Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 1043/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 3436/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. Juli 2005 insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt wurde, dem Kläger für die Zeit vom 23. Dezember 1995 bis 31. Dezember 1996 8.432,02 EUR zu gewähren. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Im übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren zu 2/3.
Tatbestand:
Im Streit steht der Umfang der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) des Klägers.
Der 1943 geborene Kläger stürzte am 21. April 1995 aus 5 bis 7 Metern Höhe von einem Gerüst. Er erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma mit einem Durchgangssyndrom, eine Bogenfraktur des 2. Halswirbelkörpers sowie eine Thoraxkontusion (Durchgangsarztbericht des Dr. H. vom 5. Mai 1995; Bericht des Prof. Dr. W., Chirurgische Universitäts- und Poliklinik W., vom 23. Mai 1995). Dr. K., Stationsarzt im Bezirkskrankenhaus E., Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie, teilte mit Schreiben vom 12. Juni 1995 mit, der Kläger habe auf Grund des Schädelhirntraumas ein mittelgradiges amnestisches Syndrom entwickelt, wobei vor allem die Lernfähigkeit, das unmittelbare Behalten sowie der Kurzzeitspeicher gestört seien. Zudem habe der Kläger auch mittelgradige räumlich-konstruktive Störungen, die sehr diskrete linksseitig betonte Tetrasymptomatik habe sich völlig zurück gebildet. D-Arzt Dr. K. berichtete unter dem 27. Juni 1995, dass der Kläger auch über Schmerzen und Sensibilitätsstörungen im Bereich des linken Zeigefingers berichtet habe. Dr. E., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, beschrieb in seinem Bericht vom 13. Juli 1995 einen Zustand nach peripherem Medianuskompressionssyndrom, einen Verdacht auf cervikogen bzw. halswirbelsäulenprellungsbedingte Parästhesien im Bereich der linken Hand sowie einen Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades mit Durchgangssyndrom. Auch Prof. Dr. W. berichtete unter dem 17. Juli 1995 über Parästhesien der linken Finger und eine Schwäche beim Faustschluss. Bei der Untersuchung am 21. August 1995 zeigte sich weiterhin eine erhebliche Vergesslichkeit, Unsicherheit und ein Schwindelgefühl beim Fahrradfahren und Treppabgehen, Kopfschmerz bei Sonneneinstrahlung, Schwäche und intermittierende Schwellung des linken Armes sowie eine weiter bestehende Erinnerungslücke vom Unfall an für die Dauer von etwa sechs Wochen (Bericht des Prof. Dr. W. vom 21. August 1995). Auf Grund der Untersuchung des Klägers am 29. August 1995 diagnostizierte die Augenärztin Prof. Dr. Sch.-K. eine Hyperopie, Presbyopie und Cataracta senilis (Bericht vom 30. August 1995). Die Psychiaterin Dr. S. fand bei ihrer Untersuchung am 5. September 1995 eine erheblich beeinträchtigte Leistungsfähigkeit (Bericht vom 6. September 1995). Da eine Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit auf absehbare Zeit nicht zu erwarten war, stellte die frühere Beklagte, die S. Bau-Berufsgenossenschaft, zum 22. Dezember 1995 die Zahlung von Verletztengeld ein.
Prof. Dr. W. erstellte unter dem 23. März 1996 im Auftrag der Beklagten das erste Rentengutachten. Darin beschrieb er als Unfallfolgen eine knöchern konsolidierte Bogenfraktur des zweiten Halswirbelkörpers sowie eine mäßige Bewegungseinschränkung im Bereich der Halswirbelsäule und schätzte die MdE auf chirurgischem Fachgebiet mit 10 v.H. ein. Im nervenärztlichen Zusatzgutachten vom 10. April 1996 führte Dr. E. aus, wenngleich Aggravationstendenzen bei der Begutachtung festzustellen gewesen seien, seien auf Grund der fremdanamnestischen Angaben der Ehefrau und auch der behandelnden Psychiaterin doch durchgehende organische Wesensänderungen festzustellen, die auf das Unfallereignis zurückgeführt werden müssten. Das zumindest grenzwertige EEG unterstütze dies objektiv. Die MdE auf nervenärztlichem Gebiet betrage momentan 70 v.H. Prof. Dr. W. schätzte in seiner Stellungnahme vom 12. Juni 1996 die Gesamt-MdE daraufhin mit 70 v.H. ein.
In der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 30. Juli 1996 regte der Neurologe und Psychiater Dr. H. weitere Ermittlungen an. Auf Anfrage der früheren Beklagten teilte der vom Kläger als Hausarzt angegebene Arzt für Allgemeinmedizin Dr. V. in seinem Schreiben vom 25. September 1996 die zwischen 1986 und 1993 ermittelten Laborwerte mit und berichtete, seit den 80er Jahren laufend Gastritiden und Duodenalulcera behandelt zu haben.
Der Neurologe und Psychiater Dr. Sch. erstattete daraufhin im Auftrag der früheren Beklagten das nervenärztliche Gutachten vom 11. November 1996. Unter Berücksichtigung der von ihm veranlassten Magnetresonanztomografie des Kopfes am 4. November 1996 durch den Arzt für Radiologie und Nuklearmedizin Dr. K. (Auswertung: Verdacht auf alte Densspitz-eninfraktion und kleinen parietalen Hirncontusionsherd links subcortical. Kein Hinweis für größere posttraumatische Hirnverletzung oder epidurales Hämatom. Keine Zeichen einer intracraniellen Drucksteigerung oder Massenverschiebung) vertrat Dr. Sch. die Auffassung, der Herdbefund sei wahrscheinlich Folge einer Hirnkontusion. Die behauptete lange Dauer der Erinnerungslücke wie auch die Schilderung der Ehefrau zu diesem Aspekt seien allerdings bei Berücksichtigung der übrigen Symptomatik so ungewöhnlich, dass sie gutachterlich nicht verwertbar seien. Die von der Ehefrau des Klägers berichtete völlige Erblindung in den ersten Wochen nach dem Unfall finde in den Akten keine Bestätigung. Wenn eine kontusionelle Hirnschädigung wahrscheinlich anzunehmen sei, so sei mit einiger Wahrscheinlichkeit auch zu erwarten, dass psychische Schäden im Sinne eines posttraumatischen hirnorganischen Psychosyndroms und einer posttraumatischen Hirnleistungsschwäche zurückgeblieben seien, was die in den Vorbefunden immer wieder beschriebenen erheblichen Störungen der Merk- und Gedächtnisfunktionen und anderes erkläre. Mit der Fraktur des 2. Halswirbelkörpers sei wahrscheinlich auch eine geringgradige traumatische Hirnstamm- oder Medulla-oblongata-Schädigung verbunden gewesen, worauf die anfänglich beschriebene "sehr diskrete links betonte" Tetraspastik hinweise. Als Residuum könnten die noch bestehenden geringfügigen Reflexdifferenzen (cutane Bauchdeckenreflexe links schwächer) interpretiert werden. Die im Wesentlichen durch das leicht bis mäßiggradig ausgeprägte posttraumatische hirnorganische Psychosyndrom bedingte MdE betrage 40 v.H. Neben dem posttraumatischen hirnorganischen Psychosyndrom bestehe wahrscheinlich auch eine erhebliche psychische Überlagerung, die demonstrativen und/oder appellativen Charakter habe. Der von Dr. H. geäußerte Verdacht eines überhöhten äthylischen Konsums habe sich nach den Laborbefunden bestätigt. Indes liege die Vermutung nahe, dass der Alkoholkonsum in den letzten Wochen erheblich reduziert worden sei. Er sei derzeit nicht von größerer Bedeutung, weise jedoch auf eine vorbestehende labile Persönlichkeitsstruktur des Klägers hin.
Die frühere Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 6. Dezember 1996 dem Kläger ab 23. Dezember 1995 Verletztenrente auf Dauer nach einer MdE um 40 v.H ... Als Unfallfolgen erkannte sie an: Hirnorganisches Psychosyndrom, Reflexdifferenzen sowie geringe Störungen der Koordination, vertebragener Kopfschmerz nach Schädel-Hirn-Verletzung, Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule nach knöchern fest verheiltem Bogenbruch des 2. Halswirbelkörpers rechts. Als Unfallfolgen erkannte sie nicht an: Persönlichkeitsveränderungen mit psychischer Überlagerung sowie Verdacht auf Alkoholmissbrauch. Den Widerspruch des Klägers wies die frühere Beklagte unter Bezugnahme auf die Gutachten des Prof. Dr. W. und des Dr. Sch. zurück (Widerspruchsbescheid vom 8. April 1997).
Mit der hiergegen beim Sozialgericht Heilbronn (SG, Az.: S 7 U 864/97) erhobenen Klage begehrte der Kläger, der ab 1. Januar 1997 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erhielt, eine Rente nach einer MdE um 100 v.H. Im Auftrag des Sozialgerichts erstattete Medizinaldirektor H., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, das nervenärztliche Gutachten vom 27. Oktober 1997 unter Berücksichtigung einer testpsychologischen Zusatzuntersuchung vom 14. August 1997 und einer Computertomografie des Gehirns. Auf neurologischem Fachgebiet seien keine Unfallfolgen festzustellen. Seitens der erlittenen Bogenfraktur des 2. Halswirbelkörpers hätten sich keine Hinweise für bleibende spinale oder radikuläre Traumafolgen ergeben. Die angegebenen Störungen im Bereich der linksseitigen Extremitäten seien nicht zu objektivieren, da z.B. Reflexdifferenzen, Lähmungen oder trophische Störungen nicht festzustellen gewesen seien. Neurologische Defizite als Folge des erlittenen Schädel-Hirn-Traumas hätten sich ebenfalls nicht gefunden. Diagnostisch sei wohl am ehesten von einer Gehirnerschütterung auszugehen mit ausgedehnter retro- und anterograder Amnesie bei allerdings differierenden Angaben über die zeitliche Ausdehnung der Amnesie. Hinweise für eine substanzielle Hirnschädigung ergäben sich nicht. Der im Rahmen der kernspintomographischen Untersuchung vom 4. November 1996 geäußerte Verdacht auf einen kleinen parietalen Hirnkontusionsherd links erkläre die geklagten Beschwerden im Bereich der linken Körperhälfte nicht, da die entsprechende Gehirnhälfte jeweils die kontralaterale Körperhälfte versorge. Auf psychiatrischem Fachgebiet bestehe ein leichtes organisches Psychosyndrom mit psychomotorischer Verlangsamung und Beeinträchtigung der Gedächtnisfunktionen. Die Computertomografie des Gehirns zeige eine leichte bis mäßiggradige Atrophie, die durch physiologische Alterungsprozesse erklärt werden könne und einen zusätzlichen unfallunabhängigen Faktor für die kognitiven und mnestischen Defizite darstellen könne. Zusätzlich sei es aber auch zu einer ungünstigen Verarbeitung der Störung mit zum Teil demonstrativem und appellativem Charakter in der Beschwerdedarstellung, einem Rückzug in die Krankenrolle mit begleitendem und sozialem Rückzug und der Entwicklung von Ängsten gekommen. Hinweise für eine organische Persönlichkeitsstörung fänden sich nicht. Die Höhe der unfallbedingten MdE (leichtes organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma) sei mit 40 v.H. einzuschätzen.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erstattete der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. das Gutachten vom "10. Oktober 1998" (Eingang beim SG am 6. März 1998). Beim Kläger bestehe in neurologischer Hinsicht eine überwiegend motorische Hemisymptomatik links, in psychiatrischer Hinsicht eine Wesensänderung mit starker Antriebslosigkeit und Gedächtnisstörung, letzteres im Wesentlichen gestützt auf die Angaben der Ehefrau sowie die eigene Kenntnis des Klägers vor dem Unfall. Diese Erkrankungen seien Folgen des Arbeitsunfalls. Vor allem auf Grund der psychischen Beeinträchtigungen bestehe eine MdE um 100 v.H. In der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 26. März 1998 hielt der Neurologe Dr. O. die gutachterliche Einschätzung des Dr. Sch. für zutreffend. Medizinaldirektor H. blieb in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 8. Oktober 1998 bei der von ihm vertretenen Auffassung.
Durch Urteil vom 9. Dezember 1999 wies das SG die Klage ab. Es stützte sich auf das Gutachten des Medizinaldirektors H. und des Prof. Dr. W ... Die Berufung des Klägers wies das Landesozialgericht Baden-Württemberg unter Bezugnahme auf die Begründung des angefochtenen Urteils zurück (Beschluss vom 27. September 2000 - L 10 U 1078/00 -). Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision und eine Gegenvorstellung des Klägers verwarf das Bundessozialgericht als unzulässig (Beschlüsse vom 22. Januar 2001 -B 2 U 361/00 - und vom 16. Februar 2001 - B 2 U 52/01 B -).
Am 12. Februar 2001 beantragte der Kläger gegenüber der ehemaligen Beklagten, die (unrichtige) "ursprüngliche Feststellung zu ändern und mittlerweile eingetretene Verschlimmerungen zu berücksichtigen". Er verwies insoweit auf die im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde dem BSG vorgelegten Unterlagen über die stationären Behandlungen nach dem Unfall und eine eidesstattliche Versicherung seiner Ehefrau. Diese Unterlagen legte die frühere Beklagte dem Neurologen und Psychiater Dr. O. vor. Dieser führte in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 4. April 2001 aus, diese Unterlagen aus der ersten akuten Behandlungsphase nach dem Umfall ergäben bezüglich der unfallbedingten Gesundheitsstörungen keine neuen Gesichtspunkte. Die Schwere des Durchgangssyndroms in der Akutsituation korreliere nicht mit dem einem Jahr später zu bemessenden Dauerschaden auf psychischem Fachgebiet. Zu überprüfen wäre lediglich, inwieweit eine binasale Gesichtsfeldstörung, die mögliche Unfallfolge in Folge eines hirndruckbedingten Dauerschadens im Bereich der Sehbahnen bzw. des Chiasma-opticum sei, mit einer MdE zu bemessen sei. In dem daraufhin veranlassten augenärztlichen Gutachten vom 11. Oktober 2001 konnte Prof. Dr. G., Direktor der Augenklinik der Julius-Maximilians-Universität W., keine durch den Unfall vom 21. April 1995 bedingten krankhaften Veränderungen der Augen feststellen.
Mit Bescheid vom 25. Februar 2002 lehnte es die frühere Beklagte ab, den Bescheid vom 6. Dezember 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8. April 1997 zurückzunehmen. Den Widerspruch des Klägers wies der Widerspruchsausschuss der früheren Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 2002 zurück, da weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Nach dem zusätzlich noch eingeholten Gutachten des Prof. Dr. G. bestünden auch auf augenärztlichem Gebiet keine Unfallfolgen.
Daraufhin erhob der Kläger am 30. April 2002 Klage beim SG und beantragte die Gewährung einer Rente nach einer MdE von zunächst mindestens 70 v.H. ab 23. Dezember 1995, später in Höhe von 100 v.H. Die Persönlichkeitsveränderungen mit psychischer Überlagerung seien Unfallfolgen. Wegen der nach wie vor schweren Beeinträchtigungen, z.B. im Bereich der Konzentration und Gedächtnisleistung, insbesondere des Kurzzeitgedächtnisses, sei er, der die Funktionen eines Bauleiters innegehabt habe, nicht in der Lage, irgendeine Arbeit auszuführen, weil er binnen kürzester Zeiträume Zusammenhänge verliere.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG erstattete der Psychologische Psychotherapeut M. das neuropsychologische Gutachten vom 23. August 2002. Beim Kläger bestünden mittelschwere bis sehr schwere Defizite der einzelnen Aufmerksamkeitskomponenten und sämtlicher Aspekte des Neugedächtnisses und zusätzlich unterdurchschnittliche exekutive Störungen, wobei jedoch die intellektuellen Funktionen in der unteren Altersnorm angesiedelt, also nicht klinisch auffällig seien. Die MdE für die Hirnschädigung mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung betrage seit dem Unfall 80 v.H.
Die Beklagte legte hierzu die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. O. vom 19. Dezember 2002 vor. Die von den Gutachtern Dr. Sch. und Medizinaldirektor H. erhobenen und dokumentierten Befunde entsprächen den Leistungsbeeinträchtigungen eines leichten bis mäßig schweren psychoorganischen Hirnschadens, nicht jedoch einem Hirnschaden mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung. Ein Gutachter müsse das neuropsychologische Leistungsdefizit quantifizieren.
Der Kläger reichte daraufhin das neurootologische Gutachten des Dr. SCH. vom 10. April 2003 zu den Akten, das dieser im Auftrag des Landgerichts Nürnberg-Fürth im Rechtsstreit des Klägers gegen die private Unfallversicherung (Az.: 11 O 6855/01) erstattet hat. Die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit des Klägers sei als Folge des Sturzes am 21. April 1995 bei Zusammenfassung aller Teilaspekte der neurootologischen und neurochirurgischen Funktionsstörungen um 100% beeinträchtigt.
Im Auftrag des Sozialgerichts erstattete Prof. Dr. F. das psychiatrische Gutachten vom 15. Januar 2004 unter Berücksichtigung des psychologischen Zusatzgutachtens des Diplom-Psychologen Sch. vom 19. August 2003. Prof. Dr. F. führte zusammenfassend aus, dass das vom Unfall am 21. April 1995 herrührende gedeckte Schädelhirntrauma zu einer Hirnschädigung mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung in den Bereichen Gedächtnis, Konzentration und Orientierung geführt habe. Weitere Folgen seien eine vermehrte Reizbarkeit, eine rasche Erschöpfbarkeit, eine deutlich verminderte körperliche und psychische Belastbarkeit und eine allgemein stark verarmte Lebensführung. In den testpsychologischen Untersuchungen werde die schwere Hirnschädigung durch massive Störungen im verbalen und nonverbalen Kurzzeitgedächtnis, dem Langzeitgedächtnis, der Konzentration, Lernleistung und Konsolidierung sowie schwer beeinträchtigte Exekutivfunktionen offenbar. Auf Grund der ausgeprägten kognitiven Beeinträchtigungen sei eine unfallbedingte MdE um 100 v.H. anzunehmen. Unfall- unabhängige Ursachen sehe er nicht, insbesondere habe er suchtanamnestisch keine Hinweise auf eine alkoholbezogene oder anderweitig suchtmittelbezogene Abhängigkeitsentwicklung oder Persönlichkeitsveränderung beim Kläger gefunden.
Die Beklagte legte daraufhin die beratungsärztliche Stellungnahme des Prof. Dr. St. vom 11. Februar 2004 vor. Die im neuropsychologischen Gutachten vom 19. August 2003 erhobenen Befunde lägen größtenteils dramatisch unterhalb des Normbereiches und stellten eine wesentliche Verschlechterung gegenüber den zuvor dokumentierten neuropsychologischen Befunden dar. Das Gutachten vom 15. Januar 2004 führe nicht aus, wie es zu der dramatischen Verschlechterung des Leistungsvermögens gekommen sein solle. Zahlreiche Vorgutachten hätten auf Ausgestaltungstendenzen des Klägers hingewiesen. Verfahren, um Verfälschungstendenzen zu erkennen, seien im Gutachten vom 15. Januar 2004 nicht eingesetzt worden. Nach den neuropsychologischen Befunden müsse es sich um einen schwerst beeinträchtigten Mann mit ausgeprägten Gedächtnisstörungen handeln. Im Widerspruch hierzu stünden die in den Gutachten in der Anamnese dokumentierten Angaben des Klägers über Werdegang mit korrekter Anwendung aller Jahreszahlen, der chronischen Abfolge der Ereignisse und der Darstellung früher bestehender Krankheiten. Auch hätten sich mehrfache Hinweise für unfallunabhängige Beeinträchtigungen des kognitiven Leistungsvermögens ergeben, insbesondere in Form eines Alkoholmissbrauchs.
Durch Urteil vom 19. Juli 2005 hob das SG den Bescheid vom 25. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. April 2002 auf und verurteilte die Beklagte, den Bescheid vom 6. Dezember 1996 teilweise zurückzunehmen und dem Kläger für die Zeit vom 23. Dezember 1995 bis 31. Dezember 1996 noch Zahlung in Höhe von EUR 8.432,02 und ab 1. Januar 1997 eine Verletztenrente auf Grundlage einer MdE in Höhe von 80 v.H. einer Vollrente nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das SG stützte sich auf die von ihm als schlüssig und nachvollziehbar bezeichneten Ausführungen von Prof. Dr. F. und des Diplom-Psychologen Sch. und führte aus, schon ab dem 23. Dezember 1995 habe als auf das Unfallereignis zurückzuführende Gesundheitsstörung neben der Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule nach knöchern fest verheiltem Bogenbruch des zweiten Halswirbelkörpers rechts ein schweres organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma vorgelegen. Das gedeckte Schädelhirntrauma habe zu einer Hirnschädigung mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung in den Bereichen Gedächtnis, Konzentration und Orientierung geführt. Weitere Folgen seien eine vermehrte Reizbarkeit, eine rasche Erschöpfbarkeit, eine deutlich verminderte körperliche und psychische Belastbarkeit und eine allgemein stark verarmte Lebensführung. Ferner lägen Störungen im verbalen und nonverbalen Kurzzeitgedächtnis, im Langzeitgedächtnis, in der Konzentration, bei der Lernleistung und der Konsolidierung sowie schwer beeinträchtigte Exekutivfunktionen vor. Entgegen der Auffassung von Prof. Dr. St. sei keine Verschlechterung eingetreten, sondern der Gesundheitszustand stelle sich schon zum 23. Dezember 1995 so dar, wie sich auf den von dem Diplom-Psychologen Sch. erhobenen Befund ableiten lasse. Die von Herrn M. durchgeführten neuropsychologischen Untersuchungen zeigten, dass schwere bis sehr schwere Defizite der einzelnen Aufmerksamkeitskomponenten und sämtlicher Aspekte des Neugedächtnisses gegeben seien. Beim Kläger lägen weder Simulation noch Aggravation bzw. Ausgestaltungstendenzen vor. Weiter lägen Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen vor. Die Gesundheitsstörungen seien auf das Unfallereignis vom 21. April 1995 zurückzuführen. Nicht als Ursache kämen in Betracht eine Alkoholabhängigkeit, eine Schadensanlage in Form einer Persönlichkeitsveränderung und auch keine leichte bis mäßiggradige Atrophie, die durch physiologische Alterungsprozesse erschwert worden sei. Die Funktionseinbußen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet seien nach Maßgabe der unfallversicherungsrechtlichen Literatur mit einer MdE um 80 v.H. im mittleren Bereich des eröffneten MdE-Rahmens von 60 bis 100 v.H. angemessen, aber auch ausreichend bewertet. Die Funktionseinbußen auf unfallchirurgischem Fachgebiet seien mit einer MdE um 10 v.H. zu bewerten. Da sich die Funktionseinbußen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet und unfallchirurgischem Fachgebiet teilweise überschnitten, ergebe sich eine Gesamt-MdE um 80 v.H. ab dem 23. Dezember 1995. Auf der Grundlage einer MdE in dieser Höhe stehe dem Kläger für die Zeit vom 23. Dezember 1995 bis 31. Dezember 1996 ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von EUR 8.432,02 zu. Eine Verschlimmerung sei zu keinem Zeitpunkt eingetreten.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers und der früheren Beklagten jeweils am 8. August 2005 zugestellte Urteil haben die frühere Beklagte am 18. August 2005 und der Kläger am 26. August 2005 Berufung eingelegt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19. März 2007 hat der Kläger die Berufung zurückgenommen.
Das Unternehmen, in dem der Kläger beschäftigt war, ist mit Wirkung vom 1. April 2004 von der früheren Beklagten auf die jetzige Beklagte übergegangen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. Juli 2005 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen sowie hilfsweise eine erneute Begutachtung durch einen mit dieser Unfallsache noch nicht befassten und auf die Beurteilung von Hirntraumas spezialisierten Mediziner auf neurologischem/psychiatrischem Fachgebiet durchzuführen, da eine weitergehende Sachaufklärung von Amts wegen dahingehend für erforderlich gehalten wird, ob und inwieweit die erheblichen Beeinträchtigungen der kognitiven Leistungsfähigkeit und sonstiger Defizite authentisch und nicht vorgetäuscht sowie eine Folge des am 21.04.1993 erlittenen Unfalls sind.
Das Sozialgericht bejahe zu Unrecht den Eintritt einer Verschlimmerung. Die Ausführungen des Prof. Dr. St. seien durch die Argumentation des angefochtenen Urteils nicht widerlegt. Das Untersuchungsergebnis des Diplom-Psychologen M. rechtfertige keine MdE um 80 v.H. Das Sozialgericht habe auch nicht die Richtigkeit der Argumentation von Prof. Dr. St. zum fehlenden Kausalitätsnachweis bezüglich der behaupteten Verschlimmerung widerlegt.
Zur Stützung ihrer Auffassung hat die Beklagte Stellungnahmen ihres beratenden Arztes Prof. Dr. Sch. vom 1. Februar 2006 und 16. März 2006 sowie die beratungsärztliche Stellungnahme des Prof. Dr. St. vom 14. März 2007 vorgelegt. Vorgelegt wurde weiter der Bescheid vom 19. Dezember 2006 über die Ablehnung der Löschung der beratungsärztlichen Stellungnahme von Prof. Dr. St. vom 11. Februar 2004. In der im Auftrag des Gerichts erstellten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 20. August 2006 hat Prof. Dr. F. wegen der schweren Hirnleistungsschwäche, die unfallbedingt sei und Funktionseinbußen auf psychiatrischem und neuropsychologischem Fachgebiet zur Folge habe, die MdE mit 80 v.H. eingeschätzt (Bezugnahme auf Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 11. Auflage). Im Übrigen hat er an der Bewertung in seinem Gutachten vom 15. Januar 2004 fest gehalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Nach der Rücknahme der Berufung des Klägers war nur noch über die form- und fristgerechte und nach § 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung der Beklagten zu entscheiden.
Der Beteiligtenwechsel auf der Beklagtenseite im Berufungsverfahren stellte eine Klageänderung nach § 99 SGG dar, die sachdienlich ist. Sie ist zweckmäßig, weil nunmehr der für die Entschädigung zuständige Versicherungsträger den Rechtsstreit führt.
Die Berufung der Beklagten ist teilweise begründet, da dem Kläger wegen § 44 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) Rentennachzahlungen erst ab 1. Januar 1997 zustehen.
Verfahrensrechtlich beurteilt sich der vorliegende Rechtsstreit nach § 44 Abs. 1 und 4 SGB X. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Gemäß § 44 Abs. 4 SGB X werden für den Fall, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist, Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile des Sozialgesetzbuchs längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahre vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechung des Zeitraums, für den rückwirkende Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.
Der vom Kläger erhobene Anspruch richtet sich materiell-rechtlich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da der von ihm geltend gemachte Arbeitsunfall vor dem In-Kraft-Treten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) am 1. Januar 1997 eingetreten ist (Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII) und auch der Anspruch auf eine - höhere- Rente noch für die Zeit vor dem 1. Januar 1997 streitig ist.
Gemäß § 580 Abs. 1 RVO erhält der Verletzte eine Rente, wenn die zu entschädigende Minderung der Erwerbsfähigkeit über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus andauert. Als Verletztenrente werden gewährt, solange infolge des Arbeitsunfalls die Erwerbsfähigkeit des Verletzten um wenigstens ein Fünftel gemindert ist, der Teil der Vollrente, der dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht (§ 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO).
Erforderlich ist zunächst, dass überhaupt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit des Versicherten durch eine Beeinträchtigung seines körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens gegeben ist und dass diese Beeinträchtigung in Folge des festgestellten Versicherungsfalles - hier des Arbeitsunfalls - eingetreten ist, also über einen längeren Zeitraum andauernde Unfallfolgen vorliegen. Zur Feststellung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung in Folge eines Versicherungsfalles muss zwischen dem Unfallereignis und den geltend gemachten Unfallfolgen entweder mittels des Gesundheitserstschadens, zB bei einem Sprunggelenksbruch, der zu einer Versteifung führt, oder direkt, zB bei einer Amputationsverletzung, ein Ursachenzusammenhang nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung bestehen.
Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 9. Mai 2006 (B 2 U 1/05 R) zur Theorie der wesentlichen Bedingung insbesondere bei der Beurteilung von Unfallfolgen auf psychiatrischem Fachgebiet ausführlich Stellung genommen.
Die Theorie der wesentlichen Bedingung (dazu umfassend BSG vom 9. Mai 2006 -B 2 U 1/05 R-) beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Da Verschulden bei der Prüfung eines Versicherungsfalles in der gesetzlichen Unfallversicherung unbeachtlich ist, weil verbotswidriges Handeln einen Versicherungsfall nicht ausschließt ( § 7 Abs 2 SGB VII ), erfolgt im Sozialrecht diese Unterscheidung und Zurechnung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung. Nach dieser werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72 , 76). Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts ( BSGE 12, 242 , 245 = SozR Nr 27 zu § 542 RVO; BSG SozR Nr 6 zu § 589 RVO). Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden (BSGE 62, 220 , 222 f = SozR 2200 § 589 Nr. 10; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 75; BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 jeweils RdNr. 11). Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSGE 62, 220 , 222 f = SozR 2200 § 589 Nr. 10; BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 jeweils RdNr. 11). Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen.
Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein (vgl. BSGE 38, 127 , 129 = SozR 2200 § 548 Nr. 4; BSG SozR 4-2200 § 589 Nr. 1).
Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen.
Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (stRspr BSGE 19, 52 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; BSGE 32, 203 , 209 = SozR Nr 15 zu § 1263 aF RVO; BSGE 45, 285 , 287 = SozR 2200 § 548 Nr 38, BSGE 58, 80 , 83 = SozR 2200 § 555a Nr 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG SozR Nr 41 zu § 128 SGG; BSG SozR Nr 20 zu § 542 aF RVO; BSGE 19, 52 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 67; Schönberger/Mehrtens/Valentin aaO, Kap 1.8.2, S 119 f; Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 128 RdNr 3c). Diese Grundlagen der Theorie der wesentlichen Bedingung gelten für alle als Unfallfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen und damit auch für psychische Störungen.
Psychische Gesundheitsstörungen können nach einem Arbeitsunfall in vielfältiger Weise auftreten: Sie können unmittelbare Folge eines Schädel-Hirn-Traumas mit hirnorganischer Wesensänderung sein, sie können aber auch ohne physische Verletzungen, z.B. nach einem Banküberfall, entstehen, sie können die Folge eines erlittenen Körperschadens, z.B. einer Amputation, sein, sie können sich in Folge der Behandlung des gesundheitlichen Erstschadens erst herausbilden. Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund von ihnen ist zunächst die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörungen, die bei dem Verletzten vorliegen und seine Erwerbsfähigkeit mindern (BSG Urteil vom 29. Januar 1986 - 9b RU 56/84 - ; vgl. BSG Urteil vom 19. August 2003 - B 2 U 50/02 R -). Angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen und möglicher Schulenstreite sollte diese Feststellung nicht nur begründet sein, sondern aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen, damit die Feststellung nachvollziehbar ist (zB ICD-10 = Zehnte Revision der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO aus dem Jahre 1989, vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) ins Deutsche übertragen, herausgegeben und weiterentwickelt; DSM-IV = Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen der Amerikanischen psychiatrischen Vereinigung aus dem Jahre 1994, deutsche Bearbeitung herausgegeben von Saß/Wittchen/Zaudig, 3. Aufl 2001). Begründete Abweichungen von diesen Diagnosesystemen aufgrund ihres Alters und des zwischenzeitlichen wissenschaftlichen Fortschritts sind damit nicht ausgeschlossen.
Für die im nächsten Schritt erforderliche Beurteilung des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und den festgestellten psychischen Gesundheitsstörungen gelten die obigen allgemeinen Grundsätze. Zunächst muss also geprüft werden, welche Ursachen für die festgestellte(n) psychische(n) Gesundheitsstörung(en) nach der Bedingungstheorie gegeben sind, und dann in einem zweiten Schritt, ob die versicherte Ursache - das Unfallereignis - direkt oder mittelbar für diese Gesundheitsstörungen wesentlich im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung war. Basis dieser Beurteilung müssen zum einen der konkrete Versicherte mit seinem Unfallereignis und seinen Erkrankungen und zum anderen der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand über die Ursachenzusammenhänge zwischen Ereignissen und psychischen Gesundheitsstörungen sein. Die Feststellung des jeweils aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes mag gerade auf Gebieten, die derart in der Entwicklung begriffen sind, wie die Psychiatrie und Psychologie (vgl z.B. MedSach 2006, Heft 2, S 49 ff. zu neuen Aspekten bei der Beurteilung psychoreaktiver und neuropsychologischer Störungen) schwierig sein, ist aber für eine objektive Urteilsfindung unerlässlich.
Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG vom 26. Juni 1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG vom 19. Dezember 2001 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22. August 1989, - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die beim Kläger auf unfallchirurgischem und psychiatrischem Fachgebiet noch bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen wesentlich auf das Unfallereignis vom 21. April 1995 zurückzuführen sind und ihm ab 1. Januar 1997 daher eine Verletztenrente nach einer MdE um 80 v.H. zusteht. Insoweit hat die -ehemalige- Beklagte in ihrem Bescheid vom 25. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. April 2002 zu Unrecht die Aufhebung des Bescheids vom 6. Dezember 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. April 1997 abgelehnt, denn das Recht wurde bei Erlass der Bescheide vom 6. Dezember 1996 und 8. April 1997 nicht richtig angewandt.
Auf unfallchirurgischem Fachgebiet ist als Unfallfolge lediglich noch eine knöchern fest konsolidierte Bogenfraktur des 2. Halswirbelkörpers mit einer mäßigen Bewegungseinschränkung im Bereich der Halswirbelsäule festzustellen. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. W. vom 23. März 1996, das der Senat urkundsbeweislich verwertet. Diese Unfallfolge ist mit einer MdE in Höhe von 10 v.H. zutreffend in den angefochtenen Entscheidungen aufgeführt und bewertet worden.
Des Weiteren bestehen erhebliche Unfallfolgen auf psychiatrischem Fachgebiet. Der Kläger hat durch den Sturz als Unfallerstschaden ein gedecktes Schädel-Hirntrauma erlitten, das zwar keine Folgen auf chirurgischem Fachgebiet hinterlassen hat, in dessen Folge allerdings eine Hirnschädigung mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung bei Gedächtnis, Konzentration und Orientierung sowie eine vermehrte Reizbarkeit, rasche Erschöpfbarkeit, eine deutlich verminderte körperliche und psychische Belastbarkeit sowie eine allgemein stark verlangsamte Lebensführung als dauerhafte funktionelle Beeinträchtigung entstanden sind. Dies ergibt sich für den Senat schlüssig und nachvollziehbar aus dem Gutachten von Prof. Dr. F. im SG-Verfahren sowie dem testpsychologischen Gutachten des Diplom-Psychologen Sch., der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme von Prof. Dr. F. gegenüber dem erkennenden Senat vom 20. August 2006 sowie nicht zuletzt auch aus dem Gutachten des Diplom-Psychologen M., ebenfalls im SG-Verfahren eingeholt.
Bei einem organischen Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma handelt es sich nach der im ICD-10-GM 2007 F07.2 aufgeführten Definition um ein Syndrom, das einem Schädeltrauma folgt, das meist schwer genug ist, um zur Bewusstlosigkeit zu führen. Es besteht aus einer Reihe verschiedenartiger Symptome, wie Kopfschmerzen, Schwindel, Erschöpfung, Reizbarkeit, Schwierigkeiten bei der Konzentration und geistigen Leistungen, Gedächtnisstörungen, Schlafstörungen und verminderter Belastungsfähigkeit für Stress, emotionale Reize oder Alkohol.
An der Beurteilung der genannten Gutachter, dass der Kläger eine Hirnschädigung mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung erlitten hat, hat der Senat weder unter Berücksichtigung der Ausführungen des Prof. Dr. St. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 11. Februar 2004 noch der Ausführungen von Medizinaldirektor H. in seinem Gutachten vom 27. Oktober 1997 im Verfahren S 7 U 864/97 noch den beratungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. O. im erstinstanzlichen Verfahren sowie dem Gutachten des Dr. Sch. im Verwaltungsverfahren Zweifel.
Das Unfallereignis (Sturz aus 5 bis 7 Metern Höhe von einem Gerüst) ist nach den anzulegenden wissenschaftlichen Maßstäben generell geeignet, ein Schädel-Hirn-Trauma mit hirnorganischer Wesensänderung zu verursachen. Die Diagnose wurde sofort nach dem Unfallereignis im Durchgangsarztbericht des Dr. H. vom 5. Mai 1995 und dem Bericht des Prof. Dr. W., Chirurgische Universitäts- und Poliklinik W., vom 23. Mai 1995 aufgeführt und letztlich auch von der Beklagten im Bescheid vom 6. Dezember 1995 als Unfallfolge anerkannt.
Zur Überzeugung des Senats stehen die selbstanamnestischen Angaben des Klägers, die Prof. Dr. F. im Rahmen der Begutachtung erhoben hat, nicht im Widerspruch zur Annahme schwerer kognitiver Veränderungen.
Soweit Prof. Dr. St. in seiner Stellungnahme nach Aktenlage, also ohne persönliche Befragung des Klägers, ausgeführt hat, der Kläger sei nach Lage der Akten gegenüber Prof. Dr. F. offenbar in der Lage gewesen, detaillierte Berichte über seinen Werdegang mit korrekter Nennung aller Jahreszahlen und der chronologischen Abfolge bestimmter Ereignisse zu geben, hat Prof. Dr. F. in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Annahme unzutreffend ist. Denn schon im Gutachten selbst ist ausgeführt, dass der Kläger deutliche Unschärfen im Zeitgitter bei biographischen Daten zeigte. Auch zu seiner Alltagsgestaltung und Tagesstruktur konnte der Kläger nur bruchstückhaft bzw. oberflächlich berichten. In der persönlichen Befragung wurden letztlich auch die Schwächen bzw. Leistungseinschränkungen, die in der testpsychologischen Untersuchung jedenfalls teilweise deutlich geworden sind, nochmals bestätigt, nämlich Orientierungsprobleme (nicht nur bei Autofahrten als Beifahrer, sondern auch bei anderen Wegen außerhalb des engen häuslichen Bereichs), Angst, sozialer Rückzug, Reizbarkeit und schnelle Erschöpfung. Dass es in der schriftlichen Darstellung kaum möglich ist, entsprechende Schwierigkeiten im Rahmen der Anamneseerhebung wörtlich wiederzugeben, ohne den Probanden zu stigmatisieren, dürfte auf der Hand liegen. Aus einer - lückenlosen - schriftlichen Darstellung allerdings darauf zu schließen, der Betroffene hätte im gleichen Maß berichten können, ohne zudem die beschreibende Darstellung der psychischen Situation des Betroffenen im weiteren Verlauf des Gutachtens zu berücksichtigen, trägt der Komplexität der Fragestellung nur unzureichend Rechnung und vermochte den Senat deshalb nicht zu überzeugen.
Darüber hinaus wird auch anhand der fremdanamnestischen Angaben der Ehefrau des Klägers deutlich, dass es dem Kläger aufgrund seiner schweren kognitiven Defizite nicht gelingt, den Inhalt von Radio- oder Fernsehsendungen zu verfolgen oder den Handlungsfaden von Unterhaltungssendungen nachzuvollziehen. Ebenso wenig gelingt es ihm, Unterhaltungen mehrerer Personen, selbst ihm vertrauter Personen, zu folgen, eigenständig Telefonate zu führen, Einkäufe zuverlässig zu erledigen oder komplexere Alltagsanforderungen, die über das Spülen von Geschirr oder Staubsaugen hinausgehen, zu bewältigen. Zweifel an diesen Angaben besitzt der Senat nicht.
Zur Überzeugung des Senats beruhen die benannten Defizite auch nicht auf Aggravation oder Simulation. Dagegen sprechen nicht nur die Ergebnisse der testpsychologischen Untersuchungen, die durch die Auswahl der durchgeführten Tests sicherstellten, dass subjektiv beeinflussbare Fragestellungen durch objektive Messkriterien verifiziert wurden. Vielmehr zeigten sich z.B. Wortfindungsstörungen, kurze Aufmerksamkeitsspannen, Beeinträchtigungen der Konzentration, deutliche Verzögerungen im Antwortverhalten sowie ausgeprägte Störungen der mnestischen Funktion auch im Gespräch mit dem Begutachtenden, obwohl der Kläger erkennbar bemüht war, die an ihn gestellten Fragen zu beantworten bzw. den an ihn gerichteten Anforderungen zu genügen und sich im Kontakt zugewandt, aufmerksam und um Mitarbeit bemüht zeigte.
Soweit nach dem Gutachten des Dr. E. im Verwaltungsverfahren, das zwar eine psychomotorische Verlangsamung und eine verlangsamte affektive Modulationsfähigkeit beschrieben hat, Dr. H. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 30. Juli 1996 "psychologische Experimente" zur Verifizierung möglicher Aggravationen bzw. der objektiv bestehenden Einschränkungen vorgeschlagen hat, hat Dipl.-Psychologe M. in seinem Gutachten vom 23. August 2002 zu Recht angemerkt, dass die von Dr. H. vorgeschlagenen Testmethoden nicht mehr dem aktuellen wissenschaftlichen Stand entsprochen haben. Soweit der Gutachter Dr. Sch. unter dem 11. November 1996 ausführte, beim Kläger liege zwar eine posttraumatische Hirnleistungsschwäche vor, die aber erheblich psychisch überlagert sei, und wegen "ungenügender Kooperation" des Klägers auf eine psychologische Untersuchung verzichtete, fehlt es an der neuropsychologischen Betrachtung des Krankheitsbildes und objektiver Kriterien, die die unterstellte mangelnde Kooperation bzw. den behaupteten Alkoholmissbrauch belegen. Entsprechendes gilt für die Ausführungen in den beratungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. O. vom 26. März 1998 und 4. April 2000. Soweit Medizinaldirektor H. in seinem Gutachten vom 27. Oktober 1997 ein nur leichtes organisches Psychosyndrom beschrieb, kann dem der Senat nicht folgen. Dipl.-Psychologe M. hat vielmehr zu Recht darauf hingewiesen, dass das der Beurteilung der psychischen Leistungsfähigkeit durch Medizinaldirektor H. zugrunde liegende testpsychologische Gutachten des Dipl.-Psychologen C. daran litt, dass die Testauswahl für das zu eruierende Krankheitsbild weitgehend ungeeignet war und selbst die von Dipl.-Psychologen C. beschriebenen Gedächtnisstörungen im Hauptgutachten des Medizinaldirektors H. nur unzureichend berücksichtigt worden sind. Soweit Medizinaldirektor H. zudem darauf abgestellt hat, dass die im CT beschriebene leichte bis mäßige Atrophie des Hirns, die durch physiologische Alterungsprozesse erklärt werden könne, einen zusätzlichen -wesentlichen- unfallunabhängigen Faktor für die kognitiven und mnestischen Störungen darstelle, kann dem der Senat nicht folgen. Prof. Dr. F. hat vielmehr zutreffend darauf hingewiesen, dass die Atrophie weder zwingend im Sinne unfallunabhängiger Faktoren für die Entstehung der kognitiven Defizite noch als zwingendes Anzeichen eines Alkoholmissbrauchs und seiner Folgen interpretiert werden kann. Zudem hat sich Medizinaldirektor H. auch nicht mit der Problematik auseinander gesetzt, wie der Kläger vor dem Unfall - eine leistungsbeeinträchtigende Hirnatrophie unterstellt - in der Lage gewesen war, seine verantwortungsvolle Tätigkeit als Montagebauleiter zuverlässig zu verrichten.
Soweit Dr. Sch. ausgeführt hat, die von ihm zuvor beschriebenen Defizite seien wesentlich auf eine mangelnde Leistungsmotivation des Klägers zurückzuführen, ist mit Prof. Dr. F. darauf hinzuweisen, dass die in dem Gutachten beschriebene Lustlosigkeit, Energie- und Interesselosigkeit des Klägers nicht als unfallunabhängige, charakterlich bedingte Eigenschaften zu werten sind. Vielmehr ist es gerade Ausdruck des erlittenen Schädelhirntraumas, dass der Kläger rasch erschöpft, physisch und psychisch deutlich vermindert belastbar und seine Alltagsstruktur stark verarmt ist. Wird zusätzlich einem Verletzten, dessen funktionelle Einschränkungen sich im Wesentlichen durch eine starke Überforderung schon in allen Belangen des Alltags zeigen, im Rahmen einer testpsychologischen Untersuchung aufgrund der an ihn gestellten Anforderungen klar, dass er diese kaum erfüllen kann bzw. wird auch für den Verletzten die Überforderung rasch deutlich, ist nachvollziehbar, dass dieser schon aufgrund des mangelnden Selbstbewusstseins schnell zur vorzeitigen Aufgabe neigt oder schon von vornherein davon ausgeht, die an ihn gestellten Anforderungen ohnehin nicht erfüllen zu können. Dem Kläger fehlt es ja gerade nicht an Einsicht bezüglich seines mangelnden Durchhaltevermögens bzw. seiner mangelnden Kompetenzen. Vielmehr erkennt er seine Defizite ganz genau und versucht deshalb gerade, z.B. durch das Vermeiden von Autofahrten oder das Verlassen des häuslichen Bereichs, Stresssituationen so weit als möglich zu vermeiden.
Zusammenfassend steht deshalb auch für den Senat fest, dass die schlechten testpsychologischen Leistungen nicht Ausdruck von Simulation oder Aggravation darstellen, sondern Ausdruck der durch das Schädelhirntrauma wesentlich verursachten raschen Erschöpfbarkeit, des mangelnden Überblicks und rascher Überforderung sowie der daraus resultierenden Verhaltenshemmung sind.
Der Senat konnte sich auch nicht davon überzeugen, dass eine innere Ursache wesentlich für die beschriebenen Leistungseinschränkungen auf psychiatrischem Fachgebiet ist und daher einen Zusammenhang der bestehenden Gesundheitsstörungen mit dem Unfallereignis ausschließen könnte.
Insbesondere der von Prof. Dr. St. in den Vordergrund seiner beratungsärztlichen Stellungnahme gestellte Alkoholmissbrauch, der zuvor auch von Dr. Sch. behauptet worden ist, war im Verlaufe aller Begutachtungen suchtanamnestisch nicht verifizierbar. Schon der berufliche Werdegang des Klägers, der vor dem Unfall als Montageleiter verantwortungsvolle Tätigkeiten verrichtet hat, spricht gegen die von Dr. Sch. gedeutete "labile Persönlichkeitsstruktur", die er aus einigen Laborwerten und dem daraus geschlossenen Alkoholmissbrauch des Klägers herzuleiten versuchte. Darüber hinaus korrelieren die im neurologischen Befund von 2. Juli 2003 festgestellten Koordinationsstörungen auch mit dem im CT vom 12. August 1997 beschriebenen Kleinhirnveränderungen, die wiederum nicht zwingend durch einen Alkoholmissbrauch verursacht sind. Auch die aktenkundigen Laborwerte vor und nach dem Unfall lassen nicht zwingend auf einen Alkoholmissbrauch schließen, ebenso wenig die vom behandelnden Hausarzt Dr. V. übermittelten Arztbriefe und Befundberichte über die beim Kläger vor 1995 behandelnden Magenulcerosa. Dr. V. hat darauf hingewiesen und dies kann auch den übermittelten Laborbefunden entnommen werden, dass lediglich im Dezember 1993 kurzfristig erhöhte Werte für das Gamma-GT festgestellt worden sind. Auch im Rahmen des stationären Krankenhausaufenthalts des Klägers vom 19. Mai bis 24. Juni 1995 wurde mit einem Gamma-GT von 45 U/l völlig ein normgerechter Wert gemessen. Wie Prof. Dr. F. zutreffend ausgeführt hat, kann Ursache der - kurzzeitig - erhöhten Laborwerte auch eine internistische Erkrankung sein. Unabhängig von der Frage, wodurch mögliche Veränderungen der Leberwerte beim Kläger tatsächlich verursacht sind, ist der Nachweis für eine innere Ursache in Gestalt einer Alkoholabhängigkeit bzw. eines Alkoholabusus, die wesentlich die psychischen Leistungseinschränkungen verursacht hat, aufgrund der aktenkundigen Feststellungen nicht zu erbringen. Ist eine innere Ursache allerdings nicht feststellbar, liegt ein Arbeitsunfall vor (zuletzt BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R = BSGE 94, 269 - 273; BSG SozR 2200 § 550 Nr 35, Urteil vom 29. Februar 1984 - 2 RU 24/83 - sowie zum Dienstunfall: BVerwGE 17, 59 , 61 f).
Mit Prof. Dr. F. geht der Senat unter Berücksichtigung der im Gutachten von Prof. Dr. W. vom 23. März 1996 beschriebenen Leistungseinschränkungen von einem unverändertem Zustand seit dem Unfall aus, weshalb die Frage einer eventuellen Verschlimmerung offen bleiben konnte. Soweit in den ersten Berichten nach dem Unfall noch von einem leichten bis mittelgradigen Schweregrad des hirnorganischen Psychosyndrom ausgegangen worden ist, ist nach dem oben Dargestellten davon auszugehen, dass, wie Dr. M. und der Diplom-Psychologe Sch. zutreffend dargestellt haben, der psychische Leistungszustand des Klägers wegen der - allerdings nur vermuteten - konkurrierenden anlagebedingten bzw. alkoholbedingten psychischen Veränderungen nicht ausreichend hinterfragt bzw. ungenügend überprüft worden ist und faktisch eine unverändert starke Einschränkung der psychischen Leistungsfähigkeit seit dem Unfall besteht.
Soweit Prof. Dr. St. in seiner Stellungnahme auf den Arztbrief von Dr. K. vom 7. August 1995 verweist, wonach die Lernfähigkeit des Klägers nur leicht beeinträchtigt sei und das Langzeitgedächtnis im Normbereich liege, vermag dies den Senat nicht davon zu überzeugen, dass im Gesundheitszustand des Klägers seit dem Unfall eine (unfallfremde) Verschlimmerung eingetreten ist. Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung insoweit den überzeugenden und schlüssigen Argumenten des SG in seiner Entscheidung (S. 18 und 19 der Entscheidungsgründe) an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen darauf (§ 153 Abs. 2 SGG).
Da somit die funktionellen Einschränkungen des Klägers auf psychischem Fachgebiet wesentlich durch den Arbeitsunfall vom 21. April 1995 bedingt sind, sind in die Feststellung der MdE die festgestellten Störungen auf psychiatrischem Fachgebiet in vollem Umfang einzustellen.
Das Sozialgericht geht im angefochtenen Urteil zutreffend weiter davon aus, dass als Folgen des Unfalls Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen vorliegen. Diese sind in dem neurootologischen Gutachten des Dr. SCH. beschrieben und von Prof. Dr. F. in seinem Gutachten bestätigt worden. Dass der Kläger über Schwindelbeschwerden klagte, ergibt sich aus mehreren ärztlichen Berichten aus dem Jahre 1995. Diese sind als Unfallfolgen im Bescheid vom 6. Dezember 1996 auch anerkannt ("geringe Störungen der Koordination").
Der Senat hat aufgrund der überzeugenden Gutachten von Prof. Dr. F. und Dipl. Psych. Sch. keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen gesehen, weshalb er dem Hilfsantrag der Beklagten nicht nachgekommen ist.
Nach Erfahrungswerten beträgt die MdE bei Hirnschäden mit Leistungsbeeinträchtigung geringen Grades 10 bis 20 v.H., mittelschweren Grades 30 bis 50 v.H., bei Leistungseinschränkungen schweren bis schwersten Grades 60 bis 100 v.H. bzw. bei einer Hirnschädigung mit organisch-psychischen Störungen (Hirnleistungsschwäche und organische Wesensänderung) leichter Art 20 bis 40 v.H., mittelgradigen Ausmaßes 40 bis 50 v.H. und schweren Ausmaßes 60 bis 100 v.H. (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 275; Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 11. Auflage, S. 146 f).
Nach Maßgabe dieser Kriterien hält der Senat die von Prof. Dr. F. in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 20. August 2006 vorgeschlagene MdE um 80 v.H., wie sie auch das SG in der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, für zutreffend und angemessen. Die Feststellung des Mittelwertes zwischen 60 und 100 stützt sich darauf, dass die fluide Intelligenz des Klägers bei der neuropsychologischen Untersuchung durch den Dipl.-Psychologen Sch. am 19. August 2003 - gemessen am Regelerkennen - noch durchschnittlich war und die Allgemeinbildung sowie der Abruf allgemeinen Wissens aus dem Langzeitgedächtnis zwar an der unteren Durchschnittsgrenze gelegen hatten, aber ebenfalls noch abrufbar waren. Die geistigen Funktionen sind entsprechend der Schwere der psychischen Störungen daher zwar stark eingeschränkt aber noch partiell abruf- und einsetzbar, so dass eine MdE im mittleren Bereich des zur Verfügung stehenden Rahmens angezeigt ist. Wegen der weiteren Begründung verweist der Senat auch insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG auf Seite 29 der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG).
Der Senat kann nach alldem offen lassen, ob die vom Bevollmächtigten des Klägers im Hinblick auf § 200 SGB VII geäußerten Bedenken bezüglich der Einschaltung eines Beratungsarztes durch die Beklagte gerechtfertigt sind. Denn weder das SG noch der erkennende Senat haben sich auf die von den Beratungsärzten geäußerten Auffassungen gestützt, so dass sich selbst ein Verstoß gegen die genannten Bestimmungen nicht auf die gerichtlichen Entscheidungen ausgewirkt hat.
Die Unfallfolgen auf chirurgischem Fachgebiet, die mit einer MdE um 10 v.H. zu bemessen sind, ebenfalls wie die Schwindelbeschwerden des Klägers, sind nicht geeignet, eine höhere Gesamt-MdE zu begründen, da sie in ihrer Schwere deutlich hinter die funktionellen psychischen Einschränkungen treten und für die Gesamtleistungsfähigkeit ohne wesentliche Bedeutung sind.
Der Kläger hat wegen der Vierjahresfrist des § 44 Abs. 4 SGB X, gerechnet ab der Antragstellung am 12. Februar 2001, jedoch keinen Anspruch auf die Zahlung einer höheren Rente für die Zeit vor dem 1. Januar 1997. Insoweit war das Urteil des SG, das die Beklagte zu einer Nachzahlung für die Zeit vom 23. Dezember 1995 bis 31. Dezember 1996 verurteilte, auf die Berufung der Beklagten abzuändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Im übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren zu 2/3.
Tatbestand:
Im Streit steht der Umfang der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) des Klägers.
Der 1943 geborene Kläger stürzte am 21. April 1995 aus 5 bis 7 Metern Höhe von einem Gerüst. Er erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma mit einem Durchgangssyndrom, eine Bogenfraktur des 2. Halswirbelkörpers sowie eine Thoraxkontusion (Durchgangsarztbericht des Dr. H. vom 5. Mai 1995; Bericht des Prof. Dr. W., Chirurgische Universitäts- und Poliklinik W., vom 23. Mai 1995). Dr. K., Stationsarzt im Bezirkskrankenhaus E., Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie, teilte mit Schreiben vom 12. Juni 1995 mit, der Kläger habe auf Grund des Schädelhirntraumas ein mittelgradiges amnestisches Syndrom entwickelt, wobei vor allem die Lernfähigkeit, das unmittelbare Behalten sowie der Kurzzeitspeicher gestört seien. Zudem habe der Kläger auch mittelgradige räumlich-konstruktive Störungen, die sehr diskrete linksseitig betonte Tetrasymptomatik habe sich völlig zurück gebildet. D-Arzt Dr. K. berichtete unter dem 27. Juni 1995, dass der Kläger auch über Schmerzen und Sensibilitätsstörungen im Bereich des linken Zeigefingers berichtet habe. Dr. E., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, beschrieb in seinem Bericht vom 13. Juli 1995 einen Zustand nach peripherem Medianuskompressionssyndrom, einen Verdacht auf cervikogen bzw. halswirbelsäulenprellungsbedingte Parästhesien im Bereich der linken Hand sowie einen Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades mit Durchgangssyndrom. Auch Prof. Dr. W. berichtete unter dem 17. Juli 1995 über Parästhesien der linken Finger und eine Schwäche beim Faustschluss. Bei der Untersuchung am 21. August 1995 zeigte sich weiterhin eine erhebliche Vergesslichkeit, Unsicherheit und ein Schwindelgefühl beim Fahrradfahren und Treppabgehen, Kopfschmerz bei Sonneneinstrahlung, Schwäche und intermittierende Schwellung des linken Armes sowie eine weiter bestehende Erinnerungslücke vom Unfall an für die Dauer von etwa sechs Wochen (Bericht des Prof. Dr. W. vom 21. August 1995). Auf Grund der Untersuchung des Klägers am 29. August 1995 diagnostizierte die Augenärztin Prof. Dr. Sch.-K. eine Hyperopie, Presbyopie und Cataracta senilis (Bericht vom 30. August 1995). Die Psychiaterin Dr. S. fand bei ihrer Untersuchung am 5. September 1995 eine erheblich beeinträchtigte Leistungsfähigkeit (Bericht vom 6. September 1995). Da eine Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit auf absehbare Zeit nicht zu erwarten war, stellte die frühere Beklagte, die S. Bau-Berufsgenossenschaft, zum 22. Dezember 1995 die Zahlung von Verletztengeld ein.
Prof. Dr. W. erstellte unter dem 23. März 1996 im Auftrag der Beklagten das erste Rentengutachten. Darin beschrieb er als Unfallfolgen eine knöchern konsolidierte Bogenfraktur des zweiten Halswirbelkörpers sowie eine mäßige Bewegungseinschränkung im Bereich der Halswirbelsäule und schätzte die MdE auf chirurgischem Fachgebiet mit 10 v.H. ein. Im nervenärztlichen Zusatzgutachten vom 10. April 1996 führte Dr. E. aus, wenngleich Aggravationstendenzen bei der Begutachtung festzustellen gewesen seien, seien auf Grund der fremdanamnestischen Angaben der Ehefrau und auch der behandelnden Psychiaterin doch durchgehende organische Wesensänderungen festzustellen, die auf das Unfallereignis zurückgeführt werden müssten. Das zumindest grenzwertige EEG unterstütze dies objektiv. Die MdE auf nervenärztlichem Gebiet betrage momentan 70 v.H. Prof. Dr. W. schätzte in seiner Stellungnahme vom 12. Juni 1996 die Gesamt-MdE daraufhin mit 70 v.H. ein.
In der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 30. Juli 1996 regte der Neurologe und Psychiater Dr. H. weitere Ermittlungen an. Auf Anfrage der früheren Beklagten teilte der vom Kläger als Hausarzt angegebene Arzt für Allgemeinmedizin Dr. V. in seinem Schreiben vom 25. September 1996 die zwischen 1986 und 1993 ermittelten Laborwerte mit und berichtete, seit den 80er Jahren laufend Gastritiden und Duodenalulcera behandelt zu haben.
Der Neurologe und Psychiater Dr. Sch. erstattete daraufhin im Auftrag der früheren Beklagten das nervenärztliche Gutachten vom 11. November 1996. Unter Berücksichtigung der von ihm veranlassten Magnetresonanztomografie des Kopfes am 4. November 1996 durch den Arzt für Radiologie und Nuklearmedizin Dr. K. (Auswertung: Verdacht auf alte Densspitz-eninfraktion und kleinen parietalen Hirncontusionsherd links subcortical. Kein Hinweis für größere posttraumatische Hirnverletzung oder epidurales Hämatom. Keine Zeichen einer intracraniellen Drucksteigerung oder Massenverschiebung) vertrat Dr. Sch. die Auffassung, der Herdbefund sei wahrscheinlich Folge einer Hirnkontusion. Die behauptete lange Dauer der Erinnerungslücke wie auch die Schilderung der Ehefrau zu diesem Aspekt seien allerdings bei Berücksichtigung der übrigen Symptomatik so ungewöhnlich, dass sie gutachterlich nicht verwertbar seien. Die von der Ehefrau des Klägers berichtete völlige Erblindung in den ersten Wochen nach dem Unfall finde in den Akten keine Bestätigung. Wenn eine kontusionelle Hirnschädigung wahrscheinlich anzunehmen sei, so sei mit einiger Wahrscheinlichkeit auch zu erwarten, dass psychische Schäden im Sinne eines posttraumatischen hirnorganischen Psychosyndroms und einer posttraumatischen Hirnleistungsschwäche zurückgeblieben seien, was die in den Vorbefunden immer wieder beschriebenen erheblichen Störungen der Merk- und Gedächtnisfunktionen und anderes erkläre. Mit der Fraktur des 2. Halswirbelkörpers sei wahrscheinlich auch eine geringgradige traumatische Hirnstamm- oder Medulla-oblongata-Schädigung verbunden gewesen, worauf die anfänglich beschriebene "sehr diskrete links betonte" Tetraspastik hinweise. Als Residuum könnten die noch bestehenden geringfügigen Reflexdifferenzen (cutane Bauchdeckenreflexe links schwächer) interpretiert werden. Die im Wesentlichen durch das leicht bis mäßiggradig ausgeprägte posttraumatische hirnorganische Psychosyndrom bedingte MdE betrage 40 v.H. Neben dem posttraumatischen hirnorganischen Psychosyndrom bestehe wahrscheinlich auch eine erhebliche psychische Überlagerung, die demonstrativen und/oder appellativen Charakter habe. Der von Dr. H. geäußerte Verdacht eines überhöhten äthylischen Konsums habe sich nach den Laborbefunden bestätigt. Indes liege die Vermutung nahe, dass der Alkoholkonsum in den letzten Wochen erheblich reduziert worden sei. Er sei derzeit nicht von größerer Bedeutung, weise jedoch auf eine vorbestehende labile Persönlichkeitsstruktur des Klägers hin.
Die frühere Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 6. Dezember 1996 dem Kläger ab 23. Dezember 1995 Verletztenrente auf Dauer nach einer MdE um 40 v.H ... Als Unfallfolgen erkannte sie an: Hirnorganisches Psychosyndrom, Reflexdifferenzen sowie geringe Störungen der Koordination, vertebragener Kopfschmerz nach Schädel-Hirn-Verletzung, Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule nach knöchern fest verheiltem Bogenbruch des 2. Halswirbelkörpers rechts. Als Unfallfolgen erkannte sie nicht an: Persönlichkeitsveränderungen mit psychischer Überlagerung sowie Verdacht auf Alkoholmissbrauch. Den Widerspruch des Klägers wies die frühere Beklagte unter Bezugnahme auf die Gutachten des Prof. Dr. W. und des Dr. Sch. zurück (Widerspruchsbescheid vom 8. April 1997).
Mit der hiergegen beim Sozialgericht Heilbronn (SG, Az.: S 7 U 864/97) erhobenen Klage begehrte der Kläger, der ab 1. Januar 1997 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erhielt, eine Rente nach einer MdE um 100 v.H. Im Auftrag des Sozialgerichts erstattete Medizinaldirektor H., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, das nervenärztliche Gutachten vom 27. Oktober 1997 unter Berücksichtigung einer testpsychologischen Zusatzuntersuchung vom 14. August 1997 und einer Computertomografie des Gehirns. Auf neurologischem Fachgebiet seien keine Unfallfolgen festzustellen. Seitens der erlittenen Bogenfraktur des 2. Halswirbelkörpers hätten sich keine Hinweise für bleibende spinale oder radikuläre Traumafolgen ergeben. Die angegebenen Störungen im Bereich der linksseitigen Extremitäten seien nicht zu objektivieren, da z.B. Reflexdifferenzen, Lähmungen oder trophische Störungen nicht festzustellen gewesen seien. Neurologische Defizite als Folge des erlittenen Schädel-Hirn-Traumas hätten sich ebenfalls nicht gefunden. Diagnostisch sei wohl am ehesten von einer Gehirnerschütterung auszugehen mit ausgedehnter retro- und anterograder Amnesie bei allerdings differierenden Angaben über die zeitliche Ausdehnung der Amnesie. Hinweise für eine substanzielle Hirnschädigung ergäben sich nicht. Der im Rahmen der kernspintomographischen Untersuchung vom 4. November 1996 geäußerte Verdacht auf einen kleinen parietalen Hirnkontusionsherd links erkläre die geklagten Beschwerden im Bereich der linken Körperhälfte nicht, da die entsprechende Gehirnhälfte jeweils die kontralaterale Körperhälfte versorge. Auf psychiatrischem Fachgebiet bestehe ein leichtes organisches Psychosyndrom mit psychomotorischer Verlangsamung und Beeinträchtigung der Gedächtnisfunktionen. Die Computertomografie des Gehirns zeige eine leichte bis mäßiggradige Atrophie, die durch physiologische Alterungsprozesse erklärt werden könne und einen zusätzlichen unfallunabhängigen Faktor für die kognitiven und mnestischen Defizite darstellen könne. Zusätzlich sei es aber auch zu einer ungünstigen Verarbeitung der Störung mit zum Teil demonstrativem und appellativem Charakter in der Beschwerdedarstellung, einem Rückzug in die Krankenrolle mit begleitendem und sozialem Rückzug und der Entwicklung von Ängsten gekommen. Hinweise für eine organische Persönlichkeitsstörung fänden sich nicht. Die Höhe der unfallbedingten MdE (leichtes organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma) sei mit 40 v.H. einzuschätzen.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erstattete der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. das Gutachten vom "10. Oktober 1998" (Eingang beim SG am 6. März 1998). Beim Kläger bestehe in neurologischer Hinsicht eine überwiegend motorische Hemisymptomatik links, in psychiatrischer Hinsicht eine Wesensänderung mit starker Antriebslosigkeit und Gedächtnisstörung, letzteres im Wesentlichen gestützt auf die Angaben der Ehefrau sowie die eigene Kenntnis des Klägers vor dem Unfall. Diese Erkrankungen seien Folgen des Arbeitsunfalls. Vor allem auf Grund der psychischen Beeinträchtigungen bestehe eine MdE um 100 v.H. In der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 26. März 1998 hielt der Neurologe Dr. O. die gutachterliche Einschätzung des Dr. Sch. für zutreffend. Medizinaldirektor H. blieb in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 8. Oktober 1998 bei der von ihm vertretenen Auffassung.
Durch Urteil vom 9. Dezember 1999 wies das SG die Klage ab. Es stützte sich auf das Gutachten des Medizinaldirektors H. und des Prof. Dr. W ... Die Berufung des Klägers wies das Landesozialgericht Baden-Württemberg unter Bezugnahme auf die Begründung des angefochtenen Urteils zurück (Beschluss vom 27. September 2000 - L 10 U 1078/00 -). Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision und eine Gegenvorstellung des Klägers verwarf das Bundessozialgericht als unzulässig (Beschlüsse vom 22. Januar 2001 -B 2 U 361/00 - und vom 16. Februar 2001 - B 2 U 52/01 B -).
Am 12. Februar 2001 beantragte der Kläger gegenüber der ehemaligen Beklagten, die (unrichtige) "ursprüngliche Feststellung zu ändern und mittlerweile eingetretene Verschlimmerungen zu berücksichtigen". Er verwies insoweit auf die im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde dem BSG vorgelegten Unterlagen über die stationären Behandlungen nach dem Unfall und eine eidesstattliche Versicherung seiner Ehefrau. Diese Unterlagen legte die frühere Beklagte dem Neurologen und Psychiater Dr. O. vor. Dieser führte in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 4. April 2001 aus, diese Unterlagen aus der ersten akuten Behandlungsphase nach dem Umfall ergäben bezüglich der unfallbedingten Gesundheitsstörungen keine neuen Gesichtspunkte. Die Schwere des Durchgangssyndroms in der Akutsituation korreliere nicht mit dem einem Jahr später zu bemessenden Dauerschaden auf psychischem Fachgebiet. Zu überprüfen wäre lediglich, inwieweit eine binasale Gesichtsfeldstörung, die mögliche Unfallfolge in Folge eines hirndruckbedingten Dauerschadens im Bereich der Sehbahnen bzw. des Chiasma-opticum sei, mit einer MdE zu bemessen sei. In dem daraufhin veranlassten augenärztlichen Gutachten vom 11. Oktober 2001 konnte Prof. Dr. G., Direktor der Augenklinik der Julius-Maximilians-Universität W., keine durch den Unfall vom 21. April 1995 bedingten krankhaften Veränderungen der Augen feststellen.
Mit Bescheid vom 25. Februar 2002 lehnte es die frühere Beklagte ab, den Bescheid vom 6. Dezember 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8. April 1997 zurückzunehmen. Den Widerspruch des Klägers wies der Widerspruchsausschuss der früheren Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 2002 zurück, da weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Nach dem zusätzlich noch eingeholten Gutachten des Prof. Dr. G. bestünden auch auf augenärztlichem Gebiet keine Unfallfolgen.
Daraufhin erhob der Kläger am 30. April 2002 Klage beim SG und beantragte die Gewährung einer Rente nach einer MdE von zunächst mindestens 70 v.H. ab 23. Dezember 1995, später in Höhe von 100 v.H. Die Persönlichkeitsveränderungen mit psychischer Überlagerung seien Unfallfolgen. Wegen der nach wie vor schweren Beeinträchtigungen, z.B. im Bereich der Konzentration und Gedächtnisleistung, insbesondere des Kurzzeitgedächtnisses, sei er, der die Funktionen eines Bauleiters innegehabt habe, nicht in der Lage, irgendeine Arbeit auszuführen, weil er binnen kürzester Zeiträume Zusammenhänge verliere.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG erstattete der Psychologische Psychotherapeut M. das neuropsychologische Gutachten vom 23. August 2002. Beim Kläger bestünden mittelschwere bis sehr schwere Defizite der einzelnen Aufmerksamkeitskomponenten und sämtlicher Aspekte des Neugedächtnisses und zusätzlich unterdurchschnittliche exekutive Störungen, wobei jedoch die intellektuellen Funktionen in der unteren Altersnorm angesiedelt, also nicht klinisch auffällig seien. Die MdE für die Hirnschädigung mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung betrage seit dem Unfall 80 v.H.
Die Beklagte legte hierzu die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. O. vom 19. Dezember 2002 vor. Die von den Gutachtern Dr. Sch. und Medizinaldirektor H. erhobenen und dokumentierten Befunde entsprächen den Leistungsbeeinträchtigungen eines leichten bis mäßig schweren psychoorganischen Hirnschadens, nicht jedoch einem Hirnschaden mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung. Ein Gutachter müsse das neuropsychologische Leistungsdefizit quantifizieren.
Der Kläger reichte daraufhin das neurootologische Gutachten des Dr. SCH. vom 10. April 2003 zu den Akten, das dieser im Auftrag des Landgerichts Nürnberg-Fürth im Rechtsstreit des Klägers gegen die private Unfallversicherung (Az.: 11 O 6855/01) erstattet hat. Die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit des Klägers sei als Folge des Sturzes am 21. April 1995 bei Zusammenfassung aller Teilaspekte der neurootologischen und neurochirurgischen Funktionsstörungen um 100% beeinträchtigt.
Im Auftrag des Sozialgerichts erstattete Prof. Dr. F. das psychiatrische Gutachten vom 15. Januar 2004 unter Berücksichtigung des psychologischen Zusatzgutachtens des Diplom-Psychologen Sch. vom 19. August 2003. Prof. Dr. F. führte zusammenfassend aus, dass das vom Unfall am 21. April 1995 herrührende gedeckte Schädelhirntrauma zu einer Hirnschädigung mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung in den Bereichen Gedächtnis, Konzentration und Orientierung geführt habe. Weitere Folgen seien eine vermehrte Reizbarkeit, eine rasche Erschöpfbarkeit, eine deutlich verminderte körperliche und psychische Belastbarkeit und eine allgemein stark verarmte Lebensführung. In den testpsychologischen Untersuchungen werde die schwere Hirnschädigung durch massive Störungen im verbalen und nonverbalen Kurzzeitgedächtnis, dem Langzeitgedächtnis, der Konzentration, Lernleistung und Konsolidierung sowie schwer beeinträchtigte Exekutivfunktionen offenbar. Auf Grund der ausgeprägten kognitiven Beeinträchtigungen sei eine unfallbedingte MdE um 100 v.H. anzunehmen. Unfall- unabhängige Ursachen sehe er nicht, insbesondere habe er suchtanamnestisch keine Hinweise auf eine alkoholbezogene oder anderweitig suchtmittelbezogene Abhängigkeitsentwicklung oder Persönlichkeitsveränderung beim Kläger gefunden.
Die Beklagte legte daraufhin die beratungsärztliche Stellungnahme des Prof. Dr. St. vom 11. Februar 2004 vor. Die im neuropsychologischen Gutachten vom 19. August 2003 erhobenen Befunde lägen größtenteils dramatisch unterhalb des Normbereiches und stellten eine wesentliche Verschlechterung gegenüber den zuvor dokumentierten neuropsychologischen Befunden dar. Das Gutachten vom 15. Januar 2004 führe nicht aus, wie es zu der dramatischen Verschlechterung des Leistungsvermögens gekommen sein solle. Zahlreiche Vorgutachten hätten auf Ausgestaltungstendenzen des Klägers hingewiesen. Verfahren, um Verfälschungstendenzen zu erkennen, seien im Gutachten vom 15. Januar 2004 nicht eingesetzt worden. Nach den neuropsychologischen Befunden müsse es sich um einen schwerst beeinträchtigten Mann mit ausgeprägten Gedächtnisstörungen handeln. Im Widerspruch hierzu stünden die in den Gutachten in der Anamnese dokumentierten Angaben des Klägers über Werdegang mit korrekter Anwendung aller Jahreszahlen, der chronischen Abfolge der Ereignisse und der Darstellung früher bestehender Krankheiten. Auch hätten sich mehrfache Hinweise für unfallunabhängige Beeinträchtigungen des kognitiven Leistungsvermögens ergeben, insbesondere in Form eines Alkoholmissbrauchs.
Durch Urteil vom 19. Juli 2005 hob das SG den Bescheid vom 25. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. April 2002 auf und verurteilte die Beklagte, den Bescheid vom 6. Dezember 1996 teilweise zurückzunehmen und dem Kläger für die Zeit vom 23. Dezember 1995 bis 31. Dezember 1996 noch Zahlung in Höhe von EUR 8.432,02 und ab 1. Januar 1997 eine Verletztenrente auf Grundlage einer MdE in Höhe von 80 v.H. einer Vollrente nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das SG stützte sich auf die von ihm als schlüssig und nachvollziehbar bezeichneten Ausführungen von Prof. Dr. F. und des Diplom-Psychologen Sch. und führte aus, schon ab dem 23. Dezember 1995 habe als auf das Unfallereignis zurückzuführende Gesundheitsstörung neben der Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule nach knöchern fest verheiltem Bogenbruch des zweiten Halswirbelkörpers rechts ein schweres organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma vorgelegen. Das gedeckte Schädelhirntrauma habe zu einer Hirnschädigung mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung in den Bereichen Gedächtnis, Konzentration und Orientierung geführt. Weitere Folgen seien eine vermehrte Reizbarkeit, eine rasche Erschöpfbarkeit, eine deutlich verminderte körperliche und psychische Belastbarkeit und eine allgemein stark verarmte Lebensführung. Ferner lägen Störungen im verbalen und nonverbalen Kurzzeitgedächtnis, im Langzeitgedächtnis, in der Konzentration, bei der Lernleistung und der Konsolidierung sowie schwer beeinträchtigte Exekutivfunktionen vor. Entgegen der Auffassung von Prof. Dr. St. sei keine Verschlechterung eingetreten, sondern der Gesundheitszustand stelle sich schon zum 23. Dezember 1995 so dar, wie sich auf den von dem Diplom-Psychologen Sch. erhobenen Befund ableiten lasse. Die von Herrn M. durchgeführten neuropsychologischen Untersuchungen zeigten, dass schwere bis sehr schwere Defizite der einzelnen Aufmerksamkeitskomponenten und sämtlicher Aspekte des Neugedächtnisses gegeben seien. Beim Kläger lägen weder Simulation noch Aggravation bzw. Ausgestaltungstendenzen vor. Weiter lägen Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen vor. Die Gesundheitsstörungen seien auf das Unfallereignis vom 21. April 1995 zurückzuführen. Nicht als Ursache kämen in Betracht eine Alkoholabhängigkeit, eine Schadensanlage in Form einer Persönlichkeitsveränderung und auch keine leichte bis mäßiggradige Atrophie, die durch physiologische Alterungsprozesse erschwert worden sei. Die Funktionseinbußen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet seien nach Maßgabe der unfallversicherungsrechtlichen Literatur mit einer MdE um 80 v.H. im mittleren Bereich des eröffneten MdE-Rahmens von 60 bis 100 v.H. angemessen, aber auch ausreichend bewertet. Die Funktionseinbußen auf unfallchirurgischem Fachgebiet seien mit einer MdE um 10 v.H. zu bewerten. Da sich die Funktionseinbußen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet und unfallchirurgischem Fachgebiet teilweise überschnitten, ergebe sich eine Gesamt-MdE um 80 v.H. ab dem 23. Dezember 1995. Auf der Grundlage einer MdE in dieser Höhe stehe dem Kläger für die Zeit vom 23. Dezember 1995 bis 31. Dezember 1996 ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von EUR 8.432,02 zu. Eine Verschlimmerung sei zu keinem Zeitpunkt eingetreten.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers und der früheren Beklagten jeweils am 8. August 2005 zugestellte Urteil haben die frühere Beklagte am 18. August 2005 und der Kläger am 26. August 2005 Berufung eingelegt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19. März 2007 hat der Kläger die Berufung zurückgenommen.
Das Unternehmen, in dem der Kläger beschäftigt war, ist mit Wirkung vom 1. April 2004 von der früheren Beklagten auf die jetzige Beklagte übergegangen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. Juli 2005 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen sowie hilfsweise eine erneute Begutachtung durch einen mit dieser Unfallsache noch nicht befassten und auf die Beurteilung von Hirntraumas spezialisierten Mediziner auf neurologischem/psychiatrischem Fachgebiet durchzuführen, da eine weitergehende Sachaufklärung von Amts wegen dahingehend für erforderlich gehalten wird, ob und inwieweit die erheblichen Beeinträchtigungen der kognitiven Leistungsfähigkeit und sonstiger Defizite authentisch und nicht vorgetäuscht sowie eine Folge des am 21.04.1993 erlittenen Unfalls sind.
Das Sozialgericht bejahe zu Unrecht den Eintritt einer Verschlimmerung. Die Ausführungen des Prof. Dr. St. seien durch die Argumentation des angefochtenen Urteils nicht widerlegt. Das Untersuchungsergebnis des Diplom-Psychologen M. rechtfertige keine MdE um 80 v.H. Das Sozialgericht habe auch nicht die Richtigkeit der Argumentation von Prof. Dr. St. zum fehlenden Kausalitätsnachweis bezüglich der behaupteten Verschlimmerung widerlegt.
Zur Stützung ihrer Auffassung hat die Beklagte Stellungnahmen ihres beratenden Arztes Prof. Dr. Sch. vom 1. Februar 2006 und 16. März 2006 sowie die beratungsärztliche Stellungnahme des Prof. Dr. St. vom 14. März 2007 vorgelegt. Vorgelegt wurde weiter der Bescheid vom 19. Dezember 2006 über die Ablehnung der Löschung der beratungsärztlichen Stellungnahme von Prof. Dr. St. vom 11. Februar 2004. In der im Auftrag des Gerichts erstellten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 20. August 2006 hat Prof. Dr. F. wegen der schweren Hirnleistungsschwäche, die unfallbedingt sei und Funktionseinbußen auf psychiatrischem und neuropsychologischem Fachgebiet zur Folge habe, die MdE mit 80 v.H. eingeschätzt (Bezugnahme auf Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 11. Auflage). Im Übrigen hat er an der Bewertung in seinem Gutachten vom 15. Januar 2004 fest gehalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Nach der Rücknahme der Berufung des Klägers war nur noch über die form- und fristgerechte und nach § 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung der Beklagten zu entscheiden.
Der Beteiligtenwechsel auf der Beklagtenseite im Berufungsverfahren stellte eine Klageänderung nach § 99 SGG dar, die sachdienlich ist. Sie ist zweckmäßig, weil nunmehr der für die Entschädigung zuständige Versicherungsträger den Rechtsstreit führt.
Die Berufung der Beklagten ist teilweise begründet, da dem Kläger wegen § 44 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) Rentennachzahlungen erst ab 1. Januar 1997 zustehen.
Verfahrensrechtlich beurteilt sich der vorliegende Rechtsstreit nach § 44 Abs. 1 und 4 SGB X. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Gemäß § 44 Abs. 4 SGB X werden für den Fall, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist, Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile des Sozialgesetzbuchs längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahre vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechung des Zeitraums, für den rückwirkende Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.
Der vom Kläger erhobene Anspruch richtet sich materiell-rechtlich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da der von ihm geltend gemachte Arbeitsunfall vor dem In-Kraft-Treten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) am 1. Januar 1997 eingetreten ist (Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII) und auch der Anspruch auf eine - höhere- Rente noch für die Zeit vor dem 1. Januar 1997 streitig ist.
Gemäß § 580 Abs. 1 RVO erhält der Verletzte eine Rente, wenn die zu entschädigende Minderung der Erwerbsfähigkeit über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus andauert. Als Verletztenrente werden gewährt, solange infolge des Arbeitsunfalls die Erwerbsfähigkeit des Verletzten um wenigstens ein Fünftel gemindert ist, der Teil der Vollrente, der dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht (§ 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO).
Erforderlich ist zunächst, dass überhaupt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit des Versicherten durch eine Beeinträchtigung seines körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens gegeben ist und dass diese Beeinträchtigung in Folge des festgestellten Versicherungsfalles - hier des Arbeitsunfalls - eingetreten ist, also über einen längeren Zeitraum andauernde Unfallfolgen vorliegen. Zur Feststellung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung in Folge eines Versicherungsfalles muss zwischen dem Unfallereignis und den geltend gemachten Unfallfolgen entweder mittels des Gesundheitserstschadens, zB bei einem Sprunggelenksbruch, der zu einer Versteifung führt, oder direkt, zB bei einer Amputationsverletzung, ein Ursachenzusammenhang nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung bestehen.
Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 9. Mai 2006 (B 2 U 1/05 R) zur Theorie der wesentlichen Bedingung insbesondere bei der Beurteilung von Unfallfolgen auf psychiatrischem Fachgebiet ausführlich Stellung genommen.
Die Theorie der wesentlichen Bedingung (dazu umfassend BSG vom 9. Mai 2006 -B 2 U 1/05 R-) beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Da Verschulden bei der Prüfung eines Versicherungsfalles in der gesetzlichen Unfallversicherung unbeachtlich ist, weil verbotswidriges Handeln einen Versicherungsfall nicht ausschließt ( § 7 Abs 2 SGB VII ), erfolgt im Sozialrecht diese Unterscheidung und Zurechnung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung. Nach dieser werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72 , 76). Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts ( BSGE 12, 242 , 245 = SozR Nr 27 zu § 542 RVO; BSG SozR Nr 6 zu § 589 RVO). Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden (BSGE 62, 220 , 222 f = SozR 2200 § 589 Nr. 10; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 75; BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 jeweils RdNr. 11). Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSGE 62, 220 , 222 f = SozR 2200 § 589 Nr. 10; BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 jeweils RdNr. 11). Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen.
Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein (vgl. BSGE 38, 127 , 129 = SozR 2200 § 548 Nr. 4; BSG SozR 4-2200 § 589 Nr. 1).
Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen.
Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (stRspr BSGE 19, 52 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; BSGE 32, 203 , 209 = SozR Nr 15 zu § 1263 aF RVO; BSGE 45, 285 , 287 = SozR 2200 § 548 Nr 38, BSGE 58, 80 , 83 = SozR 2200 § 555a Nr 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG SozR Nr 41 zu § 128 SGG; BSG SozR Nr 20 zu § 542 aF RVO; BSGE 19, 52 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 67; Schönberger/Mehrtens/Valentin aaO, Kap 1.8.2, S 119 f; Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 128 RdNr 3c). Diese Grundlagen der Theorie der wesentlichen Bedingung gelten für alle als Unfallfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen und damit auch für psychische Störungen.
Psychische Gesundheitsstörungen können nach einem Arbeitsunfall in vielfältiger Weise auftreten: Sie können unmittelbare Folge eines Schädel-Hirn-Traumas mit hirnorganischer Wesensänderung sein, sie können aber auch ohne physische Verletzungen, z.B. nach einem Banküberfall, entstehen, sie können die Folge eines erlittenen Körperschadens, z.B. einer Amputation, sein, sie können sich in Folge der Behandlung des gesundheitlichen Erstschadens erst herausbilden. Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund von ihnen ist zunächst die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörungen, die bei dem Verletzten vorliegen und seine Erwerbsfähigkeit mindern (BSG Urteil vom 29. Januar 1986 - 9b RU 56/84 - ; vgl. BSG Urteil vom 19. August 2003 - B 2 U 50/02 R -). Angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen und möglicher Schulenstreite sollte diese Feststellung nicht nur begründet sein, sondern aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen, damit die Feststellung nachvollziehbar ist (zB ICD-10 = Zehnte Revision der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO aus dem Jahre 1989, vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) ins Deutsche übertragen, herausgegeben und weiterentwickelt; DSM-IV = Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen der Amerikanischen psychiatrischen Vereinigung aus dem Jahre 1994, deutsche Bearbeitung herausgegeben von Saß/Wittchen/Zaudig, 3. Aufl 2001). Begründete Abweichungen von diesen Diagnosesystemen aufgrund ihres Alters und des zwischenzeitlichen wissenschaftlichen Fortschritts sind damit nicht ausgeschlossen.
Für die im nächsten Schritt erforderliche Beurteilung des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und den festgestellten psychischen Gesundheitsstörungen gelten die obigen allgemeinen Grundsätze. Zunächst muss also geprüft werden, welche Ursachen für die festgestellte(n) psychische(n) Gesundheitsstörung(en) nach der Bedingungstheorie gegeben sind, und dann in einem zweiten Schritt, ob die versicherte Ursache - das Unfallereignis - direkt oder mittelbar für diese Gesundheitsstörungen wesentlich im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung war. Basis dieser Beurteilung müssen zum einen der konkrete Versicherte mit seinem Unfallereignis und seinen Erkrankungen und zum anderen der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand über die Ursachenzusammenhänge zwischen Ereignissen und psychischen Gesundheitsstörungen sein. Die Feststellung des jeweils aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes mag gerade auf Gebieten, die derart in der Entwicklung begriffen sind, wie die Psychiatrie und Psychologie (vgl z.B. MedSach 2006, Heft 2, S 49 ff. zu neuen Aspekten bei der Beurteilung psychoreaktiver und neuropsychologischer Störungen) schwierig sein, ist aber für eine objektive Urteilsfindung unerlässlich.
Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG vom 26. Juni 1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG vom 19. Dezember 2001 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22. August 1989, - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die beim Kläger auf unfallchirurgischem und psychiatrischem Fachgebiet noch bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen wesentlich auf das Unfallereignis vom 21. April 1995 zurückzuführen sind und ihm ab 1. Januar 1997 daher eine Verletztenrente nach einer MdE um 80 v.H. zusteht. Insoweit hat die -ehemalige- Beklagte in ihrem Bescheid vom 25. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. April 2002 zu Unrecht die Aufhebung des Bescheids vom 6. Dezember 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. April 1997 abgelehnt, denn das Recht wurde bei Erlass der Bescheide vom 6. Dezember 1996 und 8. April 1997 nicht richtig angewandt.
Auf unfallchirurgischem Fachgebiet ist als Unfallfolge lediglich noch eine knöchern fest konsolidierte Bogenfraktur des 2. Halswirbelkörpers mit einer mäßigen Bewegungseinschränkung im Bereich der Halswirbelsäule festzustellen. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. W. vom 23. März 1996, das der Senat urkundsbeweislich verwertet. Diese Unfallfolge ist mit einer MdE in Höhe von 10 v.H. zutreffend in den angefochtenen Entscheidungen aufgeführt und bewertet worden.
Des Weiteren bestehen erhebliche Unfallfolgen auf psychiatrischem Fachgebiet. Der Kläger hat durch den Sturz als Unfallerstschaden ein gedecktes Schädel-Hirntrauma erlitten, das zwar keine Folgen auf chirurgischem Fachgebiet hinterlassen hat, in dessen Folge allerdings eine Hirnschädigung mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung bei Gedächtnis, Konzentration und Orientierung sowie eine vermehrte Reizbarkeit, rasche Erschöpfbarkeit, eine deutlich verminderte körperliche und psychische Belastbarkeit sowie eine allgemein stark verlangsamte Lebensführung als dauerhafte funktionelle Beeinträchtigung entstanden sind. Dies ergibt sich für den Senat schlüssig und nachvollziehbar aus dem Gutachten von Prof. Dr. F. im SG-Verfahren sowie dem testpsychologischen Gutachten des Diplom-Psychologen Sch., der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme von Prof. Dr. F. gegenüber dem erkennenden Senat vom 20. August 2006 sowie nicht zuletzt auch aus dem Gutachten des Diplom-Psychologen M., ebenfalls im SG-Verfahren eingeholt.
Bei einem organischen Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma handelt es sich nach der im ICD-10-GM 2007 F07.2 aufgeführten Definition um ein Syndrom, das einem Schädeltrauma folgt, das meist schwer genug ist, um zur Bewusstlosigkeit zu führen. Es besteht aus einer Reihe verschiedenartiger Symptome, wie Kopfschmerzen, Schwindel, Erschöpfung, Reizbarkeit, Schwierigkeiten bei der Konzentration und geistigen Leistungen, Gedächtnisstörungen, Schlafstörungen und verminderter Belastungsfähigkeit für Stress, emotionale Reize oder Alkohol.
An der Beurteilung der genannten Gutachter, dass der Kläger eine Hirnschädigung mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung erlitten hat, hat der Senat weder unter Berücksichtigung der Ausführungen des Prof. Dr. St. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 11. Februar 2004 noch der Ausführungen von Medizinaldirektor H. in seinem Gutachten vom 27. Oktober 1997 im Verfahren S 7 U 864/97 noch den beratungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. O. im erstinstanzlichen Verfahren sowie dem Gutachten des Dr. Sch. im Verwaltungsverfahren Zweifel.
Das Unfallereignis (Sturz aus 5 bis 7 Metern Höhe von einem Gerüst) ist nach den anzulegenden wissenschaftlichen Maßstäben generell geeignet, ein Schädel-Hirn-Trauma mit hirnorganischer Wesensänderung zu verursachen. Die Diagnose wurde sofort nach dem Unfallereignis im Durchgangsarztbericht des Dr. H. vom 5. Mai 1995 und dem Bericht des Prof. Dr. W., Chirurgische Universitäts- und Poliklinik W., vom 23. Mai 1995 aufgeführt und letztlich auch von der Beklagten im Bescheid vom 6. Dezember 1995 als Unfallfolge anerkannt.
Zur Überzeugung des Senats stehen die selbstanamnestischen Angaben des Klägers, die Prof. Dr. F. im Rahmen der Begutachtung erhoben hat, nicht im Widerspruch zur Annahme schwerer kognitiver Veränderungen.
Soweit Prof. Dr. St. in seiner Stellungnahme nach Aktenlage, also ohne persönliche Befragung des Klägers, ausgeführt hat, der Kläger sei nach Lage der Akten gegenüber Prof. Dr. F. offenbar in der Lage gewesen, detaillierte Berichte über seinen Werdegang mit korrekter Nennung aller Jahreszahlen und der chronologischen Abfolge bestimmter Ereignisse zu geben, hat Prof. Dr. F. in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Annahme unzutreffend ist. Denn schon im Gutachten selbst ist ausgeführt, dass der Kläger deutliche Unschärfen im Zeitgitter bei biographischen Daten zeigte. Auch zu seiner Alltagsgestaltung und Tagesstruktur konnte der Kläger nur bruchstückhaft bzw. oberflächlich berichten. In der persönlichen Befragung wurden letztlich auch die Schwächen bzw. Leistungseinschränkungen, die in der testpsychologischen Untersuchung jedenfalls teilweise deutlich geworden sind, nochmals bestätigt, nämlich Orientierungsprobleme (nicht nur bei Autofahrten als Beifahrer, sondern auch bei anderen Wegen außerhalb des engen häuslichen Bereichs), Angst, sozialer Rückzug, Reizbarkeit und schnelle Erschöpfung. Dass es in der schriftlichen Darstellung kaum möglich ist, entsprechende Schwierigkeiten im Rahmen der Anamneseerhebung wörtlich wiederzugeben, ohne den Probanden zu stigmatisieren, dürfte auf der Hand liegen. Aus einer - lückenlosen - schriftlichen Darstellung allerdings darauf zu schließen, der Betroffene hätte im gleichen Maß berichten können, ohne zudem die beschreibende Darstellung der psychischen Situation des Betroffenen im weiteren Verlauf des Gutachtens zu berücksichtigen, trägt der Komplexität der Fragestellung nur unzureichend Rechnung und vermochte den Senat deshalb nicht zu überzeugen.
Darüber hinaus wird auch anhand der fremdanamnestischen Angaben der Ehefrau des Klägers deutlich, dass es dem Kläger aufgrund seiner schweren kognitiven Defizite nicht gelingt, den Inhalt von Radio- oder Fernsehsendungen zu verfolgen oder den Handlungsfaden von Unterhaltungssendungen nachzuvollziehen. Ebenso wenig gelingt es ihm, Unterhaltungen mehrerer Personen, selbst ihm vertrauter Personen, zu folgen, eigenständig Telefonate zu führen, Einkäufe zuverlässig zu erledigen oder komplexere Alltagsanforderungen, die über das Spülen von Geschirr oder Staubsaugen hinausgehen, zu bewältigen. Zweifel an diesen Angaben besitzt der Senat nicht.
Zur Überzeugung des Senats beruhen die benannten Defizite auch nicht auf Aggravation oder Simulation. Dagegen sprechen nicht nur die Ergebnisse der testpsychologischen Untersuchungen, die durch die Auswahl der durchgeführten Tests sicherstellten, dass subjektiv beeinflussbare Fragestellungen durch objektive Messkriterien verifiziert wurden. Vielmehr zeigten sich z.B. Wortfindungsstörungen, kurze Aufmerksamkeitsspannen, Beeinträchtigungen der Konzentration, deutliche Verzögerungen im Antwortverhalten sowie ausgeprägte Störungen der mnestischen Funktion auch im Gespräch mit dem Begutachtenden, obwohl der Kläger erkennbar bemüht war, die an ihn gestellten Fragen zu beantworten bzw. den an ihn gerichteten Anforderungen zu genügen und sich im Kontakt zugewandt, aufmerksam und um Mitarbeit bemüht zeigte.
Soweit nach dem Gutachten des Dr. E. im Verwaltungsverfahren, das zwar eine psychomotorische Verlangsamung und eine verlangsamte affektive Modulationsfähigkeit beschrieben hat, Dr. H. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 30. Juli 1996 "psychologische Experimente" zur Verifizierung möglicher Aggravationen bzw. der objektiv bestehenden Einschränkungen vorgeschlagen hat, hat Dipl.-Psychologe M. in seinem Gutachten vom 23. August 2002 zu Recht angemerkt, dass die von Dr. H. vorgeschlagenen Testmethoden nicht mehr dem aktuellen wissenschaftlichen Stand entsprochen haben. Soweit der Gutachter Dr. Sch. unter dem 11. November 1996 ausführte, beim Kläger liege zwar eine posttraumatische Hirnleistungsschwäche vor, die aber erheblich psychisch überlagert sei, und wegen "ungenügender Kooperation" des Klägers auf eine psychologische Untersuchung verzichtete, fehlt es an der neuropsychologischen Betrachtung des Krankheitsbildes und objektiver Kriterien, die die unterstellte mangelnde Kooperation bzw. den behaupteten Alkoholmissbrauch belegen. Entsprechendes gilt für die Ausführungen in den beratungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. O. vom 26. März 1998 und 4. April 2000. Soweit Medizinaldirektor H. in seinem Gutachten vom 27. Oktober 1997 ein nur leichtes organisches Psychosyndrom beschrieb, kann dem der Senat nicht folgen. Dipl.-Psychologe M. hat vielmehr zu Recht darauf hingewiesen, dass das der Beurteilung der psychischen Leistungsfähigkeit durch Medizinaldirektor H. zugrunde liegende testpsychologische Gutachten des Dipl.-Psychologen C. daran litt, dass die Testauswahl für das zu eruierende Krankheitsbild weitgehend ungeeignet war und selbst die von Dipl.-Psychologen C. beschriebenen Gedächtnisstörungen im Hauptgutachten des Medizinaldirektors H. nur unzureichend berücksichtigt worden sind. Soweit Medizinaldirektor H. zudem darauf abgestellt hat, dass die im CT beschriebene leichte bis mäßige Atrophie des Hirns, die durch physiologische Alterungsprozesse erklärt werden könne, einen zusätzlichen -wesentlichen- unfallunabhängigen Faktor für die kognitiven und mnestischen Störungen darstelle, kann dem der Senat nicht folgen. Prof. Dr. F. hat vielmehr zutreffend darauf hingewiesen, dass die Atrophie weder zwingend im Sinne unfallunabhängiger Faktoren für die Entstehung der kognitiven Defizite noch als zwingendes Anzeichen eines Alkoholmissbrauchs und seiner Folgen interpretiert werden kann. Zudem hat sich Medizinaldirektor H. auch nicht mit der Problematik auseinander gesetzt, wie der Kläger vor dem Unfall - eine leistungsbeeinträchtigende Hirnatrophie unterstellt - in der Lage gewesen war, seine verantwortungsvolle Tätigkeit als Montagebauleiter zuverlässig zu verrichten.
Soweit Dr. Sch. ausgeführt hat, die von ihm zuvor beschriebenen Defizite seien wesentlich auf eine mangelnde Leistungsmotivation des Klägers zurückzuführen, ist mit Prof. Dr. F. darauf hinzuweisen, dass die in dem Gutachten beschriebene Lustlosigkeit, Energie- und Interesselosigkeit des Klägers nicht als unfallunabhängige, charakterlich bedingte Eigenschaften zu werten sind. Vielmehr ist es gerade Ausdruck des erlittenen Schädelhirntraumas, dass der Kläger rasch erschöpft, physisch und psychisch deutlich vermindert belastbar und seine Alltagsstruktur stark verarmt ist. Wird zusätzlich einem Verletzten, dessen funktionelle Einschränkungen sich im Wesentlichen durch eine starke Überforderung schon in allen Belangen des Alltags zeigen, im Rahmen einer testpsychologischen Untersuchung aufgrund der an ihn gestellten Anforderungen klar, dass er diese kaum erfüllen kann bzw. wird auch für den Verletzten die Überforderung rasch deutlich, ist nachvollziehbar, dass dieser schon aufgrund des mangelnden Selbstbewusstseins schnell zur vorzeitigen Aufgabe neigt oder schon von vornherein davon ausgeht, die an ihn gestellten Anforderungen ohnehin nicht erfüllen zu können. Dem Kläger fehlt es ja gerade nicht an Einsicht bezüglich seines mangelnden Durchhaltevermögens bzw. seiner mangelnden Kompetenzen. Vielmehr erkennt er seine Defizite ganz genau und versucht deshalb gerade, z.B. durch das Vermeiden von Autofahrten oder das Verlassen des häuslichen Bereichs, Stresssituationen so weit als möglich zu vermeiden.
Zusammenfassend steht deshalb auch für den Senat fest, dass die schlechten testpsychologischen Leistungen nicht Ausdruck von Simulation oder Aggravation darstellen, sondern Ausdruck der durch das Schädelhirntrauma wesentlich verursachten raschen Erschöpfbarkeit, des mangelnden Überblicks und rascher Überforderung sowie der daraus resultierenden Verhaltenshemmung sind.
Der Senat konnte sich auch nicht davon überzeugen, dass eine innere Ursache wesentlich für die beschriebenen Leistungseinschränkungen auf psychiatrischem Fachgebiet ist und daher einen Zusammenhang der bestehenden Gesundheitsstörungen mit dem Unfallereignis ausschließen könnte.
Insbesondere der von Prof. Dr. St. in den Vordergrund seiner beratungsärztlichen Stellungnahme gestellte Alkoholmissbrauch, der zuvor auch von Dr. Sch. behauptet worden ist, war im Verlaufe aller Begutachtungen suchtanamnestisch nicht verifizierbar. Schon der berufliche Werdegang des Klägers, der vor dem Unfall als Montageleiter verantwortungsvolle Tätigkeiten verrichtet hat, spricht gegen die von Dr. Sch. gedeutete "labile Persönlichkeitsstruktur", die er aus einigen Laborwerten und dem daraus geschlossenen Alkoholmissbrauch des Klägers herzuleiten versuchte. Darüber hinaus korrelieren die im neurologischen Befund von 2. Juli 2003 festgestellten Koordinationsstörungen auch mit dem im CT vom 12. August 1997 beschriebenen Kleinhirnveränderungen, die wiederum nicht zwingend durch einen Alkoholmissbrauch verursacht sind. Auch die aktenkundigen Laborwerte vor und nach dem Unfall lassen nicht zwingend auf einen Alkoholmissbrauch schließen, ebenso wenig die vom behandelnden Hausarzt Dr. V. übermittelten Arztbriefe und Befundberichte über die beim Kläger vor 1995 behandelnden Magenulcerosa. Dr. V. hat darauf hingewiesen und dies kann auch den übermittelten Laborbefunden entnommen werden, dass lediglich im Dezember 1993 kurzfristig erhöhte Werte für das Gamma-GT festgestellt worden sind. Auch im Rahmen des stationären Krankenhausaufenthalts des Klägers vom 19. Mai bis 24. Juni 1995 wurde mit einem Gamma-GT von 45 U/l völlig ein normgerechter Wert gemessen. Wie Prof. Dr. F. zutreffend ausgeführt hat, kann Ursache der - kurzzeitig - erhöhten Laborwerte auch eine internistische Erkrankung sein. Unabhängig von der Frage, wodurch mögliche Veränderungen der Leberwerte beim Kläger tatsächlich verursacht sind, ist der Nachweis für eine innere Ursache in Gestalt einer Alkoholabhängigkeit bzw. eines Alkoholabusus, die wesentlich die psychischen Leistungseinschränkungen verursacht hat, aufgrund der aktenkundigen Feststellungen nicht zu erbringen. Ist eine innere Ursache allerdings nicht feststellbar, liegt ein Arbeitsunfall vor (zuletzt BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R = BSGE 94, 269 - 273; BSG SozR 2200 § 550 Nr 35, Urteil vom 29. Februar 1984 - 2 RU 24/83 - sowie zum Dienstunfall: BVerwGE 17, 59 , 61 f).
Mit Prof. Dr. F. geht der Senat unter Berücksichtigung der im Gutachten von Prof. Dr. W. vom 23. März 1996 beschriebenen Leistungseinschränkungen von einem unverändertem Zustand seit dem Unfall aus, weshalb die Frage einer eventuellen Verschlimmerung offen bleiben konnte. Soweit in den ersten Berichten nach dem Unfall noch von einem leichten bis mittelgradigen Schweregrad des hirnorganischen Psychosyndrom ausgegangen worden ist, ist nach dem oben Dargestellten davon auszugehen, dass, wie Dr. M. und der Diplom-Psychologe Sch. zutreffend dargestellt haben, der psychische Leistungszustand des Klägers wegen der - allerdings nur vermuteten - konkurrierenden anlagebedingten bzw. alkoholbedingten psychischen Veränderungen nicht ausreichend hinterfragt bzw. ungenügend überprüft worden ist und faktisch eine unverändert starke Einschränkung der psychischen Leistungsfähigkeit seit dem Unfall besteht.
Soweit Prof. Dr. St. in seiner Stellungnahme auf den Arztbrief von Dr. K. vom 7. August 1995 verweist, wonach die Lernfähigkeit des Klägers nur leicht beeinträchtigt sei und das Langzeitgedächtnis im Normbereich liege, vermag dies den Senat nicht davon zu überzeugen, dass im Gesundheitszustand des Klägers seit dem Unfall eine (unfallfremde) Verschlimmerung eingetreten ist. Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung insoweit den überzeugenden und schlüssigen Argumenten des SG in seiner Entscheidung (S. 18 und 19 der Entscheidungsgründe) an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen darauf (§ 153 Abs. 2 SGG).
Da somit die funktionellen Einschränkungen des Klägers auf psychischem Fachgebiet wesentlich durch den Arbeitsunfall vom 21. April 1995 bedingt sind, sind in die Feststellung der MdE die festgestellten Störungen auf psychiatrischem Fachgebiet in vollem Umfang einzustellen.
Das Sozialgericht geht im angefochtenen Urteil zutreffend weiter davon aus, dass als Folgen des Unfalls Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen vorliegen. Diese sind in dem neurootologischen Gutachten des Dr. SCH. beschrieben und von Prof. Dr. F. in seinem Gutachten bestätigt worden. Dass der Kläger über Schwindelbeschwerden klagte, ergibt sich aus mehreren ärztlichen Berichten aus dem Jahre 1995. Diese sind als Unfallfolgen im Bescheid vom 6. Dezember 1996 auch anerkannt ("geringe Störungen der Koordination").
Der Senat hat aufgrund der überzeugenden Gutachten von Prof. Dr. F. und Dipl. Psych. Sch. keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen gesehen, weshalb er dem Hilfsantrag der Beklagten nicht nachgekommen ist.
Nach Erfahrungswerten beträgt die MdE bei Hirnschäden mit Leistungsbeeinträchtigung geringen Grades 10 bis 20 v.H., mittelschweren Grades 30 bis 50 v.H., bei Leistungseinschränkungen schweren bis schwersten Grades 60 bis 100 v.H. bzw. bei einer Hirnschädigung mit organisch-psychischen Störungen (Hirnleistungsschwäche und organische Wesensänderung) leichter Art 20 bis 40 v.H., mittelgradigen Ausmaßes 40 bis 50 v.H. und schweren Ausmaßes 60 bis 100 v.H. (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 275; Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 11. Auflage, S. 146 f).
Nach Maßgabe dieser Kriterien hält der Senat die von Prof. Dr. F. in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 20. August 2006 vorgeschlagene MdE um 80 v.H., wie sie auch das SG in der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, für zutreffend und angemessen. Die Feststellung des Mittelwertes zwischen 60 und 100 stützt sich darauf, dass die fluide Intelligenz des Klägers bei der neuropsychologischen Untersuchung durch den Dipl.-Psychologen Sch. am 19. August 2003 - gemessen am Regelerkennen - noch durchschnittlich war und die Allgemeinbildung sowie der Abruf allgemeinen Wissens aus dem Langzeitgedächtnis zwar an der unteren Durchschnittsgrenze gelegen hatten, aber ebenfalls noch abrufbar waren. Die geistigen Funktionen sind entsprechend der Schwere der psychischen Störungen daher zwar stark eingeschränkt aber noch partiell abruf- und einsetzbar, so dass eine MdE im mittleren Bereich des zur Verfügung stehenden Rahmens angezeigt ist. Wegen der weiteren Begründung verweist der Senat auch insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG auf Seite 29 der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG).
Der Senat kann nach alldem offen lassen, ob die vom Bevollmächtigten des Klägers im Hinblick auf § 200 SGB VII geäußerten Bedenken bezüglich der Einschaltung eines Beratungsarztes durch die Beklagte gerechtfertigt sind. Denn weder das SG noch der erkennende Senat haben sich auf die von den Beratungsärzten geäußerten Auffassungen gestützt, so dass sich selbst ein Verstoß gegen die genannten Bestimmungen nicht auf die gerichtlichen Entscheidungen ausgewirkt hat.
Die Unfallfolgen auf chirurgischem Fachgebiet, die mit einer MdE um 10 v.H. zu bemessen sind, ebenfalls wie die Schwindelbeschwerden des Klägers, sind nicht geeignet, eine höhere Gesamt-MdE zu begründen, da sie in ihrer Schwere deutlich hinter die funktionellen psychischen Einschränkungen treten und für die Gesamtleistungsfähigkeit ohne wesentliche Bedeutung sind.
Der Kläger hat wegen der Vierjahresfrist des § 44 Abs. 4 SGB X, gerechnet ab der Antragstellung am 12. Februar 2001, jedoch keinen Anspruch auf die Zahlung einer höheren Rente für die Zeit vor dem 1. Januar 1997. Insoweit war das Urteil des SG, das die Beklagte zu einer Nachzahlung für die Zeit vom 23. Dezember 1995 bis 31. Dezember 1996 verurteilte, auf die Berufung der Beklagten abzuändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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