre Apotheke in Stuttgart und habe deshalb täglich mit Forderungen aus Stuttgart zu tun.

Das Sozialgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 06. Juli 2005 verurteilt, an die Klägerin 3.584,68 EUR zu zahlen. Dem Vergütungsanspruch der Klägerin stehe § 3 Abs. 13 ALV nicht entgegen. Sie habe bei Auslieferung des Medikamentes nicht gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verstoßen. Das der Klägerin übergebene Arzneiverordnungsblatt sei vollständig ausgefüllt gewesen und habe die notwendigen Angaben enthalten. Aufgrund der angegebenen Vertragsarztnummer habe kein Anlass für die Klägerin bestanden, die Richtigkeit der Arzneimittelverordnung zu bezweifeln. Die Vertragsarztnummer sei im Verhältnis zwischen Apotheke und verordnendem Vertragsarzt ohne jegliche Relevanz. Weder die Apotheker noch der Landesapothekenverband Baden-Württemberg verfügten über Informationen bezüglich der Vergabe von Vertragsarztnummern. Für die Apotheker sei mangels entsprechender Informationen weder zu erkennen, ob die Vertragsarztnummer aller in Stuttgart niedergelassener Vertragsärzte tatsächlich mit denselben Ziffern beginne. Der Apotheker könne anhand dieser Nummern auch nicht feststellen und überprüfen, ob die Vertragsarztnummer mit dem Namen des verordnenden Vertragsarztes übereinstimme. Eine erhöhte Sorgfaltspflicht habe die Klägerin nicht getroffen. Dass ein Medikament nicht vorrätig sei, einen hohen Preis habe und eine Missbrauchsgefahr bestehe, begründe eine erhöhte Sorgfaltspflicht nicht. Für die Klägerin habe deshalb vor Abgabe keine Verpflichtung bestanden, Rücksprache mit dem verordnenden Arzt zu halten. Auch der Umstand, dass in Stuttgart nur wenige Kinderärzte Patienten mit Wachstumsstörungen behandelten, begründe keine erhöhte Sorgfaltspflicht. Genotropin könne von jedem Vertragsarzt, insbesondere von jedem Facharzt für Kinderheilkunde verordnet werden. Eine Beschränkung auf bestimmte Ärzte bestehe nicht. Darüber hinaus spreche gegen eine Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, dass nach Vorbringen der Beklagten im gesamten Bundesgebiet gefälschte Verordnungen von Genotropin von Apotheken beliefert worden seien, ohne dass die Fälschungen aufgefallen seien.

Gegen das ihr am 29. Juli 2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26. August 2005 Berufung eingelegt. Die Klägerin und auch das Sozialgericht hätten versäumt, den Apothekenrabatt in Höhe von 247,89 EUR, den Großhandelsrabatt in Höhe von 107,54 EUR und den Herstellerrabatt in Höhe von 156,32 EUR, insgesamt 511,75 EUR, in Abzug zu bringen. Darüber hinaus habe das Sozialgericht nicht gesehen, dass bei der Einlösung der Verordnung eine vom üblichen abweichende Vorgehensweise vorgenommen worden sei. Bei der Klägerin sei am Freitag telefonisch nachgefragt worden, ob das Präparat vorrätig sei. Diese Vorgehensweise erscheine ungewöhnlich, weil die Abholung erst am Abend erfolgt sei. Die Abholung sei wahrscheinlich kurz vor Ende der Öffnungszeiten erfolgt. Eine erhöhte Sorgfalt hätte auch deshalb bestanden, weil die Bestellung zunächst telefonisch erfolgt sei. Die Klägerin habe das Präparat bestellt, ohne dass sie zu diesem Zeitpunkt die Plausibilität der Verordnung hätte überprüfen können. Dies, der hohe Preis und die Missbrauchsgefahr begründeten eine erhöhte Sorgfaltspflicht.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hat die Klage in Höhe von 511,75 EUR in der nichtöffentlichen Sitzung vom 24. November 2005 zurückgenommen. Ergänzend führt sie aus, die Bestellung und die Abgabe des Medikaments sei von ihren Mitarbeiterinnen durchgeführt worden. Das Medikament sei von einem Mann telefonisch bestellt worden und von einer Frau mittleren Alters abgeholt worden. Das Medikament sei im Kühlschrank aufbewahrt worden. Eine Bestellung tagsüber könne innerhalb von drei Stunden an die Apotheke geliefert werden. Sie hätte das Medikament auch an den Großhändler zurückgeben können, sofern das Medikament die Apotheke nicht verlassen hätte. Ein Eigenanteil wäre nicht zu bezahlen gewesen, da es sich um ein Kind gehandelt habe.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des Sozialgerichts und die Senatsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Streitgegenstand ist noch die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf Zahlung von 3.072,94 EUR. Die ursprünglich erhobene Leistungsklage hat die Klägerin um den Betrag von 511,75 EUR wegen der nicht berücksichtigten Rabatte zurückgenommen.

2. In diesem Umfang ist die Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, gemäß §§ 143, 153 Abs. 1 SGG zulässig, aber nicht begründet. 2.1. Die von der Klägerin erhobene Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG ist zulässig, da zwischen ihr und der Beklagten ein Gleichordnungsverhältnis, das eine Entscheidung der Beklagten über den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch durch Verwaltungsakt ausschließt (BSG Urteil vom 17. März 2005 - B 3 KR 2/05 R -), besteht.

2.2. Die Rechtsbeziehungen zwischen Apothekern und Krankenkassen sind gemäß § 69 Satz 1 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB V) ausschließlich öffentlich-rechtlicher Natur, so dass die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG begründet ist.

2.3. § 9 ALV, der gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 ALV auch dann Anwendung findet, wenn eine gesetzliche Krankenkasse ihren Sitz außerhalb des Vertragsgebietes hat, sieht zwar vor, dass über Vertragsverstöße und Meinungsverschiedenheiten, die sich aus dem Vertrag und seinen Anlagen ergeben, ein paritätisch besetzter Schlichtungs-Ausschuss entscheidet. Bei dieser Vorschrift handelt es sich jedoch nicht um eine zwingende Schiedsgerichtsvereinbarung, die einzelne Apothekern oder Krankenkassen zunächst auf ein Schlichtungsverfahren verweisen würde. Diese Vorschrift bezieht sich nur auf die Regelung von Meinungsverschiedenheiten und Vertragsverstöße zwischen den vertragsschließenden Beteiligten, nicht aber auf unterschiedliche Auffassungen einzelner Apothekern und gesetzlicher Krankenkassen über die Berechtigung von Forderungen. Dies ergibt sich aus der systematischen Stellung im Gesamtregelungsgefüge und dem Zusammenhang mit § 8 ALV, der für den Fall von Beanstandungen von Rechnungen bestimmte Verfahrensabläufe vorsieht. Insbesondere finden sich in dieser Vorschrift Verfahrensregelungen, die die Beanstandung von Rechnungen durch die Krankenkassen und die Möglichkeit eines Einspruchs und Rückgabe der Verordnung durch den Apotheker beschreiben. Vor diesem Hintergrund hätte eine zwingende Schiedsstellenvereinbarung keinerlei praktische Bedeutung mehr. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass eine zwingende Schiedsstellenvereinbarung durch die vertragsschließenden Beteiligten nicht getroffen wurde.

3. Grundsätzlich können Apotheker ihren Anspruch auf Zahlung aus Arzneilieferungen gegen die jeweils betroffene Krankenkasse auf einen analog § 433 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in Verbindung mit § 129 SGB V und den Vorschriften des ALV begründeten Kaufpreisanspruch, der allerdings öffentlich-rechtlich überlagert ist, stützen (BSG aaO). Dem Kaufpreisanspruch der Klägerin stehen die Bestimmungen des ALV nicht entgegen.

3. Zwar bestimmt § 3 Abs. 1 ALV, dass Apotheken nur ordnungsgemäß ausgestellte kassenärztliche Verordnungen beliefern dürfen. Fehlt es an einer ordnungsgemäß ausgestellten Verordnung, kommt ein Kaufvertrag zwischen der Apotheke und der betroffenen Krankenkasse nicht zu Stande, weil der die Verordnung ausstellende Vertragsarzt insoweit ohne Vertretungsmacht handelt und er deshalb die betroffene Krankenkasse nicht rechtlich verpflichten kann. An einer ordnungsgemäß ausgestellten vertragsärztlichen Verordnung fehlt es nicht nur dann, wenn der verordnende Arzt zwingende Vorgaben nicht beachtet, sondern erst recht, wenn es sich bei der Verordnung insgesamt um eine Fälschung handelt. Der Zahlungsanspruch ist allerdings nur dann ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen des § 3 Abs. 13 ALV vorliegen. Danach dürfen Verordnungen, bei denen bei Wahrung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt eine Fälschung erkennbar ist, nicht beliefert werden. Dem reinen Wortlaut nach regelt diese Bestimmung allerdings keinen Zahlungsanspruch. Die systematische Auslegung ergibt jedoch, dass die Vorschrift davon ausgeht, dass ein Apotheker einen Zahlungsanspruch gegen die Krankenkasse haben sollen, wenn ihm eine gefälschtes Rezept vorgelegt wird und die Fälschung nicht erkennbar ist und er deshalb eine nicht nach § 3 Abs. 1 ALV ordnungsgemäß ausgestellte kassenärztliche Verordnung beliefert. Die Vertragsschließenden haben insoweit eine Risikoverteilung zwischen den Apothekern und den in Anspruch genommenen Krankenkassen vorgenommen und die dabei auf Elemente der Anscheins-, Duldungsvollmacht sowie der Gefährdungshaftung zurückgegriffen.

3.1. Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 13 ALV sind nicht erfüllt. Ein Sorgfaltsverstoß der Klägerin kann nicht festgestellt werden. Die Fälschung des in der Apotheke der Klägerin eingelösten Rezeptes durch Unbekannte war bei Wahrung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht erkennbar.

Das Sozialgericht hat zutreffend zur Bestimmung des von jedem Apotheker zu beachtenden Sorgfaltsmaßstab zunächst auf die auch im öffentlichen Rechts geltende Konzeption des § 276 Abs. 2 BGB abgestellt. Danach gilt ein objektiv-abstrakter Sorgfaltsmaßstab bezogen auf den jeweilig betroffenen Verkehrsbereich. Maßgeblich ist dabei die Umsicht und Sorgfalt, die ein besonnener und gewissenhafter Angehöriger des jeweiligen Verkehrskreises unter Berücksichtigung möglicherweise vorhandener Sonderkenntnisse beachtet. Zusätzlich sind die im ALV enthaltenen Abgabebestimmungen zu beachtenden. Die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet ein Apotheker, wenn er das ihm vorgelegte Rezept zunächst auf Äußerlichkeiten, im weiteren auf Stimmigkeit und Plausibilität überprüft. Eine weitergehende Prüfung ist nicht notwendig, insbesondere dann nicht, wenn keine Anhaltspunkte vorliegen, die die Ordnungsgemäßheit der Verordnung in Zweifel ziehen könnten.

3.1.1. Die Klägerin hat die Abgabebestimmungen, die im einzelnen in § 3 ALV enthalten sind, beachtet. Die Fälschung des Rezeptes war für sie bzw. ihre Mitarbeiterinnen, die das Medikament ausgegeben haben, nicht zu erkennen. Das äußere Erscheinungsbild der Verordnung ist ordnungsgemäß. Es wurde das für die ärztliche Verordnung von Medikamenten vorgesehene Arzneiverordnungsblatt nach Muster 16 der zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Bundesverbänden der Krankenkassen geschlossenen Vereinbarung über Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung verwendet. Es hat sich dabei nach Einlassung der Beklagten um einen Originalvordruck gehandelt, der einem Arzt aus der Praxis entwendet wurde. Die weiteren Angaben waren ebenfalls in sich schlüssig. Als Versicherter war ein Kind mit vollständigen Namen und vollständiger Anschrift genannt. Das Verordnungsblatt enthielt einen Arztstempel. Als verordnender Arzt war eine Kinderarzt aufgeführt. Der auf dem Verordnungsvordruck angebrachte Stempel entspricht dem der Vertragsärzte und enthielt auch eine (wenn auch falsche) Vertragsarztnummer. Das verordnete Medikament war exakt bezeichnet.

3.1.2. Ein Verstoß gegen die der Klägerin obliegende Sorgfaltspflichten ergibt sich auch nicht daraus, dass die aufgedruckte Vertragsarztnummer nicht einem Stuttgarter Vertragsarzt zuzuordnen ist. Die Beklagte weist zwar zutreffend darauf hin, dass Vertragsarztnummern nach einem bestimmten System vergeben werden und dass dabei auch örtliche Gegebenheiten berücksichtigt werden. Dieses System begründet allerdings keine Überprüfungspflicht des Apothekers. Bereits der Landesapothekenverband Baden-Württemberg hat darauf hingewiesen, dass die Vertragsarztnummer für den Apotheker ohne jeglichen Belang ist. Apotheker werden im Übrigen auch nicht darüber informiert, nach welchen systematischen Gesichtspunkten Vertragsarztnummern vergeben werden. Wenn man im Hinblick auf die Vertragsarztnummer überhaupt eine Prüfungspflicht des Apothekers annehmen will, so kann sich diese Prüfungspflicht deshalb lediglich darauf beschränken, ob überhaupt eine Vertragsarztnummer angegeben ist. Eine Prüfungspflicht kann sich allerdings nicht darauf beziehen, ob die Vertragsarztnummer im Hinblick auf die angegebenen Anschrift der Arztpraxis plausibel ist. Hierzu fehlt es den Apothekern an dem erforderlichen Hintergrundwissen.

3.1.3. Ein Sorgfaltsverstoß der Klägerin ergibt sich weiter nicht daraus, dass ihr hätte bekannt sein müssen, dass es den auf dem Verordnungsvordruck genannten Kinderarzt nicht gibt. Die Apotheke der Klägerin befindet sich in Stuttgart-West, die Adresse des Arztes bezieht sich auf eine Arztpraxis außerhalb des Innenstadtbereichs von Stuttgart im Stadtteil Plieningen. Es kann also nicht davon ausgegangen werden, dass der Klägerin aufgrund beruflicher Beziehungen hätte bekannt sein müssen, dass es den auf der Verordnung genannten Arzt in Stuttgart nicht gibt. Dass auf dem Arztstempel eine Faxnummer und eine Mobilfunknummer des Arztes angegeben ist, ist ebenso kein Umstand, auf Grund dessen die Klägerin sich zu einer weitergehenden Kontrolle hätte gedrängt fühlen müssen. Die Faxnummer ist als solche nicht erkennbar. Nach dem äußeren Erscheinungsbild (0711/81 05 305) handelt es sich um eine normale Telefonnummer. Erst recht begründet der Umstand, dass zusätzlich eine Mobilfunknummer angegeben war, keine Verpflichtung, einen Kontrollanruf durchzuführen. Es mag zwar ungewöhnlich sein, dass ein Arzt in seinem Arztstempel auch einen Mobilfunknummer angibt, ausgeschlossen ist dies jedoch nicht. Es mag auch durchaus Sinn machen, dass ein Arzt zur besseren Erreichbarkeit für seine Patienten zusätzlich einen Mobilfunknummer angibt. Ein Umstand, auf Grund dessen sich ein Verdacht aufdrängen müsste, kann darin aber nicht gesehen werden.

3.1.4. Zweifel an Ordnungsgemäßheit der Verordnung mussten sich der Klägerin bzw. ihren Mitarbeiterinnen auch nicht deshalb aufdrängen, weil das Medikament gegen Abend, kurz vor Ladenschluss, abgeholt und zuvor telefonisch bestellt wurde. Es ist keine Seltenheit, dass sich Versicherte vorab bei der Apotheke erkundigen, ob ein bestimmtes Medikament vorhanden ist oder nicht. Ein solches Vorgehen macht aus Sicht der Versicherten Sinn, wenn es sich um ein nicht allzu häufig verordnetes Medikament handelt, weil dann ein zweimaliges Aufsuchen der Apotheke (zunächst zum Bestellen, dann zum Abholen) vermieden werden kann. Dass das Medikament zuvor telefonisch geordert wurde, stellt deshalb keine Besonderheit dar, die einen besonnenen Apotheker dazu bringen müsste, die Richtigkeit der Verordnung durch einen Rückruf beim verordnenden Arzt abzuklären. Die notwendige Plausibilitätskontrolle des vorgelegten Verordnungsblatts war bei Abholung noch möglich und noch ohne weiteres durchführbar. Wirtschaftliche Gründe, die Klägerin möglicherweise zu einer geringeren Kontrolldichte veranlasst haben könnten, lagen nicht vor. Die Klägerin hat dargelegt, dass sie das Medikament bestellt und dass eine Rückgabe des Medikaments solange möglich gewesen wäre, wie das Medikament die Apotheke nicht verlassen hat. Ein wirtschaftlicher Zwang wegen eines drohenden Verlustes lag deshalb seitens der Klägerin nicht vor.

3.1.5. Aufgrund des Einsatzzweck des Medikamentes zur Behandlung von Kindern mit Wachstumsstörungen ergibt sich nicht, dass ein Apotheker vor Abgabe des Medikamentes Kontakt zu dem Arzt aufnehmen müsste. Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass Behandlungen mit Wachstumshormonen relativ selten vorkommen, jedoch begründet die Seltenheit einer Behandlung keine Verpflichtung des Apothekers, den Wahrheitsgehalt der ärztlichem Verordnung von vorneherein in Zweifel zu ziehen und sich bei dem verordneten Arzt wegen der Richtigkeit der Verordnung zu erkundigen. Die Seltenheit oder die Häufigkeit einer bestimmten Behandlung ist kein Kriterium, das sachgerecht zu handhaben wäre. Der Einwand der Beklagten, in Stuttgart würden nur ganz wenige Ärzte - die Beklagte nennt drei Ärzte - Behandlungen mit Wachstumshormonen bei Wachstumsstörungen durchführen, ist deshalb unerheblich. Die Klägerin weist zu Recht daraufhin, dass grundsätzlich Wachstumsstörungen in das Fachgebiet der Behandlung durch Kinderärzte fallen und jeder Kinderarzt jederzeit eine solche Behandlung aufnehmen könne. Dasselbe gilt im Übrigen für jeden anderen zugelassenen Vertragsarzt. Eine Beschränkung der Behandlung durch bestimmte Ärzte besteht nicht.

3.2. Demnach ist ein Verstoß der Klägerin bei der Kontrolle der ärztlichen Verordnung nach dem allgemein geltenden Sorgfaltsmaßstab nicht feststellbar. Soweit die Beklagte fordert, einen erhöhten Sorgfaltsmaßstab bei der Abgabe bestimmter Medikamente anzuwenden, ist dies mit der Bestimmung des § 3 Abs. 13 ALV nicht vereinbar. Diese Bestimmung, die auch die Beklagte bindet, sieht gerade nicht einen erhöhten Sorgfaltsmaßstab für einzelne Medikamentengruppen vor, sondern regelt die Risikoverteilung zwischen Apotheker und der Krankenkasse allgemein und für alle Verordnungen in der gleichen Weise dahingehend, dass der Apotheker bei der Prüfung der Kontrolle von Verordnungen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt zu wahren hat. Eine darüber hinausgehende besondere Kontrolle in bestimmten Fallgruppen haben die Vertragsparteien nicht vereinbart. Eine Verpflichtung, in bestimmten Fällen über die allgemeinen Kontrollpflichten hinaus besonders intensiv zu überprüfen, besteht deshalb für die Apotheker nicht.

Unabhängig davon hat die Klägerin auch nicht gegen einen erhöhten Sorgfaltsmaßstab, wenn man einen solchen entgegen der Regelung des § 3 Abs. 13 ALV annehmen will, verstoßen. Mit den von der Beklagten genannten Gesichtspunkten lässt sich ein Gebot, eine gesteigerte Sorgfalt anzuwenden, nicht begründen. Eine solche gesteigerte Sorgfaltspflicht ergibt sich auch nicht auf Grund der von der Beklagten geschilderten Berliner Erfahrungen. Möglicherweise besteht in Berlin eine erhöhte Sorgfaltspflicht. Diese könnte sich aus den von der Beklagten vorgetragenen Informationen der Berliner Apotheken durch die Strafverfolgungsbehörden und den Landesapothekerverband Berlin ergeben. Eine solche erhöhte Sorgfaltspflicht beruht in diesem Fall auf zurechenbarem Spezialwissen, das im Rahmen des objektiv-abstrakten Sorgfaltsmaßstab, wie er § 276 BGB zugrunde liegt, zu prüfen wäre. Ein solches Spezialwissen lag allerdings jedenfalls im Juli 2003 im Stuttgarter Raum nicht vor. Die Beklagte selbst hätte dafür Sorge tragen können, dass aufgrund der von ihr geschilderten Unregelmäßigkeiten bei der Verordnung von Wachstumshormonen hierüber nicht nur in Berlin die Apotheken informiert werden, sondern auch die außerhalb Berlins sich befindenden Apotheken. Die Beklagte hat dies unterlassen. Sie hätte entweder selbst oder unter Einschaltung der entsprechenden Kassenverbände für eine bundesweite Verbreitung dieser Informationen sorgen können. Solche Informationen hätten unter Umständen über die Spitzenverbände der Krankenkassen an die Spitzen- und Landesverbände der Apotheker weitergeleitet werden können. Dies ist nach eigenem Vorbringen der Beklagten nicht geschehen. Apotheken, die über solche Informationen im Hinblick auf konkret Missbrauchsfälle nicht verfügen, kann deshalb ein spezielles Wissen anderer, informierter Apotheken nicht vorgehalten werden.

4. Weder aus dem Vortrag der Beklagten noch aus den vorliegenden Akten ergibt sich, dass die weiteren Voraussetzungen für den Anspruch der Klägerin nach dem ALV nicht gegeben sind. Insbesondere ist davon auszugehen, dass die Rechnungslegung durch die Klägerin innerhalb der vereinbarten Frist nach § 6 Abs. 1 ALV erfolgte.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm. §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1 und 2 VwGO. Die Klägerin hat die Klage teilweise zurückgenommen, so dass sie insoweit die Kosten des Verfahrens trägt.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 3, § 47 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG).
Rechtskraft
Aus
Saved