S 13 KR 40/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 40/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 17/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Reha) in Form Reha-Sport.

Die am 00.00.1944 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie leidet u.a. an chronischen Halswirbelsäulen-, Lendenwirbelsäulen- und Schultergelenksbeschwerden. Sie erhält seit 1994 wiederkehrend Krankengymnastik und betreibt - ärztlich verordnet - auch Reha-Sport. Zuletzt übernahm die Beklagte die Kosten für Wasser- gymnastik in der Zeit vom 01.01.2004 bis 31.12.2005.

Am 02.02.2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Förderung weiteren Reha-Sports unter Vorlage einer befürwortenden Bescheinigung des Hausarztes Dr. P. vom 29.01.2006.

Die Beklagte lehnte den Antrag nach Einholung einer ärztlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) durch Bescheid vom 02.02. oder 10.02.2006 ab. Den dagegen am 28.02.2006 eingelegten Widerspruch wies sie durch Widerspruchsbescheid vom 20.07.2006 zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 14.08.2006 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, den Reha-Sport weiterhin zu benötigen und hierbei auf ärztliche Begleitung während der Übungsveranstaltungen angewiesen zu sein. Im Übrigen verweist sie darauf, die Kosten für Reha-Sport seien erheblich niedriger als die für Krankengymnastik. Die Kosten des Reha-Sports bei der Rheumaliga beliefen sich auf 156,00 EUR pro Jahr; die Kosten für Krankengymnastik lägen bei 132,26 EUR pro Rezept.

Die Klägerin beantragt dem Sinne ihres schriftsätzlichen Vorbringens nach,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.02. oder 10.02.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2006 zu verurteilen, ihr weiterhin und dauerhaft ärztlich verordneten Rehabilitationssport zur gewähren und gegebenen- falls seit 01.01.2006 hierfür entstandene Kosten zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, die Klägerin habe keinen Anspruch auf weitere Förderung von Reha-Sport, weil ärztliche Betreuung und Überwachung während der Durchführung der Übungen nicht mehr notwendig sei. Die bisherige Förderung habe die Klägerin in die Lage versetzt, die erlernten Bewegungsabläufe eigenverantwortlich und selbstständig durchzuführen.

Das Gericht hat zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts Befundberichte von dem Hausarzt Dr. P. und dem Orthopäden L. eingeholt. Wegen des Ergebnisses wird auf die Berichte vom 27.09. und 12.10.2006 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten, die bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung der Kammer ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer kann ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil sich die Beteiligten übereinstimmend mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten, durch den sie die weitere Förderung von Reha-Sport zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ablehnt hat, in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.07.2006. Es kann dahin stehen, ob der Ablehnungsbescheid vom 02.02.2006 datiert, wie die Beklagte im Widerspruchsbescheid und die Klägerin in der Klageschrift schreiben, oder ob er das Datum des 10.02.2006 trägt, wie es sich auf der Durchschrift des Bescheides (vgl. Blatt 3 der Verwaltungsakte) findet. Es spricht mehr dafür, dass der Ablehnungsbescheid vom 10.02.2006 datiert, da unter dem 02.02.2006 erst der Antrag der Klägerin bei der Beklagten einging und am selben Tag eine Anfrage dazu an den MDK erging, die von diesem am 06.02.2006 beantwortet wurde. Letztlich ist das Datum des Ablehnungsbescheides jedoch nicht entscheidungserheblich, da der dagegen eingelegte Widerspruch auch dann fristgerecht war, wenn der Ablehnungsbescheid vom 02.02.2006 datierte.

Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Sie hat keinen Anspruch auf Förderung des Reha-Sports zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung.

Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, wenn diese notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihren Folgen zu mindern. Diese Leistungen werden unter Beachtung des Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) erbracht (§ 11 Abs. 2 Satz 3 SGB V). Zu diesen ergänzenden Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zur medizinischen Rehabilitation gehört nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 ärztlich verordneter Rehabilitationssport in Gruppen unter ärztlicher Betreuung und Überwachung, einschließlich Übungen für behinderte oder von Behinderung bedrohte Frauen und Mädchen, die der Stärkung des Selbstbewusstsein dienen, des weiteren gem. § 44 Abs. 1 Nr. 4 ärztlich verordnetes Funktionstraining in Gruppen unter fachkundiger Anleitung und Überwachung. Wie alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung stehen auch diese Leistungen unter dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V, d.h. sie müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Um sicherzustellen, dass Reha-Sport und Funktions- training als ergänzende Leistungen nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB IX im Rahmen der für die einzelnen Reha-Träger geltenden Vorschriften nach einheitlichen Grundsätzen erbracht bzw. gefördert werden, haben die verschiedenen Reha-Träger die "Rahmen- vereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining" vom 01.10.2003 getroffen. Diese Rahmenvereinbarung zur Konkretisierung des Anspruchs aus § 44 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB IX ist weiterhin maßgebend (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.08.2005 - L 4 KR 5250/03).

Nach Ziffer 4.4.2 der Rahmenvereinbarung beträgt der Leistungsumfang des Reha-Sports in der gesetzlichen Krankenversicherung 50 Übungseinheiten, die in einem Zeitraum vom 18 Monaten in Anspruch genommen werden können. Die Beklagte hat der Klägerin Reha-Sport zuletzt in der Zeit vom 01.01.2004 bis 31.12.2005, also über einen Zeitraum von 2 Jahren gewährt. Nach Ziffer 2.3 der Rahmenvereinbarung ist Zweck des Reha-Sports u.a. die Hilfe zur Selbsthilfe; diese hat das Ziel, die eigene Verantwortlichkeit der behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen für ihre Gesundheit zu stärken und sie zum langfristigen, selbstständigen und eigenverantwortlichen Bewegungstraining - z.B. durch weiteres Sporttreiben in der bisherigen Sportgruppe bzw. im Verein auf eigene Kosten - zu motivieren. Eine weitere Förderung des Reha-Sports zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ist im Fall der Klägerin nicht notwendig, da sie in der Lage ist, die in der Vergangenheit erlernten Übungen eigenständig durchzuführen. Davon ist die Kammer aufgrund des Ergebnisses der medizinischen Beweisaufnahme, wie es sich insbesondere in den Befundberichten der behandelnden Ärzte Dr. P. und L. widerspiegelt, überzeugt. Dr. P., der die Klägerin seit 1990 behandelt, hat im Bericht vom 27.09.2006 mitgeteilt, dass die Klägerin sicherlich in der Lage ist, gelernte Übungen in Eigenverantwortung durchzuführen. Diese Einschätzung wird auch von dem behandelnden Orthopäden L. in dessen Befundbericht vom 12.10.2006 geteilt. Er hat lediglich dargelegt, dass bestimmte krankengymnastische Therapien nicht eigenverantwortlich durchgeführt werden können, diese aber normalerweise nicht Bestandteil von Reha-Sport oder Funktionstraining sind.

Gerade dieser Hinweis des Orthopäden L. zeigt, dass der von der Klägerin angestellte Kostenvergleich zwischen Krankenversicherung und Reha-Sport nicht greift. Denn die Leistungen der Krankengymnastik sind gänzlich andere als die des Reha-Sports bzw. des Funktionstrainings. Wenn die Klägerin Krankengymnastik benötigt, diese ärztlich verordnet wird und die gesetzlichen Voraussetzungen für diese Leistung erfüllt sind, hat die Beklagte sie zu erbringen, auch wenn die Kosten höher sind als die für Reha-Sport. Reha-Sport ist wie das Funktionstraining eine ergänzende Leistung zur medizinischen Rehabilitation und beinhaltet in weit stärkerem Maße, als dies bei der Krankengymnastik möglich ist, die Hilfe zur Selbsthilfe. Aus den Berichten der behandelnden Ärzten ergibt sich, dass die Klägerin die in der Vergangenheit beim Reha-Sport erlernten Übungsprogramme in Eigenverantwortung selbstständig durchführen kann. Deshalb hat sie keinen Anspruch mehr auf diese Leistungen zu Lasten der Beklagten, weder für die Zukunft (vorbehaltlich wesentlicher Veränderungen in ihren Verhältnissen) und auch nicht auf Erstattung von Kosten für Reha-Sport seit Januar 2006, soweit ihr solche entstanden sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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